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Gebrauchsanweisung für Hamburg

E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
224 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am29.07.20211
Willkommen in Europas Brückenhauptstadt! 2496 Brücken hat Hamburg - und das ist wenig verwunderlich, denn Wasser ist hier allgegenwärtig. Zwei Meere liegen vor der Haustür, Elbe und Alster durchziehen die Stadt, und der Hafen ist der größte Seehafen Deutschlands. Die Hansestadt lockt mit rotem Backstein und prachtvollen Villen, Reeperbahn und Elbphilharmonie, Fischbrötchen und Franzbrötchen. Erkunden Sie Hamburg zu Fuß, mit dem Rad oder gar auf dem Stand-up-Paddle-Board. Tauchen Sie ein in die Geschichte und die Geschichten dieser Stadt, und entdecken Sie gemeinsam mit Stefan Beuse hanseatisches Understatement und nordische Ausgelassenheit. »Der Leser wird sein Herz an Hamburg verlieren.« Hamburger Wirtschaft

Stefan Beuse, 1967 in Münster geboren, lebt als freier Autor mit seiner Familie in Hamburg. Für seine Romane und Erzählungen wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb sowie zweimal mit einem Literaturförderpreis der Freien und Hansestadt Hamburg. Zuletzt erschienen von ihm bei Hanser die Kinderbücher »Die Ziege auf dem Mond« und »Der Pinguin sucht das Glück«.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextWillkommen in Europas Brückenhauptstadt! 2496 Brücken hat Hamburg - und das ist wenig verwunderlich, denn Wasser ist hier allgegenwärtig. Zwei Meere liegen vor der Haustür, Elbe und Alster durchziehen die Stadt, und der Hafen ist der größte Seehafen Deutschlands. Die Hansestadt lockt mit rotem Backstein und prachtvollen Villen, Reeperbahn und Elbphilharmonie, Fischbrötchen und Franzbrötchen. Erkunden Sie Hamburg zu Fuß, mit dem Rad oder gar auf dem Stand-up-Paddle-Board. Tauchen Sie ein in die Geschichte und die Geschichten dieser Stadt, und entdecken Sie gemeinsam mit Stefan Beuse hanseatisches Understatement und nordische Ausgelassenheit. »Der Leser wird sein Herz an Hamburg verlieren.« Hamburger Wirtschaft

Stefan Beuse, 1967 in Münster geboren, lebt als freier Autor mit seiner Familie in Hamburg. Für seine Romane und Erzählungen wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb sowie zweimal mit einem Literaturförderpreis der Freien und Hansestadt Hamburg. Zuletzt erschienen von ihm bei Hanser die Kinderbücher »Die Ziege auf dem Mond« und »Der Pinguin sucht das Glück«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492999144
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisDRM Adobe
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum29.07.2021
Auflage1
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5637 Kbytes
Artikel-Nr.5703754
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2.âStation:
Am Ende des Tunnels

Wer mit dem Auto nach Hamburg will und es nicht besser weiß, fährt durch den Elbtunnel. Und zwar ganz langsam. Weil s so schön ist.

Es soll ja Leute geben, die geradezu süchtig nach Staus sind. Die irgendwie das Gefühl brauchen, im Kollektiv Widrigkeiten ausgesetzt zu sein, die sie nicht selbst zu verantworten haben: »Ich bin ein Spielball der Elemente«, denken diese Freizeitmasochisten und freuen sich dann, dass es anderen auch nicht besser geht. Trotzdem, und das unterscheidet sie von den meisten ihrer Leidensgenossen, sind sie auf alles vorbereitet. Das heißt: Sie haben ihren Picknickkorb immer dabei. Per Handy informieren sie den ADAC über die aktuelle Verkehrslage. Über Seiten- und Rückspiegel und durch Fensterscheiben kommunizieren sie nonverbal mit den Staugenossen, jovialen ein »Tja, was soll man machen«-Schulterzucken nach rechts, dokumentieren ihre Komplizenschaft mit dem »Herrgott, wann geht das denn endlich weiter«-Choleriker mit pausenlosem Gehämmere auf das Lenkrad nach links und fühlen sich bei alldem im Grunde pudelwohl.

Diesen Leuten ist der chronische Elbtunnelstau die tägliche Dosis Methadon bis zum Beginn der Sommerferien. Und wie bei allen wirklich großen Staus weiß auch bei diesem niemand so recht, wie er überhaupt zustande kommt. Denn wie durch ein Wunder geht es nach dem Tunnel - egal, von welcher Seite man durchfährt - plötzlich zügig weiter, und das kann nicht nur damit zu tun haben, dass wieder irgendeine Röhre gesperrt ist oder neu gebaut wird. Das hat mit etwas Grundsätzlichem zu tun. So etwas wie einem Geburtskanaltrauma. Wie sonst ist es zu erklären, dass es bis zur tiefsten Stelle, die knapp dreißig Meter unter der Wasseroberfläche liegt, kaum vorangeht (ein tastendes, sich gegen die Schwerkraft stemmendes und bremsendes »Nein, ich will nicht«), und wenn diese Stelle überwunden ist, geben plötzlich alle Gas?

Ich weiß es nicht. Und ich weiß auch nicht, warum das nach der Eröffnung der vierten Tunnelröhre, die bis 2002 mithilfe des weltweit größten Bohrkopfs »Trude« (vielleicht eine Abkürzung für »Tief runter unter die Elbe«, vielleicht auch nicht) gefräst wurde, nicht besser geworden ist. Aber vielleicht ist es sogar gut, gewisse Hamburger Eigenarten nicht zu verstehen. Nur: Kennen sollte man sie. Denn am Ende des Tunnels wartet eine ganz neue Welt. Eine Welt aus Wasser, Wind und Möwengeschrei, aus rotem Backstein und prunkvollen Villen, aus hypermodernen Businesstempeln und dem Geruch von Teer und Fisch. Es ist eine ganz eigene Mischung aus Understatement und Größenwahn, mit der
Sie konfrontiert werden, und je nach eigener Befindlichkeit werden Sie das entweder schizophren oder interessant finden.

Überhaupt funktioniert diese Stadt im Grunde wie ein Vexierbild, das mit der eigenen Stimmung kippt. Wie ein Spiegel, der vor allem wiedergibt, wer hineinsieht.

Hamburg ist eine Stadt, die jedes Vorurteil sofort bestätigt. Und sich gleichzeitig in dem Maße entzieht, in dem man versucht, sie auf etwas festzulegen. Eine Stadt, deren Menschen umso britischer tun, je näher man dem Stadtteil Blankenese kommt (in Blankenese selbst braucht ein der englischen Sprache ohnmächtiger Besucher ein Wörterbuch, um zu begreifen, vor was für einem Geschäft er gerade steht), und vielleicht liegt da ja der wahre Grund für den Elbtunnelstau. Vielleicht möchte man die Einreisedauer schlicht der Fahrt durch den britischen chunnel angleichen, jenen fünfzig Kilometer langen Kanaltunnel zwischen Großbritannien und Kontinentaleuropa, dessen Durchquerung mit dem Hochgeschwindigkeitszug immerhin eine gute halbe Stunde dauert. Denn so lange braucht man auch in etwa, um die drei Kilometer unter der Elbe durchzufahren. Egal, zu welcher Zeit. Egal, wie viel Verkehr ist. Egal, wie oft Polizeidurchsagen gemahnen, bitte zügig weiterzufahren, weil der nachfolgende Verkehr behindert werde: Es finden sich immer ein paar Hamburger, die die Röhren verstopfen, um den Neuankömmlingen Respekt beizubringen. Sie fühlen sich dann wie Eltern am Heiligen Abend, die ihre neugierigen Kinder im dunklen Zimmer eingesperrt lassen, in der irrigen Annahme, das Warten auf die Bescherung sei doch immer noch das Schönste und die Gaben würden sie reich entlohnen.

Dass es sich lohnt, das Warten, daran besteht für Hamburger natürlich überhaupt kein Zweifel. Schließlich leben sie in der schönsten Stadt Deutschlands. Wo sonst, bitte schön, gibt es mitten im Zentrum einen riesengroßen See, auf dem man sogar segeln kann? Wo sonst gibt es so viele gut aussehende Menschen, einen Hafen, der keinen Vergleich scheuen muss, wo gibt es so viel Grün, so viel Geld, so viele Legenden?

»Hamburg, meine Perle, du wunderschöne Stadt«, sang Lokalmatador Lotto King Karl, der auch Stadionsprecher war, vierzehn Jahre lang vor jedem Heimspiel des HSV von der Hebebühne des Volksparkstadions zusammen mit 57â000 Fans, und der Privatsender Radio Hamburg bringt jede Stunde Wetter und Verkehr »aus der schönsten Stadt der Welt«.

Ja, die Hamburger sind stolz auf ihre Stadt, und sie haben allen Grund dazu. Vom Flugzeug aus sieht man schon von Weitem, wie die Elbe ihre schlanken Seitenarme ausbreitet und großzügig goldenes Licht verteilt. Nähert man sich mit der Bahn, lohnt es sich, am Hauptbahnhof im Abteil sitzen zu bleiben. Denn fünf Minuten und ein »Senk ju for träwweling« später setzt sich der Zug wieder in Bewegung - und rollt ganz gemächlich über die Lombardsbrücke weiter zum Bahnhof Dammtor. Rechts und links genießen Sie jetzt mehrere Hamburg-Postkartenmotive auf einmal: Ansichten der großen, stillen Konkurrentin der Elbe. Rechts die Außenalster und das Hotel Atlantic, links die Binnenalster mit ihrer turmhohen Wasserfontäne: ein Empfang, den Sie so in keiner anderen Stadt erleben.

Dass Hamburg eine hohe Lebensqualität hat, liegt schon mit diesem ersten Blick so offensichtlich auf der Hand, dass es für die zur Tiefstapelei neigenden Hamburger auch nicht den geringsten Grund gibt, das ständig zu betonen. Hamburg muss man nicht erklären. Hamburg ist.

Andererseits gibt es keine andere Stadt, die derart unsentimental mit den Zeugnissen ihrer eigenen Geschichte umgeht. An der Stelle, an der Hamburg einst gegründet wurde, findet sich heute keine Gedenktafel, sondern: ein staubiger Parkplatz. Der mittelalterliche Dom ist längst abgerissen. Die Keimzelle des Hafens zugeschüttet. Und das einstige Gängeviertel zwischen Rathaus und Bahnhof wurde einfach plattgemacht.

Ende des vorvergangenen Jahrhunderts fiel sogar ein ganzes Stadtviertel mit immerhin fast 25â000 Einwohnern einer rigorosen Sanierung zum Opfer. Dort entstand ab 1883 die weltweit einzigartige Speicherstadt, die bis 2004 Zollausland gewesen ist und zu den bedeutendsten Hamburger Baudenkmälern gehört - was den Senat 1988 nicht davon abhielt, über ihren Verkauf an private Investoren nachzudenken.

Nur wenige Dutzend Bauwerke sind überhaupt noch aus der Zeit vor 1800 erhalten, und maßgeblich schuld daran sind weder der Große Brand von 1842 noch der Erste Weltkrieg, der Hamburg weitgehend unversehrt ließ, und auch nicht der Bombenhagel von 1943, sondern: die Neubauwut der Hanseaten. Diese Herzlosigkeit gegenüber der eigenen Vergangenheit ist es wohl, die den Kunsthistoriker Alfred Lichtwark bereits vor über hundert Jahren dazu veranlasste, Hamburg mit dem wenig rühmlichen Zusatz »Freie und Abrissstadt« zu versehen.

Allein: Den Hanseaten kümmert s wenig. Ausgestattet mit der Poesie eines Frachtbriefs, hauen die Enkel der viel geschmähten »Pfeffersäcke« (eine Bezeichnung für den hanseatischen Kaufmann, den es ständig nach Geschäften drängt und der es zu was gebracht hat - vielleicht sogar mit Pfeffer, der einst so kostbar war, dass er mit Gold aufgewogen wurde) alles kaputt, was ihnen im Weg steht. Ohne Rücksicht auf Geschichte. Aber mit viel Rücksicht auf Verluste: Wenn s um Geld geht, kennt die Hanseatenseele weder Freunde noch Verwandte. Ganz zu schweigen von Ikonen. Hamburg würde vermutlich sogar im Michel einen McDrive eröffnen, kalt lächelnd und ohne mit der Wimper zu zucken. Vorausgesetzt natürlich, das Angebot stimmt.

Ein Freund sagte letztens, er habe sich eine Weile spaßeshalber per Google Streetview durch die Stadt bewegt, und das sei wie eine historische Begehung gewesen, weil so viel von dem, was zur Zeit der Aufzeichnung (das meiste stammt aus dem Jahr 2008) zum Stadtbild gehört habe, schlicht nicht mehr da sei. Dabei meinte er nicht etwa Ladenlokale, sondern ehemalige Wahrzeichen wie das Deutschlandhaus am Gänsemarkt, eines der bekanntesten Hamburger Gebäude, das 2019 abgerissen wurde. Den inzwischen planierten City-Hof gegenüber den Deichtorhallen. Das alte Frappant-Gebäude in Altona. Oder die Sternbrücke, eine historische Eisenbahnbrücke über der Kreuzung von Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee, die mit ihren zahlreichen ebenso kleinen wie legendären Clubs einem futuristisch anmutenden Neubau-Monster weichen soll. Die Gänsemarkt Passage wird abgerissen, der Jungfernstieg komplett umgestaltet, und ob der Feldstraßen-Bunker am Ende wirklich so grün aussieht wie erhofft, wird sich zeigen.

Gerade bin ich für ein paar Monate in Rom gewesen, und angesichts der Tatsache, dass dort an jeder Straßenecke noch Zeug von vor dem Beginn unserer Zeitrechnung rumsteht und dass Gebäude aus Respekt vor diesen Zeitzeugen einfach drumherum gebaut werden (und zwar: buchstäblich drumherum; ich habe ein Kaufhaus gesehen, in dessen Erdgeschoss einfach ein Stück Säule stand, eingezäunt wie ein Ausstellungsstück, weil niemand in der Stadt auf die Idee käme, ein solches Monument wegen eines Neubaus auch nur...
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Autor

Stefan Beuse, 1967 in Münster geboren, lebt als freier Autor mit seiner Familie in Hamburg. Für seine Romane und Erzählungen wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb sowie zweimal mit einem Literaturförderpreis der Freien und Hansestadt Hamburg. Zuletzt erschienen von ihm bei Hanser die Kinderbücher "Die Ziege auf dem Mond" und "Der Pinguin sucht das Glück".