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Einband grossTrümmerland
ISBN/GTIN

Trümmerland

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am01.04.20211. Auflage
Ein junges Mädchen und ihr Kampf ums Überleben.

Im Ruhrgebiet 1946. Der Krieg ist zu Ende, der Kampf ums Überleben noch lange nicht. Bei der Suche nach Trümmerholz stößt die zwölfjährige Hella an einer Zeche auf einen Sterbenden. Sie drückt ihm die Augen zu und nimmt als Gegenleistung seinen Mantel an sich, um ihn auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Doch eingenäht im Futter finden sich kostbare Bezugsscheine für Butter. Martha, Hellas Mutter, und Edith, eine Frau, die man bei ihnen einquartiert hat, wollen die Gelegenheit nutzen, in einen gewinnbringenden Tauschhandel einzusteigen, doch sie ahnen nicht, worauf sie sich einlassen. Bald ist ihnen nicht nur die Polizei auf den Fersen, sondern auch gefährliche Schwarzmarkthändler lauern ihnen auf ...

So packend wie authentisch - eine eindringliche Schilderung des Lebens in der Nachkriegszeit.


Sabine Hofmann wurde 1964 in Bochum geboren und studierte Romanistik und Germanistik. Gemeinsam mit Rosa Ribas schrieb sie drei Kriminalromane über die Nachkriegszeit im Spanien. Zurzeit fasziniert sie die Beschäftigung mit der deutschen Nachkriegszeit als Bodensatz ihrer Kindheitserinnerungen - der Geschichten und Erlebnisse von Eltern, Großeltern, die ihre eigene Kindheit prägten. Sie lebt mit Mann, Kind und Kater in Erbach im Odenwald.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin junges Mädchen und ihr Kampf ums Überleben.

Im Ruhrgebiet 1946. Der Krieg ist zu Ende, der Kampf ums Überleben noch lange nicht. Bei der Suche nach Trümmerholz stößt die zwölfjährige Hella an einer Zeche auf einen Sterbenden. Sie drückt ihm die Augen zu und nimmt als Gegenleistung seinen Mantel an sich, um ihn auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Doch eingenäht im Futter finden sich kostbare Bezugsscheine für Butter. Martha, Hellas Mutter, und Edith, eine Frau, die man bei ihnen einquartiert hat, wollen die Gelegenheit nutzen, in einen gewinnbringenden Tauschhandel einzusteigen, doch sie ahnen nicht, worauf sie sich einlassen. Bald ist ihnen nicht nur die Polizei auf den Fersen, sondern auch gefährliche Schwarzmarkthändler lauern ihnen auf ...

So packend wie authentisch - eine eindringliche Schilderung des Lebens in der Nachkriegszeit.


Sabine Hofmann wurde 1964 in Bochum geboren und studierte Romanistik und Germanistik. Gemeinsam mit Rosa Ribas schrieb sie drei Kriminalromane über die Nachkriegszeit im Spanien. Zurzeit fasziniert sie die Beschäftigung mit der deutschen Nachkriegszeit als Bodensatz ihrer Kindheitserinnerungen - der Geschichten und Erlebnisse von Eltern, Großeltern, die ihre eigene Kindheit prägten. Sie lebt mit Mann, Kind und Kater in Erbach im Odenwald.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841226976
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.04.2021
Auflage1. Auflage
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse866 Kbytes
Artikel-Nr.5453459
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Freitag, 9. März 1946


Wenigstens ließ sich heute der Mond blicken. Fett, rund und silbern pappte er am Himmel über dem abgeknickten Gerüst des Förderturms und beleuchtete das Zechengelände. Das Förderrad hing schon seit dem ersten Bombenangriff auf halb acht, vor dem milchigen Himmel sah es aus wie ausgestanzt. Die oberen Fenster im Verwaltungsgebäude waren scharf geränderte, helle Löcher, weil Dach und Rückwand weg waren und der Mond direkt durch die Fensteröffnungen schien.

Der helle Schein war günstig. Das Trümmerfeld und der Pfad zwischen den Schuttbergen waren bestens zu sehen. Die Schatten dagegen waren kohlrabenschwarz. Das war auch günstig, so konnte ihn niemand entdecken, wie er da in seinem Versteck in der dicksten Schwärze hockte. Von dem Schuppen war auch nur noch die Hälfte übrig, aber in dem Winkel zwischen den letzten beiden Mauern war er für jeden unsichtbar, der den Pfad entlangkam.

Der Vollmond erinnerte ihn immer an das Zweimarkstück, das er von seinem Großvater zu jedem Geburtstag bekommen hatte. Früher, als er noch klein war. Ein silbriges Geldstück mit dem Bild eines alten pausbäckigen Mannes auf der Rückseite.

»Lass doch den Hindenburg, den ollen Döskopp, der hat uns den ganzen Schlamassel eingebrockt«, hatte die Großmutter jedes Mal geknurrt, wenn er das Geldstück drehte und wendete, damit es im Licht der Lampe blinkte. Dabei hatte sie das Gesicht in tausend Falten verzogen, dass es aussah wie ein Stück zerknülltes Butterbrotpapier, und gesagt, dass das Kroppzeug, das heute regierte, noch viel schlimmer wäre, und der Großvater hatte gesagt, dass sie still sein solle, wegen der Nachbarn.

Die Großeltern hatte es bei einem Luftangriff erwischt. Luftmine, Volltreffer. Aus die Maus. Nach der Entwarnung war er mit seiner Mutter und seiner Schwester aus dem Luftschutzkeller gekommen. Sie freuten sich, dass die Häuser in ihrer Straße alle noch standen. Aber das Viertel am Güterbahnhof, wo die Großeltern wohnten, hatte einiges abbekommen. »Die ham ihre Bomben auf die Bahngleise geschmissen«, erklärte ein Nachbar. »Is aber ´ne ganze Menge danebengegangen.«

Seine Mutter packte ihn und seine kleine Schwester, und sie liefen los, die Mutter vorneweg, Emil knapp neben ihr. Die Kleine zerrte sie an der Hand den ganzen Weg über hinter sich her. Sie hetzten in einem Affenzahn durch die Stadt, überall waren Leute unterwegs. Viele von ihnen rannten auch, weil sie nach jemandem suchten oder weg von den einstürzenden Häusern und den Feuern wollten, die an vielen Stellen noch loderten. In manchen Straßen sah es aus wie in einem Möbelgeschäft. Die Leute hatten Matratzen und Stühle aus ihren brennenden Häusern geholt und auf der Straße abgestellt. Ein älterer Mann saß im Schlafanzug in einem grünen Ohrensessel neben den Straßenbahnschienen in der Bongardstraße und schaute sich mit weit aufgerissenen Augen die kaputte Stadt an. »Kann doch allet nich´ wahr sein«, murmelte er.

In der Rottstraße war das Gemisch aus Rauch und Mörtelstaub so dicht, dass das Atmen wehtat und sie kaum was sahen. Dafür war der Krach umso lauter. Das Martinshorn des Rettungswagens, Leute, die sich etwas zuriefen, eine alte Frau, die direkt neben ihnen irgendwas auf Polnisch betete. Zumindest hörte es sich so an wie ein Gebet, leiernd und immer wieder dasselbe.

Da, wo das Haus der Großeltern gestanden hatte, war nur noch ein Trümmerhaufen. Die vordere Seite des Hauses war weggerissen, Mauern und Balken waren hinuntergekracht, aber die Rückwand des Hauses stand noch. Im ersten Stock konnte er die Wohnzimmertapete mit den braun-beigen Blumen und sogar das Foto von Opas Fußballmannschaft sehen, als ein Windstoß für einen Augenblick den Staub und den Rauch wegblies.

Die Großeltern waren nicht aufzufinden. Die Mutter fragte die Nachbarn, laut und mit schriller Stimme, doch keiner hatte sie gesehen, weder im Luftschutzkeller noch auf der Straße. Schließlich war er es, der den Großvater fand. Nicht den ganzen Großvater. Nur einen seiner karierten Pantoffeln und die papierweißen Füße mit den blauen Adern. Sie guckten unter einem Haufen aus Dachpfannen, Backsteinen und Holz hervor und sahen in dem ganzen Durcheinander merkwürdig heil aus. Seine kleine Schwester steckte den Kopf in die Rockfalten seiner Mutter und heulte wie ein Schlosshund. Er kniete sich hin, um seinem Großvater den runtergefallenen Pantoffel über den Fuß zu ziehen. Seine Mutter fauchte ihn an: »Hör auf zu flennen, den braucht er jetzt nicht mehr, du Blödmann.«

Er war damals schon alt genug gewesen, um zu kapieren, dass Erwachsene wütend wurden, wenn sie nicht mehr weiterwussten.

Die Großeltern waren nun seit drei Jahren tot, und die Geldstücke, die früher so schön geblinkt hatten, waren kaum was wert. Auf dem Schwarzmarkt bekam man dafür nicht einmal eine Scheibe Brot. Er selbst war ein ganzes Stück größer geworden und fand, dass er mit seinen sechzehn Jahren jetzt auch erwachsen war.

Er zog die Decke, die er sich mitgebracht hatte, fester um sich. Langsam wurde es kalt.

Die Stelle, die er sich am Nachmittag ausgeguckt hatte, war wirklich nicht übel, nah bei dem Trampelpfad und weit entfernt von den unübersichtlichen Zechengebäuden mit ihren tiefen Schatten. Und er hatte im Blick, was ihn interessierte: den Pfad und vor allem den Eingang in den Luftschacht, den er vor zwei Wochen mit Büschen und Gestrüpp getarnt hatte.

Noch tat sich nichts, das Trümmerfeld lag still da. Er sah zu den Zechengebäuden hinüber, wo der Pfad begann. Das größte, die Kohlenwäsche, hatte einen Volltreffer abbekommen. In der Mitte des Gebäudes klaffte ein breiter Riss, eine riesige Zacke, die jetzt hell vom Mondlicht war. Wenn er die Augen zusammenkniff, konnte er durch die Zacke hindurch die Umrisse des Stahlwerks auf der anderen Seite der Gleise sehen.

Auf dem Pfad bewegte sich jemand und kam in seine Richtung. Der nächtliche Besucher tappte im dunklen Schatten eines Schuttbergs und war kaum auszumachen. Erkennen konnte Emil ihn erst, als er wieder in einen der vom Mond beleuchteten Flecken gelangte. Es war einer von den beiden Männern, die ihm vor zwei Tagen nachgegangen waren. Ein großer Kerl, sicher fast einen Kopf größer als er selbst. Breite, kräftige Schultern, auch wenn sie ein bisschen nach vorn hingen. Kurz geschorene Haare. Auf dem Rücken trug er einen Rucksack.

Der Mann blieb stehen und begann sich langsam um die eigene Achse zu drehen, den Kopf nach vorne gestreckt, als wolle er sich nicht die geringste Kleinigkeit entgehen lassen. In der Hand hielt er eine Eisenstange.

Emil hielt unwillkürlich die Luft an und drückte sich an die Wand des Schuppens, auch wenn er sich im selben Augenblick sagte, dass er im Dunkeln so gut wie unsichtbar war.

Der Mann blickte jetzt in seine Richtung. Emil senkte die Lider, damit das Weiß seiner Augäpfel nicht in einem verirrten Lichtstrahl aufblitzte. Als er die Augen wieder öffnete, sah er, dass der Kerl sich erneut in Bewegung gesetzt hatte, Ziegelstaub knirschte unter seinen Schritten.

Dann tat er genau das, was Emil befürchtet hatte. Er steuerte auf den Schuppen zu. Dreh um, dachte Emil. Du hast dich geirrt. Es ist nicht hier. Doch das half nichts, natürlich nicht. Ganz im Gegenteil, der Mann kam schnurstracks auf ihn zu.

Ohne zu zögern, ging er an ihm vorbei. So nah, dass Emil sich nur ein bisschen hätte strecken müssen, um ihm ein Bein zu stellen. Er nahm Kurs auf den Einstieg zum Luftschacht und kniete sich dort nieder. Emil reckte sich, um zu sehen, was er tat. Der Mann schob das dürre Gestrüpp beiseite.

Es stimmte also. Sie hatten ihn doch beobachtet und den Einstieg gefunden.

Die gemauerte Öffnung lag nackt im Mondlicht, der Mann setzte sich auf den Mauerrand und schaute hinein. Dann langte er in seinen Rucksack und holte eine Taschenlampe hervor. Er leuchtete in den Schacht hinunter und schaltete das Licht wieder aus. Richtig, dachte Emil. Kein flackerndes Licht auf dem Gelände, sonst hast du bald die Bullen von der Schwarzmarktbekämpfung oder eine Patrouille der Militärpolizei am Hals. Der Mann hängte sich die Lampe um, schob seinen Körper über den Rand und verschwand im Schacht.

Wenn er irgendwas Schweres über den Eingang schieben würde, damit...

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Autor

Sabine Hofmann wurde 1964 in Bochum geboren und studierte Romanistik und Germanistik. Gemeinsam mit Rosa Ribas schrieb sie drei Kriminalromane über die Nachkriegszeit im Spanien. Zurzeit fasziniert sie die Beschäftigung mit der deutschen Nachkriegszeit als Bodensatz ihrer Kindheitserinnerungen - der Geschichten und Erlebnisse von Eltern, Großeltern, die ihre eigene Kindheit prägten. Sie lebt mit Mann, Kind und Kater in Erbach im Odenwald.