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Der Angriff des Löwen

tolino mediaerschienen am01.07.2017
Im Jahr 1158 belauscht Anna heimlich Heinrich den Löwen, wie er mit seinen Mannen über eine »neue Brücke« spricht. Kurz zuvor wurde der Ort Föhring niedergebrannt. Benedictus, ein behinderter Junge, der knapp den Flammen entkam, wird ihr neuer Freund. Beide erleben den Bau der ersten Brücke des aufstrebenden »apud Munichen« aus ihrem Versteck heraus hautnah. In der Gegenwart erkundet Anna mit ihrem Opa die historischen Orte im heutigen München, beispielsweise den Alten Peter und die Ludwigsbrücke. Sie erfährt viel über den gewinnbringenden Salzhandel und die Lebensumstände der damaligen Zeit.

Petra Breuer ist als Autorin und Verlegerin tätig. Sie schreibt Schulbücher, Sachbücher, Bildwörterbücher und Kinderbücher mit einem Schwerpunkt auf Wissensvermittlung - u.a. zu historischen Themen. Zudem unterstützt sie Volkshochschulen aus München und dem Umland sowie diverse Museen als freie Dozentin und Kursleiterin. Ein Schulklassenprogramm rundet das Programm ab. Weitere Informationen zur Person, den Werken und aktuellen Aktivitäten finden Sie im Netz.
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Produkt

KlappentextIm Jahr 1158 belauscht Anna heimlich Heinrich den Löwen, wie er mit seinen Mannen über eine »neue Brücke« spricht. Kurz zuvor wurde der Ort Föhring niedergebrannt. Benedictus, ein behinderter Junge, der knapp den Flammen entkam, wird ihr neuer Freund. Beide erleben den Bau der ersten Brücke des aufstrebenden »apud Munichen« aus ihrem Versteck heraus hautnah. In der Gegenwart erkundet Anna mit ihrem Opa die historischen Orte im heutigen München, beispielsweise den Alten Peter und die Ludwigsbrücke. Sie erfährt viel über den gewinnbringenden Salzhandel und die Lebensumstände der damaligen Zeit.

Petra Breuer ist als Autorin und Verlegerin tätig. Sie schreibt Schulbücher, Sachbücher, Bildwörterbücher und Kinderbücher mit einem Schwerpunkt auf Wissensvermittlung - u.a. zu historischen Themen. Zudem unterstützt sie Volkshochschulen aus München und dem Umland sowie diverse Museen als freie Dozentin und Kursleiterin. Ein Schulklassenprogramm rundet das Programm ab. Weitere Informationen zur Person, den Werken und aktuellen Aktivitäten finden Sie im Netz.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783739400327
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum01.07.2017
Seiten140 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3641
Artikel-Nr.5644673
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


3. Rhabarberblätter

Anna erwachte am nächsten Morgen kurz nach dem ersten Hahnenschrei. Vor der Stubentüre waren aufgeregte Stimmen zu hören. Leider verstand sie diesmal nicht eine einzige Silbe und ihre Neugierde wuchs ins Unendliche. Sie fragte ihre Mutter, ob sie denn wüsste, was die Frauen vor der Türe so aufgeregt ratschten. Ihre Mama nickte und erzählte, dass sie selbst bereits vor dem ersten Sonnenlicht am Brunnen zum Wasserholen war und ein paar wenige Wortfetzen von den vorbeiziehenden Holzfällern aufgeschnappt hatte. Diese waren gerade auf dem Weg in den nahen Wald und einer war auf­geregter als der andere.

»Ich habe sie von Reitern und einer Brücke sprechen hören«, erklärte die Mutter. »Die Waldarbeiter waren ängstlich und tuschelten von einem gewaltsamen Überfall.«

Anna hielt die Luft an und ihre Aufmerksamkeit wuchs rasant an. Sie war gespannt wie ein Flitzebogen und hoffte darauf, von ihrer Mama mehr zu erfahren. Aber leider war das alles, was sie ihr berichten konnte. Nur diese drei Worte, und die bekam Anna nun gar nicht mehr aus dem Kopf: Reiter - Brücke - Überfall. Sie war froh, ihr gestriges Erlebnis beim Reisigsammeln doch niemandem erzählt zu haben. Als der Rest der Familie von der Arbeit eintraf, sprach keiner dieses Thema an, und so beschloss Anna, ihr Geheimnis tatsächlich vorerst für sich zu behalten.

»Reiter - Brücke - Überfall. Was bedeutet Überfall?«, zermürbte sich Anna den Kopf.

Die Reiter hatte sie mit eigenen Augen gesehen. Das Wort »Brücke« war deutlich vom Anführer der Gruppe zu hören gewesen ... aber ... »Überfall«? Der prächtige Mann hatte gestern lange mit seinem Gefolge gesprochen und Richtung Isar gedeutet. Konnte es sein, dass sie einen Überfall planten oder vielleicht sogar bereits durchgeführt hatten? Eine Gänsehaut machte sich auf ihren Armen bemerkbar und Anna bekam Angst.

»Wer wird oder war bereits überfallen worden?«, grübelte sie, während sie ihre langen Haare zu einem dicken Zopf flocht.

Anna beschloss, zum Holzkirchlein Sankt Peter am Bergerl zu gehen. Dort war bestimmt mehr in Erfahrung zu bringen. Von der Anhöhe aus hatte man einen freien Blick in Richtung Isar und der großen Sandbank inmitten des Flusses.

»Wer weiß, vielleicht sind die Männer von gestern auch wieder zu sehen«, dachte sie und stopfte sich noch schnell ein paar Löffel Hafergrütze in den Mund. Sie schnappte sich den Milchkrug für den Pfarrer, den sie ihm jeden Morgen bringen musste, und schlüpfte aus der Stube in die wärmende Sonne des beginnenden Tages.

Rasch lief Anna das Petersbergl hinauf zur Kirche. Dort standen ein paar Frauen zusammen und tuschelten aufgeregt. Anna brachte dem Pfarrer den Milchkrug in seine Stube und näherte sich dann neugierig der kleinen Gruppe, indem sie anfing, Gänseblümchen zu sammeln. Dabei kam sie ohne Mühe immer näher an die Frauen heran. Niemand schenkte ihr Beachtung und Anna sammelte fleißig Blümchen. Sie kroch langsam weiter, bis sie schließlich in Hörweite war, und spitzte ihre Ohren. Diese waren mittlerweile fast so groß wie Rhabarberblätter - es kam ihr jedenfalls so vor. Dass Ohren, so groß wie Rhabarberblätter, aber ein unschätzbarer Vorteil sein konnten, das stellte Anna nun hocherfreut fest. Tatsächlich sprachen die Damen der Siedlung über genau die Geschichte, von der sie sich doch so sehr erhofft hatte, mehr zu erfahren. Das Weib des Hufschmieds war besonders gesprächig und versetzte die anderen ins Staunen. Anna konnte hören, wie sie von schnellen Reitern sprach. Ihre Schilderungen wurden von Ausrufen wie »Nein!« und »Das glaub ich nicht!« unterbrochen. Genau in diesem Moment kam die Gattin des Schäfflers, des Fassmachers, hinzu und zu Annas Glück begann die Erzählung noch einmal von vorne. Sie verschaffte sich einen Platz knapp zu Füßen der kleinen Gruppe und pflückte weiter völlig unbeachtet ein Gänseblümchen nach dem anderen. Ihre Ohren wuchsen bereits wieder auf die Größe eines Rhabarberblattes an. Die Gemahlin des Hufschmieds erzählte, dass sie zu früher Morgenstunde bereits folgende Geschichte von einem Mann gehört habe, der isarabwärts aus der Siedlung Föhring angelaufen kam. Schreckensbleich, vollkommen verstört und immer noch am ganzen Leibe schlotternd, hatte er ihr erzählt, was sich in der nächtlichen Dunkelheit zugetragen hatte:

»Eine Gruppe berittener Männer hat die hölzerne Brücke zu Föhring sowie den Ort überfallen und in Brand gesteckt.«

»Überfall!«, da war es wieder, das rätselhafte Wort. Anna dachte angestrengt nach, was sie über das Nachbardorf wusste:

Föhring befand sich eine gute Stunde Fußmarsch isarabwärts von »apud Munichen« entfernt. Eine wichtige Handelsbrücke und eine Anlegestelle für Flöße, eine sogenannte Floßlände, befanden sich vor der Siedlung an der Isar. Tagein, tagaus wurde Salz von den Orten Reichenhall und Hallein mit voll beladenen Salzfuhrwerken über die hölzerne Brücke transportiert. Die Salzhändler wollten weiter nach Augsburg auf den Markt und mussten für die Überfahrt einen Silbertaler Brückenzoll bezahlen.

Da sprach die Gattin des Hufschmieds weiter:

»Berittene Männer sind kurz vor Sonnenaufgang über den Ort Föhring hergefallen. Mit brennenden Fackeln haben sie alles in Brand gesteckt. Das Mauthäuschen an der Brücke, die Brücke selbst und viele Behausungen brannten lichterloh. Die lodernden Flammen verschlangen alles Brennbare und verbreiteten in der Dunkelheit ein gespenstisches Licht. Die Wachen, die in dieser Frühlingsnacht Dienst hatten, wurden bei einer unerlaubten Feier überrascht. Sie hatten bereits mehrere Fässer Wein ausgetrunken und entsprechend weit war ihr Singen zu hören. Dies machten sich die Angreifer zunutze, denn sie umzingelten die Wachstube, versperrten die Fenster und Türen und ließen keinen mehr ins Freie. So waren die Wachen samt ihren geleerten Weinfässern überrumpelt und eingesperrt worden.«

Anna war tief erschrocken über die Geschichte, die sie gerade hörte. Aufmerksam lauschte sie der Schilderung der Hufschmiedin weiter.

»An der Brücke standen aufgrund des Trinkgelages nur zwei Aufpasser, als der Angriff völlig unerwartet aus der Dunkelheit heraus begann. Der aufgeschreckte Brückenwart flüchtete in die nahe Uferböschung und rollte sich abwärts in den Fluss hinein. Die Bewohner, die allesamt noch schliefen, sprangen vollkommen überrumpelt von ihren Nachtlagern auf. Frauen und Kinder flüchteten in den hinteren Teil der Siedlung. Hektisch liefen die Männer mit ihren Holzeimern zum Brunnen, um Löschwasser zu schöpfen. Alle riefen und brüllten durcheinander, die Kinder weinten angstvoll und die Tiere wieherten, blökten oder gackerten panisch. Die lodernden Flammen erleuchteten den Nachthimmel taghell und fraßen gierig und schmatzend das trockene Holz der Häuser auf. Funken tanzten wild durch die Dunkelheit. Das stürmische Bimmeln der Feuerglocke war in diesem Durcheinander kaum zu hören. Doch die Siedler konnten gegen die hungrigen Flammen wenig ausrichten. Die Brücke und das dortige Zollhäuschen lagen nach kurzer Zeit in Schutt und Asche. Herumliegende Bretter und Balken glühten und glimmten und es roch nach verkohltem Holz. Die Angreifer waren nach ihrer Tat im wilden Galopp isaraufwärts geritten. Es war nur noch eine Staubwolke von ihnen zu sehen. Erst jetzt sahen die Überlebenden das ganze Ausmaß des Überfalls und versorgten die Verletzten - ihre Nachbarn und Freunde. Aus den Büschen krochen Verwundete hervor und der Brückenwart schleppte sich tropfnass vom Flussufer hoch zu den anderen. Die Sonne ging am Horizont auf und in weiter Ferne sahen die überfallenen Föhringer die Bergkette der Alpen. Aus dieser Richtung kamen seit vielen Jahren täglich viele Salztransporte, um die Brücke zu überqueren. Doch nun war der Flussübergang zerstört und niemand konnte zukünftig die Isar an dieser Stelle überqueren und den fälligen Zoll am Häuschen bezahlen. Bisher hatten die Salzhändler viel Geld in den Ort gebracht, denn die Mehrzahl der Reisenden übernachtete in den Unterkünften oder stillte ihren Hunger und Durst in den Wirtschaften und Weinschänken. Niemand hatte jemals mit einem bewaffneten Überfall gerechnet. Dazu war es bisher zu friedlich gewesen im schönen Föhring.«

Die Hufschmiedin beendete ihre lange und sehr ausführliche Schilderung.

»So war das also gewesen«, dachte Anna traurig.

Jetzt konnte sie sich das Wort »Überfall« erklären. Die armen Leute aus Föhring.

»Gibt es die Siedlung überhaupt noch?«, überlegte sie entsetzt und ihre Gedanken wanderten erneut an diesen Ort, der nie mehr so sein würde, wie er einmal war:

Anna hatte immer so großen Spaß, wenn die ganze Familie mit dem Ochsenkarren nach Föhring fuhr. Dreimal im Jahr wurde regelmäßig auf dem großen Platz inmitten der Siedlung ein Markt abgehalten und Anna durfte bereits ein paar Mal mit ihren Eltern mitfahren. Sie liebte die herrlichen Düfte der angebotenen Speisen, die bunten Farben, den Rummel und das...

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