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Die Möbel des Teufels

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am29.07.20211
Frau Wolf und Cheng ermitteln Nach 44 Jahren kehrt Leo Prager aus dem Südpazifik zurück nach Wien: Dort liegt seine Schwester Eva zur Identifikation in der Gerichtsmedizin - und für Leo stellen sich viele Fragen. Wer tötet eine Parlamentsstenografin? Ist der Mord politisch, oder liegt das Motiv in Evas streng gehütetem Privatleben? Dass er bei den Antworten von Chengs Frau Wolf Unterstützung erfährt, ist nichts als reiner Zufall. Aber ein glücklicher. Ein Kriminalroman der ganz besonderen Sorte. Spannend, unwahrscheinlich und sehr sehr realistisch - dabei voller Liebe. Und die führt bekanntlich immer ans Ziel.

Heinrich Steinfest wurde 1961 geboren. Albury, Wien, Stuttgart - das sind die Lebensstationen des erklärten Nesthockers und preisgekrönten Autors, welcher den einarmigen Detektiv Cheng erfand. Er wurde mehrfach mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, erhielt 2009 den Stuttgarter Krimipreis und den Heimito-von-Doderer-Literaturpreis. Bereits zweimal wurde Heinrich Steinfest für den Deutschen Buchpreis nominiert: 2006 mit »Ein dickes Fell«; 2014 stand er mit »Der Allesforscher« auf der Shortlist. 2016 erhielt er den Bayerischen Buchpreis für »Das Leben und Sterben der Flugzeuge«, 2018 wurde »Die Büglerin« für den Österreichischen Buchpreis nominiert.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextFrau Wolf und Cheng ermitteln Nach 44 Jahren kehrt Leo Prager aus dem Südpazifik zurück nach Wien: Dort liegt seine Schwester Eva zur Identifikation in der Gerichtsmedizin - und für Leo stellen sich viele Fragen. Wer tötet eine Parlamentsstenografin? Ist der Mord politisch, oder liegt das Motiv in Evas streng gehütetem Privatleben? Dass er bei den Antworten von Chengs Frau Wolf Unterstützung erfährt, ist nichts als reiner Zufall. Aber ein glücklicher. Ein Kriminalroman der ganz besonderen Sorte. Spannend, unwahrscheinlich und sehr sehr realistisch - dabei voller Liebe. Und die führt bekanntlich immer ans Ziel.

Heinrich Steinfest wurde 1961 geboren. Albury, Wien, Stuttgart - das sind die Lebensstationen des erklärten Nesthockers und preisgekrönten Autors, welcher den einarmigen Detektiv Cheng erfand. Er wurde mehrfach mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, erhielt 2009 den Stuttgarter Krimipreis und den Heimito-von-Doderer-Literaturpreis. Bereits zweimal wurde Heinrich Steinfest für den Deutschen Buchpreis nominiert: 2006 mit »Ein dickes Fell«; 2014 stand er mit »Der Allesforscher« auf der Shortlist. 2016 erhielt er den Bayerischen Buchpreis für »Das Leben und Sterben der Flugzeuge«, 2018 wurde »Die Büglerin« für den Österreichischen Buchpreis nominiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492999175
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum29.07.2021
Auflage1
Reihen-Nr.6
SpracheDeutsch
Dateigrösse7323 Kbytes
Artikel-Nr.5703812
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Prolog

Anfang Dezember 2019. Nicht irgendwo auf der Welt, sondern in einer Stadt namens Wien, in einem Bezirk mit der Zahl Vier, in einer Gegend im Rücken einer formschönen Barockkirche. Und, um ganz genau zu sein, in einem kleinen, modernen Friseurladen. Geführt von einem jungen Mann, der sich als Wiener gleichermaßen wie als Österreicher und Türke empfand, in erster Linie aber eben Friseur war. Während die Frau, die soeben in seinem Friseurstuhl wie in einer gepolsterten Muschel saß, in erster Linie Detektivin war.

Bei der Dame im Stuhl, deren goldblond gefärbtes und mit einer einzigen schokoladenbraunen Strähne durchsetztes Haar unter den gefühlvollen Händen des Haarkünstlers an Volumen gewann, handelte es sich um Frau Wolf. Klar, sie besaß auch einen Vornamen, aber den kannte niemand und brauchte auch niemand zu kennen, sie war für alle nur »Frau Wolf«.

Frau Wolf besaß trotz ihrer Sechzigjährigkeit ausgesprochen gutes, festes Haar - so ganz genau wollte sie sich nicht auf ihr Alter festlegen, weniger aus Eitelkeit, mehr aus einer Gelassenheit gegenüber dem Phänomen der Zeit, ganz gleich, was da in ihren Dokumenten stand. Sie sagte gerne: »Ein paar Jahre rauf oder runter sollten eigentlich kein Thema sein. Jedes Alter darf über eine kleine Toleranz verfügen. Einen Bonus in beide Richtungen.«

Solche Gelassenheit änderte nichts daran, dass Frau Wolf mindestens zweimal, eher dreimal in der Woche diesen Friseur besuchte, manchmal auch nur, um eine Winzigkeit in ihrer Frisur zu ändern: eine farbige Strähne, eine Welle, wo vorher keine war, ein Auftoupieren, das sie gewiss auch selbst gut hinbekommen hätte, dann allerdings ohne die Magie, die aus den Händen dieses Friseurmeisters floss. Mitunter kam sie auch nur auf einen Mittagsplausch vorbei und um den ausgezeichneten Espresso zu trinken, der dort serviert wurde, besser als in jedem der so gerne überschätzten Wiener Kaffeehäuser.

Heute war es etwas aufwendiger gewesen, da sie zum Nachfärben erschienen war, einer goldbraunen Auffrischung, wobei die dunklen Ansätze nicht den Ton der ursprünglichen Färbung erhalten hatten, sondern der im Laufe der Wochen veränderten Coloration angepasst worden waren. Eine gewisse Ironie bestand nun darin, dass diese eine schokoladenbraune Strähne gar nicht auf einer Färbung beruhte, sondern es sich um Frau Wolfs natürliche Haarfarbe handelte. Ein schmales Relikt, eine auf den Ursprung verweisende Auslassung.

Wie sagte der junge Friseur, während er die Paspelierung löste und den Schutzumhang mit Schwung entfernte: »Viel Kunst und ein Hauch Natur.«

Frau Wolf schwenkte ihren Kopf hin und her, sich im Spiegel betrachtend, und meinte: »Wunderbar, wie immer.«

Zum Friseur zu gehen war ihre Droge. Sie fühlte sich danach deutlich besser. Was naturgemäß zu einer Abhängigkeit führte, die sie sich auch vollauf eingestand. Sie wäre gerne jeden Mittag hierhergekommen. Aber Sucht war andererseits kein Grund für Maßlosigkeit, denn am Ende der Maßlosigkeit stand leider immer das Gleiche: Lächerlichkeit.

Und lächerlich sein war das Letzte, was ihr vorschwebte.

 

Frau Wolf erhob sich aus dem Sitz und ließ sich nun von ihrem Friseur noch einmal von vorne betrachten. Es war, als studiere er eine Malerei. Er konnte es auch nicht lassen, mit dem Finger eine Strähne ihres Haars über eine andere Strähne ihres Haars zu legen und dieser Intervention mit einem Fixierspray zu einem gewissen Glanz, vor allem aber zu einer gewissen Dauer zu verhelfen.

Frau Wolf selbst sagte gerne: »Eine gute Frisur ist ständigen Gefahren ausgesetzt, angefangen bei der frischen Luft. Ganz zu schweigen vom Schlaf. Der Schlaf ist der größte Feind einer jeden Frisur.«

Immerhin, als sie jetzt den kleinen Laden verließ, war das Wetter trotz der Jahreszeit gütig zu nennen. Kein Regen, kein Wind, keine große Kälte, sondern ein mildes, von einem zarten Wolkenschleier besänftigtes Sonnenlicht. Es würde tatsächlich einer der fünfzehn wärmsten Dezembermonate seit dem Beginn der Messreihe im Jahr 1767 werden. Und das war zu spüren, als Frau Wolf da aus dem Geschäft trat und in der lauen, fast windstillen Mittagsluft sich die wenigen Meter Richtung Süden bewegte, dorthin, wo dann die Taubstummengasse begann, in die sie nun einbog. Gleich im ersten Haus lag im dritten Stock ihr Büro. Sie blieb vor dem hohen Eingang stehen und betrachtete die beiden Männer, die gerade dabei waren, neben die senkrechte Reihe von vier klassischen Messingschildern ein modernes Plexiglasschild anzubringen. Darauf war in hellblauen Lettern die Aufschrift »Detektei Wolf« zu lesen.

Sicherlich, Hellblau, genau genommen ein warmer Ton von Himmelblau, Fernblau genannt, französisch Bleu distant - der Name, den Frau Wolf bevorzugte -, war eine ungewöhnliche Farbe, um ein Detektivbüro auszuweisen, aber Frau Wolf wollte so dem Begriff der Detektei eine luftige und atmosphärische Note verleihen, eine Leichtigkeit und mithilfe des Plexiglases auch etwas Schwebendes, umso mehr als sie fand, dass ihr Gewerbe etwas ungemein Diffiziles besaß. Es nicht nur um die Suche nach der Wahrheit ging, sondern vor allem um die Suche nach Erlösung. Die Menschen, die zu ihr kamen, wollten eigentlich eine Form von Absolution. Die Wahrheit, mitunter eine schreckliche oder ernüchternde Wahrheit, war in der Regel sowieso das, was sie erwarteten. Es war stets eine Ahnung, die sich im Zuge von Frau Wolfs »Darlegung der Verhältnisse« materialisierte. Damit aber auch eine Befreiung einleitete.

»Sie sehen schon, dass das Schild ein wenig schief ist«, sagte Frau Wolf zu den beiden Handwerkern, die sich jetzt erschrocken umdrehten. Der eine oben auf der Leiter, der andere seitlich stehend und die Leiter haltend.

»Wirklich?«, fragte der auf der Leiter.

»Wirklich, glauben Sie mir«, erklärte Frau Wolf. »Minimal, mag sein. Aber minimal ist auch die Schraube, die sich in einem Flugzeug löst und es zum Absturz bringt. Oder der Beistrich, der einen Nebensatz von einem Hauptsatz trennt â¦«

»Ich habe verstanden«, antwortete der Mann in einem Ton unterdrückten Ärgers.

»Gut«, sagte Frau Wolf, trat an den beiden vorbei in das Gebäude und begab sich zum Aufzug, in dessen Spiegeln sie noch einmal die gelungene Färbung und Formung ihres Haars überprüfte. Im dritten Stockwerk verließ sie die Kabine und schritt sodann durch die hohe, dunkle Holztüre in das Vorzimmer ihres Büros.

Und dort saß er, ihr ehemaliger Chef, der Detektiv Markus Cheng. Der nun ihr Sekretär und Assistent war. Während sie zuvor seine Sekretärin und Assistentin gewesen war. Aber das war den beiden mit der Eindringlichkeit eines Naturgesetzes irgendwann klar geworden, dass die Verteilung ihrer Rollen nicht stimmte. Was rein gar nichts mit Frauenbewegung und Quotenregelung und einem Jetzt-sind-halt-mal-die-Frauen-dran oder einem In-Matriarchaten-sind-die-Leute-glücklicher zu tun hatte, sondern eben einer Einsicht in ein vernünftiges Grundmuster. Ein Muster, das bedeutete, dass Frau Wolf die bessere Detektivin war und Markus Cheng der bessere Sekretär und Assistent. Es hatte wirklich etwas mit Biologie zu tun. Die Biologie ist unbestechlich.

Cheng saß vor einem hohen Fenster sowie hinter einem massiven, dank geschwungener Beine aber auch leicht anmutenden Art-déco-Schreibtisch. Man konnte sagen, der ganze Cheng hatte etwas Art-déco-artiges mit seiner verinnerlichten Eleganz. Er trug einen dunkelblauen Anzug, dessen linker Ärmel aufgrund des fehlenden Arms hochgesteckt war. Außerdem hatte Cheng ein Einstecktuch in der Brusttasche, aber nichts Übertriebenes, wie man das jetzt leider häufig sah: hässlich bunte Tücher, die dann oft noch mit ähnlich hässlich bunten Socken korrespondierten, oft auch hollywoodesk aufgebauscht. Nein, das blütenweiße Tuch stand allein als ein schmaler, waagrechter Streifen in Form einer Rechteckfaltung heraus. Gerade so viel, dass darauf ein kurzer, prägnanter Satz hätte Platz finden können. Natürlich war da kein Satz, aber doch das Potenzial eines Satzes. Und dieses Potenzial stellte Chengs Statement dar.

Zu Chengs Beinen lag ein Hund. Eigentlich war es ein Schatten zwischen Chengs linkem Fuß und dem geschwungenen Schreibtischbein, ein ganz natürlicher Schatten. Aber Frau Wolf ging es so wie auch anderen Personen, nämlich immer wieder einmal zu meinen, Chengs längst verstorbenen Hund mit Namen Lauscher kurz an dessen Seite zu sehen, eben als Schatten, als Spiegelung, im Schein des Lichteinfalls oder im Moment einer Verdunkelung, wenn eine Wolke vor die Sonne trat. Ein Sekundeneindruck.

Nein, Frau Wolf glaubte nicht an Geister. Auch nicht an Hundegeister. Und Cheng selbst bestand darauf, diesen Hund weder zu sehen noch zu spüren, auch wenn er immer wieder von Leuten darauf angesprochen wurde, sie hätten ihn, Cheng, letztes Mal aus der Ferne, beim Überqueren der Straße â¦ da wäre doch ein Hund bei ihm gewesen, oder?

Frau Wolf meinte, es sei einfach Chengs Haltung. Er sei eben ein Mann, der nie aufgehört hatte, sich so zu bewegen und so zu sitzen, als wäre da noch immer der alte, kranke Lauscher an seiner Seite, auch wenn der längst begraben war. So wie Leute, die nicht aufhören konnten, einen Platz neben sich frei zu halten für einen geliebten Menschen, der gar nicht mehr lebte.

Vor allem aber dachte Frau Wolf in diesem Moment, wie ungemein gut Herr Cheng in dieses Zimmer passte. Als wäre dieser Raum extra für ihn geschaffen worden. Den perfekten Sekretär.

Cheng hob den Kopf, ließ kurz den Stift sinken, mit dem er soeben etwas notiert hatte, und meinte: »Schon toll, was dieser Friseur mit Ihren Haaren macht, wenn ich das sagen darf.«

»Dürfen Sie, Herr Cheng, danke.«

Sie wandte sich nach rechts, dorthin, wo eine...
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Autor

Heinrich Steinfest wurde 1961 geboren und erfand vor mehr als fünfzehn Jahren den einarmigen Detektiv Markus Cheng. Für seine originelle Schöpfung und dessen bemerkenswerte Fälle wurde Heinrich Steinfest mehrfach mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet, erhielt 2009 den Stuttgarter Krimipreis und stand auf der Shortlist für den Leo-Perutz-Preis. Zuletzt erschien "Der schlaflose Cheng", in dem Cheng zum letzten Mal selbst ermittelt, neuerdings assistiert er nämlich seiner ehemaligen Assistentin Frau Wolf. Und das ist gut so.