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Die Stille des Meeres

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am26.05.20212. Auflage
Farouks Leben ist am Ende, weil er verloren hat, was ihm am meisten bedeutete. Lampys Leben sollte gerade so richtig anfangen, doch dann ließ ihn seine große Liebe Chloé einfach stehen. John hat sein Leben lang andere betrogen und hofft nun verzweifelt auf Gottes Vergebung. In einer kleinen Stadt in Irland werden diese drei Männer sich auf unwahrscheinliche Weise begegnen. Mit fatalen Folgen.

Donal Ryan, geboren 1976 in Nenagh, Tipperary, studierte Bauingenieurwesen und Jura und unterrichtet Creative Writing an der Universität von Limerick. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Castletroy, Limerick. Seine Romane ?Die Gesichter der Wahrheit? und ?Die Stille des Meeres? waren auf der Longlist des Man Booker Prize.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextFarouks Leben ist am Ende, weil er verloren hat, was ihm am meisten bedeutete. Lampys Leben sollte gerade so richtig anfangen, doch dann ließ ihn seine große Liebe Chloé einfach stehen. John hat sein Leben lang andere betrogen und hofft nun verzweifelt auf Gottes Vergebung. In einer kleinen Stadt in Irland werden diese drei Männer sich auf unwahrscheinliche Weise begegnen. Mit fatalen Folgen.

Donal Ryan, geboren 1976 in Nenagh, Tipperary, studierte Bauingenieurwesen und Jura und unterrichtet Creative Writing an der Universität von Limerick. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Castletroy, Limerick. Seine Romane ?Die Gesichter der Wahrheit? und ?Die Stille des Meeres? waren auf der Longlist des Man Booker Prize.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257611731
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum26.05.2021
Auflage2. Auflage
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse990 Kbytes
Artikel-Nr.5450471
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Das Schiff ankerte weit draußen auf dem Meer, mit bloßem Auge kaum noch zu erkennen. Die Barkasse lag tief im Wasser, aber sie lief geschmeidig, krängte und stampfâte nicht, sondern rollte nur sanft in der seichten Dünung. Die Hand seiner Tochter ruhte entspannt auf seinem Arm, nicht ängstlich verkrampft. Auch Marthas Hand auf seinem Unterarm entspannte sich allmählich, sie wandte ihr verschleiertes Gesicht der Sonne zu und summte, während sie über das Wasser glitten, und ihr Summen vermischte sich mit dem Knattern des Dieselmotors, was ihm ein wenig von seiner Hässlichkeit nahm. Farouk sah, wie ihr Kurs die langgezogene Spiegelung der Sonne durchschnitt, und neben dem Salz lag eine Süße in der Luft. Die anderen Menschen an Bord schwiegen, aber sie wirkten zufrieden. Männer legten die Füße auf Lederkoffer, Frauen lächelten einander schüchtern an, und in ihm breitete sich eine Ruhe aus, die er seit Wochen, vielleicht Monaten, nicht gespürt hatte, seit sie begonnen hatten, ihre Flucht zu planen. Der Bootsführer wirkte jung, aber er füllte seinen Platz im Bug mit Autorität aus, seine Bewegungen waren von einer geübten Sicherheit, und es lag eine Nonchalance darin, wie sein Blick den Horizont absuchte und er mit dem Steuerrad den Wellengang ausglich, damit sie so ruhig wie möglich im Wasser lagen, und nun fiel Farouk auf, dass alle anderen Passagiere ebenfalls gut gekleidet und seriös aussahen, also hatte der Schleuser ihm wohl tatsächlich keine Lügenmärchen aufgetischt, als er sagte, die Überfahrt werde angenehm, das Schiff, auf dem sie segeln würden, sei erstklassig, die Crew bestehe aus erfahrenen Profis, seine Mitpassagiere seien Männer wie er selbst, Männer mit Berufen, mit guten Frauen und wohlerzogenen Kindern, und es werde kein Gesindel an Bord geben, und in Farouk machte sich ein gewisser Stolz breit, weil er zu den Männern gehörte, die ihrer Familie die Flucht ermöglichen konnten, die das nötige Kleingeld hatten, um sie in den Westen zu bringen und ihnen dort ein Leben aufzubauen, ein neues, ein besseres, eines ohne Angst. Er schaute seine Frau von der Seite an und rührte sich, damit sie ihn ansah, und als sie ihm das Gesicht zuwandte, wusste er, dass er das Richtige getan hatte und sie ihn für einen fähigen Mann hielt, einen starken Ehemann und Vater, ihren Retter, und dass ihr klar war, dass er ihr Gespräch mit dem Schleuser in der Küche nur erlaubt hatte, um ihre Nerven zu beruhigen, dass er ihr damit einen Gefallen getan hatte. Er nahm einen tiefen Atemzug von der frischen Meeresluft und lächelte.

Das kann doch nicht das richtige Schiff sein, hörte er jemanden sagen. Es kam Bewegung im Bug auf, und Farouk stellte sich hin, um besser sehen zu können. Der Bootsführer beugte sich von seiner kleinen Brücke herunter und antwortete dem Sprecher mit hastigen Worten, die Sonne spiegelte sich in seiner Sonnenbrille, so dass Farouk seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte, nicht sagen konnte, ob er wütend war, aber der Mann, der gesprochen hatte, zeigte drohend mit dem Finger auf die Brust des Bootsführers, und in der rechten Hand hielt er ein kleines Fernglas, durch das er das ankernde Boot gesehen haben musste, und Farouk blinzelte in die Sonne und hielt sich die Hand schützend über die Augen und sah, wie klein das Boot auf dem Wasser wirkte und dass es nur einen Mast hatte und aus Holz zu sein schien und überhaupt ganz anders war, als der Schleuser es ihnen beschrieben hatte, und da wurde ihm klar, warum sie mit der Barkasse am Ufer abgeholt worden waren: Man konnte nicht riskieren, dass das Schiff vom Festland aus begutachtet wurde, wo die Menschen noch die Möglichkeit hatten, umzukehren und sich auf den Rückweg nach Hause zu machen. Farouk schaute zu Martha hinunter und sah, dass sie ihren Schleier abgenommen hatte und ihn anlächelte, und seine Tochter fragte, ob sie bald da seien, ihr sei ein bisschen schlecht, und ob das große Boot auch so schaukeln würde und ob sie mit dem Mädchen da vorne spielen dürfe, das bei seiner Mama und seinem Papa und seinen Brüdern saß, und jetzt sah Farouk, dass der Bootsführer eine Waffe in der Hand hielt, ein kurzes Gewehr, dessen Gurt um seinen Nacken geschlungen war und dessen Lauf nach unten zeigte, vielleicht war es schon die ganze Zeit dagewesen, und er hatte es nur nicht bemerkt, jedenfalls verstummte der Mann, der sich beschwert hatte, und setzte sich langsam wieder hin, behielt den glänzenden Gewehrlauf im Blick, und Farouk sah einen pechschwarzen Seevogel vor der Sonne flattern und herumwirbeln, hinabstürzen und mit angelegten Flügeln in die Wellen eintauchen, und plötzlich war er außer Atem, als wäre er gerannt, und er setzte sich wieder und sagte: Natürlich, mein Schätzchen, natürlich darfst du das.

Es gab nichts mehr, das er hätte tun können. Er dachte zurück an alles, was der Schleuser gesagt hatte, an die etwas zu hastig beantworteten Fragen, an das schwarze Stoffsäckchen mit den Zugbändern, in das er das gezählte Geld steckte, wie entschieden er die Bänder festzog, und an die Erleichterung, die er, Farouk, verspürte, als der Handel besiegelt war, das ungekannte Kribbeln im Bauch bei der Aussicht auf ihr Abenteuer, nun jedoch brannte es in seinem Magen bei dem Gedanken daran, wie er sich im Bug einer glänzenden, die Wasseroberfläche sauber durchschneidenden Jacht gesehen hatte, ihre Geschmeidigkeit und Eleganz bewundernd, und Martha an seiner Seite, die sagte: Ach, ist das schön, so schön! Und jetzt dockten sie hier auf dem wogenden Meer an einen maroden Holzkahn an, und der Bootsführer befahl ihnen, die Rettungswesten auszuziehen, die gehörten zur Barkasse, sie bekämen von der Crew an Bord neue. Er hielt die beiden Boote parallel, indem er sie mit einem uralt aussehenden Seil lose vertäute und einen Griff an der Steuerbordseite des Holzboots umfasste, und jetzt packte er eine Frau am Arm, die gerade auf die unterste Stufe einer am Deck des Holzboots befestigten Leiter stieg und ihrem Mann zurief, sie habe Angst, es schaukle zu sehr, sie wolle nach Hause, das habe doch alles keinen Zweck, aber ihr Mann schob sie von hinten grob hinauf; an einem Band um seinen Hals baumelte das Fernglas.

Farouk half seiner Frau und seiner Tochter die Leiter hinauf, und Martha legte die Hände auf die Schultern ihrer Tochter, als diese den Mast und den davon abstehenden nackten Baum bestaunte, der Mast ragte aus der Mitte des Decks in die Höhe, dann lächelte Amira das kleine Mädchen an, das sie auf der Barkasse gesehen hatte und das jetzt halb in den Rockschößen seiner Mutter verborgen war, und hielt ihm ihre Puppe entgegen, und da wurde Farouk klar, dass sie überhaupt keine Angst hatte, dass es einem so geliebten und behüteten Kind gar nicht in den Sinn gekommen wäre, sich in Gefahr zu wähnen, wenn Vater und Mutter in der Nähe waren, dass sie ihnen bedingungslos und blind vertraute, dass ihre Liebe vollkommen war. Zum Glück war seine Frau stark und verbarg ihre bröckelnde Zuversicht: Sie hatte Todesangst vor dem Meer und von Menschen gelesen, die in der Vergangenheit geflohen waren und Unsummen bezahlt hatten, die in Schlauchboote gepfercht worden waren wie Sardinen und deren Boote Luft verloren hatten und mit allen Seelen an Bord gesunken waren. Sie hatte seine Einschätzung hingenommen, dass die Menschen, mit denen sie sich einließen, vertrauenswürdig waren und sie in Sicherheit bringen würden, dass sie nicht wagen würden, Leute wie sie in Gefahr zu bringen, dass es fast so etwas wie eine Vergnügungsfahrt werden würde, dass die Unterlagen, die sie erhalten hatten, zusammen mit ihren Referenzen dafür sorgen würden, dass man sie nach einem kurzen Aufenthalt auf einer kleinen Insel aufs europäische Festland bringen würde, in irgendein Land, in dem Ärztemangel herrschte, und das war doch heutzutage eigentlich jedes Land.

Als schließlich niemand mehr auf der Barkasse war und die kleine Gruppe unsicher auf dem Holzdeck stand, begab sich der Mann, der sich beschwert hatte, an eine Untersuchung ihres Gefährts. Er lief nach achtern, rüttelte an der Reling und lehnte sich so weit darüber, dass Farouk schon glaubte, er werde ins Wasser fallen. Sein Hintern war so ausladend wie sein Bauch, und die Reling bog sich unter dem Gewicht, anschließend nahm er das Fernglas, hielt es sich vor die Augen und suchte den Horizont ab, Farouk konnte sich nicht vorstellen, wozu das gut sein sollte, dann kniete der Mann sich hin, als wollte er beten, legte jedoch stattdessen ein Ohr an die Deckplanken, klopfâte das Holz ab und lauschte, als horchte er auf Antwort, auf irgendetwas im Widerklang seines Klopfens, das die Seetüchtigkeit des Boots oder das Gegenteil beweisen würde. Anschließend erhob er sich langsam und schritt zwischen seinen Mitpassagieren hindurch, die schweigend eine Gasse bildeten, auf die Treppe zur Brücke zu, die mit einer Kette abgehängt war, und als er gerade ein dickes Bein heben wollte, um die Absperrung zu übersteigen, rief der Bootsführer von seinem Bug aus: Der Captain und seine Crew dürfen nicht gestört werden. Die schlafen. Und damit fing er an, das Gepäck, das mittig auf seinem kleinen Boot gestapelt war, zu ihnen hinaufzuwerfen, und der Mann, der sich beschwert hatte, lehnte sich protestierend über die Steuerbordreling, aber der andere reagierte nicht, ließ sich nicht aus dem Takt bringen, bückte sich, packte einen Koffer oder eine Tasche und warf sie den Passagieren zu, eine blieb an der Reling hängen, fiel platschend ins Meer und sank wie ein Stein, und jemand heulte auf wie ein Kleinkind, und Farouk sah, dass es tatsächlich ein Kind war, es war das Mädchen, das seine Tochter angelächelt hatte, und die Mutter zog es still weinend von der Reling weg und sagte:...
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Autor

Donal Ryan, geboren 1976 in Nenagh, Tipperary, studierte Bauingenieurwesen und Jura und unterrichtet Creative Writing an der Universität von Limerick. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Castletroy, Limerick. Seine Romane >Die Gesichter der WahrheitDie Stille des Meeres