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Die Rückkehr

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
255 Seiten
Deutsch
Secession Verlagerschienen am26.02.20211. Auflage
Rui, ein portugiesischer Jugendlicher, sitzt gemeinsam mit seiner Familie in einem Haus in Luanda, der Hauptstadt von Angola, und wartet darauf, dass der Onkel kommt, um sie zum Flughafen zu bringen. Alle anderen Ha?user in der Umgebung stehen entweder leer oder sind bereits von neuen, dunkelha?utigen Nachbarn besetzt worden. Wir schreiben das Jahr 1975. Draußen sind Schu?sse zu ho?ren, der Onkel verspa?tet sich, und dann taucht ein Jeep der Befreiungsarmee auf und die Dinge nehmen einen katastrophalen Verlauf. In ihrem Bestseller erza?hlt Dulce Maria Cardoso meisterhaft durch die Augen von Rui ihre eigene Geschichte als Flu?chtling aus den verlorenen Kolonien und die Ankunft in einem von der Nelkenrevolution erschu?tterten Portugal. Sie zeigt uns gewo?hnliche Menschen, deren Sicht auf die Welt von ebenso radikalen wie unbewussten Vorurteilen gepra?gt ist, und sie tut es auf eine sensible und a?ußerst eindringliche Weise. Ein Buch wie ein Rausch, an dessen Ende man ein wenig erleichtert und zutiefst beru?hrt ist. Vor allem aber hat man eine historische Epoche erlebt, die in Deutschland kaum wahrgenommen wurde.

Dulce Maria Cardoso, geboren1964 im portugiesischen Fonte Longa, Tra?s- os-Montes, zog mit sechs Monaten gemeinsam mit ihrer Mutter zum Vater, der in Luanda in Angola lebte. Von dort kehrte sie elf Jahre spa?ter zu Beginn des Bu?rgerkrieges nach Portugal zuru?ck. Mit vierzehn Jahren beschloss sie zu schreiben, studierte zuna?chst aber Jura und arbeitete als Anwa?ltin. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem 2009 mit dem Literaturpreis der Europäischen Union. 2011 war sie als Stipendiatin zu Gast in der Villa Concordia in Bamberg. O Retorno war ihre fu?nfte Vero?ffentlichung und ihr Durchbruch als Schriftstellerin.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextRui, ein portugiesischer Jugendlicher, sitzt gemeinsam mit seiner Familie in einem Haus in Luanda, der Hauptstadt von Angola, und wartet darauf, dass der Onkel kommt, um sie zum Flughafen zu bringen. Alle anderen Ha?user in der Umgebung stehen entweder leer oder sind bereits von neuen, dunkelha?utigen Nachbarn besetzt worden. Wir schreiben das Jahr 1975. Draußen sind Schu?sse zu ho?ren, der Onkel verspa?tet sich, und dann taucht ein Jeep der Befreiungsarmee auf und die Dinge nehmen einen katastrophalen Verlauf. In ihrem Bestseller erza?hlt Dulce Maria Cardoso meisterhaft durch die Augen von Rui ihre eigene Geschichte als Flu?chtling aus den verlorenen Kolonien und die Ankunft in einem von der Nelkenrevolution erschu?tterten Portugal. Sie zeigt uns gewo?hnliche Menschen, deren Sicht auf die Welt von ebenso radikalen wie unbewussten Vorurteilen gepra?gt ist, und sie tut es auf eine sensible und a?ußerst eindringliche Weise. Ein Buch wie ein Rausch, an dessen Ende man ein wenig erleichtert und zutiefst beru?hrt ist. Vor allem aber hat man eine historische Epoche erlebt, die in Deutschland kaum wahrgenommen wurde.

Dulce Maria Cardoso, geboren1964 im portugiesischen Fonte Longa, Tra?s- os-Montes, zog mit sechs Monaten gemeinsam mit ihrer Mutter zum Vater, der in Luanda in Angola lebte. Von dort kehrte sie elf Jahre spa?ter zu Beginn des Bu?rgerkrieges nach Portugal zuru?ck. Mit vierzehn Jahren beschloss sie zu schreiben, studierte zuna?chst aber Jura und arbeitete als Anwa?ltin. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem 2009 mit dem Literaturpreis der Europäischen Union. 2011 war sie als Stipendiatin zu Gast in der Villa Concordia in Bamberg. O Retorno war ihre fu?nfte Vero?ffentlichung und ihr Durchbruch als Schriftstellerin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783905951646
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum26.02.2021
Auflage1. Auflage
Seiten255 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse663 Kbytes
Artikel-Nr.5667214
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Aber im Mutterland gibt es Kirschen. Große und glänzende Kirschen, die Mädchen hängen sie sich als Schmuck an die Ohren. Hübsche Mädchen, wie es sie nur im Mutterland gibt. Die Mädchen von hier wissen nichts von Kirschen, sie glauben, dass sie wie Pitangas - Surinamkirschen - sind. Selbst wenn es so wäre, ich habe nie gesehen, dass sie sich Pitangas umhängen und einander zulachen wie die Mädchen im Mutterland auf den Fotografien.

Mutter besteht darauf, dass Vater vom Grillfleisch nimmt. Das Essen wird schlecht, sagt sie, diese Hitze verdirbt alles, ein paar Stunden nur und das Fleisch beginnt, grün zu werden. Wenn ich es in den Eisschrank stelle, wird es trocken wie eine Schuhsohle. Mutter spricht, als würden wir heute Abend nicht das Flugzeug ins Mutterland nehmen, als könnten wir morgen während der großen Pause in der Schule die Reste vom Grillfleisch auf Brot essen. Lass mich, Frau. Als Vater die Schüssel wegschiebt, wirft er den Brotkorb um. Mutter stellt ihn wieder hin und ordnet die Scheiben mit derselben Sorgfalt, mit der sie jeden Morgen ihre Tabletten zurechtlegt, bevor sie sie einnimmt. Vater war nicht so, bevor das alles begann. Das kommt von den Schüssen, die man aus dem Viertel weiter oben hört. Und von unseren vier Koffern im Wohnzimmer, die nur noch zugeklappt werden müssen.

Wir werden so feierlich still, dass das Surren des Ventilators ungewöhnlich laut klingt. Mutter nimmt die Fleischschüssel und bedient sich mit denselben zurückhaltenden Bewegungen, die sie sonst für Besucher reserviert hat. Als sie die Schüssel auf den Tisch zurückstellt, lässt sie ihre Hand eine Weile auf dem Tischtuch mit dem Dahlienmuster liegen. Jetzt gibt es niemanden mehr, der uns besuchen kommt, aber auch bevor das begann, waren die Besuche selten. Meine Schwester sagt, ich erinnere mich noch an den Tag, als dieser Hahn da, der Porzellanhahn, der auf der Marmorbank steht, auf den Boden fiel und sein Kamm abbrach. Wir halten uns an unbedeutenden Einzelheiten fest, weil wir bereits begonnen haben zu vergessen. Dabei sind wir noch nicht einmal aus dem Haus. Der Flieger geht kurz vor Mitternacht, aber wir müssen früher dort sein. Onkel Zé wird uns zum Flughafen bringen. Vater wird nachkommen. Nachdem er Piratin getötet und das Haus und die Lastwagen in Brand gesetzt hat. Ich glaube nicht, dass Vater Piratin töten wird. Auch nicht, dass er das Haus und die Lastwagen anzündet. Ich glaube, er sagt das, damit wir nicht denken, dass sie sich ins Fäustchen lachen. Sie - das sind die Pretos1. Allerdings hat Vater Benzinkanister gekauft, sie stehen im Anbau. Vielleicht ist es doch wahr, vielleicht gelingt es dem Vater, Piratin zu töten und alles zu verbrennen. Piratin könnte bei Onkel Zé bleiben, der nicht fortgeht, weil er den Pretos helfen will, eine Nation zu gründen. Vater lacht immer, wenn Onkel Zé von der großartigen Nation redet, die sich durch den Willen eines fünf Jahrhunderte lang unterdrückten Volkes erheben wird. Obwohl Onkel Zé versprochen hat, sich um Piratin zu kümmern, hat es nichts gebracht, Vater findet, das einzige, was Onkel Zé kann, ist, die Familie zu entehren. Vielleicht hat er recht.

Obwohl dies unser letzter Tag hier ist, scheint alles nicht so anders zu sein. Wir essen am Küchentisch, Mutters Essen schmeckt noch genau so fade, uns ist heiß, und die Feuchtigkeit des Cacimbo2 lässt uns schwitzen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass wir stiller sind. Früher sprachen wir über Vaters Arbeit, über die Schule, die Nachbarn, den Staubsauger, den Mutter in den Zeitschriften bewunderte, von der Klimaanlage, die Vater versprochen hatte, von dem Frisier-Eisen der Marke Babyliss, das die Locken meiner Schwester glätten sollte, von einem neuen Fahrrad für mich. Vater versprach immer alles für das nächste Jahr und hielt es fast nie. Wir wussten das, doch Vaters Versprechen machten uns glücklich, ich glaube, uns genügte die Vorstellung, die Zukunft würde besser sein. Bevor die Schüsse begannen, war die Zukunft immer besser. Jetzt ist es nicht mehr so, und deshalb wissen wir nicht, worüber wir noch reden sollen. Und haben keine Pläne. Vater geht nicht mehr arbeiten, es gibt keine Schule mehr, und die Nachbarn sind bereits fort. Es wird keine Klimaanlage geben, keinen Staubsauger, kein Babyliss-Frisier-Eisen, kein neues Fahrrad. Nicht einmal das Haus. Die meiste Zeit sagen wir nichts. Unsere Abreise ins Mutterland ist fast noch komplizierter als Mutters Krankheit. Auch von Mutters Krankheit sprechen wir nie. Wir sprechen höchstens vom Medikamentenbeutel, der auf der Küchenbank liegt. Wenn einer von uns gleich daneben irgendetwas zubereitet, sagen wir, Vorsicht mit den Medikamenten. So ist es auch mit den Schüssen. Wenn einer von uns sich ans Fenster begibt, Vorsicht mit den Schüssen. Doch anschließend verstummen wir. Mutters Krankheit und dieser Krieg, der uns ins Mutterland führt, sind ähnliche Angelegenheiten durch das Schweigen, das sie verursachen.

Vater hustet, als er eine weitere Zigarette anzündet. Seine Zähne sind gelb, und das Haus riecht sogar dann nach Tabak, wenn er nicht da ist. Ich habe ihn immer AC rauchen sehen. Als Gegé aus den Ferien im Mutterland kam, sagte er, dort gebe es keine AC. Wenn das wahr ist, weiß ich nicht, wie Vater es anstellen wird. Das ist bestimmt Vaters letzte Sorge im Moment, und ich weiß nicht einmal, warum ich darüber nachdenke, denn ich verliere Zeit mit Sachen, die überhaupt nicht wichtig sind, wo ich doch so viele wichtige Dinge habe, an die ich denken müsste. Aber über das, woran ich denke, zu bestimmen, gelingt mir nicht. Vielleicht ist mein Kopf nicht so viel anders als der schwache Kopf von Mutter, die sich ständig in Gesprächen verliert. Ab und zu bittet sie Vater, weniger zu rauchen, doch er nimmt sie nicht ernst, er weiß, dass sie ihre Bitte nach einiger Zeit vergisst, wie sie fast alles vergisst. Die Nachbarinnen ärgerten sich über Mutters Vergesslichkeit, wenn Dona Glória nicht so wäre, wie sie ist, müssten wir ihr gewisse Dinge übelnehmen. Doch Mutter ist, wie sie ist, und die Nachbarinnen konnten ihr nichts übelnehmen, obwohl es ihnen nicht am Willen dazu fehlte. Es war aber nicht nur die Vergesslichkeit. Die Nachbarinnen fanden auch, dass Mutter für mich und meine Schwester nicht gut sorgte, wenn sie sahen, wie wir in den Regenpfützen spielten oder dem TIFA3-Wagen hinterherliefen, arme Kinder, wachsen so verwahrlost auf. Die Pretos liefen hinter dem Wagen her, rissen die Münder auf, um den Nebel einzuatmen, der das Sumpffieber abtötete, aber die Weißen nicht, die Nachbarinnen wussten, dass dieser Rauch nicht gut war und verboten es ihren Kindern, wie sie ihnen auch verboten, im Regenwasser zu planschen, wegen des Fadenwurms. Dona Glória, die Pretos haben eine andere Konstitution und nichts in dieser Hölle kann ihnen etwas anhaben, wir müssen auf die Unsrigen aufpassen, mahnten die Nachbarinnen.

Dass Mutter so ist, daran ist dieses Land schuld. Für sie hat es immer zwei Länder gegeben: dieses hier, das sie krank gemacht hat, und das Mutterland, wo alles anders ist und wo auch Mutter anders war. Vater spricht nie vom Mutterland, Mutter hat zwei Länder, Vater nicht. Ein Mann gehört an den Ort, der ihm zu essen gibt, es sei denn, er hat ein undankbares Herz, so antwortete Vater, wenn man ihn fragte, ob er Heimweh nach dem Mutterland habe. Ein Mann muss seiner Arbeit folgen, wie der Karren den Ochsen. Und ein dankbares Herz haben. Vater hat nur bis zum zweiten Schuljahr gelernt, doch es gibt nichts, was er nicht über das Buch des Lebens weiß, das, wie Vater sagt, am meisten lehrt. Lee und Gegé hatten ihren Spaß, wenn Vater begann, vom Buch des Lebens zu reden, und ich musste mich anstrengen, um mich nicht zu schämen. Es liegt den Eltern wohl im Blut, Dinge zu tun und zu sagen, die ihren Kindern peinlich sind. Oder im Blut der Kinder, dass die Eltern ihnen peinlich werden.

Alle sind schon fortgegangen. Meine Freunde, die Nachbarn, die Lehrer, die Ladenbesitzer, der Mechaniker, der Friseur, der Pfarrer, alle. Auch wir dürften nicht mehr hier sein. Meine Schwester beschuldigt Vater, sich nicht darum zu scheren, was uns zustoßen könnte, und wenn es nach Mutters Willen gegangen wäre, hätten wir das Land schon vor langem verlassen, sogar noch vor Senhor Manuel. Ich glaube nicht, dass Vater sich nicht um uns schert, auch wenn ich nicht verstehe, warum wir noch nicht weggegangen sind, wo uns doch jederzeit etwas Schlimmes zustoßen kann. Die portugiesischen Soldaten kommen hier kaum noch vorbei, und die wenigen, die wir sehen, tragen langes Haar und ungepflegte Uniformen, die Hemdknöpfe offen und die Schnürsenkel der Stiefel lose. Sie schlittern mit den Jeeps durch die Kurven und trinken Cucas4, als wären sie im Urlaub. Für Vater sind die portugiesischen Soldaten gemeine Verräter, aber für Onkel Zé sind sie antifaschistische und antikolonialistische Helden. Wenn Mutter und meine Schwester nicht dabei sind, sagt Vater zu Onkel Zé, anstatt antifaschistisch und antikolonialistisch wäre es gut, wenn die portugiesischen Soldaten antinutten, antibier und antihanf wären, und schon beginnt eine weitere Diskussion zwischen den beiden.

Nach dem, was ihm passiert ist, weiß ich nicht, wieso Onkel...
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Autor

Dulce Maria Cardoso, geboren1964 im portugiesischen Fonte Longa, Träs- os-Montes, zog mit sechs Monaten gemeinsam mit ihrer Mutter zum Vater, der in Luanda in Angola lebte. Von dort kehrte sie elf Jahre später zu Beginn des Bu¿rgerkrieges nach Portugal zuru¿ck. Mit vierzehn Jahren beschloss sie zu schreiben, studierte zunächst aber Jura und arbeitete als Anwältin. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem 2009 mit dem Literaturpreis der Europäischen Union. 2011 war sie als Stipendiatin zu Gast in der Villa Concordia in Bamberg.
O Retorno war ihre fu¿nfte Veröffentlichung und ihr Durchbruch als Schriftstellerin.