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Die Welt gegenüber

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
224 Seiten
Deutsch
Jung und Jung Verlagerschienen am02.03.20211. Auflage
Die Menschen, von denen Eva Schmidt in ihren Büchern erzählt, sind Nachbarn, Menschen, die neben anderen Menschen leben, einander nah genug, um sich einsam zu fühlen, weit genug voneinander, um sich zu beobachten: aus Neugier, aus dem Bedürfnis nach Berührung oder Intimität, aus Lust an der Überschreitung. Es sind Menschen, die nachts allein in einem Auto am Straßenrand sitzen, Menschen am Fenster, wenn gegenüber das Licht angeht, Menschen, die im Gespräch ausweichen und lieber wieder von ihren Hunden sprechen, solche, die länger als andere den Vögeln am Himmel nachschauen. Von ihnen erzählt Eva Schmidt mit Empathie und Zurückhaltung, nüchtern und beteiligt zugleich. Der Blick, den sie auf ihre Figuren hat, und die Sprache, in der sie lebendig werden, sind provozierend klar. So klar, dass darin nach und nach Ahnungen spürbar und Risse erkennbar werden: leise Irritationen, die noch das Alltäglichste in unserem Leben in eine gespenstische Atmosphäre kippen lassen und in ein Erschrecken darüber, wie allein wir sind.

geboren 1952, lebt in Bregenz, Österreich. Sie hat neben Erzählungen in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften drei Bücher veröffentlicht, »Ein langes Jahr« ist ihr erstes Buch seit fast 20 Jahren.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextDie Menschen, von denen Eva Schmidt in ihren Büchern erzählt, sind Nachbarn, Menschen, die neben anderen Menschen leben, einander nah genug, um sich einsam zu fühlen, weit genug voneinander, um sich zu beobachten: aus Neugier, aus dem Bedürfnis nach Berührung oder Intimität, aus Lust an der Überschreitung. Es sind Menschen, die nachts allein in einem Auto am Straßenrand sitzen, Menschen am Fenster, wenn gegenüber das Licht angeht, Menschen, die im Gespräch ausweichen und lieber wieder von ihren Hunden sprechen, solche, die länger als andere den Vögeln am Himmel nachschauen. Von ihnen erzählt Eva Schmidt mit Empathie und Zurückhaltung, nüchtern und beteiligt zugleich. Der Blick, den sie auf ihre Figuren hat, und die Sprache, in der sie lebendig werden, sind provozierend klar. So klar, dass darin nach und nach Ahnungen spürbar und Risse erkennbar werden: leise Irritationen, die noch das Alltäglichste in unserem Leben in eine gespenstische Atmosphäre kippen lassen und in ein Erschrecken darüber, wie allein wir sind.

geboren 1952, lebt in Bregenz, Österreich. Sie hat neben Erzählungen in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften drei Bücher veröffentlicht, »Ein langes Jahr« ist ihr erstes Buch seit fast 20 Jahren.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783990271810
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum02.03.2021
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse840 Kbytes
Artikel-Nr.5655548
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
DAS FEHLENDE

Sie waren schon zwei Stunden unterwegs. Davor waren sie ein Stück mit dem Zug gefahren, danach mit dem Landbus bis in die letzte Ortschaft im Tal.

Wohin gehen wir?, fragte der Junge, er fragte zum ersten Mal. Er war etwas bleich im Gesicht, hatte in diesem Jahr noch zu wenig Sonne gesehen.

Wirst schon sehen, sagte der Mann.

Der Junge nickte. Er redete nicht viel. Niemand hatte ihm beigebracht, worüber man reden konnte.

Soll ich dir den Rucksack abnehmen?, fragte der Mann.

Der Junge hob die Schultern.

Wenn es nicht mehr weit ist, kann ich ihn selber tragen.

Gut, sagte der Mann.

Der Weg führte auf eine Alm, die noch nicht bewirtschaftet war. Erst im Mai wurde das Vieh hinauf gebracht, auf die höherliegenden Almen sogar noch später. Damit rechnete der Mann. Er schnaufte beim Gehen, manchmal spuckte er aus.

Sollen wir eine Pause machen?, fragte der Junge.

Geht schon, erwiderte der Mann. Bald sind wir da.

Der Winter hatte seine Spuren hinterlassen. Dort, wo der Weg über ein Bachbett führen sollte, hatte ein Sturzbach oder eine Schneelawine die Holzbrücke mitgerissen. Sie hing zersplittert zwischen den Bäumen, die das Kiesbett säumten. Jetzt war der Bach nur ein kleines Rinnsal.

Bald kommt das Schmelzwasser, sagte der Mann. Er schaute auf die Bergspitze, die man oberhalb der breiten Schneise sah. Auch der Junge war stehen geblieben.

Was ist Schmelzwasser?, wollte er wissen, und der Mann erklärte es ihm.

Dann überquerten sie das Bachbett, wobei der Mann den Jungen an der Hand nahm. Die Stellen, an denen Wasser floss, übersprangen sie. Es waren keine großen Sprünge, gefährlicher waren die Steine, die leicht ins Rollen kamen. Die Sonne brannte ihnen auf die Köpfe, aber es war nicht mehr weit, also machte es wenig Sinn, jetzt noch die Kappen aus dem Rucksack zu holen. Der Mann hatte daran gedacht, welche mitzunehmen, er hatte für den Jungen sogar eine gekauft.

Bald sind wir da, sagte er. Der Junge blickte skeptisch nach oben. Vielleicht fragte er sich, was sie dort erwartete.

Der Aufstieg aus dem Bachbett war steil. Ein paarmal rutschte er aus, doch der Mann hielt ihn fest. Die Kinderhand fühlte sich trocken und kühl an, während sich der Mann manchmal den Schweiß von der Stirn und aus dem Nacken wischte.

Ist es noch weit?, fragte der Junge, als sie den Aufstieg geschafft und den Weg gefunden hatten, der kurz danach wieder in den Wald führte.

Wenn du müde bist, kann ich dich ein Stück tragen, schlug der Mann vor. Sein Blick ruhte auf dem Jungen, etwas besorgt vielleicht, aber nicht ängstlich. Aber der Junge schüttelte den Kopf, er wollte sich nicht tragen lassen. Und sobald sie im Wald waren, fiel ihnen das Gehen wieder leichter.

Schau, flüsterte der Junge. Er war stehen geblieben und deutete auf einen Stein, auf dessen Spitze eine Eidechse in der Sonne saß. Auch der Mann hatte angehalten, stand still neben dem Jungen. Die Eidechse bewegte sich nicht. Es sah aus, als schaute sie die beiden an. Aber man konnte nicht sicher sein.

Leise erklärte der Mann dem Jungen, um was für ein Tier es sich handelte.

Beißt sie?, fragte der Junge, aber noch während er fragte, war die Echse hinter dem Stein verschwunden.

Sooft sie ein Geräusch hörten (meistens waren es Vogelstimmen oder ein Knacken im Unterholz), wollte der Junge wissen, was es war und der Mann erklärte ihm, welcher Vogel gerade gerufen hatte und welche Tiere es im Wald gab.

Warst du nie in einem Zoo?, fragte er. Oder in einem Museum mit ausgestopften Tieren? Der Junge schüttelte den Kopf. Danach gingen sie schweigend weiter.

Als sie aus dem Wald kamen, sahen sie die Hütten. Eine Weile blieben sie stehen. An allen Häusern waren die Fensterläden zu, man sah und hörte weder Menschen noch Tiere. Das ist gut, dachte der Mann.

Die Wiese unterhalb der Alm war von Kuhtritten und Steinen durchsetzt und zum Wald hin eingezäunt. Sie kamen an ein Gatter, das mit einer Kette abgesperrt war. Daneben befand sich ein schmaler Auslass mit einem Drehkreuz, das beim Durchgehen quietschte. Der Junge lachte und drehte sich ein paarmal im Kreis. Es war das erste Mal, dass er lachte, seit sie sich auf den Weg gemacht hatten.

Dann waren sie bei den Hütten, drei kleineren mit angebauten Ställen, über denen sich Heuschober befanden, und einem größeren Holzhaus mit einer gemauerten Terrasse, die im Sommer bewirtschaftet war. Ein Fahrweg, der von der anderen Seite des Tals heraufführte, endete dort. Es gab auch Strom, die Masten gingen bis zum Haus. Außerdem eine Lastenseilbahn, mit der im Sommer Milch, Käse und Butter, im Winter die Heuvorräte ins Tal befördert wurden.

Ist das ein Hotel?, fragte der Junge.

So etwas Ähnliches, erwiderte der Mann und ließ seinen schweren Rucksack neben der Terrasse zu Boden gleiten. Der Junge tat es ihm gleich. Dann lief er zur Eingangstür und rüttelte daran.

Niemand da.

Ich weiß, sagte der Mann.

Müssen wir jetzt zurück?, frage der Junge.

Nein, ich habe einen Schlüssel.

Dann gehört dir das Haus?

Es gehört einem Freund, der mir erlaubt hat, hier zu wohnen.

Weiß er, dass ich bei dir bin?, fragte der Junge.

Ja, erwiderte der Mann, aber es war gelogen. Er hatte ein paar Sommer lang hier gearbeitet, sich irgendwann mit dem Wirt zerstritten. Damals hatte er den Hausschlüssel nachmachen lassen und seither hin und wieder auf einer seiner Wanderungen in der Hütte übernachtet.

Warst du schon einmal da?

Der Mann nickte. Ist aber schon lange her.

Das Abendessen, das die beiden an einem der wenigen Tische in der Gaststube zu sich nahmen, bestand aus gebratenen Eiern mit Schinken. Beides hatte der Mann mitgebracht. In der Speisekammer standen Konservendosen, Gläser mit eingelegten Früchten, Kisten mit Getränken. Der Kühlschrank war ausgeschaltet, doch der Mann hatte ihn in Betrieb genommen und die mitgebrachten Lebensmittel hineingelegt. Zum Essen hatte er eine Flasche Bier aufgemacht, der Junge trank Limonade.

Schmeckt s?, fragte der Mann.

Mhh, sagte der Junge kauend. Er aß hungrig und schnell, wischte sich den Mund ab und fragte, ob er fernsehen dürfe.

Hier gibt es keinen Fernsehapparat, sagte der Mann.

Der Junge: Was machen wir dann?

Wir können reden oder Karten spielen.

Der Junge runzelte die Stirn. Ich kann nicht Karten spielen. Und worüber sollen wir reden?

Es war nicht besonders spät, aber schon dunkel, als sie noch einmal vors Haus gingen. Nach dem Essen hatten sie gemeinsam abgewaschen, dann hatte der Mann Karten aus einer Schublade geholt und dem Jungen erklärt, wie das Spiel ging. Der Junge hatte alles rasch begriffen und am Ende mehr Runden gewonnen als er. Jetzt schauten sie auf die Bergspitzen und in den Himmel. Der Mann hatte sich eine Pfeife angesteckt und erklärte, wie die Berge hießen. Der Junge hörte zu und wiederholte die Namen, zeigte dabei mit dem Finger auf die jeweilige Erhebung.

Er hatte sich neben den Mann auf die Bank gesetzt. Ihm war kalt gewesen, deshalb hatte der Alte eine Decke aus dem Haus geholt und sie um seine Schultern gelegt. Es war sehr still. Vom Tal herauf war nichts zu hören. Manchmal schrie ein Waldkauz oder eine Eule.

Weiß sie, wo wir sind?, fragte der Junge in die Stille hinein.

Wer?

Valerie.

Ja, log der Mann. Ich habe sie angerufen.

Der Junge nannte seine Mutter bei ihrem Vornamen, aber warum, hatte er nicht erklären können, als der Mann ihn danach gefragt hatte. Sie saßen noch eine Weile da. Er schlenkerte mit den Beinen, die noch nicht bis zum Boden reichten.

Du kannst Charly zu mir sagen, sagte der Mann.

Ich dachte, du heißt Karl.

Meine Freunde nennen mich Charly.

Bin ich dein Freund?

Ja.

Und du?

Ich pass auf dich auf.

Es wurde noch kälter, also gingen sie hinein. Der Mann schloss die Tür ab, gab dem Jungen Zahnputzzeug und Seife, sagte, er solle sich waschen.

Das Wasser ist viel zu kalt, beklagte sich der Junge.

Danach schläft man gut, erwiderte Karl.

Hallo, hatte er gesagt, ich bin Karl, ich wohne im Haus gegenüber. Wenn du willst, können wir gemeinsam nach Hause gehen. Es war erst ein paar Wochen her, aber so waren sie miteinander bekannt geworden. Der Junge hatte wenig gesprochen, war ihm aber ohne Weiteres gefolgt.

Erik, hatte er gesagt, als Karl ihn nach seinem Namen fragte. Danach waren sie den Weg zunächst hin und wieder, schließlich aber täglich...
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