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Die verborgene Kammer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
500 Seiten
Deutsch
hockebooks: e-book firsterschienen am26.11.2020Überarbeitete Neuausgabe
Aus heiterem Himmel erbt die Schriftstellerin Viktoria die Hälfte der Kranichburg, eine Villa an der mecklenburgischen Ostseeküste. Sie kennt weder den Erblasser, noch kennt sie den Mann, der die zweite Hälfte des Hauses zugesprochen bekommt. Die Voraussetzung: Viktoria und der attraktive Miterbe müssen zwei Monate gemeinsam in der Villa verbringen. Nach und nach kommen die beiden dabei der ergreifenden Geschichte der Kranichburg auf die Spur, eine Geschichte, die längst vergessen schien.mehr

Produkt

KlappentextAus heiterem Himmel erbt die Schriftstellerin Viktoria die Hälfte der Kranichburg, eine Villa an der mecklenburgischen Ostseeküste. Sie kennt weder den Erblasser, noch kennt sie den Mann, der die zweite Hälfte des Hauses zugesprochen bekommt. Die Voraussetzung: Viktoria und der attraktive Miterbe müssen zwei Monate gemeinsam in der Villa verbringen. Nach und nach kommen die beiden dabei der ergreifenden Geschichte der Kranichburg auf die Spur, eine Geschichte, die längst vergessen schien.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783957513656
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum26.11.2020
AuflageÜberarbeitete Neuausgabe
Seiten500 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5491275
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
10.

Der Montagmorgen begann in zweierlei Hinsicht grau. Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben, und der Wetterbericht brachte kaum Hoffnung auf Besserung. Außerdem war Melli am gestrigen Abend zurück nach Hannover gefahren.

Als sie auf den Flur trat, traf sie auf Roman, der nur wenige Schritte von ihr entfernt stand. Er fixierte die Tür des versperrten Raums. Viktoria gab keinen Laut von sich, sondern beobachtete ihn, wie er einen Schritt auf die Tür zu machte, zögerte - und sich abwandte. Da entdeckte er sie. War er tatsächlich zusammengezuckt?

»Das Geheimnis des verschlossenen Zimmers«, sagte sie möglichst unverfänglich. »Wäre ein schöner Buchtitel, gibt s aber bestimmt schon.«

»Und wenn s ein Roman wäre?«, fragte er. »Was würden die Protagonisten tun? Den Raum ignorieren? Neugierig nachforschen? Getrennt? Gemeinsam?«

»Kommt drauf an«, erwiderte Viktoria. »Was für ein Buch wäre es? Krimi? Romantische Komödie? Familiendrama? Historischer Roman? Und, noch wichtiger: Wie stehen die Figuren zueinander?«

Plötzlich wich Roman ihrem Blick aus. »Woher soll ich das wissen? Du bist die Schriftstellerin. Hätte nicht geglaubt, dass man so viel bedenken muss.«

»Wir warten im Allgemeinen nicht den ganzen Tag darauf, dass uns die Muse küsst.« Viktoria lachte etwas gezwungen. Warum reagierte Roman so befremdlich auf ihre hypothetischen Fragen? Fand er sie am Ende gar nicht hypothetisch? Sie folgte ihm die lange Treppe hinunter und betrachtete seinen Rücken, der ihr völlig verkrampft vorkam.

Beim Frühstück wollte sich die vertraute Stimmung vom Vortag nicht wieder einstellen. Nach ein paar belanglosen Worten zog sich jeder zurück, um zu arbeiten. Was anderes konnte man bei dem Wetter kaum tun. Einige Stunden später hörte Viktoria Schritte auf dem Flur und kurz darauf die Haustür dumpf ins Schloss fallen. Neugierig schaute sie aus dem Fenster. Roman stieg gerade in seinen Geländewagen und fuhr Richtung Hauptstraße davon. Ob er nach Stralsund wollte, ins Natureum, zum Einkaufen oder einfach nur raus - zum ersten Mal wusste Viktoria ganz sicher, dass sie allein im Haus war. Ein seltsames Gefühl. Allein in ihrem Haus. Sie setzte sich wieder an den Schreibtisch, kriegte den nächsten Satz aber nicht vernünftig hin. Nachdem sie ihn zigmal umformuliert, gelöscht, neu geschrieben und wieder gelöscht hatte, gab sie auf. Ständig dachte sie an Roman und sein eigenartiges Verhalten wegen des verschlossenen Zimmers. Sie konnte nicht leugnen, neugierig auf das zu sein, was sich darin verbarg. Aber Roman ging es womöglich um mehr als bloße Neugier. Viktoria erinnerte sich an die erste Besichtigung der Kranichburg und an ihren Eindruck, dass ihm dieses Zimmer nicht so gleichgültig war, wie er vorgab. Und heute hatte er fast wie hypnotisiert auf die Tür gestarrt.

Viktoria schaltete ihr Notebook auf Standby und machte sich auf ihren dritten Rundgang durch das Haus. Diesmal durchsuchte sie alle Schränke und Schubfächer nach dem passenden Schlüssel. Sie stieß auf alte Tisch- und Bettwäsche, fraglos sehr altes, aber leider angeschlagenes Porzellan, wertvolle Kristallgläser, merkwürdig geformte Korkenzieher, Briefpapier, Küchenutensilien, Glühbirnen, die vermutlich seit Jahrzehnten nicht mehr funktionierten, Gummis für Einweckgläser - aber nichts war dabei, was ihr half, in das Zimmer zu kommen.

Erfolglose zwei Stunden später schwebten ihre Finger wieder über der Notebook-Tastatur, bis sie ihre Textdatei schloss und das Internet öffnete, um dort nach dem nächstgelegenen Schlüsseldienst zu forschen. Bei dem Anruf verspürte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie das allein und ohne Absprache mit Roman tat und weil sie ihn verdächtigte, ihr etwas zu verheimlichen. Dafür gab es keinen stichhaltigen Beweis, nur ihre Intuition. Während sie auf den Schlüsseldienst wartete, lief sie unruhig im Wohnzimmer auf und ab und wollte schon ihren Auftrag stornieren. Zu spät. Es klingelte an der Haustür.

»Tach«, begrüßte sie der Mann im Blaumann wortkarg. »Soll n Schloss aufbrechen.« Dabei wedelte er mit einem rosa Auftragszettel vor Viktorias Nase herum. »Is das richtig hier?«

»Na ja«, begann Viktoria.

»Was jetzt? Is hier ne Tür aufzumachen oder nich?«

»Schon. Aber ich wär Ihnen dankbar, wenn das ohne Aufbrechen ginge.«

»Ach so. Ja klar, keine Sorge. Wo isses denn? Oben?« Auf Viktorias Nicken hin ging der Mann an ihr vorbei und lief, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hoch. Was links und rechts war, interessierte ihn offenbar kein bisschen. Wenn Viktoria in eine fremde Wohnung kam, sah sie sich meist um. So was ging dem Mann völlig ab. Es sei denn â¦

»Waren Sie schon mal hier?«, fragte sie. Bot sich da unerwarteterweise eine Möglichkeit, etwas über die Geschichte des Hauses zu erfahren?

»Nee«, antwortete er, und damit war das Thema für ihn erledigt. »Welche Tür?«

Enttäuscht führte Viktoria ihn hin. Immerhin hatte sie sich wieder daran erinnert, die Leute in Wustrow nach der Kranichburg und ihren Besitzer zu fragen. Nicht gerade die von nebenan, sie konnte sich schlecht als neue Nachbarin vorstellen, wenn sie noch nicht wusste, ob sie es wurde. Aber vielleicht die Kassiererin im Supermarkt oder die Bedienung im Moby Dick. Oder den Postboten.

»Worauf warten Sie?«, fragte der Mann ungehalten.

»Wie bitte?«

»Umdrehen«, kommandierte er.

»Wie bitte?«, wiederholte Viktoria.

»Ich soll die Tür aufmachen, ohne das Schloss aufzubrechen. Heißt, ich werd ne andere Methode anwenden. Da dürfen Sie nich zusehen, sonst machen Sie s morgen noch nach. In einem fremden Haus, versteh n Sie?« Dabei grinste er. Himmel, hoffentlich war der bald fertig. Gehorsam drehte sie sich um und hörte kurz darauf ein leises Klicken.

»Das wär s, junge Frau. Bar oder auf Rechnung?«

Junge Frau! Viktoria verzog das Gesicht. Sie kam sich vor wie fünfundsechzig. »Wie viel?« Sie holte das Geld, bezahlte und war froh, den unangenehmen Menschen wieder los zu sein. Erst danach ging ihr auf, wie viel Glück sie gehabt hatte. Wäre Roman mitten in die Arbeit des Schlüsseldienstes geplatzt, hätte sie einiges zu erklären gehabt.

Viktoria musterte die Tür, die einen winzigen Spalt offen stand. Sachte tippte sie mit dem Zeigefinger dagegen. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie glaubte, es müsse Tote aufwecken. Wieso war sie überhaupt aufgeregt? Sie versuchte, sich zu beruhigen, indem sie auf Geräusche von unten lauschte. Nichts. Endlich fand sie den Mut, die Tür ganz aufzustoßen.

Mit angehaltenem Atem sah sie in das Innere des Raums, direkt auf den gemusterten Store vor dem Fenster gegenüber. Oben wurde es von einer Schabracke und zu beiden Seiten von gerafften Vorhängen gerahmt. Der Stoff war ehemals tiefrot gewesen. Das Ensemble wirkte wie ein Theatervorhang - mit dem Unterschied, dass sich die Bühne nicht dahinter befand, sondern davor: das Zimmer selbst.

Viel konnte Viktoria nicht erkennen. Die Möbel waren mit Tüchern verhüllt. Sie zog eins nach dem anderen ab, ohne die einzelnen Stücke, die darunter zum Vorschein kamen, genauer zu betrachten. Damit wartete sie bis zum Schluss, bis der Raum komplett unverhüllt vor ihr lag.

Er war perfekt. Hier gab es, von der Lampe abgesehen, die man später mit dem Einzug der Elektrizität angebracht hatte, keinerlei Stilmix. Alles passte harmonisch zusammen, angefangen mit der auf die Gardinen farblich abgestimmte Tapete, die - ebenso verblasst - ein Streifenmuster in Rot und Beige trug und oben abgeschlossen wurde von einer Bordüre aus zarten Rosenblüten. Vor dem Fenster stand ein kleines, rundes Tischchen, in der rechten Ecke ein halbrunder Schreibtisch aus dunklem Holz mit ebenfalls halbrunden Schrankfächern auf beiden Seiten und einer Schublade unter der Schreibfläche. Davor ein bequem aussehender Stuhl mit rotem Polster. Weiter vorn, zur Tür hin, befand sich ein schmaler, halbrunder Schrank mit Vitrinenaufsatz. Die Ornamente waren die gleichen wie auf den Schreibtischfächern.

An der linken Wand schließlich stand schräg ein zierlicher Toilettentisch mit ovalem Spiegel und halb hinter der geöffneten Tür ein Bett. Über dem Bett hing ein Gemälde, das ⦠Viktoria riss die Augen auf.

»Das gibt s doch nicht!«, sagte sie laut und erschrak von ihrer eigenen Stimme. Im ersten Moment glaubte sie, es mit einer exakten Kopie ihres eigenen Gemäldes zu tun zu haben, das sie erst vor wenigen Wochen in Ahrenshoop gekauft hatte. Als sie näher trat, sah sie, dass die Bilder keineswegs identisch waren, sondern dieses hier so etwas wie ein Vorläufer des anderen sein mochte. Zwar zeigte es denselben Blick aus demselben Fenster, doch der Himmel war viel freundlicher und das Grün der Bäume frischer und üppiger. Und schließlich das Meer, blau und strahlend schön, die Seebrücke intakt, unendlich lang zum Horizont führend und im Dunst, im Nichts verschwindend. Letzteres verlieh dem Gemälde etwas Mystisches, wo sonst klare Linien vorherrschten. Die Signatur unten rechts bestand aus zwei ineinander verschlungenen Buchstaben und einer unleserlichen Jahreszahl, die möglicherweise jemand versehentlich verwischt hatte, als die Farbe noch feucht war. Nur die ersten beiden Ziffern 1 und 9 erkannte Viktoria deutlich.

»Falls das eine Art Vorläufer meines Bildes ist«, überlegte sie laut, »müsste es 1923 oder 1924 heißen.«

Viktoria hatte vergessen, dass sie sich in einem »verbotenen« Zimmer aufhielt, so vertieft war sie in den unerwarteten Anblick des vertrauten und gleichzeitig fremden Bildes. Erst ein Geräusch durchbrach diese Stille, und es dauerte eine Weile, bis sie es identifizierte. Die Haustür! Sie warf einen...
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