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Das Geheimnis des Sturmhauses

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am20.12.2021
Ein abgelegenes Herrenhaus tief in den Wäldern von England. Ein kleines Mädchen, das wie aus dem Nichts auftaucht. Und ein Geheimnis, das seinen Schatten bis in die Gegenwart wirft ...
Forest of Dean, 1971: Als die Familie Harrington tief in den Wäldern von Foxcote Manor ein Baby entdeckt, das jemand dort ausgesetzt hat, beschließen sie, es als ihr eigenes aufzuziehen. Das kleine Mädchen scheint der Familie das verloren geglaubte Glück zurückzubringen, doch dann wird wenige Tage später ein Toter auf dem Gelände des Hauses gefunden und neue Abgründe tun sich auf ...
London in der Gegenwart: Die 46jährige Sylvie versucht, nach einer Scheidung neu anzufangen. Sie ahnt nicht, dass ein unerwarteter Vorfall sie nach Foxcote Manor zurückführen wird. Kann sie Licht in die Ereignisse von damals bringen, auch wenn es ungeahnte Folgen für sie haben könnte?

Eve Chase wollte schon immer über Familien schreiben - solche, die fast untergehen aber irgendwie doch überleben - und über große, alte Häuser, in denen Familiengeheimnisse und nicht erzählte Geschichten in den bröckelnden Steinmauern weiterleben. Eve Chase ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Oxfordshire.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin abgelegenes Herrenhaus tief in den Wäldern von England. Ein kleines Mädchen, das wie aus dem Nichts auftaucht. Und ein Geheimnis, das seinen Schatten bis in die Gegenwart wirft ...
Forest of Dean, 1971: Als die Familie Harrington tief in den Wäldern von Foxcote Manor ein Baby entdeckt, das jemand dort ausgesetzt hat, beschließen sie, es als ihr eigenes aufzuziehen. Das kleine Mädchen scheint der Familie das verloren geglaubte Glück zurückzubringen, doch dann wird wenige Tage später ein Toter auf dem Gelände des Hauses gefunden und neue Abgründe tun sich auf ...
London in der Gegenwart: Die 46jährige Sylvie versucht, nach einer Scheidung neu anzufangen. Sie ahnt nicht, dass ein unerwarteter Vorfall sie nach Foxcote Manor zurückführen wird. Kann sie Licht in die Ereignisse von damals bringen, auch wenn es ungeahnte Folgen für sie haben könnte?

Eve Chase wollte schon immer über Familien schreiben - solche, die fast untergehen aber irgendwie doch überleben - und über große, alte Häuser, in denen Familiengeheimnisse und nicht erzählte Geschichten in den bröckelnden Steinmauern weiterleben. Eve Chase ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Oxfordshire.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641259839
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum20.12.2021
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2270 Kbytes
Artikel-Nr.5691597
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1
Rita, Forest of Dean, 4. August 1971

Dieser Wald wird sie alle verschlingen, denkt Rita. Alles hier ist in ein geheimnisvolles grünliches Licht getaucht, und im starken Wind schlagen Zweige gegen die Wagenfenster. Sie umklammert das Lenkrad fester. Die Fahrbahn wird immer schmaler. Während sie darüber nachdenkt, ob sie die Abzweigung zum Haus womöglich bereits verpasst hat, fährt sie zu rasant in die Kurve und tritt dann mit voller Wucht in die Bremse. Sie sind da.

Sie schnappt nach Luft und reißt hinter der insektenbefleckten Windschutzscheibe des Morris Minor die Augen auf. Sie ist sich nicht sicher, was sie erwartet hatte. Etwas Gepflegteres. Etwas, das den Harringtons mehr entsprach. Aber doch nicht das da.

Hinter einem mächtigen, rostigen Tor erhebt sich aus dem Gestrüpp Foxcote Manor, als hätte eine Gesteinsverwerfung es aus dem Waldboden geschoben. Eine angeschlagene Schönheit. Die Stabwerkfenster des alten Anwesens schimmern im getüpfelten Abendlicht. Riesige Bäume überragen das rote Ziegeldach, das in der Mitte leicht durchhängt, sodass die Schornsteine in seltsam schiefen Winkeln davon abstehen. An der Fassade aus Holz und Backstein rankt sich üppig und dicht Efeu empor, der von einem Schleier aus summenden Bienen umschwirrt wird und aus dem immer wieder winzige Vögel hervorgeschossen kommen. Was Rita sieht, unterscheidet sich eklatant vom eleganten Stadthaus der Harringtons.

Einen Moment lang sagt keiner im Wagen ein Wort. Irgendwo in den Bäumen klopft ein Specht. Schweiß rinnt in Ritas linker Kniekehle hinab. Erst jetzt merkt sie, dass ihre Hände zittern.

Obwohl sie versucht hat, es so gut wie möglich vor Jeannie und den Kindern zu verbergen, hatte sofort eine schreckliche Nervosität sie überfallen, als sie, fast fünf Stunden nachdem sie London verlassen hatten, in die Forststraße eingebogen waren. Es war nicht bloß die Sorge, sie könnte ihren kostbaren Passagieren Schaden zufügen. Immer wieder beeinträchtigten die Bäume, die bis in den Himmel hochragen und ihn verdecken, tatsächlich die Sicht und ihre Orientierung, und sie weiß nur zu gut, wie hart so ein Baumstamm sein kann, wenn man mit achtzig Stundenkilometern dagegen prallt. Jetzt, da sie die Fahrt überlebt haben, schlägt sie erleichtert die Hand vor den Mund. Aber wie um alles in der Welt ist sie nur hier gelandet? In einem Wald. Ausgerechnet. Sie hasst Wald.

Eigentlich hätte es ein Job als Kindermädchen in London sein sollen.

Bis vor vierzehn Monaten war Rita noch nie in London gewesen. Doch sie hatte schon immer sehnsüchtig von diesem Ort geträumt, von der Rita, die sie dort sein könnte, weit weg von Torquay und von allem, was geschehen war. Und von einer Familie in der Großstadt hatte sie geträumt, die wie die Darlings aus »Peter Pan« wäre und sie wie ihresgleichen bei sich aufnehmen würde. Sie würden in einem großen, warmen Haus wohnen, in dem es keinen münzenfressenden Stromzähler gäbe wie in dem schrammeligen Bungalow ihrer Großmutter. Und sie hätte ein Zimmer für sich allein, mit einem Tisch und einem Regal, vielleicht sogar mit Blick auf die lebendige, aufregende Stadt. Und die Frau, für die sie arbeiten würde, wäre ... nun ja, perfekt eben. Feinfühlig, freundlich und sanft. Kultiviert. Mit winzigen Ohrläppchen und flatternden, vogelzarten Händen. So wie ihre eigene Mutter, an die Rita nur verschwommene Erinnerungen hat. Diese Frau wäre all das, was Rita bei jenem Unfall verloren hatte. Und nach dem ein Teil von ihr noch immer sucht.

Am Morgen des Vorstellungsgespräches, als ihr Blick an dem zuckerweißen Stuck und den sich darüber ergießenden Glyzinien emporwanderte, hat sie sofort gewusst, dass es das war: ihr neues Zuhause. Ihre neue Familie. Schon als sie an die vornehme Haustüre klopfte, hatte sie ein Kribbeln verspürt, und ihr Herz raste unter ihrer besten Bluse, die in London gar nicht als solche durchging. Mittlerweile ist sie nur noch ihre zweitbeste Bluse und befindet sich im Kofferraum, zusammen mit all ihren anderen praktischen und schlichten Kleidungsstücken, die sie nach dem Feuer, das am vergangenen Wochenende in dem Londoner Haus gewütet hatte, retten konnte. Selbst nach einer ausgiebigen Wäsche riechen ihre Kleider noch immer leicht nach Rauch.

Rita blickt kurz zu Jeannie auf dem Beifahrersitz hinüber. In ihrem neuesten Fang von Harrods ist sie trotzig für London gekleidet und umklammert ihre schwarze Lackhandtasche. Sie wirkt zerbrechlich und derangiert. Dass sie wieder abgenommen hat, wird schmerzlich offenkundig in dem cremefarbenen, noch ein Loch enger gegürteten Crêperock, dem taubenblauen Kaschmir-Twinset und dem weißen Seidenschal, der wie ein Verband um ihren stielartigen Hals gewunden ist. Und sie hat wieder diese Sonnenbrille auf, die aus Schildpatt, mit Gläsern, so groß wie Marmeladenglasdeckel, die sie immer nach einer durchweinten Nacht aufsetzt.

Jeannie hatte das Claridge´s Hotel, wo sie nach dem Brand untergekommen waren, gar nicht verlassen wollen. (Rita ebenso wenig: Sie hatte noch nie irgendwo gewohnt, wo sie ihr Bett nicht selbst machen musste. Das Zimmermädchen wollte sie nicht einmal bei den schwierigen Matratzenecken helfen lassen.) Und ganz gewiss hatte Jeannie nicht hierherkommen wollen: »Ein grauenvoller Ort. Walters Art, mich zu isolieren«, hatte sie ihr gestern Abend, außerhalb der Hörweite der Kinder, zugeflüstert. Als Rita sich Foxcote Manor nun so ansieht, fragt sie sich unwillkürlich, ob Jeannie damit nicht vielleicht recht hat.

Als sie die Stelle bei den Harringtons antrat, war alles anders gewesen. Sie weiß noch, wie Jeannie am Tag des Bewerbungsgesprächs ihre Referenzen laut vorlas, erinnert sich an das sich langsam in ihrem Gesicht ausbreitende Lächeln und an ihre Hände, mit denen sie sich über den hochschwangeren Bauch strich. »Loyal, freundlich und von meinen vier Kindern heiß geliebt. Großartig im Umgang mit dem Baby. Beim Wäschemachen und Kochen weniger versiert. Sehr nervöse Fahrerin. Würde sie, ohne zu zögern, wieder einstellen.«

Walter hatte damals kein besonderes Interesse gezeigt. Ein reservierter Mann mit einem sorgfältig gepflegten Schnauzbart, drahtig, in einem schmal geschnittenen, braunen Anzug, freundlich, aber geschäftsmäßig. Nachdem er ihr kurz und energisch die Hand geschüttelt hatte, entschuldigte er sich, warf seinen Kindern noch ein paar Kusshände zu und war zur Arbeit davongeeilt, wobei er den seifigen Duft von Rasierschaum hinterlassen hatte. Damals hatte Walter alle den Haushalt betreffenden Entscheidungen gern seiner Frau überlassen. Zwar leitete er die Firma Harrington Glas in Mayfair, aber nicht den Familienhaushalt. Und er schien ausgesprochen nett zu sein. Falls es damals Warnzeichen gegeben haben sollte, hat Rita sie nicht gesehen.

Noch nie hatte sie eine Stelle so sehr gewollt. Sie hatte ganz vorsichtig auf dem Sofa Platz genommen und fest die Hände gefaltet, um nicht nervös mit den Fingern zu spielen, und die Beine an den Knöcheln verschränkt und eingezogen, wie ihre Großmutter sie angewiesen hatte. (»Das lässt dich kleiner wirken, Liebes. Femininer.«) Sie hatte sich sehr bemüht, nicht zu viel zu lächeln, um ernsthaft und sachkundig zu erscheinen und älter als ihre zwanzig Jahre. Eines solchen Traumpostens würdig.

Jeannie hatte den damals fünfjährigen Teddy in den Salon gerufen. »Er ist bezaubernd«, sagte Rita. Und das war er. Rita musste gegen den Drang ankämpfen, seine Locken zu wuscheln. Dann war die damals zwölfjährige und weniger augenfällig bezaubernde Hera erschienen und hatte ihr wie zum Ausgleich dafür ein Stück Kuchen - Jeannie nannte es »Patisserie« - gereicht, auf einem feinen Porzellanteller mit einer winzigen Silbergabel. Während Hera schüchtern erklärte, wie man ihren vornehmen Namen aussprach - nahm Rita den Teller entgegen. Er kippte, und der Kuchen rutschte in grauenhafter Zeitlupe herunter und landete auf dem Hochflorteppich neben dem Blumentopf mit der Schusterpalme. Hera kicherte. Sie schaute Rita an, die daraufhin fatalerweise auch kichern musste und versuchte, es als Hustenanfall zu tarnen. Offensichtlich hatte sie es spektakulär vermasselt und würde direkt zurück in den Bungalow ihrer Großmutter, in ihr langweiliges Kleinstadtleben und zu ihrem elenden Geheimnis geschickt werden. Doch ausgerechnet dieses Kichern, verriet Jeannie ihr später, hatte ihr die Stelle beschert. Sie wollte ein lebensfrohes, junges Kindermädchen für das Baby, keine böse alte Schreckschraube.

Doch das Baby sollte Ritas Kichern nie zu hören bekommen. Oder das von irgendjemand sonst. Es ist nur eine Präsenz, die immer spürbar ist, aber - Gott bewahre - nie erwähnt wird. Und Rita ... was ist sie nun? Jedenfalls nicht mehr bloß das lebensfrohe, junge Kindermädchen. Sie hat sich schuldig gemacht.

Sogar die Bäume scheinen vorwurfsvoll auf sie herabzublicken und ihre belaubten Köpfe zu schütteln. »Unser kleines Abkommen«, nennt Walter es. Als er es vor zwei Tagen vorschlug, wollte sie nichts damit zu tun haben. Ihr waren seine Motive alles andere als geheuer. »Du möchtest darüber nachdenken?«, hatte er geschnaubt. »Das ist ein Auftrag, keine Dessertkarte, Rita.« Ihre Möglichkeiten waren begrenzt: Sie konnte einwilligen oder gehen (»unverzüglich und ohne Empfehlungsschreiben«), und er würde jemanden einstellen, der dienstwilliger war.

»Ich muss in London bleiben, aus geschäftlichen Gründen, also musst du Notizen über die Gemütsverfassung meiner Frau machen.« Walter strich sich über seinen zusehends zurückweichenden Haaransatz. »Halte mich über ihre Stimmungen auf dem Laufenden....

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Autor

Eve Chase wollte schon immer über Familien schreiben - solche, die fast untergehen aber irgendwie doch überleben - und über große, alte Häuser, in denen Familiengeheimnisse und nicht erzählte Geschichten in den bröckelnden Steinmauern weiterleben. Eve Chase ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Oxfordshire.