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Demokratie braucht Rückgrat

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
160 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am30.08.2021Auflage
Weltweit gerät die Demokratie unter Druck, auch bei uns. Durch populistische Wahlerfolge, grassierende Hasskriminalität und extremistische Netzwerke wie die Chat-Gruppe 'Nordkreuz'. Auf Hetze, Morddrohungen und Feindeslisten folgen Taten - wie die Terroranschläge in Halle, Hanau, am Berliner Breitscheidplatz und der Mord an Walter Lübcke zeigen. Auch in der Mitte der Gesellschaft sind demokratiefeindliches Gedankengut, Misstrauen und Verschwörungsideologien weit verbreitet. Was tun? Dieses Buch erklärt, warum wir den Mut aufbringen müssen, demokratische Grenzen klar zu benennen und besser als bisher zu verteidigen. Es zeigt, was sich dafür in Politik, Gesellschaft, Justiz und Medien konkret ändern muss.  Mit Beiträgen von Eric Hattke, Karl-Siegbert Rehberg, Ekhart Conze, Georg Restle, Ines Geipel, Hajo Funke, Peter Imbusch, Peter Imbusch, Lamya Kaddor, Dirk Laabs, Ingke Goeckenjan, Karolin Schwarz, Paul Ziemiak, Sebastian Krumbiegel, Marina Weisband und Michael Kraske. 

Eric Hattke, geboren 1991, lebt und arbeitet in Dresden. Er ist Geschäftsführer der Sächsischen Bibliotheksgesellschaft sowie Vorsitzender des Dresdner Vereins Atticus. Er ist eine der prominentesten Stimmen des bürgerlichen Widerstands gegen die Pegida-Bewegung in Dresden und setzt bis heute vielfältige Demokratieprojekte in Sachsen um. Michael Kraske, geboren 1972, ist Journalist und Autor von Sachbüchern sowie Romanen und lebt in Leipzig. Er schreibt Reportagen und Porträts und interviewt für die ZEIT, SPON, MDR, National Geographic. Außerdem ist er Radio- und TV-Experte für WDR, MDR, Bayerischer Rundfunk, Deutschlandfunk und Phoenix.
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Produkt

KlappentextWeltweit gerät die Demokratie unter Druck, auch bei uns. Durch populistische Wahlerfolge, grassierende Hasskriminalität und extremistische Netzwerke wie die Chat-Gruppe 'Nordkreuz'. Auf Hetze, Morddrohungen und Feindeslisten folgen Taten - wie die Terroranschläge in Halle, Hanau, am Berliner Breitscheidplatz und der Mord an Walter Lübcke zeigen. Auch in der Mitte der Gesellschaft sind demokratiefeindliches Gedankengut, Misstrauen und Verschwörungsideologien weit verbreitet. Was tun? Dieses Buch erklärt, warum wir den Mut aufbringen müssen, demokratische Grenzen klar zu benennen und besser als bisher zu verteidigen. Es zeigt, was sich dafür in Politik, Gesellschaft, Justiz und Medien konkret ändern muss.  Mit Beiträgen von Eric Hattke, Karl-Siegbert Rehberg, Ekhart Conze, Georg Restle, Ines Geipel, Hajo Funke, Peter Imbusch, Peter Imbusch, Lamya Kaddor, Dirk Laabs, Ingke Goeckenjan, Karolin Schwarz, Paul Ziemiak, Sebastian Krumbiegel, Marina Weisband und Michael Kraske. 

Eric Hattke, geboren 1991, lebt und arbeitet in Dresden. Er ist Geschäftsführer der Sächsischen Bibliotheksgesellschaft sowie Vorsitzender des Dresdner Vereins Atticus. Er ist eine der prominentesten Stimmen des bürgerlichen Widerstands gegen die Pegida-Bewegung in Dresden und setzt bis heute vielfältige Demokratieprojekte in Sachsen um. Michael Kraske, geboren 1972, ist Journalist und Autor von Sachbüchern sowie Romanen und lebt in Leipzig. Er schreibt Reportagen und Porträts und interviewt für die ZEIT, SPON, MDR, National Geographic. Außerdem ist er Radio- und TV-Experte für WDR, MDR, Bayerischer Rundfunk, Deutschlandfunk und Phoenix.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843725651
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum30.08.2021
AuflageAuflage
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2991 Kbytes
Artikel-Nr.5725536
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Grenzen sichern -
warum Demokratien wehrhaft sein müssen

von Eric Hattke

In der gesamten Geschichte meiner Familie, über die Jahrhunderte hinweg, bin ich der Erste, der in einer freien, friedlichen und demokratischen Gesellschaft aufwachsen durfte. Ein Umstand, den ich weithin als selbstverständlich hingenommen hatte. Lange war ich der sicheren Überzeugung, dass diese Gesellschaft, die für mich als Kind der Nachwende immer mehr zu ermöglichen schien, ewig Bestand haben würde. Doch politische Systeme können sich weiterentwickeln oder zerstört werden. 2014 trat in meiner Heimatstadt Dresden die rechtsextreme Pegida in Erscheinung, und Dinge, die ich bis dahin als selbstverständlich erachtet hatte - wie Anstand, gegenseitiger Respekt, die Achtung vor dem Leben und die Vielfalt unserer Gesellschaft - wurden infrage gestellt. Erst da, im Jahr 2014, wurde mir wirklich bewusst, dass eine Demokratie kein Selbstläufer ist. Seitdem hat sich das gesellschaftliche Klima in ganz Deutschland und darüber hinaus verändert.

Wie sichert ein politisches System sein Überleben? Vor allem eines, das so hohe Anforderungen an seine Bürger stellt wie das unsere? So altbekannt die Frage nach der richtigen Balance von Sicherheit, Stabilität und Freiheit sein mag, so unvermindert wichtig ist sie in Anbetracht heftiger werdender gesellschaftlicher Konflikte. Zentral erscheint mir dabei eine gefährliche Tendenz, die immer stärker im Diskurs zu bemerken ist:
Die Gleichsetzung von Demokratie mit Beliebigkeit und Freiheit mit Grenzenlosigkeit

Diese falsche Gleichsetzung war der Hauptanlass für die Idee dieses Buches. Sie birgt das Potenzial in sich, unsere demokratische Gesellschaft auf lange Sicht zu zerstören. Auf Grundlage dieser Gleichsetzung entstehen lautstark Meinungen, die behaupten, in einer Demokratie dürfe jeder alles, und wenn dem nicht so ist, dann sei dies ein sicheres Anzeichen für eine Diktatur.

Doch wer einen Blick in das Grundgesetz wirft, wird schnell feststellen, dass diese Behauptung falsch ist. Eine Gesellschaft benötigt Regeln und Grundwerte, die die Basis unseres Handelns bilden. Sie benötigt Grenzen dessen, was akzeptiert ist, sowie dessen, was nicht toleriert werden darf. Dies ist kein Kennzeichen einer Diktatur, sondern einer selbstbewussten wehrhaften Demokratie. Die Freiheiten, die wir genießen dürfen, sind nicht grenzenlos, und das sollten sie auch nicht sein. Denn das Zusammenleben vieler verschiedener Menschen braucht gegenseitige Rücksichtnahme und manchmal sogar die Begrenzung eigener Handlungsmöglichkeiten.

Das klingt banal, ist es aber nicht. Diese wichtige Grundlage unserer Gemeinschaft wird vor allem von den Kräften angegriffen, die Einheit mit Uniformität übersetzen. Ausgehend von der Gleichsetzung von Demokratie mit Beliebigkeit werden gesellschaftliche Diskurse schon in ihrer Ausgangsposition verdreht und beschädigt, indem unter dem Deckmantel angeblicher demokratischer Gesinnung behauptet wird, in einer Debatte müsse sich jede Seite auf die andere zubewegen und einen Kompromiss finden. Diese Behauptung erzählt das Märchen von der Gleichwertigkeit aller Positionen. So als gäbe es keine festen Werte, an die es sich zu halten gäbe, und Demokratie sei damit beliebig. Als sei die Position, Menschen im Mittelmeer am besten ertrinken zu lassen, gleichwertig mit der Position, diese zu retten. Als sei eine unflätige verletzende Bemerkung gleichwertig mit der Forderung, so etwas zu unterlassen. Als seien beide Positionen einfach nur die Seiten einer Medaille, und in einer Debatte ginge es darum, einen Kompromiss zwischen diesen beiden zu finden. Und wenn das Gegenüber nicht bereit ist, sich auf eine solche Diskus­sionsebene zu begeben, die den Grundwerten unseres Grundgesetzes widerspricht, dann wird behauptet, dieser sei kein Demokrat und würde seinerseits unsere demokratische Ordnung angreifen. Diese Verkehrung von Angreifer und Opfer erschwert oder verunmöglicht eine Debatte.

Was nötig ist, ist nicht der Verzicht auf einen Diskurs, auf das Aufeinanderzubewegen unterschiedlicher Ansichten, sondern die Verteidigung unsere demokratischen Grenzen in Wort und Tat, die sich aus unserem Grundgesetz und dem daraus erwachsenen moralischen Kompass speisen. Ein Kompromiss darf stets nur auf der Grundlage unserer demokratischen Werte geschlossen werden - nie dagegen.
Die Beschmutzertaktik

Die bisher erfolgreichste Strategie der Feinde unserer offenen Gesellschaft ist die Umkehr der Beschuldigung - die Beschmutzertaktik. Deren Mechanismus funktioniert immer gleich: Einer berechtigten Kritik wird vorgeworfen, einen Angriff gegen die Meinungsvielfalt oder auf das Recht der freien Meinungsäußerung darzustellen - also demokratiefeindlich zu sein. Durch diese Verdrehung wird aus einer Position, die demokratische Grundwerte schützen möchte, ein Angriff, der angeblich eben diese Werte verletzt. Aus dem aktiven Part wird ein passiver, der sich nun verteidigen muss.

Bei der Anwendung der Beschmutzertaktik werden zusätzlich häufig Reizwörter wie »Diktatur« oder »Nazikeule« verwendet, um den moralischen Druck auf die Gegenseite zu erhöhen. Bei allen berechtigten Hinweisen auf eine Versachlichung von politischen Debatten ohne Eskalationsdramatik - denn zweifelsohne gibt es auch schnellschussartige Übertreibungen einer überkritischen Erregungskultur - lohnt es sich, genau hinzuschauen, von wem die sogenannte »Nazikeule« instrumentalisiert wird. Um den Betroffenheitsstatus noch weiter zu zelebrieren, werden empört Interviews abgebrochen, oder es wird in Talkrunden demonstrativ aus dem Studio marschiert. Vor allem diejenigen, die am unanständigsten und bewusst provozieren, reagieren am empfindlichsten auf Kritik und wenden nur allzu gern die Beschmutzertaktik als Angriff nach vorn an.

Im Geiste dieser Taktik werden Abwehrmechanismen gegen rechtsextremes Gedankengut einer wehrhaften Demokratie, wie Präventionsarbeit und politische Bildung, in eine Bevormundung der Bevölkerung umgedichtet.1 Eine perfide Taktik, die leider allzu oft in öffentlichen Debatten Erfolge erzielt. Sie verschiebt den Fokus des eigentlichen Diskursgegenstandes zugunsten derjenigen, die die Diskussion mit unanständigen und undemokratischen Argumenten vergiften.

Wie kann auf diese Beschmutzertaktik reagiert werden? Wichtig ist, den Trick zu entlarven und zu widersprechen. Das eigene Argument sollte dann wiederholt und eine gezielte Frage gestellt werden, die sich auf die eigene Aussage bezieht und den Gegenüber zwingt, darauf einzugehen. Da der Gegenüber immer wieder versuchen wird, die Diskussion auf einen Nebenkriegsschauplatz zu ziehen, darf die Ablenkung vom eigentlichen Thema nicht hingenommen werden. Sätze wie »Das war nicht mein Thema«, »Nicht meine Frage«, »Sie weichen aus« können dabei helfen.

Ein gutes Beispiel der versuchten Umkehr der Meinungsfreiheit durch die Beschmutzertaktik ist das Vorgehen des Magdeburger Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann: Er bezeichnete die Handlung des Bezahldienstes PayPal als perfide Auswüchse eines »sanften« Totalitarismus, die der pluralistischen Gesellschaft und der Meinungsfreiheit entgegenstünden. Grund dieser Attacke war, dass PayPal dem Verlag Jungeuropa die Nutzung seiner Dienste entzog.2 Dieser verlegt unter anderem das Werk des Franzosen Robert Brasillach, der zur Zeit des Zweiten Weltkrieges als Chefredakteur der antisemitischen Zeitschrift »Je suis partout« schrieb: »Wir müssen uns die Juden ein für allemal vom Hals schaffen und dürfen auch keine Kinder behalten.«3 PayPal ließ sich durch diesen haltlosen Vorwurf nicht beirren und hielt an der Entscheidung fest - die Beschmutzertaktik lief ins Leere.

Es ist nicht undemokratisch, sich dazu zu entschließen, nicht jede ziellose Diskussion bis zur Erschöpfung zu führen, wenn man feststellt, dass dem Gegenüber nicht an einer sachlichen Auseinandersetzung gelegen ist. Letzten Endes geht es darum, nicht einzuknicken und auf platte Diktatur-Parolen in der Art zu reagieren, dass die eigenen Werte zugunsten eines faulen Kompromisses aufgegeben werden. Das ist nämlich die Strategie, der Plan - die Beschmutzertaktik.
Der Druck auf die Mittelschicht

Die falsche Gleichsetzung von Demokratie mit Beliebigkeit und Freiheit mit Grenzenlosigkeit sowie die Verschiebung des Sagbaren durch die Beschmutzertaktik sind ideologische Waffen, mit denen die Feinde der offenen Gesellschaft agieren. Sozial-ökonomische Fehlentwicklungen spielen ihnen dabei in die Hände. Deutschland ist ein reiches Land, dessen Reichtum aber immer ungleicher verteilt wird. Diese Ungleichheit ist eines der drängendsten sozialen Probleme unserer Zeit. Unter besonderem Druck steht die Mittelschicht, die in Deutschland die größte gesellschaftliche Gruppe, mehr als die Hälfte der Bevölkerung, ausmacht. Sie profitierte zu wenig von Wachstumszeiten der Wirtschaft. Während das Einkommen dieser Gruppe in den letzten Jahrzehnten kaum oder gar nicht wuchs, stiegen die Lebenshaltungskosten stetig. Die Überschuldung ist bei Haushalten mit mittlerem Einkommen höher als bei Haushalten mit niedrigem und hohem. Zudem ist die Befürchtung, in die untere Mittelschicht abzusteigen, größer als die Hoffnung auf einen Aufstieg in die obere...
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Eric Hattke, geboren 1991, lebt und arbeitet in Dresden. Er ist Geschäftsführer der Sächsischen Bibliotheksgesellschaft sowie Vorsitzender des Dresdner Vereins Atticus. Er ist eine der prominentesten Stimmen des bürgerlichen Widerstands gegen die Pegida-Bewegung in Dresden und setzt bis heute vielfältige Demokratieprojekte in Sachsen um.Michael Kraske, geboren 1972, ist Journalist und Autor von Sachbüchern sowie Romanen und lebt in Leipzig. Er schreibt Reportagen und Porträts und interviewt für die ZEIT, SPON, MDR, National Geographic. Außerdem ist er Radio- und TV-Experte für WDR, MDR, Bayerischer Rundfunk, Deutschlandfunk und Phoenix.