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Zentralamerika

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
248 Seiten
Deutsch
Christoph Links Verlagerschienen am02.11.20161. Auflage
Die sieben Staaten der Landbrücke zwischen dem nord­amerikanischen und dem südamerikanischen Kontinent - Panama, Costa Rica, Nicaragua, Honduras, El Salvador, Guatemala und Belize - eint einiges: eine spanisch geprägte, oft blutige Kolonialgeschichte, eine ungerechte Verteilung von Reichtum, faszinierende Naturlandschaften sowie ein großes kulturelles Erbe. Doch so einheitlich die Staaten aus der Ferne erscheinen, so groß sind die Unterschiede, wenn ein Kenner der Region genau hinschaut: Ralf Leonhard kann erklären, warum Costa Rica sich zum Musterland der Region und beliebten Ziel von Naturliebhabern mauserte oder wie sich das indigene Erbe in den verschiedenen Ländern darstellt. Auch den Geldwaschanlagen in Panama geht der ehemalige Korrespondent der taz nach.


Jahrgang 1955, Dr. jur., aufgewachsen in Wien, Journalistik-Ausbildung, von 1982 bis 1996 für verschiedene Medien in Zentralamerika tätig, u.a. von 1985 bis 1996 Korrespondent für die taz und zeitweilig auch für die Wochenpost in Ost-Berlin, seit 1996 als freier Journalist und taz-Korrespondent in Wien.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie sieben Staaten der Landbrücke zwischen dem nord­amerikanischen und dem südamerikanischen Kontinent - Panama, Costa Rica, Nicaragua, Honduras, El Salvador, Guatemala und Belize - eint einiges: eine spanisch geprägte, oft blutige Kolonialgeschichte, eine ungerechte Verteilung von Reichtum, faszinierende Naturlandschaften sowie ein großes kulturelles Erbe. Doch so einheitlich die Staaten aus der Ferne erscheinen, so groß sind die Unterschiede, wenn ein Kenner der Region genau hinschaut: Ralf Leonhard kann erklären, warum Costa Rica sich zum Musterland der Region und beliebten Ziel von Naturliebhabern mauserte oder wie sich das indigene Erbe in den verschiedenen Ländern darstellt. Auch den Geldwaschanlagen in Panama geht der ehemalige Korrespondent der taz nach.


Jahrgang 1955, Dr. jur., aufgewachsen in Wien, Journalistik-Ausbildung, von 1982 bis 1996 für verschiedene Medien in Zentralamerika tätig, u.a. von 1985 bis 1996 Korrespondent für die taz und zeitweilig auch für die Wochenpost in Ost-Berlin, seit 1996 als freier Journalist und taz-Korrespondent in Wien.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783862843671
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum02.11.2016
Auflage1. Auflage
Seiten248 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5601064
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Sieben Staaten auf der Landbrücke
Guatemala - immer wieder Gewalt

Der Platz der Verfassung im Zentrum von Guatemala-Stadt hat schon viele Demonstrationen gesehen. Aber was sich am 25. April 2015 zwischen dem pistazienfarbenen Nationalpalast, der Kathedrale und der Nationalbibliothek abspielte, war etwas Neues. Es protestierten nicht nur Bauern mit ihren breitkrempigen Hüten, Studenten mit obszönen Sprüchen auf ihren Transparenten oder Gewerkschaftsaktivisten mit Parolen gegen die ausbeuterische Lohnarbeit. Was da auf der Straße stand, war ein Querschnitt der guatemaltekischen Bevölkerung, bei dem die städtische Mittelklasse augenscheinlich die Hauptrolle spielte. Mit weißen Fahnen und der blau-weiß-blauen Nationalflagge standen dort selbst biedere Ordensschwestern und Damen, die ihren blassen Teint mit einem Sonnenschirm schützten.

»Verbrecher« stand da auf säuberlich ausgedruckten Transparenten, »Rücktritt jetzt!« und »Baldetti vor Gericht!«. Roxana Baldetti, die Vizepräsidentin, stand im Verdacht, einen kriminellen Ring mit dem Namen »La Línea« anzuführen, dessen korrupte Machenschaften wenige Tage vorher aufgeflogen waren. Es ging um Schmuggel im großen Stil, der über korrupte Zollbeamte abgewickelt wurde. Baldettis Kabinettschef wurde als Kopf der Bande identifiziert. Dass sie von allem nichts wusste, konnte sich niemand vorstellen. Roxana Baldetti sah sich unter dem Druck der Beweise schon zwei Wochen später gezwungen zurückzutreten.

In der Folge nahmen mehrere Minister ihren Hut. Denn Innenministerium und die internationale Untersuchungskommission gegen die Straflosigkeit (CICIG), die auch weitere Institutionen unter die Lupe nahmen, entdeckten Korruption im Sozialversicherungsinstitut und in der Beschaffungsabteilung der National-polizei. Gegen mehrere Abgeordnete der Regierungspartei wurden Untersuchungen eingeleitet.

Dass die Vizepräsidentin nicht nur verfassungsmäßige Stellvertreterin von Präsident Otto Pérez Molina, sondern auch seine Geliebte war, galt als offenes Geheimnis. So wurden Demonstrationen, die auch seinen Rücktritt forderten, bald zum Ritual. Der ehemalige Armeegeneral bestritt zwar jede Mitwisserschaft oder gar Beteiligung an den kriminellen Geschäften, doch gab auch er dem Druck nach und erklärte am 3. September 2015, wenige Wochen vor den Wahlen im Oktober, seinen Rücktritt.
Parteien als leere Hüllen

Zum Nachfolger gewählt wurde dann der Schauspieler Jimmy Morales von der Front der Nationalen Konvergenz (FCN). Damit setzte sich eine Tradition fort, die Guatemala seit der Rückkehr zur Demokratie Mitte der 1980er-Jahre geprägt hatte: Mit jedem Regierungswechsel kam auch eine neue Partei an die Macht. »In Guatemala sind die Parteien nicht mehr als leere Hüllen«, sagt Ramón Cadena von der guatemaltekischen Sektion der Internationalen Juristenkommission: »Das System ist so beschaffen, dass Parteien organisiert werden, um einen Kandidaten an die Macht zu bringen. Danach geht ihnen die Luft aus.« In der Tat sind die meisten Parteien, die seit 1986 an die Macht kamen, inzwischen aufgelöst oder in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Nirgends sonst in Lateinamerika sind Parteien so kurzlebig.

Cadena führt diese Kurzlebigkeit darauf zurück, dass die traditionellen Eliten genauso wenig an stabilen politischen Strukturen interessiert sind wie das organisierte Verbrechen. Die Eliten können ihren Einfluss auf die Politik besser wahren und die mafiösen Drogenbanden, Schmugglerringe oder Menschenhändler einen schwachen Staat leichter infiltrieren.

Der Christdemokrat Vinicio Cerezo, der 1985 als erster Zivilist nach langen Jahren der Militärherrschaft ins Präsidentenamt gewählt wurde, konnte seinen Posten erst nach einem Abkommen mit der Armee antreten. Die Militärs sicherten sich nicht nur eine Amnestie für alle Verbrechen der Vergangenheit, sondern auch hohe Pensionen und andere Privilegien. Aufstandsbekämpfung, also auch die Frage, ob man mit der Guerilla verhandeln sollte, blieb Sache der Uniformierten. Die Unternehmer verhielten sich zunächst abwartend. Als die Regierung 1988 Lohnerhöhungen für den Privatsektor und die Erhöhung der lächerlich niedrigen Strompreise für die Industrie ankündigte, suchten einflussreiche Unternehmer Unterstützung in den Kasernen und planten mit hohen Offizieren einen Putsch, der zwar mangels Rückendeckung durch den Generalstab scheiterte, aber dem Präsidenten vor Augen führte, wie prekär die auf den Institutionen beruhende Macht war. Auch nachfolgende Präsidenten waren gut beraten, sich mit den Militärs gut zu stellen und die Unternehmerschaft nicht zu verärgern. Selbst der sozialdemokratische Staatschef Álvaro Colom (2008-2012) musste noch mit Putschdrohungen leben. Zu seinem Nachfolger wurde dann mit Otto Pérez Molina wieder ein pensionierter General gewählt, der die Interessen seines Standes von höchster Stelle vertreten konnte.

Die 2006 von den Vereinten Nationen für Guatemala geschaffene Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit (CICIG) legte 2015 einen Bericht über Parteispenden vor, der aufschlüsselte, wie die Wirtschaftselite des Landes über verschlungene Kanäle die ihnen genehmen Kandidaten finanzierte, ohne dass das Oberste Wahltribunal davon Kenntnis bekam. Bestimmte Unternehmergruppen, aber auch das organisierte Verbrechen sichern sich dadurch Einfluss auf Postenbesetzungen, Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder Gesetzgebung.

Auch 30 Jahre nach der Rückkehr zur formalen Demokratie und zwei Jahrzehnte nach Beendigung des bewaffneten Konfliktes traut man in Guatemala den staatlichen Institutionen nicht über den Weg.
Land ohne Lächeln

Von den anderen zentralamerikanischen Nationen unterscheidet sich Guatemala durch seine reiche Kultur und den hohen Anteil der indigenen Bevölkerung. Die weißen und mestizischen Guatemalteken versuchen sich vor allem gegenüber den indianischen Landsleuten abzugrenzen. Schon die Chronisten der Eroberung und frühen Kolonialzeit beschrieben die Mayas als verschlossene Menschen. Außerdem galten die Indigenen als bequem und faul, weil sie ihre Arbeitskraft nicht in den Dienst der neuen Herren stellen wollten. Sie wurden entweder zur Zwangsarbeit auf den Feldern der Landherren verpflichtet oder mussten dem König Tribut leisten: in Form von Mais, Kakao und Chilipfeffer oder Webereien und geflochtenen Matten. Diese Leistungen wurden mit Peitsche und Beugehaft eingetrieben, wie der Soziologe Severo Martínez Peláez schreibt. Für die Weißen und Mestizen habe der Indio die Funktion des Dienenden, dessen Aufgabe in der sozialen Hierarchie eindeutig definiert ist. Der Chronist Antonio Fuentes y Guzmán betrachtet ihn in seiner »Recordación Florida« als selbstverständliches Zubehör des Landes. Für Martínez Peláez ist die vermeintliche Faulheit, wie er in »La Patria del Criollo« ausführt, eine Form des Widerstandes gegen Ausbeutung und Unterdrückung.

Die Mayas und deren Gedankenwelt sind in Wahrheit Rätsel für die ladinische Bevölkerung. Ihre Verschlossenheit hat ihnen die Bewahrung ihrer kulturellen Identität erlaubt. Die Ladinos ihrerseits kämpfen mit einem großen Identitätsproblem. Der Schriftsteller Luis Cardoza y Aragón, der zur demokratischen Revolution 1944 aus dem Exil zurückkehrte und zehn Jahre später, nach dem Putsch gegen Jacobo Arbenz, neuerlich fliehen musste, sieht die Einsamkeit als besonders hervorstechendes Wesensmerkmal seiner Landsleute: »Wir besaufen uns, um mehr allein zu sein. Wir besaufen uns in Gesellschaft, um die Einsamkeit zu verstärken. Es gibt kein Gespräch, nur Monologe. In den Gesprächen gibt es in Wahrheit keinen Dialog, denn jeder ist von seinen eigenen Sorgen besessen.« So heißt es in »Guatemala: Las Líneas de su mano«. Alkohol spielt beim Verdrängen eine zentrale Rolle: »Der Guatemalteke zieht es vor, seine Identität nicht im Gespräch auf die Probe zu stellen. Er pflegt sich in einem Strom von Alkohol im Stillen zu versenken.« Und an anderer Stelle: »Das Besäufnis hat nichts Soziales. Wir teilen das Lied nicht in einem Chor. Die Gewalt, die aus der Verbitterung wächst, hat wohl damit zu tun, dass jemand, der immer Fußtritte empfangen hat, glaubt, auch selbst welche austeilen zu müssen ⦫

Gewalt erscheint so der guatemaltekischen Bevölkerung als legitimes und manchmal vielleicht einziges Mittel der Konfliktlösung. In Dörfern, wo das Versagen der staatlichen Ordnungsmacht besonders sichtbar ist, wird mit großer Selbstverständlichkeit Lynchjustiz geübt. Guatemala ist außerdem das einzige Land der Region, in dem die Todesstrafe nicht nur mehrheitlich akzeptiert wird, sondern auch in jüngerer Zeit praktiziert wurde. Das Bewusstsein, dass mit friedlichen Mitteln nichts verändert werden kann, durchzieht die Geschichte des Landes und der durch und durch militarisierten Gesellschaft. Das militaristische Denken sei in den Köpfen verankert, meint Bischof Mario Ríos Montt, der Bruder des Generals und Diktators (1982-1983) Efraín Ríos Montt. Er muss es wissen. Und jeder unbefangene Beobachter staunt über den Stechschritt, in dem Schülerinnen und Schüler für die Parade am Unabhängigkeitstag zu martialischer Marschmusik gehen müssen.
Demokratischer Frühling

Man kann es der guatemaltekischen Bevölkerung nicht verdenken, dass sie verschlossen und misstrauisch ist. Das Land hat fast immer unter Diktatoren gelebt....
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Autor

Jahrgang 1955, Dr. jur., aufgewachsen in Wien, Journalistik-Ausbildung, von 1982 bis 1996 für verschiedene Medien in Zentralamerika tätig, u.a. von 1985 bis 1996 Korrespondent für die taz und zeitweilig auch für die Wochenpost in Ost-Berlin, seit 1996 als freier Journalist und taz-Korrespondent in Wien.
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Leonhard, Ralf