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Im Mordfall Iserlohn

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
256 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am18.03.2021
Eine Auslese renommierter KrimiautorInnen hinterlässt in Iserlohn eine tödliche Spur. Wer Iserlohn für ein gemütliches Städtchen hält, irrt gewaltig. Zwischen Schillerplatz und Alexanderhöhe, Danzturm und Seilersee finden zahlreiche kriminelle Machenschaften statt. Aber auch das ländliche Umfeld bleibt von Morden nicht verschont. Die Kurzkrimis von renommierten Autorinnen und Autoren sind mal bitterböse, mal urkomisch - aber immer mörderisch unterhaltsam. Mit Beiträgen von Uli Aechtner, Raoul Biltgen, Katja Bohnet, Christiane Dieckerhoff, Wulf Dorn, Marlies Ferber, Peter Gerdes, Brigitte Glaser, Peter Godazgar, Maren Graf, Kathrin Heinrichs, Carsten Sebastian Henn, Herbert Knorr, Sandra Lüpkes, Sunil Mann, Rudi Müllenbach, Elke Pistor, Jutta Profijt, Klaus Stickelbroeck, Walter Wehner

Kathrin Heinrichs wurde 1970 in einem sauerländischen Dörfchen geboren, studierte in Köln Germanistik und Anglistik und lebt heute in direkter Nachbarschaft zu Iserlohn, in Menden. Ihre Sauerlandkrimis um den Protagonisten Vincent Jakobs machten sie ebenso bekannt wie ihre Auftritte als Kabarettistin. www.kathrin-heinrichs.de
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,49

Produkt

KlappentextEine Auslese renommierter KrimiautorInnen hinterlässt in Iserlohn eine tödliche Spur. Wer Iserlohn für ein gemütliches Städtchen hält, irrt gewaltig. Zwischen Schillerplatz und Alexanderhöhe, Danzturm und Seilersee finden zahlreiche kriminelle Machenschaften statt. Aber auch das ländliche Umfeld bleibt von Morden nicht verschont. Die Kurzkrimis von renommierten Autorinnen und Autoren sind mal bitterböse, mal urkomisch - aber immer mörderisch unterhaltsam. Mit Beiträgen von Uli Aechtner, Raoul Biltgen, Katja Bohnet, Christiane Dieckerhoff, Wulf Dorn, Marlies Ferber, Peter Gerdes, Brigitte Glaser, Peter Godazgar, Maren Graf, Kathrin Heinrichs, Carsten Sebastian Henn, Herbert Knorr, Sandra Lüpkes, Sunil Mann, Rudi Müllenbach, Elke Pistor, Jutta Profijt, Klaus Stickelbroeck, Walter Wehner

Kathrin Heinrichs wurde 1970 in einem sauerländischen Dörfchen geboren, studierte in Köln Germanistik und Anglistik und lebt heute in direkter Nachbarschaft zu Iserlohn, in Menden. Ihre Sauerlandkrimis um den Protagonisten Vincent Jakobs machten sie ebenso bekannt wie ihre Auftritte als Kabarettistin. www.kathrin-heinrichs.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960417194
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum18.03.2021
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3640 Kbytes
Artikel-Nr.5673534
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Sunil Mann

Candy

In rasender Geschwindigkeit öffnet und schließt sich der Mund, die kirschroten Lippen unablässig in Bewegung, sie werden geschürzt, gekräuselt, gedehnt, kurz zusammengepresst, verziehen sich zur einen Seite, dann zur anderen, stülpen sich vor, verschwinden nach innen. Andere trainieren morgens den Beckenboden oder absolvieren Rumpfbeugen, Candy hat sich für Frühgymnastik im Kieferbereich entschieden.

Apathisch starrt Rosamunde auf die spinnwebfeinen Speichelfäden in den Mundwinkeln, in einem Zahnzwischenraum steckt ein Bröckchen brombeerfarbenes Granola fest, derweil sich ein endloser Wortschwall aus Candys Mund ergießt. Rosamunde wünscht sich, man könnte irgendwie den Ton ausblenden, so wie in diesen Filmszenen, wenn die Schauspielerin komplett aufgewühlt ist und die Alltagsgeräusche allmählich in ein Rauschen übergehen, bevor beruhigende Musik einsetzt. Doch sie ist nicht im Film, und es gibt keinen Regisseur, der sie mit einer neuen Tonspur erlöst, sie ist gezwungen, sich jeden einzelnen Satz anzuhören.

»â¦ und dann er so: Ey. Und ich so: Hallo, du hier? Verstehst du, Schicksal, das war so krass, unglaublich.«

Sie dehnt die Vokale am Wortende, was sie wie eine grenzdebile Tussi klingen lässt. Was sie auf den ersten Blick auch ist, aber dieses Urteil wäre zu oberflächlich, das weiß Rosamunde aus Erfahrung. Candy mag sich wie jemand geben, die ihr Geburtsdatum als Geheimcode für die Kreditkarte auswählt, aber sie weiß ganz genau, was sie will. Wenn sie sich ein Ziel gesetzt hat, wird sie es auch erreichen, ganz egal, wie skrupellos sie dafür ihre Reize einsetzen muss.

»â¦ und dann, dann zeigt er mir die Kleinen, die waren so schnuckelig, erst vier Wochen alt. Und bei mir gleich so der totale Meltdown, unglaublich â¦«

Rosamunde starrt auf die zuckenden Lippen. Kirschrot, die Farbe so glänzend und satt, dass sie an den Chevrolet Bel Air ihres Vaters denken muss, Jahrgang 56, der Wagen und der Mann.

Autolack, denkt sie, aber die Farbe ihrer Lippen ist längst nicht das Einzige, das an Candy künstlich wirkt.

Ihr Name ist es auf jeden Fall, sie heißt eigentlich Cornelia, doch für ihre Instagram-Follower ist sie Candy. Die süße, leicht naive Candy, die mit erstauntem Blick durch die Welt trippelt, die so niedlich das Mündchen aufklappt, wenn sie etwas nicht versteht - und sie versteht vieles nicht -, und dazu ihre blonde Lockenmähne schüttelt.

»â¦ ich würde ja echt gerne mal was Karitatives machen, so nebenbei, weißt du, bevor das mit Insta so richtig losgeht. Kranke pflegen, auf einem Bauernhof mithelfen, Suppe für Obdachlose schöpfen oder so, Gutes tun, etwas zurückgeben, ja.«

Rosamunde schaut aus dem Fenster, der Zug erreicht in wenigen Minuten Iserlohn, und der Regen schreibt zitterige Linien auf die Scheiben, Botschaften, die sie nicht entziffern kann.

»Das kann ich total gut, Leuten zuhören, echt, ich könnte in einem Altersheim â¦«

Rosamunde sieht sich unvermittelt hinüberlangen, ein Griff in die blonden Locken, sieht Candys Gesicht gegen das Glas knallen, immer wieder, hört Knorpel knirschen, sieht das Blut aus ihrer Nase spritzen, ein unwilliger Schrei, ehe sie den Kopf der jungen Frau erneut gegen die Scheibe schmettert, so lange, bis es still ist, endlich Ruhe herrscht.

Doch sie tut es nicht, natürlich nicht, sie hat andere Pläne mit Candy.

»Fahrscheine, bitte.« Der Blick des Kontrolleurs schweift über Rosamunde hinweg und bleibt bei Candy hängen, die mit einem zuckersüßen Lächeln ihre Bahncard präsentiert.

Er prüft erst die Karte, danach - weit eingehender - Candys Oberweite und wünscht endlich einen schönen Tag. Rosamunde, die ihren Ausweis immer noch in der Hand hält, hat er schlicht vergessen.

»Du könntest schwarzfahren, dich beachtet eh kein Schwein.« Candy kichert und schlägt sich im nächsten Moment erschrocken die Hände vor den Mund. »Oh mein Gott, sorry. Das habe ich natürlich nicht so gemeint. Ich bin manchmal so schrecklich. Aber es muss schon hart sein für Frauen über vierzig, nicht? Man nimmt euch einfach nicht mehr wahr.«

Noch einmal sieht Rosamunde, wie sie Candys Gesicht, die Finger tief in ihre Lockenpracht gekrallt, gegen die Scheibe rammt, sieht Blut darüberspritzen, hört den dumpfen Laut, der Candy entfährt. Doch sie lächelt bloß müde.

»Der Lauf der Zeit, dagegen kann man nichts tun«, sagt sie nur, greift nach ihrer Tasche und steht auf.

»Kann man sehr wohl«, hört sie Candy hinter sich widersprechen, während sie auf den Ausstieg zusteuert. »Ist nicht ganz billig, aber es lohnt sich. Auf meinem Blog weise ich auf Treatments hin â¦«

Ablehnend schüttelt Rosamunde den Kopf, während Candy weiterplappert. Sie hat die Gesichter in den Magazinen und Zeitschriften genau studiert. Noch nie hat sie jemanden entdeckt, der nach einer solchen Behandlung tatsächlich jünger aussieht. Man sieht bloß behandelt aus, für jeden unschwer zu erkennen. Wächserne Gesichter, wie in den Abluftstrahl einer Flugzeugturbine geraten, Lippen, so unförmig aufgebläht, als wären sie mit einem heißen Bügeleisen malträtiert worden, Katzenaugen, die bei jeder unachtsamen Kopfbewegung aus den Höhlen zu ploppen drohen. Und dann das Unbehandelbare: faltige Schildkrötenhälse, in die Perlenketten beim Versuch, das Offensichtliche zu verstecken, Jahresringe gestanzt haben, von Altersflecken und Gicht verunstaltete Hände, verzweifelt unter Handschuhen versteckt, Dekolletés, die an knitterige Zeltblachen erinnern, die bei der Bergtour zuunterst im Rucksack gelegen haben.

Nein, sie wird in Würde altern, dazu hat sich Rosamunde längst entschieden, was auch immer das heißen mag. Dass sie allmählich unsichtbar wird, daran hat sie sich gewöhnt.

Es hat kurz nach ihrem dreiundvierzigsten Geburtstag begonnen. Sie war mit ihrer Mutter in der Konditorei »Spetsmann« verabredet und traf etwas zu früh ein, was seit ein paar Wochen immer häufiger geschah. Dass sie zu früh war. Und während sie auf einer Sitzbank mit bunt gepunktetem Bezug wartete, stellte sie etwas verwirrt fest, dass die Kellnerin sie nicht zur Kenntnis nahm. Weder war sie begrüßt worden, noch hatte man ihr einen Platz zugewiesen. Erst hielt sie es für Unachtsamkeit, so etwas konnte passieren. Aber Rosamunde hatte laut und deutlich gegrüßt, nachdem sie eingetreten war, und das Lokal war am frühen Nachmittag alles andere als voll - abgesehen von einer Gruppe älterer Damen, die so nahtlos in das Café passten, dass man nicht genau feststellen konnte, wo die Einrichtung aufhörte und die Damen anfingen.

Seltsam, dachte sie, verschwendete aber vorerst keinen weiteren Gedanken daran. Rosamunde dachte daran, chinesischen Grüntee und eine Sauerländer Apfeltorte zu bestellen, obschon sie eigentlich die Kalifornische Herrentorte bevorzugte. Aber mit einem einzigen Stück von der könnte man vermutlich den Welthunger für Monate außer Gefecht setzen. Ihr Kalorienzähler auf dem Handy kollabierte auf jeden Fall schon beim Eintippen, ihr Blutzuckerspiegel beschlug vor Entsetzen.

Um deutlich zu machen, dass sie bereit für die Bestellung war, hob sie kurz die Hand, als die Bedienung an ihr vorbeirauschte, doch die Frau schaute nicht einmal in ihre Richtung. Als sie das nächste Mal winkte, reagierte die Kellnerin immer noch nicht. Es war, als wäre Rosamunde gar nicht da. Und dann betrat ihre Mutter die Konditorei und lief einfach an ihrem Tisch vorbei, ohne auch nur einen Blick an sie zu verschwenden.

Mit einem Mal beschlich Rosamunde das unheimliche Gefühl, sie wäre im Begriff, sich aufzulösen, und zwar rasant, als würde sie Stück für Stück mit dem gepunkteten Bezug verschmelzen. Zu einer dieser alten Damen werden, die sich durch nichts mehr vom Hintergrund abhoben und die man erst bei der nächsten Renovierung wiederfinden würde. Erschrocken sprang sie auf, rannte die Treppe hinab zu den Toiletten und überzeugte sich im Spiegel, dass es sie noch gab.

***

Aber eigentlich hätte sie es wissen müssen. Im Büro nimmt sie schon seit Jahren keiner mehr wahr. Nicht nur Norbert. Für Männer hat sie tatsächlich aufgehört zu existieren, als hätte die drohende Menopause auf Kerle dieselbe Wirkung wie Ultraschallgeräte im Garten auf Katzen. Oder Kaiserkronen auf Wühlmäuse. Es kommt Rosamunde vor, als würde ihr Verfallsdatum in Leuchtziffern auf der Stirn blinken, der Stichtag, von dem an sie für den Fortbestand der Gesellschaft nicht mehr von Nutzen sein und auf der Stelle zur Last würde, die man wohl oder übel bis zu ihrem - hoffentlich baldigen - Ende mitzuschleppen hat.

Manchmal ertappt sie sich dabei, wie sie gedankenverloren hinter ihrem Computer sitzt und von dort in Norberts Büro hinüberschaut. Und dann denkt sie, dass sich manche Kreise irgendwann schließen. Als kleines Mädchen hat sie auf ähnliche Weise für Popstars geschwärmt, für Limahl und George Michael, wohl wissend, dass die Herren für sie unerreichbar waren. In vielerlei Hinsicht, wie sie erst Jahre später herausfand.

Nicht, dass Norbert über das Aussehen oder das Charisma eines Popstars verfügt - vielmehr strahlt er solide Gutbürgerlichkeit aus. Womöglich ist er ein bisschen zu bieder, und seinem Kleidungsstil, der sich auf Wildledermokassins und schlecht sitzende Anzüge in Pastellfarben beschränkt, hätte etwas kompromissloser weiblicher Einfluss sicher nicht geschadet. Aber wie damals bei den Popstars hat es sich Rosamunde längst abgeschminkt, jemals eine wichtige Rolle in Norberts Leben zu spielen. Näher als bei der wöchentlichen Teamsitzung, wo sie als Chefsekretärin jeweils direkt neben ihm Platz...
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Autor

Kathrin Heinrichs wurde 1970 in einem sauerländischen Dörfchen geboren, studierte in Köln Germanistik und Anglistik und lebt heute in direkter Nachbarschaft zu Iserlohn, in Menden. Ihre Sauerlandkrimis um den Protagonisten Vincent Jakobs machten sie ebenso bekannt wie ihre Auftritte als Kabarettistin.kathrin-heinrichs.de