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Ostseeglut

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
272 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am18.03.2021
Ein Kapitel ostdeutscher Geschichte - spannend und authentisch erzählt. Im Ostseebad Sellin wird nach einem Brand in einem Kurhotel ein Toter gefunden, verborgen in einem verschlossenen Schrank. Es ist der seit zwei Wochen vermisste Eigentümer des Traditionshauses, das kurz vor dem Abriss steht. Für Hauptkommissarin Anne Berber beginnt mit der Suche nach dem Täter eine Zeitreise in die jüngere Geschichte der Insel - die ihr ein schreckliches Geheimnis offenbart.

Julia Bruns, in einem kleinen Dorf mitten in Thüringen geboren, studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie an der Universität Jena. Nach ihrer Promotion im Fach Politikwissenschaft arbeitete sie viele Jahre als Redenschreiberin und in der Öffentlichkeitsarbeit. Heute schreibt sie als freie Autorin. www.julia-bruns.com
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,49

Produkt

KlappentextEin Kapitel ostdeutscher Geschichte - spannend und authentisch erzählt. Im Ostseebad Sellin wird nach einem Brand in einem Kurhotel ein Toter gefunden, verborgen in einem verschlossenen Schrank. Es ist der seit zwei Wochen vermisste Eigentümer des Traditionshauses, das kurz vor dem Abriss steht. Für Hauptkommissarin Anne Berber beginnt mit der Suche nach dem Täter eine Zeitreise in die jüngere Geschichte der Insel - die ihr ein schreckliches Geheimnis offenbart.

Julia Bruns, in einem kleinen Dorf mitten in Thüringen geboren, studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie an der Universität Jena. Nach ihrer Promotion im Fach Politikwissenschaft arbeitete sie viele Jahre als Redenschreiberin und in der Öffentlichkeitsarbeit. Heute schreibt sie als freie Autorin. www.julia-bruns.com
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960417040
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum18.03.2021
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3572 Kbytes
Artikel-Nr.5673531
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


EINS

»Diese Insel hat etwas Magisches. Allein das Licht. Und die energetischen Schwingungen. Das ist ja auch absolut nachvollziehbar, also ich meine, wenn die intensive Kraft der Sonne auf die geballte Stärke des Meeres trifft. Bam!« Sie ballte ihre linke Hand zur Faust und boxte damit in die Luft, was die vielen bunten Armreifen an ihrem Handgelenk unter mächtigem Klappern bis zum Ellbogen hinabrutschen ließ. »Sellin ist der perfekte Kraftort für uns. Ich bin mir sicher.« Versonnen streichelte sie über die Blätter einer der Fächerpalmen, die zwischen den Tischen des Frühstückssalons aufgestellt waren, um für mehr Behaglichkeit und etwas Privatsphäre zu sorgen.

»Deine Tasse«, sagte ihr Begleiter streng, ohne von dem vor ihm aufgestellten iPad aufzusehen.

Sie redete einfach weiter. »Wir müssen so nah wie möglich ans Meer, aber das ist ja klar. Meine Kunden brauchen diesen Spirit.« Sie zeichnete mit ausgestreckten Armen zwei große Kreise in die Luft, wandte den Kopf zur Seite und schaute verträumt lächelnd durch die Scheiben des Wintergartens hinaus in den Garten.

Der Mann, der ihr am Tisch gegenübersaß, schenkte ihr kurz seine Aufmerksamkeit, indem er sie ansah und seine rechte Augenbraue nach oben zog. »Du guckst in den Garten. Das Meer ist auf der anderen Seite.« Dann widmete er sich wieder den Nachrichten auf seinem Tablet.

Sie griff nach ihrer Tasse, beugte sich ein wenig über den Tisch und fragte: »Hast du schon ein geeignetes Objekt gefunden?«

»Deine Tasse, Marga, oder wie lange soll der Herr hier noch stehen?«, maulte er nun zunehmend ungehalten. »Es gibt schließlich noch andere Gäste. Ich bezweifle zwar, dass die von deinem speziellen Tee probieren möchten, aber der Kellner wird trotzdem noch ein paar andere Aufgaben haben, als für dich die Kanne zu halten.« Er nickte und schloss kurz die Augen, eine Geste, die Hilgert offenkundig zeigen sollte, dass er die Sache regeln würde.

Sören Hilgert verzog keine Miene. Er wusste, auf sein »Pensionslächeln«, wie er den Ausdruck, der während der Arbeit auf seinem Gesicht lag, scherzhaft nannte, konnte er sich verlassen. Hilgert war schon immer ein Meister der Selbstbeherrschung gewesen. Das, was in seinem Kopf vorging, war seine Privatsache, und niemals, nicht einmal in seinen schwächsten Momenten, würde er seine Mimik zur Projektionsfläche seines Innersten machen. Durchschaubarkeit bedeutete Gefahr, und auch wenn das für ihn als Eigentümer und Betreiber der Pension »Seevilla« am Selliner Hochuferweg mitnichten in dem Maße zutraf, wie es in seinem einstigen Beruf als Kriminalhauptkommissar des Berliner LKA der Fall gewesen war, so konnte er einfach nicht aus seiner Haut. Für ihn spielte es keine Rolle, ob er einen übel riechenden Gesundheitstee ausschenkte oder in den Lauf einer Glock 26 Kaliber 9 blickte, die äußere Gelassenheit blieb stets dieselbe. Wobei er dem zu allem bereiten Georgier, den sie damals im Tiergarten wegen des Mordes an seinem Geschäftsfreund festgenommen hatten, fast noch mehr Sympathie entgegenbringen konnte als dieser exaltierten, nervtötenden Frau hier. Der Georgier hatte immerhin relativ schnell ein Einsehen gehabt - zweifelsohne ausgelöst durch Eces gezielten Schuss in seinen Oberschenkel, aber man musste eben wissen, wo die persönlichen Grenzen lagen.

Sie hatten den Georgier zuvor ohne große Umwege als Täter identifiziert, denn er war ziemlich stümperhaft vorgegangen, aber dann war er abgetaucht, und es hatte drei Tage gedauert, bis eine Streife ihn eher zufällig im Tiergarten entdeckte. Er hatte dort ein paar Kindern beim Spielen zugesehen. Wie sich später herausstellte, war eines der Mädchen seine kleine Tochter. Vor seiner Flucht ins Ausland hatte er sich von ihr verabschieden wollen. Hilgerts Leute waren schneller gewesen. Er konnte sich noch gut erinnern, wie Ece ihn wegen seines kompromisslosen Vorgehens angegangen hatte. Letztendlich hatte sie sich seiner ausdrücklichen Anweisung widersetzt und dem Mörder zwei Worte mit seinem Kind gewährt, aus dem Krankenwagen heraus und in Handschellen gelegt. Er, der knallharte Ermittler, der er damals gewesen war, hatte das als törichten und vor allem überflüssigen Blödsinn abgetan und sie entsprechend gemaßregelt. Für ihn hatte es keine Sentimentalitäten geben dürfen. Ece war darüber hinweggegangen, genau wie über viele andere seiner unverständlichen Reaktionen auch. Im Nachhinein betrachtet, konnte er sich glücklich schätzen, dass sie so viel Geduld mit ihm als ihrem Vorgesetzten gehabt hatte. Hilgert war in dem letzten Jahr seiner Dienstzeit nicht er selbst gewesen. Ece wusste das, nur er hatte es da noch nicht sehen wollen. Der Mensch konnte vieles ausblenden, die Dosis an Psychopharmaka musste nur hoch genug sein.

Hilgert atmete tief. Wieso war er eigentlich von dieser Frau hier auf den Georgier gekommen? Er wusste es nicht. Aber seit einiger Zeit ergriffen ihn die düsteren Erinnerungen wieder öfter, ohne erkennbaren Auslöser und hartnäckiger als sonst. Er spürte, dass die Vergangenheit nicht abgeschlossen war, höchstwahrscheinlich würde sie das nie sein. Irgendwann würde er mit Ece reden müssen. Ihr war er eine Erklärung schuldig, nur ihr. Aber nicht jetzt. Irgendwann einmal. Ganz sicher. Er schob das Gewesene gedanklich beiseite und lächelte weiter, als wäre dieser Ausdruck in sein Gesicht eingemeißelt.

Was die Dame am Tisch anging, die nun schon seit einer Woche zwischen seiner Pension und der Seebrücke hin und her tänzelte, »um ihre Chakren zu harmonisieren«, wie sie jeden hier wissen ließ - für den Umgang mit ihr brauchte er ebenso viel Geduld wie Gelassenheit, und von beidem hatte er glücklicherweise genug, seitdem er wieder auf der Insel war. Sie und ihr Mann suchten nach einer Immobilie für ein Yogazentrum, das hatte sie ihm noch während des Eincheckens wortreich erklärt. Hilgert wusste, dass dies in Sellin schwierig werden würde. Zumal bei den unrealistischen Vorstellungen, die die Frau hatte. Eine Alleinlage mit direktem Meerzugang zu einem erschwinglichen Preis stand mit hundertprozentiger Sicherheit in keinem der Seebäder auf der Insel mehr zur Verfügung. In seiner freundlich-zurückhaltenden Art hatte er versucht, ihr diese Illusion zu nehmen, aber die Frau schien in ihrer Euphorie immun gegen jegliche Einwände ihrer Mitmenschen zu sein. Die Gereiztheit ihres Mannes nahm dementsprechend täglich zu. Er war in seinem Verdruss sogar schon so weit gegangen, horrend hohe Angebote für Hilgerts Seevilla zu machen, die er jeden Morgen beim Gang zum Frühstücksbüfett noch einmal überbot. Aber Hilgert gelang es natürlich, auch diese Unverfrorenheit wegzulächeln. Immerhin hatte ihm die Aussichtslosigkeit des Vorhabens eine Verlängerung der Buchung des Paares um eine weitere Woche beschert, was angesichts des wetterbedingt holprigen Saisonstarts ein guter Anreiz war, die Dame weiter zu ertragen.

Im nunmehr zweiten Jahr der Verwirklichung seines Lebenstraums als Pensionswirt war der Berg an Schulden nicht wesentlich kleiner geworden. Dafür waren die bei einem so alten Haus erforderlichen Investitionen und, das musste er sich zweifelsohne eingestehen, seine Ansprüche an einen guten Gastgeber einfach zu hoch. Aber er hatte es bereits - nicht zuletzt auch durch sein einnehmendes Wesen - zu einigen Stammgästen gebracht, die seine Leidenschaft für dieses besondere Haus teilten und ihm wenn auch kein üppiges, so doch ein regelmäßiges Einkommen bescherten. Den Vergleich zum Salär eines Berliner Kripobeamten müsste es mehr als scheuen, aber Hilgert stellte diese Überlegung niemals an, denn das Kapitel LKA war abgeschlossen und ein Zurück für ihn undenkbar.

Nachdem der Mann seine Frau zwei weitere Male dazu aufgefordert hatte, trank sie ohne jede erkennbare Eile die letzten beiden Schlucke ihres sicherlich längst erkalteten Tees und reichte Hilgert schließlich mit gönnerhafter Geste die Tasse. Vorsichtig goss er nach, erkundigte sich, ob die Herrschaften noch etwas wünschten, und widmete sich nach ihrer dankenden Verneinung den beiden älteren Damen am Nachbartisch.

»Für einen Kellner ist der neckisch«, urteilte die Frau nach seinem Weggang mit jauchzender Stimme und gedrosselter Lautstärke, die für Hilgerts Ohren allerdings noch hervorragend zu verstehen war. »Gepflegt und durchtrainiert. Dabei ist der bestimmt schon über fünfzig.« Sie schnalzte mit der Zunge. »Du könntest auch mehr für dich tun.«

»Soll ich dir nun eine Yogahütte kaufen oder in einer Muckibude herumturnen?«, blaffte ihr Mann unwirsch. »Hier, schau dir das mal an, klingt nicht schlecht, und Wasser hast du dort auch.«

Hilgert, der mit den Damen über das Wetter plauderte, spürte die Blicke der Frau im Rücken und ging ebenso souverän darüber hinweg wie über ihr einfältiges Geschwätz. Wenn die Menschen für etwas bezahlten, meinten sie mitunter, das befreie sie von jeglichem Anstand gegenüber dem Personal. Er war abgeklärt genug, um dem keine Bedeutung beizumessen. Alles hatte neben guten auch schlechte Seiten. Nur die Gewichtung musste stimmen.

»Hier spielt die Musik!«, fauchte der Mann.

»Selliner See?« Hilgert konnte ihr Naserümpfen aus den beiden Wörtern deutlich heraushören. »Kein Meer? Undenkbar für mein Vorhaben«, keifte sie, und ihre Stimme steigerte sich um mindestens drei Oktaven. »Du hast mal wieder keine Ahnung, worum es mir geht. Wenn du dich nur ein Mal mit meinen Wünschen auseinandersetzen könntest, nur ein Mal!«

Hilgert konnte hören, wie sie mit Schwung ihren Stuhl zurückschob und hastig den Frühstückssalon verließ. Er trat an das Büfett, rührte in den Schüsseln mit Joghurt, Quark und Bircher...
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