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Im letzten Licht des Herbstes

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am30.08.2021
Die kanadische Bestsellerautorin verknüpft drei Schicksale zu einem hoffnungsvollen und zutiefst menschlichen Roman
In der idyllischen Kleinstadt Solace ist ein Teenager spurlos verschwunden. Die siebenjährige Clara ist untröstlich und wartet seit Tagen am Fenster auf die Rückkehr ihrer Schwester. Zu allem Unglück liegt auch noch ihre geliebte Nachbarin, die alte Mrs. Orchard, im Krankenhaus. Eines Abends zieht nebenan ein Fremder ein. Liam Kane wurde das Haus von Mrs. Orchard geschenkt, obwohl er kaum Erinnerungen an sie hat. Ist hier, im Norden Ontarios, ein Neuanfang für ihn möglich? Nach und nach erinnert sich Liam an seine eigene, von Verlust geprägte Kindheit. Und auch Mrs. Orchard stellt sich ihrer Vergangenheit. Denn vor dreißig Jahren gab es einen Vorfall, der für zwei Familien tragische Folgen hatte.

»Es ist eine Freude, Lawsons Bücher zu lesen ... sie sind menschlich, weise und voller Empathie.« The Times

Mary Lawson, aufgewachsen in Ontario, lebt seit 1968 in Surrey, England. Mindestens einmal im Jahr reist sie in ihre Heimat Kanada. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Ihr Debüt »Rückkehr nach Crow Lake« war ein internationaler Erfolg und wurde in 20 Länder verkauft. 2006 wurde sie für den Booker Prize nominiert. Ihr neuester Roman, »Im letzten Licht des Herbstes«, ist in Kanada ein Bestseller.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextDie kanadische Bestsellerautorin verknüpft drei Schicksale zu einem hoffnungsvollen und zutiefst menschlichen Roman
In der idyllischen Kleinstadt Solace ist ein Teenager spurlos verschwunden. Die siebenjährige Clara ist untröstlich und wartet seit Tagen am Fenster auf die Rückkehr ihrer Schwester. Zu allem Unglück liegt auch noch ihre geliebte Nachbarin, die alte Mrs. Orchard, im Krankenhaus. Eines Abends zieht nebenan ein Fremder ein. Liam Kane wurde das Haus von Mrs. Orchard geschenkt, obwohl er kaum Erinnerungen an sie hat. Ist hier, im Norden Ontarios, ein Neuanfang für ihn möglich? Nach und nach erinnert sich Liam an seine eigene, von Verlust geprägte Kindheit. Und auch Mrs. Orchard stellt sich ihrer Vergangenheit. Denn vor dreißig Jahren gab es einen Vorfall, der für zwei Familien tragische Folgen hatte.

»Es ist eine Freude, Lawsons Bücher zu lesen ... sie sind menschlich, weise und voller Empathie.« The Times

Mary Lawson, aufgewachsen in Ontario, lebt seit 1968 in Surrey, England. Mindestens einmal im Jahr reist sie in ihre Heimat Kanada. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Ihr Debüt »Rückkehr nach Crow Lake« war ein internationaler Erfolg und wurde in 20 Länder verkauft. 2006 wurde sie für den Booker Prize nominiert. Ihr neuester Roman, »Im letzten Licht des Herbstes«, ist in Kanada ein Bestseller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641278656
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum30.08.2021
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1956 Kbytes
Artikel-Nr.5690772
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1
CLARA

Es gab vier Kartons. Große. Mit einer Menge Sachen drin, denn sie waren schwer, das konnte man daran sehen, wie der Mann sie reinschleppte, nach vorn ge­beugt, in den Knien ein bisschen eingeknickt. Er brachte sie in Mrs. Orchards Haus, stellte sie im Wohn­zimmer ab und ließ sie einfach dort stehen. Also war wohl nichts Wichtiges in den Kartons, nichts, was er gleich brauchen würde, wie Pyjamas, sonst hätte er sie ausgepackt.

Die Kartons standen mitten im Zimmer herum, was Clara nervös machte. Jedes Mal, wenn der Mann reinkam, musste er einen Bogen darum machen. Wenn er sie an die Wand gerückt hätte, wären sie ihm nicht im Weg gewesen, und es hätte auch viel ordentlicher ausgesehen. Und weshalb trug er sie überhaupt aus dem Auto ins Haus, wenn er sie dann nicht auspackte? Zuerst dachte Clara, er hätte sie nur für Mrs. Orchard abgeliefert und sie würde sie selbst auspacken, wenn sie wieder nach Hause kam. Aber sie war nicht wieder nach Hause gekommen, und die Kartons waren immer noch da, genau wie der Mann, der dort nicht hingehörte.

Gegen Abend war er in einem großen blauen Auto angefahren gekommen, genau zwölf Tage, nachdem Rose weggelaufen war. Zwölf Tage, das war eine Woche und fünf Tage. Clara hatte an ihrem üblichen Platz am Wohnzimmerfenster gestanden und versucht, nicht zu horchen, während ihre Mutter mit Sergeant Barnes telefonierte. Der Apparat stand im Flur, sodass man immer mitbekam, was jemand am Telefon sagte, egal in welchem Zimmer man sich aufhielt.

Claras Mutter schrie den Polizisten an. »Sechzehn! Rose ist sechzehn, falls Sie das vergessen haben sollten! Sie ist noch ein Kind!« Ihre Stimme brach. Clara presste die Hände auf die Ohren und summte laut vor sich hin, drückte das Gesicht ans Fenster, bis ihre Nase platt gequetscht war. Ihr Summen klang etwas abgehackt, weil es ihr schwerfiel zu atmen, wenn ihre Mutter sich so aufregte; sie musste immer wieder innehalten und Luft holen. Aber das Summen half. Wenn man summte, konnte man es innendrin spüren, nicht bloß hören. Es fühlte sich an wie eine Hummel. Wenn man sich auf das Gefühl und den Klang konzentrierte, schaffte man es, an nichts anderes zu denken.

Dann war da plötzlich ein knirschendes Geräusch, das ihr Summen übertönte, Autoreifen auf Kies, und das große blaue Auto kam in Mrs. Orchards Einfahrt gerollt. Clara hatte den Wagen noch nie zuvor gesehen. Es war ein schnittiger Straßenkreuzer, mit Heckflossen, himmelblau. Zu anderen Zeiten, normalen Zeiten, hätte er Clara vielleicht ganz gut gefallen, aber jetzt war nichts mehr normal, und sie wollte, dass alles so blieb, wie es immer gewesen war. Ohne fremde Autos in der Einfahrt.

Der Motor wurde ausgeschaltet, und ein unbekannter Mann stieg aus dem Wagen. Er schloss die Autotür, stand da und blickte auf Mrs. Orchards Haus. Es sah aus wie immer; dunkelgrün mit weißen Tür- und Fensterrahmen und einer breiten Veranda mit grau gestrichenem Bretterboden und weißem Geländer. Bisher hatte Clara nie darauf geachtet, wie das Nachbarhaus aussah, aber jetzt fiel ihr auf, dass es genau zu Mrs. Orchard passte. Alt, aber nett.

Der Mann ging auf die Veranda zu, stieg die Stufen hoch, zog einen Schlüsselbund aus der Hosentasche, schloss die Tür auf und ging hinein.

Clara war entsetzt. Wo hatte er die Schlüssel her? Der hatte da doch gar nichts zu suchen. Mrs. Orchard hatte ihr gesagt, dass es drei Schlüsselbunde gab (je einer für die Vorder- und Hintertür). Mrs. Orchard hatte einen, Mrs. Joyce (die einmal die Woche zum Putzen kam) hatte einen, und Clara hatte den dritten. Clara wollte es ihrer Mutter sagen, die nicht mehr am Telefon war, aber ihre Mutter weinte manchmal, wenn sie mit dem Polizisten gesprochen hatte; ihr Gesicht wurde dann ganz rot und fleckig, und das machte Clara Angst. Außerdem konnte sie ihren Platz am Fenster nicht verlassen. Wenn sie nicht nach ihr Ausschau hielt, würde Rose vielleicht nie zurückkommen.

In Mrs. Orchards Flur wurde eine Lampe angeschaltet - der Lichtschein fiel kurz auf die Veranda, bevor der Mann die Tür schloss. Mrs. Orchards Wohnzimmer befand sich direkt neben dem Wohnzimmer von Claras Haus, die Seitenfenster lagen sich gegenüber, und beide hatten auch noch Fenster zur Straße raus. Clara lief hinüber zum Seitenfenster (solange sie an einem der Fenster blieb, würde Rose nichts dagegen haben), und prompt ging in Mrs. Orchards Wohnzimmer das Licht an, und der Mann kam herein. Clara konnte alles gut sehen: Moses, der sich unter dem Sofa versteckt hatte (er verschwand immer unterm Sofa, wenn irgendwer außer Mrs. Orchard oder Clara ins Haus kam), schoss so schnell zur Tür hinaus, dass er schon weg war, bevor der Mann einen Fuß ins Zimmer gesetzt hatte. Er hatte sich in die Waschküche verzogen, wie Clara wusste, und von dort aus in den Garten. Die Waschküche hatte drei Türen, eine zum Wohnzimmer, eine zur Küche und eine zum Garten, und die Gartentür hatte eine Katzenklappe. »Er ist getürmt«, hätte Mrs. Orchard gesagt. Sie war die ­Einzige, von der Clara je das Wort »türmen« gehört hatte.

Eine Stunde zuvor war Clara noch in der Waschküche gewesen, um Moses zu füttern. Morgens und abends erlaubte sie es sich, ihren Platz am Fenster kurz zu verlassen, weil sie Mrs. Orchard versprochen hatte, sich um Moses zu kümmern, während sie im Krankenhaus war. Rose würde das verstehen.

»Er wird froh sein, wenn du rüberkommst«, hatte Mrs. Orchard gesagt. »Er vertraut dir. Stimmt´s, Moses?« Sie hatte Clara in die Geheimnisse des neuen Dosenöffners eingeweiht. Er war elektrisch. Man musste die Dose auf bestimmte Weise daranhalten, aber alles andere machte er allein, sogar die Dose drehen, während er den Deckel abschnitt.

»Eigentlich bin ich ja nicht für so einen Schnickschnack zu haben«, hatte Mrs. Orchard gesagt, »aber der alte Dosenöffner funktioniert nicht gut, und ich möchte nicht, dass du dich verletzt.« Moses war ihnen um die Beine gestrichen, ungeduldig nach seinem Abendessen miauend.

»Man könnte meinen, wir lassen ihn hungern«, sagte Mrs. Orchard schmunzelnd. »Hier, siehst du, der Deckel bleibt am Dosenöffner hängen - da ist ein Magnet dran. Pass auf, dass du nicht an die Kante kommst, wenn du ihn abnimmst. Du musst ziemlich fest ziehen, und die Kante ist sehr scharf. Bewahr die Dose im Kühlschrank auf, bis sie leer ist, dann spül sie aus und wirf sie draußen in die Tonne, nicht hier in den Eimer, sonst stinkt es. Mrs. Joyce kümmert sich um den Müll, wenn sie zum Putzen kommt. Ich hab mit deiner Mutter gesprochen, und sie ist damit einverstanden, dass du Moses zweimal am Tag füttern kommst. Ich bleib ja auch nicht lange weg.«

Aber sie war lange weggeblieben, wochenlang. Das Katzenfutter war Clara mehrmals ausgegangen, und sie hatte ihre Mutter um Geld bitten müssen, um neues nachzukaufen. (Das war, bevor Rose verschwand, als alles noch normal war und Clara sich frei bewegen konnte.) Sie hatte Mrs. Orchard für zuverlässiger gehalten und war enttäuscht von ihr. Die Erwachsenen waren meistens weniger zuverlässig, als sie sein sollten, aber sie hatte gedacht, Mrs. Orchard sei eine Ausnahme.

Sie konnte ihre Mutter in der Küche hören. Vielleicht ging es ihr jetzt wieder besser.

»Mummy?«, rief Clara.

»Ja?«, sagte ihre Mutter nach einer Weile mit erstickter Stimme.

»Ach nichts«, rief Clara schnell. »Schon gut.«

Der Mann ging durchs Haus, knipste Lichter an - Clara sah ihren fahlen Widerschein draußen auf dem Rasen. Er knipste sie nicht wieder aus, wenn er ein Zimmer verließ. Wenn Clara oder Rose das getan hätten, hätte ihr Vater »Licht aus!« gerufen. Aber jetzt war Rose nicht mehr da. Keiner wusste, wo sie war. Claras Mutter behauptete immer wieder, Rose sei in Sudbury oder North Bay und es gehe ihr gut, sie hätten sie nur lieber wieder zu Hause, oder wenigstens mal eine Postkarte von ihr, denn es wäre schön zu wissen, dass alles in Ordnung sei. Was eigentlich nur hieß, dass ihre Mutter keine Ahnung hatte, was mit Rose los war. Weshalb sie den Polizisten anschrie, weil er Rose noch immer nicht gefunden hatte.

Nachdem in Mrs. Orchards Haus so viele Lampen an waren, konnte man draußen fast nichts mehr erkennen. In Claras Wohnzimmer auch nicht, aber sie machte kein Licht, weil der Mann sie dann hätte sehen können. Im Hellen sieht man die Leute im Dunkeln nicht, doch wenn man im Dunkeln ist, sieht man die Leute im Hellen. Das wusste sie von Rose. »Stehst du nur einen Schritt weg vom Fenster«, hatte Rose gesagt, »dann können sie dich nicht sehen. Ich hab neulich Mrs. Adams zugeschaut, wie sie sich ausgezogen hat. Ganz nackt! BH und Schlüpfer, alles! Sie hat dicke Fettwülste am ganzen Körper, und ihr ­Busen erst! Wie zwei riesige schlabberige Ballons. Grässlich!«

Der Mann war jetzt wieder im Wohnzimmer und sah sich die Fotos auf Mrs. Orchards Anrichte an. Es waren sehr viele, alle gerahmt. Manche Rahmen aus Silber, manche aus Holz. Zwei der Fotos waren von Mrs. Orchard und ihrem Mann, als er noch gelebt hatte. Auf dem einen saßen sie nebeneinander auf dem Sofa, auf dem anderen standen sie auf irgendwelchen Türstufen, und auf beiden hatte Mr. Orchard seiner Frau den Arm um die Schultern gelegt. Es gab auch Fotos von ihm allein, am Türrahmen eines anderen Hauses lehnend, die Hände in den Hosentaschen, lächelte er in die Kamera. Es musste ein schönes Haus gewesen sein, denn an der Mauer neben ihm rankten Blumen. Mrs. Orchard sprach mit dem Foto, als sei es Mr. Orchard selbst, leibhaftig bei ihr im Zimmer, Clara hatte es oft...

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Autor

Mary Lawson, aufgewachsen in Ontario, lebt seit 1968 in Surrey, England. Mindestens einmal im Jahr reist sie in ihre Heimat Kanada. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Ihr Debüt »Rückkehr nach Crow Lake« war ein internationaler Erfolg und wurde in 20 Länder verkauft. 2006 wurde sie für den Booker Prize nominiert. Ihr neuester Roman, »Im letzten Licht des Herbstes«, ist in Kanada ein Bestseller.