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Mein kleines Prachttier

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
363 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am26.09.20211. Auflage
Dies ist die Geschichte eines Mannes und eines jungen Mädchens, die Geschichte einer fatalen Liebe von animalischer Wucht und moralischer Zweifelhaftigkeit.

Ein langer, heißer Sommer in einem abgelegenen, strenggläubig calvinistischen Dorf. Auf dem Hof eines Milchbauern nähert sich der Tierarzt der vierzehnjährigen Tochter an. Das Mädchen, auf der verzweifelten Suche nach Geborgenheit, verwechselt Begehren mit väterlicher Zuneigung. Der Sommer schreitet voran und die beiden entwickeln eine immer gefährlichere Faszination füreinander ...

In der Begründung der Jury des Preises der Leipziger Buchmesse, den die Übersetzerin Helga van Beuningen 2022 erhalten hat, heißt es: »Wie mit absolutem Gehör begabt, lässt Helga van Beuningen die sprachlichen Register musikalisch ineinandergreifen, die für die beklemmende Attraktion von Marieke Lucas Rijnevelds Roman Mein kleines Prachttier sorgen. Ein deutsch-niederländisches Virtuos:innenstück.«


Lucas Rijneveld, 1991 in Nordbrabant geboren, gilt als die wichtigste junge niederländische Stimme. 2015 veröffentlichte er den preisgekrönten Lyrikband Kalbskummer, 2019 folgte Phantomstute. Für seinen Debütroman Was man sät erhielt Rijneveld 2020 den International Booker Prize, sein zweiter Roman Mein kleines Prachttier stand monatelang auf der Bestsellerliste. Rijneveld lebt in Utrecht.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextDies ist die Geschichte eines Mannes und eines jungen Mädchens, die Geschichte einer fatalen Liebe von animalischer Wucht und moralischer Zweifelhaftigkeit.

Ein langer, heißer Sommer in einem abgelegenen, strenggläubig calvinistischen Dorf. Auf dem Hof eines Milchbauern nähert sich der Tierarzt der vierzehnjährigen Tochter an. Das Mädchen, auf der verzweifelten Suche nach Geborgenheit, verwechselt Begehren mit väterlicher Zuneigung. Der Sommer schreitet voran und die beiden entwickeln eine immer gefährlichere Faszination füreinander ...

In der Begründung der Jury des Preises der Leipziger Buchmesse, den die Übersetzerin Helga van Beuningen 2022 erhalten hat, heißt es: »Wie mit absolutem Gehör begabt, lässt Helga van Beuningen die sprachlichen Register musikalisch ineinandergreifen, die für die beklemmende Attraktion von Marieke Lucas Rijnevelds Roman Mein kleines Prachttier sorgen. Ein deutsch-niederländisches Virtuos:innenstück.«


Lucas Rijneveld, 1991 in Nordbrabant geboren, gilt als die wichtigste junge niederländische Stimme. 2015 veröffentlichte er den preisgekrönten Lyrikband Kalbskummer, 2019 folgte Phantomstute. Für seinen Debütroman Was man sät erhielt Rijneveld 2020 den International Booker Prize, sein zweiter Roman Mein kleines Prachttier stand monatelang auf der Bestsellerliste. Rijneveld lebt in Utrecht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518769669
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum26.09.2021
Auflage1. Auflage
Seiten363 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2421 Kbytes
Artikel-Nr.5695024
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe




1


Mein Augenstern, ich sag es dir besser gleich: Ich hätte dich in jenem verbohrten Hochsommer wie ein Geschwür mit dem Hufmesser aus der Klauenlederhaut schneiden müssen, ich hätte Raum beim Zwischenklauenspalt schaffen müssen, damit Mist und Dreck herausfallen und niemand dich infizieren kann, vielleicht hätte ich dich mit dem Winkelschleifer nur etwas abtragen und nachfeilen müssen, mit etwas Sägemehl säubern und trocken reiben. Wie um Himmels willen konnte ich bloß die Warnung vergessen, die ich während meiner Tierarztausbildung zum Thema Klauenbeschneiden und Erkrankungen des Kronrands, Klauenseuche, Mortellaro-Krankheit, auch Stinkfuß genannt, zu hören bekam, wie einem bis zum Gehtnichtmehr eingebläut wurde, man müsse aufpassen, dass man nicht ins Leben schneidet, verletze nie das Leben, hieß es ständig, aber ach, meine Schwäche, meine Lahmheit! Du lagst in jenem störrischen Sommer wie ein Kalb in Steißlage im Kreißsaal meines vergifteten Verlangens, ich war der Handlanger des Wahnsinns, wusste nicht, wie ich dich nicht hätte wollen können, dich, die himmlische Auserkorene, und je öfter ich zwischen den dampfenden Leibern der Blaarkoppen hockte und deine zwingende Anwesenheit unweit von mir im Gras spürte, das frisch gemäht war und umrahmt von Gänsekresse, wo du unter dem Birnbaum stundenlang über den Hals deiner schneeweißen Gitarre gebeugt ein Stück von den Cranberries übtest, umso inständiger hoffte ich auf eine Labmagenverlagerung oder die Entfernung einer Gewebewucherung, damit ich länger in deiner Nähe bleiben und hören könnte, wie du wieder von vorn anfingst, wenn du eine falsche Saite angeschlagen oder mit deiner perlenden, engelsgleichen Stimme nach einer hohen Note gestrebt hattest, und dann warst du einen Moment lang still, und ich stellte mir vor, wie du dir mit roten Wangen eine Locke aus dem Gesicht pustest, eine Locke, die immer wieder zurückfiel, und ach, du hast so schön gepustet, wie ein Kind auf eine verwelkte Löwenzahnblüte, du hast von Panzern, Bomben, Gewehren, von Krieg gesungen, und bei allem, was ich tat, dachte ich an dich, ja, ich dachte an dich, wenn ich einen bis zur Schulter reichenden durchsichtig-orangen Handschuh anzog, ihn mit Veterinärgleitmittel besprenkelte, mit VetGel, und bei einer Doppelzweckkuh in die Scheide glitt, oder wenn ich meine Hand um die Beine eines glitschigen, noch in den Fruchthüllen steckenden Kalbes legte, im Rhythmus der Wehen sanft daran zog und mit der anderen Hand beruhigend über die feuchte Flanke der Mutterkuh rieb, wenn ich leise mit ihr sprach und manchmal ein paar Beckett-Sätze hersagte, die ich hier nicht wiederholen werde, keiner ist dafür empfänglich außer dir und den Blaarkoppen, und jedes Mal verlangte ich heftiger danach, dass du um mich herumschlendern mögest, wenn ich meinen grünen Tierarztkittel anzog, die Knöpfe zudrückte und mich an die Arbeit machte, dann hoffte ich, du würdest mir so zulächeln, wie du es bei den drahtigen Knechten so entzückend tatst, die sich während der Mittagspause am Küchentisch hinter ihrer Mauer aus aufgestapelten, dick mit Butter und Jagdwurst belegten Stullen versteckten, aber sie trauten sich nicht an dich heran, du warst die Art von Tier, für das sie nicht ausgebildet waren, du hattest keine vier Mägen, sondern nur einen, der unersättlich war, und ich kannte dich schon von klein auf, ich kannte dich durch und durch, auch wenn du zu jung warst, um von mir begehrt zu werden, und gleichzeitig zu beschwingt und ungeduldig für noch mehr Betütteltwerden und Väterlichkeit, und an deiner Haltung erkannte ich, dass du dich aus der elterlichen Gewalt lösen wolltest, von dem Bauernhof, auf dem du aufwuchst und der den Namen De Hulst trug, benannt nach W.G. van de Hulst, dem einzigen Schriftsteller, den dein Pa kannte und dessen gesamtes Werk er verschlungen und dir an guten Tagen vorgelesen hatte, woraufhin du träumtest, du wärst ein Zuckerbrötchen, dass jeder Appetit auf dich bekäme und von dir abbeißen wolle, dass du deinen zuckersüßen Körper fortwährend gegen den König beschützen müsstest, gegen die Süßmäuler, gegen Ameisen, und vielleicht hätte ich diesen Traum ernst nehmen müssen, überlege ich mir jetzt, da ich dies schreibe, obwohl ich nie vorhatte, es aufzuschreiben, ich achtete vor allem auf deine Haltung anstatt auf den Traum, darauf, wie du im Begriff warst, dich zu lösen, nicht nur vom Bauernhof, sondern auch von den Ställen, Asbest steckte in den Dächern, die dein Pa zu sanieren sich weigerte, denn Gott entschied, ob man Krebs bekam oder nicht, das lag nicht an ein paar alten Wellblechplatten, und auch von Ihm warst du im Begriff dich zu befreien, du wolltest Gott entkommen und hattest gleichzeitig Angst vor Seinem Zorn, vor Seinem Letzten Gericht, und du flüstertest manchmal im Bett aus Gesang einhundertachtzehn: O, erlöse mich von meinem bangen Schmerz. Doch am allerliebsten wolltest du dich von deinem Pa befreien, der sanft, aber doch sehr streng war, der Launen und Macken hatte, von dem du dich abwenden und den du trotzdem weiter hätscheln wolltest, genauso wie Bullebak, den widerspenstigen Stier, du konntest ihn nur streicheln, wenn er gerade gefressen oder nachdem er eine Kuh besprungen hatte, und ihr lieht ihn manchmal an andere Bauern aus, für jedes Mal gab es Deckgeld, das in ein Marmeladenglas auf dem Kaminsims in der Küche kam, und von dem Geld fuhrt ihr in Urlaub, ja, Bullebak sprang eure Ferien in Zeeland zusammen, und bei allem, was ihr dort von eurem Pa bekamt, angefangen bei Sandwichspread bis hin zu Donald-Duck-Heften, sagte er: Bedankt euch bei Bullebak. Und ich hörte dein Sich-Lösen vor allem an dem mürrischen und trotzigen Ton in deiner Stimme, wenn dein Pa den Reißverschluss an deinem Overall zuziehen wollte, nicht aus Vorsorge gegen den frischen Morgennebel, sondern um dich schnell noch mal berühren zu dürfen, sein Kind, das seinen rauen Händen voller Furchen und Schwielen immer mehr entwuchs, und dann blickte ich rasch auf meine eigenen Hände, die groß und stark genug waren, deine fest zu umschließen, ich hatte früher schon Kinderhände gehalten, obwohl das anders war, die hielten mich fest, und jetzt wollte ich dich halten, meine Finger mit deinen verflechten, deinem Mittelfinger, an dem ein Plastikring mit einem Marienkäfer steckte, den du von dem Kieferorthopäden bekommen hattest, als du erfuhrst, dass du eine Außenspange brauchtest, und, schwer getroffen von dieser grässlichen Nachricht, dir ein Geschenk aus der Schreckschachtel aussuchen durftest und dich für den etwas zu weiten Ring entschiedst; ich würde mit meinem Daumen noch stundenlang über deine Handfläche kreisen, wie ein Wiederkäuer mit Drehkrankheit. Und ich hörte während der Kaffeepause nur mit halbem Ohr den Geschichten deines Pas zu, der eine Kombination aus dem jungen Mick Jagger und Rutger Hauer war, wenn er voller Leidenschaft über sein Vieh sprach, über die Trockenheit der Äcker und am Deich, dass es eine dürftige Ernte würde, wenn die Doldenblütler zu schlaff waren, um für eine Vase auf dem Tisch gepflückt zu werden, ich nickte halbherzig, nirgendwo hier auf dem Bauernhof war eine Blumenvase zu entdecken, und wer keine Grünpflanzen oder Blumen ins Haus brachte, litt öfter unter trostlosen Erntegedanken, sogar wenn es eine gute und fruchtbare Saison war, und ich nickte wieder, als er erzählte, dass Kühe eintöniges Futter lieben, dass es Gewohnheitstiere sind, genau wie er selbst, und dass er ihnen manchmal klassische Musik vorspielte, Chopin oder Vivaldi, und dass die Milch dann abends sahniger schmeckte, ich verzog mein Gesicht im richtigen Moment zu einem Lächeln, aber am liebsten hätte ich nur alles über dich erfahren, ich wollte über dich sprechen, wie wir über die Rinder sprachen, ihre Stierigkeit und ihre Launenhaftigkeit, und ich schaute zum Rasenplatz, wo du mit deinem Bruder Trampolin sprangst, wo ihr spieltet, wer als Erster den Himmel berühren kann, wer als Erster Christus kitzeln kann, du wolltest Ihn zu Tode kitzeln, und später würdest du erzählen, dass sie früher bei den Römern den Kitzeltod einsetzten, um jemanden zu foltern, dass sie den Betreffenden festbanden und eine Ziege ausgiebig an den Fußsohlen lecken ließen, und während du auf dem Trampolin sprangst, immer höher und höher,...


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Autor

Lucas Rijneveld, 1991 in Nordbrabant geboren, gilt als die wichtigste junge niederländische Stimme. 2015 veröffentlichte er den preisgekrönten Lyrikband Kalbskummer, 2019 folgte Phantomstute. Für seinen Debütroman Was man sät erhielt Rijneveld 2020 den International Booker Prize, sein zweiter Roman Mein kleines Prachttier stand monatelang auf der Bestsellerliste. Rijneveld lebt in Utrecht.
Mein kleines Prachttier