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Inseln

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
DuMont Buchverlag GmbHerschienen am12.03.20211. Auflage
Inseln üben seit jeher eine besondere Faszination und Anziehung auf uns aus. Sie können Orte der Ruhe und Entspannung sein. Heilige oder heilende Orte. Isolation im besten oder schlechtesten Sinne. Wir verbinden sie mit berühmten Entdeckern wie Charles Darwin oder Christoph Kolumbus und durch Romane wie >Robinson CrusoeDie SchatzinselInseln. Die Kartierung einer SehnsuchtAdventures in Human BeingEmpire Antarctica<, das 2013 auf Deutsch erschienen ist.mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextInseln üben seit jeher eine besondere Faszination und Anziehung auf uns aus. Sie können Orte der Ruhe und Entspannung sein. Heilige oder heilende Orte. Isolation im besten oder schlechtesten Sinne. Wir verbinden sie mit berühmten Entdeckern wie Charles Darwin oder Christoph Kolumbus und durch Romane wie >Robinson CrusoeDie SchatzinselInseln. Die Kartierung einer SehnsuchtAdventures in Human BeingEmpire Antarctica<, das 2013 auf Deutsch erschienen ist.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783832170943
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum12.03.2021
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse11624 Kbytes
Artikel-Nr.5450442
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

VEREHRUNG - VERWANDLUNG

ALS ICH ZUM ERSTEN MAL auf Unst war, zeltete ich auf der nördlichsten Klippe, umgeben von den Höhlen der Papageientaucher, und mein Zelt wurde die ganze kurze Nacht über von den Stroboskop-Strahlen des Stevenson-Leuchtturms abgetastet. Auf den Felsen unter mir stellten sich Kormorane in einer Reihe auf, als lauschten sie der Predigt des Wetters. Papageientaucher auf dem Rückweg zu ihren Höhlen wuselten um meine Füße herum. Der Horizont erstreckte sich zum Nördlichen Eismeer, schattiert in subtilen Schichten von Blau bis Scharlachrot, und die Felsen erblühten in kleinen weißen Trompeten aus Klippen-Leimkraut und in Purpur-Rosetten aus Grasnelken. Es gab keine anderen Blumen: Diese beiden Arten schienen unvergleichlich gut an die Schroffheit der Nordatlantikküste angepasst zu sein.

Vor etwa tausendfünfhundert Jahren erkundete ein irischer Mönch namens Brendan die Archipele im Norden und Westen der Insel Britannien - sein mündlicher Bericht überlebte in Form eines lateinischen Textes, der auf das 9. Jahrhundert datiert wird, der Navigatio Sancti Brendani Abbatis. Die Navigatio beschreibt, wie Brendan und seine Gefährten ihr Lederboot an den Strand einer Insel ziehen, die mit weißen und purpurroten Blütenteppichen überzogen ist. Weiß, erklärt der Erzähler, stehe für Unschuld; Purpur dagegen, mit seinen Anklängen an päpstliche, kaiserliche und byzantinische Macht, vertrete die Reife.

Brendans Insel ist die Heimat einer klösterlichen Gemeinschaft, deren Mitglieder sich je nach Alter in Weiß oder Purpur kleiden. Brendan tauft sie Insel der standhaften Männer. Einer seiner Gefährten entscheidet sich dazu, die Reise aufzugeben, und schließt sich mit Brendans Segen den Mönchen an.

Inseln können als Versuchsgelände für die Jugend, als Auslöser von Verwandlungsprozessen oder als Geburtshelfer für menschliche Reife dienen. In ihrem Essay über Virginia Woolfs Roman Die Fahrt zum Leuchtturm schreibt Helen Dunmore: Im Alter von sechs Jahren hasst James seinen Vater ebenso sehr, wie er seine Mutter liebt. Nur eine mit dem Schürhaken geschlagene Platzwunde oder ein Messerstich in Mr. Ramsays Herz könnte James rasende Demütigung lindern. James nährt seinen Hass ein Jahrzehnt lang, und als die Fahrt zum Leuchtturm endlich stattfindet, scheint es, als würde er die Chance bekommen, sich mit seinem Vater zu messen.

Woolfs erdachter Leuchtturm lag vor der Insel Skye, war aber inspiriert von dem Leuchtfeuer auf Godrevy Island, einer kleinen Insel direkt vor der Nordküste Cornwalls und in Sichtweite des Ferienhauses ihrer Kindheit. Dort in Cornwall könnte sie zum ersten Mal Daniel Defoes Roman Robinson Crusoe gelesen haben, über den sie schrieb: Zu graben, zu backen, zu pflanzen, zu bauen - wie ernst diese einfachen Tätigkeiten sind; Beile, Scheren, Holzklötze, Äxte - wie schön diese einfachen Gegenstände werden.

Liegt darin der Wert von Inseln: dass sie vereinfachen?

In seinen Letters from Iceland schrieb Louis MacNeice über die Heiterkeit, die er darüber empfand, nach Norden gelangt zu sein - dem entkommen zu sein, was er als die »brutalen Uhren« des Südens betrachtete, der Übersättigung an Büchern, Kissen und schreienden Zeitungsjungen. In der klösterlichen Abgeschiedenheit von Island hoffte er auf eine gewisse Befreiung von plötzlichen Attacken von Sex und dem Verlangen, Bedeutung aus dem Fluss vorüberziehender Menschen zu ziehen.

Bedeutung aus dem Fluss vorüberziehender Menschen zu ziehen, ist eine passende Zusammenfassung der Freuden des Arztberufes. William Carlos Williams beschrieb das Vergnügen, das es ihm bereitete, durch die Medizin eng mit den Leben anderer Menschen verbunden zu sein. Hat der Mensch mich denn nicht interessiert?, fragte er. Da war es doch, dieses Ding, unmittelbar vor meinen Augen.

Der französische Schriftsteller, Abenteurer und Résistance-Kämpfer André Malraux zitiert in seinen Anti-Memoiren einen Priester, der beschreibt, was er aus dem jahrzehntelangen Hören der Beichte gelernt hat (eine Einschätzung, die ebenso gut ein Arzt äußern könnte).

»Zunächst einmal: die Leute sind sehr viel unglücklicher, als man denkt â¦ Und dann â¦« Er hob seine Holzfällerarme in die Nacht empor, die voll von Sternen war: »Und dann, die Quintessenz von allem ist, daß es keinen Menschen gibt, der erwachsen wäre â¦«

Ein Mentor, für den ich einst im schottischen Hochland arbeitete, sagte zu mir: »Um auf einer Insel zu arbeiten, musst du keine besondere Art von Arzt sein - einfach nur ein sehr guter.«

Donald Winnicott glaubte, es sei wichtig, dass wir ein Gefühl von Isoliertheit kultivieren, um das Testgelände der Pubertät zu durchqueren und dabei jene Elemente unseres kindlichen Ichs einzuäschern, die wir unbedingt loswerden müssen, aber andere Elemente zu stabilen erwachsenen Identitäten einzubrennen. In einer Welt, in der jeder Heranwachsende ein Smartphone besitzt, ist allerdings unklar, was Winnicotts Gefühl der Isoliertheit bedeuten könnte.

Inzwischen arbeite ich selten in Krankenhäusern; ein Großteil meiner ärztlichen Arbeit findet in einer kleinen Gemeinschaftspraxis nicht weit vom Stadtzentrum von Edinburgh statt. Im gleichen Maße, wie im Lauf der letzten zehn Jahre die Online-Vernetzung zugenommen hat, stieg auch die Zahl der Heranwachsenden, bei denen ich pathologische Angstzustände feststellte. Empirische Untersuchungen zur Nutzung sozialer Medien zeigen immer deutlicher, dass eine zu starke Verbundenheit mit dem Leben anderer auch Risiken birgt.

Die glücklichsten Kindheitserinnerungen des Dichters William Butler Yeats waren jene an die Sommer, die er auf einer kleinen Insel in einem See der irischen Grafschaft Sligo verbracht hatte. Als junger Mann durchstreifte er dann die Straßen von London, und seine Rückkehrfantasien inspirierten ihn zu seinem vielgepriesenen Gedicht »Die Seeinsel Innisfree«.

Aufmachen will ich mich und gehn, und gehn nach Innisfree, schrieb er. Dort werd ich Frieden finden, denn Frieden sinkt leise ein.


Ich hegte immer noch den Ehrgeiz meiner Jünglingsjahre in Sligo, Thoreau nachzueifern und auf Innisfree zu leben, einer kleinen Insel im Gill-See, und als ich heimwehkrank durch Fleet Street ging, hörte ich Wasser plätschern und sah in einem Schaufenster einen Springbrunnen, der auf seinem Strahl einen kleinen Ball balancierte, und ich musste an Seewasser denken.

W. B. YEATS


Als ich zehn war, bekam ich zu Weihnachten ein Buch mit Gemälden und Zeichnungen von der Isle of May: One Man s Island von Keith Brockie. Es begann mit einer Luftaufnahme von May, an deren Oberkante man die Küste von Fife gerade noch erkennen konnte, daneben eine künstlerische Wiedergabe des gleichen Fotos, auf der alle Landschaftsnamen sorgfältig mit Bleistift verzeichnet waren. Ich las die Namen wieder und wieder: North Ness und Altarstanes, Tarbet Hole und Maiden Hair.

Das Buch war in vier thematische Blöcke gegliedert: Brütende Vögel, Andere Wildtiere, Zugvögel und Kegelrobben. Das Kapitel über Zugvögel schlug ich am häufigsten auf und blätterte aufwendig ausgeführte Zeichnungen von Vögeln durch, die ich noch nie gesehen hatte; Brockie hatte sie mit Japannetzen und Helgoländer Trichterreusen gefangen. Thorshühnchen, Blaukehlchen, Rotschwänzchen, Wendehals, Wacholderdrossel, Regenbrachvogel, Wintergoldhähnchen: Namen wie Zauberformeln, deren verführerische Exotik untrennbar mit ihrer Inselherkunft verbunden war. Brockie fand ein totes Paar Wintergoldhähnchen und zeichnete die beiden Tiere Seite an Seite. Leider fallen viele der Erschöpfung, dem Regen und dem kalten Wind zum Opfer, schrieb er in winzigen, spinnenbeinigen Buchstaben neben die Vögel.

In Lerwick auf den Shetlandinseln kehrte ich auf der Rückreise von Unst in einem Pub ein, der nach Ultima Thule benannt war - jener Insel, die sich die Griechen als eine Art Satzzeichen am Ende der Welt vorstellten; im örtlichen Museum schaute ich die Andenken durch, die Walfänger von den Shetlandinseln an der Längsachse des Atlantiks, von Arktis bis Antarktis, gesammelt hatten. Eine Seekarte mit ihren Routen sah aus wie eine vielfach verbundene Fadenspielfigur.

Der amerikanische Seemann Joshua Slocum überquerte den Atlantik während seiner berühmten Erdumsegelung zwischen 1895 und 1898 drei Mal. Über die Azoren schrieb er: Inselbewohner sind immer besonders freundliche Menschen, doch nettere als hier traf ich nirgendwo. [â¦] Die Steuern lasten schwer auf ihnen - ungefähr das einzige nicht Besteuerte ist die Luft, die sie atmen.

Seine Botschaft? Das Inselleben hat seinen Preis.

Robert Louis Stevensons Liebe zu Inseln könnte auf den Shetlands erwacht sein. Er starb auf der Insel Upolu, die zu Samoa gehört, fern von seiner Heimatstadt Edinburgh, gegen die er eine Abneigung entwickelt hatte. Er war erst vierundvierzig.

Indem er sich nach Samoa absetzte, weit weg von den anstrengenden Literaturszenen von London und New York, stillte Stevenson sein Bedürfnis nach einer Rückkehr zur Einfachheit. Yeats hatte davon geträumt, Bohnenreihen auf Innisfree zu pflanzen; Stevenson verbrachte einen Großteil seiner Zeit auf Upolu...
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