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Der vergessene Völkermord

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Christoph Links Verlagerschienen am19.06.20141. Auflage
Dort, wo 2014 die Olympischen Winterspiele stattfinden, war einst ein Schlachtfeld. Russische Truppen hielten bei Sotschi 1864 ihre Siegesparade ab, nachdem sie die Tscherkessen aus ihrer angestammten Heimat vertrieben hatten. Hunderttausende fanden den Tod oder mussten in die Türkei und den Nahen Osten fliehen. 
Manfred Quiring erzählt die bewegte Geschichte des Kaukasusvolkes und wirft einen Blick auf die aktuelle Situation der Tscherkessen, die heute über die ganze Welt verstreut leben. Er schildert ihren Kampf um die Anerkennung dieses vergessenen Völkermordes und gegen die Verdrängung der Ereignisse in der Geschichtspolitik Putins.

 Mit einem Vorwort von Cem Özdemir, dem Bundesminister, dessen tscherkessische Vorfahren väterlicherseits im 19. Jahrhundert aus dem Kaukasus in die Türkei vertrieben worden sind.




Manfred Quiring, Jahrgang 1948, aufgewachsen in Berlin, nach kurzem Zwischenspiel als Eishockeyspieler Journalistik-Studium in Leipzig, ab 1973 Redakteur der »Berliner Zeitung« und zweimal deren Korrespondent in Moskau (1982-1987 und 1991-1995). Er bereiste die ehemalige Sowjetunion von Kaliningrad bis nach Kamtschatka, von Norilsk bis nach Turkmenien, und erlebte alle Wechsel im obersten Staatsamt live in Moskau, 1989/90 ein Jahr Korrespondent der Nachrichtenagentur ADN in Athen, Korrespondent der »Welt« von 1998 bis 2010 in Moskau
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Produkt

KlappentextDort, wo 2014 die Olympischen Winterspiele stattfinden, war einst ein Schlachtfeld. Russische Truppen hielten bei Sotschi 1864 ihre Siegesparade ab, nachdem sie die Tscherkessen aus ihrer angestammten Heimat vertrieben hatten. Hunderttausende fanden den Tod oder mussten in die Türkei und den Nahen Osten fliehen. 
Manfred Quiring erzählt die bewegte Geschichte des Kaukasusvolkes und wirft einen Blick auf die aktuelle Situation der Tscherkessen, die heute über die ganze Welt verstreut leben. Er schildert ihren Kampf um die Anerkennung dieses vergessenen Völkermordes und gegen die Verdrängung der Ereignisse in der Geschichtspolitik Putins.

 Mit einem Vorwort von Cem Özdemir, dem Bundesminister, dessen tscherkessische Vorfahren väterlicherseits im 19. Jahrhundert aus dem Kaukasus in die Türkei vertrieben worden sind.




Manfred Quiring, Jahrgang 1948, aufgewachsen in Berlin, nach kurzem Zwischenspiel als Eishockeyspieler Journalistik-Studium in Leipzig, ab 1973 Redakteur der »Berliner Zeitung« und zweimal deren Korrespondent in Moskau (1982-1987 und 1991-1995). Er bereiste die ehemalige Sowjetunion von Kaliningrad bis nach Kamtschatka, von Norilsk bis nach Turkmenien, und erlebte alle Wechsel im obersten Staatsamt live in Moskau, 1989/90 ein Jahr Korrespondent der Nachrichtenagentur ADN in Athen, Korrespondent der »Welt« von 1998 bis 2010 in Moskau
Details
Weitere ISBN/GTIN9783862842865
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum19.06.2014
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5600985
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Sotschi 2014 - Putins Prestigeveranstaltung
Das olympische Vorspiel

Milchig und leicht riechend springt das Flüsschen Agura aus dem Kaukasus hinunter zum Schwarzen Meer. Die sonderbare Konsistenz des Wassers liegt in den Heilquellen von Mazesta begründet, wo die schwefelwasserstoffhaltige Agura ihren Ursprung hat. Nur einige hundert Meter oberhalb der Küste bei Sotschi stürzt sie bei den Adlerfelsen in einem malerischen Wasserfall zu Tale. Hier, so will es die Legende, war der Titanensohn Prometheus angeschmiedet, um zu büßen. Er hatte den Menschen das Feuer gebracht, das nur den Göttern zustand.

Ein wenig wie Prometheus mag sich auch Wladimir Putin gefühlt haben, als es ihm im Juli 2007 endlich gelungen war, das olympische Feuer für die Winterspiele 2014 nach Russland zu dirigieren. Sotschi, der subtropische Badeort mit seinen Palmen, wird nun auch ein Zentrum des Wintersports. Mit seinem Lieblingsprojekt will Präsident Putin der Welt die Fähigkeit Russlands beweisen, in Ausnahmesituationen Außergewöhnliches zu leisten, und damit gleichzeitig Balsam auf die ständig unter Minderwertigkeitskomplexen leidende russische Seele gießen.

Für Putin ist die Veranstaltung in Sotschi damit eines der wichtigsten von mehreren sportlichen Großereignissen, wie auch ein Formel-1-Rennen 2014 und die Fußball-WM 2018, die in diesen Jahren in Russland stattfinden und die das angeschlagene Image seines Landes aufpolieren sollen. Russland gilt aufgrund seiner zunehmend autoritären Verfasstheit im Inland und seines außenpolitischen Hangs, diktatorische Regime zu unterstützen oder ein international abgestimmtes Vorgehen gegen Länder wie Iran oder Nordkorea zu hintertreiben, als weitgehend ungeliebter Partner. Aber immer auch als einer, mit dem viele Staaten und Unternehmen Geschäfte machen wollen und der in internationalen Sicherheitsfragen eine wichtige Rolle spielt.

Mit Millionensummen bedachte internationale PR-Agenturen haben es allerdings bisher nicht geschafft, zu einer wesentlichen Besserung des russischen Ansehens in der Welt beizutragen. Doch Brot und Spiele scheinen ein probates Mittel, um die Realität zu übertünchen.

Der verständliche Jubel in Russland ist allerdings auch eine Therapie für ein sehr altes Olympia Trauma. In der Seele vor allem der älteren Generation sitzt der Stachel des Olympiaboykotts von 1980 noch immer tief. Das sowjetische Moskau sollte erstmals Austragungsort der Sommerspiele sein, aber wichtige Sportnationen, vor allem die USA und die Bundesrepublik Deutschland, sagten ihre Teilnahme ab. Sie wollten nicht in dem Land an den Start gehen, das im Dezember 1979 mit seinen Truppen in Afghanistan einmarschiert war.

Die Sommerspiele 1980 in Moskau fanden darum in deutlich kleinerer Besetzung statt, was vielen Russen noch bis heute als ungerechtfertigter Affront des Westens gilt. Die zutiefst beleidigte damalige sowjetische Führung unter Partei- und Staatschef Leonid Breschnew, die ihre Satellitenstaaten in Osteuropa fest im Griff hatte, revanchierte sich und sagte ihrerseits die Teilnahme in Atlanta 1984 ab. Das »sozialistische Lager« musste folgen. Als offizieller Grund wurden »Sicherheitsbedenken« geltend gemacht. Lediglich Rumänien mit seinem Diktator Nicolae Ceausescu leistete sich die Teilnahme in Atlanta.

Die DDR-Führung, die die Olympischen Spiele in den USA gerne für die Aufwertung des Systems genutzt hätte, beugte sich nach anfänglichem Widerstand zähneknirschend dem Druck aus Moskau.5

Sozusagen als Trostpflaster und Gegenolympiade zugleich wurden im Sommer 1984 die »Wettkämpfe der Freundschaft« ausgerichtet, die in neun verschiedenen Ländern stattfanden. Die Gewinner der Wettkämpfe wurden mit hohen Geldprämien bedacht, als seien sie Olympiasieger geworden.

Zwanzig Jahre später standen Russlands Aussichten, endlich zum Gastgeber für die Olympischen Sommerspiele zu werden, deutlich günstiger. Das »Reich des Bösen«, wie der damalige amerikanische Präsident Ronald Reagan die Sowjetunion genannt hatte, war zerfallen. Russland suchte den Anschluss an die westliche Welt und übte sich, wenn auch wenig überzeugend, in demokratischen Gepflogenheiten. Doch Putin, zwischen 2000 und 2004 in seiner ersten Amtszeit, musste einen Misserfolg hinnehmen. Die Bewerbung blieb erfolglos, die Sommerspiele wurden an Athen vergeben. Der Kremlchef schüttelte diese Niederlage jedoch ab, indem er die Verantwortung dem selbstgefälligen damaligen Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow anlastete.

 




Bei der neuerlichen Bewerbung überließ Putin nichts mehr dem Zufall. In der entscheidenden Phase hatte er sich persönlich nach Guatemala begeben, die IOC-Mitglieder während der Konferenz mit seinem Auftritt in Englisch und sogar Französisch beeindruckt. Am Abend vor der Abstimmung hatte er mit den Chefs der wichtigsten Weltsportverbände zu Abend gespeist, sie umgarnt und die schier unbegrenzten Möglichkeiten, über die Russland verfügt, in den buntesten Farben ausgemalt.

Als IOC-Präsident Jacques Rogge dann in einer heißen Julinacht 2007 in Guatemala-City das Ergebnis der Abstimmung verkündete, war es auch sein ganz persönlicher Erfolg und der Jubel der russischen Delegation grenzenlos. Sotschi, das beliebte Sommerurlaubsparadies der Russen, hatte den südkoreanischen Konkurrenten Pyeongchang mit 51:47 Stimmen aus dem Felde geschlagen. Erstmals würden die Olympischen Winterspiele in Russland stattfinden, an einem Ort, der auf dem gleichen Breitengrad wie die französische Riviera liegt.

Während die unterlegenen Koreaner und Österreicher, die schon im ersten Wahlgang verloren hatten, fassungslos und unter Tränen auf das Ergebnis schauten, löste sich die Anspannung in der russischen Abordnung in einem Freudenrausch. »Das ist ein Schlüssel-Moment in der russischen Geschichte«, jubelte Sotschis Bewerbungschef Dimitri Tschernitschenko.6 Im Ballsaal des luxuriösen Intercontinental Real Hotels Guatemala-City flogen weiße Teddybären durch die Luft, Eiskunstlauf-Olympiasieger Jewgeni Pluschenko und Schwimmstar Alexander Popow schrien ekstatisch immer wieder »Danke, danke!«, berichteten die Nachrichtenagenturen nach Europa. Russlands Präsident Wladimir Putin befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Rückflug nach Moskau. An Bord seiner Präsidentenmaschine vom Typ Il-96 ließ er sich in einem Telefongespräch von Jaques Rogge das für ihn so erfreuliche Ergebnis bestätigen.

In Guatemala City wurden die Mitglieder der russischen Abordnung derweil nicht müde, die Rolle ihres Präsidenten beim Bewerbungsprozess zu betonen: »Putin hat unserer Bewerbung eine neue Dimension gegeben. Er hat uns die Spiele versprochen und Wort gehalten«, lobhudelte der russische Vize-Parlamentschef Alexander Schukow, der zugleich Chef des Nationalen Olympischen Komitees ist7, in Tönen, die aus der Zeit des Personenkults zu stammen schienen, und versprach: »Wintersport ist Teil der russischen Seele. Sotschi 2014 wird der Katalysator sein für unglaubliche Veränderungen in der jungen russischen Geschichte.«

Der allgemeine Tenor der Medien: Moskau hat als Meistbietender den Zuschlag erhalten. Auch von Zahlungen unter der Hand war die Rede, Belege dafür gab es nicht. Sotschi und Pyeongchang hatten sich in ihrem finanziellen Einsatz gegenseitig hochgeschaukelt. Schließlich siegte die Schwarzmeer-Stadt in der bisher aufwendigsten Bewerbungsschlacht der olympischen Geschichte mit einem Einsatz von 60 Millionen Dollar, um Sotschis Bewerbung durchzubekommen. Für Pyeongchangs Bewerbung wurden immerhin noch 40 Millionen Dollar ausgegeben. Da konnte Salzburgs athletenfreundliche Kandidatur mit der Bob- und Rodelbahn im bayrischen Königssee nicht konkurrieren. Hier standen nur knapp 13 Millionen Dollar zur Verfügung.

Doch das war nun alles gleichgültig. Endlich! Endlich würden die Olympischen Spiele, wenn auch zunächst »nur« die Winterspiele, in Russland stattfinden. In Sotschi feierten Tausende Einwohner, als nachts um drei Uhr (Ortszeit) IOC-Präsident Jacques Rogge in Guatemala die Karte mit dem Namen ihrer Stadt in die Kameras hielt. »Wir sind ein starkes Land, das beste in der Welt«, schrie eine junge Frau in die Fernsehkameras. Um sie herum tanzte und hüpfte die Menge zu russischer Popmusik.8
»Schaufenster für ein neues Russland«

Mit der IOC-Entscheidung, die Olympischen Winterspiele 2014 nach Sotschi zu vergeben, hat Kremlchef Putin einen persönlichen Erfolg eingefahren, der sein bröckelndes Ansehen in der eigenen Bevölkerung aufpolieren soll. Aber es geht auch um das internationale Ansehen des Landes. Sotschi, so versprach der Chef des Organisationskomitees, Dmitri Tschernischenko, ein Jahr vor dem Beginn der Spiele, werde zum »Schaufenster für ein neues Russland« werden.

Wladimir Putin sieht das letztlich ebenso, obwohl er das in seiner Frage-Antwort-Show am 25. April 2013 im russischen Fernsehen zunächst bestritt. Das viele Geld fließe nicht etwa dafür, »um Werbung für unser Land im Ausland zu machen, sondern für den massenhaften Ausbruch des Interesses am Sport«, versicherte der Kremlchef den vielen Millionen Landsleuten an den Bildschirmen. Auch hoffe er, dass das zu »positiven Tendenzen hinsichtlich der Gesundheit der Nation führt« und - etwas rätselhaft - »die Situation bei den demografischen...
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