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Mona Lisa Overdrive

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Tropenerschienen am13.02.2021Die Auflage entspricht der aktuellen Auflage der Print-Ausgabe zum Zeitpunkt des E-Book-Kaufes
»Der Geist war das Abschiedsgeschenk ihres Vaters. Ein schwarz gewandeter Sekretär hatte es ihr in einer Abflughalle von Narita überreicht.« Die Megakonzerne streiten in der Matrix weiterhin um die neueste Technologie, doch im Hintergrund wird ein ganz anderes Spiel gespielt. Die KIs haben sich unbemerkt längst verselbstständigt und machen sie sich nun auf die Suche, nach der nächsten Stufe ihrer Existenz. Mona ist ein junges Mädchen mit einer dunklen Vergangenheit und einer unsicheren Zukunft. Als ihr Zuhälter sie an einen New Yorker Chirurgen verkauft, stellt das nicht nur ihr Leben auf den Kopf, über Nacht wird sie auch zu einer ganz anderen Person. Angie Mitchell ist eine Hollywood Sense/Net Berühmtheit mit einem sehr speziellen Talent. Und trotz aller Bemühungen ihrer Studio-Bosse sie im Dunkeln zu lassen, beginnt Angie sich zu erinnern. Bald schon wird sie herausfinden, wer sie wirklich ist ... und warum sie kein Deck braucht um in den Cyberspace einzutauchen. In der Matrix werden Pläne ins Rollen gebracht und Menschen wie Spielfiguren hin- und hergeschoben. Und hinter all dem lauert der Schatten der Yakuza, der mächtigen japanischen Unterwelt, deren Anführer Menschen und Ereignisse rücksichtslos für ihre eigenen Zwecke manipulieren. Denken sie zumindest ...

William Gibson, geboren 1948 in South Carolina, wanderte mit 19 Jahren nach Kanada aus, um der Einziehung zum Vietnamkrieg zu entgehen. 1972 ließ er sich in Vancouver nieder, wo er noch heute mit seiner Familie lebt. Bekannt wurde er mit seinem 1984 erschienenen und vielfach preisgekrönten Roman Neuromancer, in dem er erstmals den Begriff »Cyberspace« prägte. 2019 wurde ihm der Damon Knight Memorial Grand Master Award für sein Lebenswerk verliehen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

Klappentext»Der Geist war das Abschiedsgeschenk ihres Vaters. Ein schwarz gewandeter Sekretär hatte es ihr in einer Abflughalle von Narita überreicht.« Die Megakonzerne streiten in der Matrix weiterhin um die neueste Technologie, doch im Hintergrund wird ein ganz anderes Spiel gespielt. Die KIs haben sich unbemerkt längst verselbstständigt und machen sie sich nun auf die Suche, nach der nächsten Stufe ihrer Existenz. Mona ist ein junges Mädchen mit einer dunklen Vergangenheit und einer unsicheren Zukunft. Als ihr Zuhälter sie an einen New Yorker Chirurgen verkauft, stellt das nicht nur ihr Leben auf den Kopf, über Nacht wird sie auch zu einer ganz anderen Person. Angie Mitchell ist eine Hollywood Sense/Net Berühmtheit mit einem sehr speziellen Talent. Und trotz aller Bemühungen ihrer Studio-Bosse sie im Dunkeln zu lassen, beginnt Angie sich zu erinnern. Bald schon wird sie herausfinden, wer sie wirklich ist ... und warum sie kein Deck braucht um in den Cyberspace einzutauchen. In der Matrix werden Pläne ins Rollen gebracht und Menschen wie Spielfiguren hin- und hergeschoben. Und hinter all dem lauert der Schatten der Yakuza, der mächtigen japanischen Unterwelt, deren Anführer Menschen und Ereignisse rücksichtslos für ihre eigenen Zwecke manipulieren. Denken sie zumindest ...

William Gibson, geboren 1948 in South Carolina, wanderte mit 19 Jahren nach Kanada aus, um der Einziehung zum Vietnamkrieg zu entgehen. 1972 ließ er sich in Vancouver nieder, wo er noch heute mit seiner Familie lebt. Bekannt wurde er mit seinem 1984 erschienenen und vielfach preisgekrönten Roman Neuromancer, in dem er erstmals den Begriff »Cyberspace« prägte. 2019 wurde ihm der Damon Knight Memorial Grand Master Award für sein Lebenswerk verliehen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783608121131
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum13.02.2021
AuflageDie Auflage entspricht der aktuellen Auflage der Print-Ausgabe zum Zeitpunkt des E-Book-Kaufes
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2997 Kbytes
Artikel-Nr.5492980
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1 Smoke

Der Geist war das Abschiedsgeschenk ihres Vaters. Ein schwarz gewandeter Sekretär hatte es ihr in einer Abflughalle von Narita überreicht.

Während der ersten beiden Stunden des Fluges nach London lag es unbeachtet in ihrer Tasche, ein glattes, dunkles, rechteckiges Ding, das allgegenwärtige Logo von Maas-Neotek eingeprägt auf einer Seite; die andere war leicht gerundet, sodass es gut in der Hand lag.

Sie saß kerzengerade an ihrem Platz in der ersten Klasse. Ihre Züge waren zu einer kleinen, kalten Maske erstarrt, die dem charakteristischsten Gesichtsausdruck ihrer toten Mutter nachempfunden war. Die Plätze um sie herum waren leer; ihr Vater hatte sie ebenfalls reserviert. Sie lehnte das Essen ab, das der nervöse Steward anbot. Die freien Plätze  - Zeichen für den Reichtum und Einfluss ihres Vaters - schüchterten ihn ein. Der Mann zögerte, verbeugte sich dann und zog sich zurück. Ganz kurz ließ sie das Lächeln ihrer Mutter über die Maske huschen.

Geister, dachte sie später, irgendwo über Deutschland, den Blick auf den gepolsterten Nebensitz gerichtet. Wie gut Vater seine Geister behandelte.

Auch draußen vor den Fenstern waren Geister, in der Stratosphäre des europäischen Winters, bruchstückhafte Bilder, die sich zu formen begannen, wenn sie den Blick verschwimmen ließ. Ihre Mutter im Ueno Park, das zarte Gesicht in der Septembersonne. »Die Kraniche, Kumi! Schau, die Kraniche!« Und Kumiko schaute auf den Shinobazu-Teich hinaus und sah nichts, keine Spur von Kranichen, nur ein paar hüpfende schwarze Punkte, bei denen es sich bestimmt um Krähen handelte. Das Wasser war seidenglatt und bleigrau, und blasse Hologramme flimmerten undeutlich über einer fernen Reihe von Schießständen für Bogenschützen. Später sollte Kumiko die Kraniche jedoch oft sehen, und zwar in ihren Träumen; Origami-Kraniche, aus neonbunten Papierbögen gefaltete, eckige Gebilde, bunte, starre Vögel, die durch die Mondlandschaft des umnachteten Geistes ihrer Mutter segelten.

Sie dachte an ihren Vater mit der wilden Schar eintätowierter Drachen unter dem offenen schwarzen Gewand, zusammengesunken hinter der riesigen Ebenholzfläche seines Schreibtischs, die Augen stumpf und glänzend wie die Augen einer bemalten Puppe. »Deine Mutter ist tot. Verstehst du?« Und ringsum die Schattenflächen in seinem Arbeitszimmer, die kantige Dunkelheit. Seine Hand, die in den Lichtkegel der Lampe tauchte und zittrig auf sie deutete, wobei der Ärmel des Gewands hochrutschte und den Blick auf eine goldene Rolex und weitere Drachen mit wogenden Mähnen freigab, die kräftig und dunkel rings ums Handgelenk eingestochen waren und deuteten. Auf sie deuteten. »Verstehst du?« Sie hatte nicht geantwortet, sondern war davongelaufen und hatte sich in einem Versteck verkrochen, im Verschlag der kleinsten Reinigungsmaschinen. Die ganze Nacht tickten sie um sie herum und tasteten sie alle paar Minuten mit pinkfarben aufblitzenden Laserbündeln ab, bis ihr Vater sie suchen kam und sie, nach Whiskey und Dunhill-Zigaretten riechend, in ihr Zimmer im dritten Stock der Wohnung trug.

Sie dachte an die Wochen danach, betäubte Tage, meist in Gesellschaft des einen oder anderen Sekretärs, besonnenen Männern in schwarzen Anzügen mit automatischem Lächeln und fest zusammengerollten Regenschirmen. Einer davon, der jüngste und unbesonnenste, hatte ihr auf einem belebten Ginza-Bürgersteig im Schatten der Hattori-Uhr eine improvisierte Kendo-Demonstration vorgeführt, bei der er im Zickzack gekonnt durch erschrockene Verkäuferinnen und Touristen mit weit aufgerissenen Augen gewirbelt war und mit dem schwarzen Regenschirm, ohne Schaden anzurichten, die vorgeschriebenen, althergebrachten Bewegungsabläufe dieser Kunst vollführt hatte. Und Kumiko hatte gelächelt  - ihr eigenes Lächeln  - und die Totenmaske durchbrochen, wofür sich ihr Schuldgefühl augenblicklich tiefer und stechender in jene Stelle in ihrem Herzen bohrte, wo sie sich ihrer Schmach, ihrer Unwürdigkeit bewusst war. Meistens gingen die Sekretäre mit ihr jedoch zum Shopping in ein großes Ginza-Kaufhaus nach dem anderen sowie in Dutzende von Shinjuku-Boutiquen, die von einem Michelin-Führer aus blauem Plastik in steifem Touristen-Japanisch empfohlen wurden. Sie kaufte nur ganz hässliches Zeug, hässliches und sündhaft teures Zeug, und die Sekretäre schritten mit den Hochglanztüten in ihren harten Händen phlegmatisch neben ihr einher. Jeden Nachmittag wurden die Tüten nach der Rückkehr in die väterliche Wohnung fein säuberlich in ihrem Schlafzimmer deponiert, wo sie ungeöffnet und unberührt stehen blieben, bis die Zimmermädchen sie wegräumten.

Und in der siebten Woche, am Vorabend ihres dreizehnten Geburtstags, wurde entschieden, dass Kumiko nach London gehen würde.

»Du wirst Gast im Haus meines Kobun sein«, erklärte ihr Vater.

»Aber ich möchte nicht weg«, erwiderte sie und zeigte ihm das Lächeln ihrer Mutter.

»Du musst aber.« Er wandte sich ab. »Es gibt Schwierigkeiten«, sagte er zu dem abgedunkelten Arbeitszimmer. »In London bist du außer Gefahr.«

»Und wann werde ich zurückkommen?«

Doch ihr Vater gab keine Antwort. Sie verbeugte sich und verließ sein Arbeitszimmer, noch immer das Lächeln ihrer Mutter auf dem Gesicht.

Der Geist erwachte bei Kumikos Berührung, als der Anflug auf Heathrow begann. Die einundfünfzigste Biochip-Generation von Maas-Neotek zauberte eine verschwommene Gestalt auf den Sitz neben ihr, einen Jungen aus einem verblichenen Jagdmotiv-Druck mit brauner Reithose und Reitstiefeln, der die Beine lässig übereinanderschlug.

»Hallo«, sagte der Geist.

Kumiko machte ein verblüfftes Gesicht und öffnete die Hand. Der Junge flimmerte und war weg. Sie sah das glatte, kleine Gerät in ihrer Hand an und schloss langsam die Finger.

»Noch mal hallo«, sagte er. »Ich bin Colin. Und du?«

Sie starrte ihn an. Augen wie hellgrüner Rauch, die hohe Stirn blass und glatt unter der widerspenstigen dunklen Stirnlocke. Durch seine blitzenden Zähne konnte sie die Sitze auf der anderen Seite des Ganges sehen. »Wenn s dir ein bisschen zu gespenstisch ist«, sagte er grinsend, »können wir die Auflösung hochfahren ⦫ Und einen Moment lang war er wirklich da, unangenehm scharf und echt; der Flor auf dem Revers seiner dunklen Jacke vibrierte geradezu vor halluzinatorischer Klarheit. »Geht aber auf die Batterie«, sagte er und verblasste wieder zu seinem vorherigen Zustand. »Hab deinen Namen nicht verstanden.« Wieder das Grinsen.

»Du bist nicht echt«, sagte sie streng.

Er zuckte mit den Achseln. »Nicht so laut, Miss. Die andern Passagiere könnten dich für ein bisschen absonderlich halten, wenn du verstehst, was ich meine. Sprich stimmlos. Ich krieg alles durch den Hautkontakt mit.« Er nahm das Bein vom Knie und streckte sich, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. »Anschnallen, Miss. Hab ich natürlich nicht nötig, weil ich ja schließlich nicht echt bin, wie du gerade gesagt hast.«

Kumiko runzelte die Stirn und warf dem Geist das Gerät in den Schoß. Er verschwand. Sie schnallte sich an, warf einen Blick auf das Ding, zögerte und nahm es wieder in die Hand.

»Zum ersten Mal in London?«, fragte er, vom Rand her in ihr Blickfeld wirbelnd. Sie nickte unwillkürlich. »Du hast doch nicht etwa Angst vorm Fliegen? Oder doch?«

Sie schüttelte den Kopf und kam sich dabei völlig albern vor. »Keine Sorge«, sagte der Geist. »Ich pass schon auf dich auf. Noch drei Minuten bis Heathrow. Holt dich jemand vom Flugzeug ab?«

»Der Geschäftsfreund meines Vaters«, sagte sie auf Japanisch.

Der Geist grinste. »Dann bist du bestimmt in guten Händen.« Er zwinkerte. »Sieht man mir gar nicht an, dass ich so sprachbegabt bin, was?«

Kumiko schloss die Augen, und der Geist begann, ihr im Flüsterton etwas über die Archäologie von Heathrow zu erzählen, über die Jungsteinzeit und die Eisenzeit, über Keramik und Werkzeuge â¦

»Miss Yanaka? Kumiko Yanaka?« Der Engländer ragte über ihr auf, seine Gaijin-Masse in mammuthafte Falten dunkler Wolle gehüllt. Kleine, dunkle Augen musterten sie ausdruckslos-höflich durch eine Nickelbrille. Seine Nase sah aus, als sei sie platt geschlagen und nicht mehr gerichtet worden. Die spärlichen Reste seiner Haare waren zu grauen Stoppeln geschoren, und die fingerlosen schwarzen Strickhandschuhe waren ausgefranst.

»Mein Name ist Petal, musst du wissen«, sagte er, als würde sie das sofort beruhigen.

Petal nannte die Stadt Smoke.

Kumiko saß fröstelnd auf kaltem rotem Leder; durch die Scheibe des betagten Jaguars sah sie den Schnee fallen und auf der Straße schmelzen, die Petal M4 nannte. Der Spätnachmittagshimmel war farblos. Petal fuhr schweigend und gut, die Lippen wie zum Pfeifen gespitzt. Lachhaft wenig Verkehr für Tokioter Begriffe. Sie überholten einen unbemannten Eurotrans-Laster, dessen stumpfer Bug mit Sensoren und Frontscheinwerferbatterien bestückt war. Trotz der Geschwindigkeit des Jaguars hatte Kumiko das Gefühl, irgendwie stillzustehen; ringsum begannen sich die Partikel Londons aneinanderzulagern. Nasse Backsteinmauern, Betonbögen, schwarz lackierte Eisenspeere in senkrechten Reihen.

Vor ihren Augen nahm die Stadt allmählich Gestalt an. Wenn der Jaguar nach der Abfahrt von der M4 an Kreuzungen hielt, konnte sie durch den Schnee Gesichter sehen, gerötete Gaijin-Gesichter mit schalvermummtem Kinn über dunkler Kleidung, Absätze von Frauenstiefeln, die durch silberne Pfützen...
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Autor

William Gibson, geboren 1948 in South Carolina. Mit 19 wanderte er nach Kanada aus, um der Einziehung zum Vietnam-Krieg zu entgehen. 1972 ließ er sich in Vancouver nieder, wo er noch heute mit seiner Familie lebt. Bekannt wurde er mit seinem 1984 erschienenen und vielfach preisgekrönten Roman Neuromancer. Er prägte den Begriff »Cyberspace«. 2019 wurde ihm der Damon Knight Memorial Grand Master Award für sein Lebenswerk verliehen.