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Das geheime Leben des Albert Entwistle

von
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am30.08.2021Auflage
Albert Entwistle vermeidet so viel Kontakt wie möglich mit den Bewohnern der Kleinstadt Toddington, was als Postbote des Orts umsichtige Planung erfordert. Doch als er pensioniert wird und auch noch seine Katze stirbt, nimmt er seinen Mut zusammen und beschließt den Menschen nicht länger aus dem Weg gehen. Stück für Stück schließt er unerwartete Freundschaften und begibt sich mit deren Hilfe auf die mühsame Suche nach seiner Jugendliebe George. Ein zartes und einfühlsames Buch über den Mut, sich der Welt zu öffnen.

MATT CAIN wurde in Bury bei Manchester geboren. Er verbrachte zehn Jahre damit, Kunst- und Unterhaltungsprogramme fürs englische Fernsehen zu produzieren, bevor er 2010 vor die Kamera trat und Kulturredakteur wurde. Das geheime Leben des Albert Entwistle ist sein dritter Roman, mit dem er die Leser*innen begeistert.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextAlbert Entwistle vermeidet so viel Kontakt wie möglich mit den Bewohnern der Kleinstadt Toddington, was als Postbote des Orts umsichtige Planung erfordert. Doch als er pensioniert wird und auch noch seine Katze stirbt, nimmt er seinen Mut zusammen und beschließt den Menschen nicht länger aus dem Weg gehen. Stück für Stück schließt er unerwartete Freundschaften und begibt sich mit deren Hilfe auf die mühsame Suche nach seiner Jugendliebe George. Ein zartes und einfühlsames Buch über den Mut, sich der Welt zu öffnen.

MATT CAIN wurde in Bury bei Manchester geboren. Er verbrachte zehn Jahre damit, Kunst- und Unterhaltungsprogramme fürs englische Fernsehen zu produzieren, bevor er 2010 vor die Kamera trat und Kulturredakteur wurde. Das geheime Leben des Albert Entwistle ist sein dritter Roman, mit dem er die Leser*innen begeistert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843725583
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum30.08.2021
AuflageAuflage
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3308 Kbytes
Artikel-Nr.5725584
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel Eins

Albert Entwistle war Postbote. Viel mehr wussten die Leute nicht von ihm. Und er achtete darauf, dass es so blieb.

An einem dunklen, frostigen Morgen im Dezember kam er in der beruhigenden Gewissheit zur Arbeit, dass der vor ihm liegende Tag so sein würde wie immer - genau wie jeder andere seit Jahren und Jahren.

Es war kurz vor sechs, als er auf den Hinterhof des Postamts der Royal Mail radelte, das sich am Rande von Toddington befand. Kaltes, harsches Licht drang aus den Fenstern des einstöckigen Wellblechbaus, dessen graue Steinfassade durch die postrot gestrichenen Fensterrahmen und Türen nur geringfügig aufgeheitert wurde. Gähnend stieg Albert von seinem Rad und kettete es an. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Der Minutenzeiger näherte sich der Zwölf. Wenn er in das Gebäude ginge, würde es Punkt sechs Uhr sein. Genau wie es sein sollte.

Er knöpfte seinen Dufflecoat auf, zückte den Ausweis, der ihm um den Hals hing, und beugte sich zum Magnetsensor. Das vertraute Klicken zeigte an, dass das Schloss entriegelt wurde. Er trat ein.

»Alles klar, Albert?«, fragte der Wachmann, ohne groß aufzublicken. Ste Stockton war ein gut aussehender Mann Mitte zwanzig mit Muskeln, die wie gemalt aussahen. Er war so damit beschäftigt, Bilder seines Körpers im Internet zu zeigen, dass er sich kaum dafür interessierte, wer das Gebäude betrat - was, wie Albert einräumen musste, für einen Wachmann nicht ideal war, aber er sehr schätzte.

»Tag auch«, erwiderte Albert nickend. Das war seine Standardbegrüßung, geäußert in einem Ton, der jegliche Erwiderung vereitelte. Im Laufe der Jahre wurde er sehr geschickt, soziale Interaktionen weitgehend abzuwehren, und als er die sechzig überschritt, merkte er, dass die Leute ihn ohnehin immer weniger beachteten. Das passte Albert bestens; wenn es nach ihm ging, wäre er am liebsten unsichtbar.

Als er an einer Reihe Rollwagen vorbeiging und dem Gang zum Hauptverteilraum folgte, wappnete er sich gegen die größte Herausforderung des Tages. Er versuchte immer, sich unbemerkt einen Weg durch die Wellen des lebhaften Geplauders zu bahnen, die zwischen seinen Kollegen aufbrandeten - vor allem montagmorgens. Die meisten von ihnen wollten Berichte über ihre Erlebnisse am Wochenende austauschen. Mittlerweile ließen sie ihn damit in Ruhe, obwohl neuere Kollegen anfangs stets dem Irrtum anhingen, er hätte ein Privatleben abseits der Arbeit, genau wie sie. Und dann tat er ihnen leid, wenn sie erkannten, dass es nicht so war.

»Wie wär´s denn mit einem Hobby?«, hieß es daraufhin.

»Bowling zum Beispiel?«

»Meine Tante Mabel hat liebend gerne gepuzzelt.«

Er hoffte, heute davon verschont zu bleiben, drückte die Tür auf und betrat die Halle.

Alberts erste Hürde bestand darin, unbemerkt am Büro der Managerin des Verteilzentrums vorbeizukommen. Marjorie Bennett war eine laute und geschwätzige Fünfzigjährige, die jedem ungehemmt viel zu viele persönliche Fragen stellte - oder sich weitschweifig über ihr Privatleben ausließ. Wenn sie nicht gerade über die Hämorrhoiden ihres Mannes tratschte, hielt sie ihre Kollegen über jede einzelne ihrer Wechseljahrsbeschwerden auf dem Laufenden, bis ins letzte Detail. Auch heute unterhielt sie die Reinigungskraft bei weit offener Tür mit einer ausführlichen Beschreibung ihrer Hitzewallungen.

»Ganz ehrlich«, sagte sie, »ich schwöre, auf meinem Bauch könnte man Spiegeleier braten.«

Albert senkte den Kopf und eilte vorbei. Er verstand nicht, warum so viele Menschen bereitwillig ihre intimsten Erlebnisse preisgaben.

Es war eindeutig etwas, das durch Interviews mit Prominenten gefördert wurde, ganz zu schweigen von den sozialen Medien, von denen alle geradezu besessen waren. Depressionen, Sucht, Missbrauch: Anscheinend gab es keine Tabus mehr. Aber das gab´s für Albert nicht. Er hatte überlebt, weil er seine wichtigsten und tiefschürfendsten Erlebnisse für sich behalten hatte.

Komm schon, ermahnte er sich, einfach weitergehen.

Er schlängelte sich zwischen den kreuz und quer stehenden Stahlkarren durch, die mit Postsäcken beladen waren. Ein paar der jüngeren Angestellten sortierten die Briefe und Päckchen und warfen sie in die grauen, auf Ständer gespannten Säcke. Albert steuerte das Zentrum der riesigen, mit Neonlicht erhellten Halle an, wo jeder der Postboten ein eigenes Sortierregal hatte. U-förmige Schreibtische waren von endlosen Regalreihen mit winzigen Fächern umgeben, die für die einzelnen Adressen der jeweiligen Tour standen. In den nächsten dreieinhalb Stunden musste die Post in die korrekte Reihenfolge der täglichen Zustellrunde gebracht werden, die in Alberts Fall aus 667 Adressen bestand.

Er hängte seinen Mantel und seine Signalweste auf und mied die Blicke der Kollegen.

Am Schreibtisch links von ihm trank Jack Brew gerade einen Tee und nahm das letzte Spiel der hiesigen Fußballmannschaft auseinander. Jack war ein Mann in den Fünfzigern, dessen Kopf zwar kahl war, dessen Körperbehaarung dafür aber so dicht, dass man ihn für einen Werwolf halten konnte. Jack beschwerte sich regelmäßig über seine Frau, die er als Nervensäge bezeichnete, obwohl sie Alberts Eindruck nach einfach nur nett war; sie kaufte die Geschenke für den Geburtstag von Jacks Mutter oder buchte den Familienurlaub. Allerdings war Jacks Meckern über seine Frau nichts im Vergleich zu den Schimpftiraden, die er für den Manager des Toddington FC vorbehielt.

»Letzten Endes«, verkündete er, »kann dieser Witzbold nicht mal ein Kaffeekränzchen leiten, geschweige denn einen Fußballverein.«

Die umstehenden Männer brummelten zustimmend, worauf Jack seinen Sermon fortsetzte. Bei solchen Gelegenheiten musste Albert immer an seinen Dad denken. Vielleicht konnte ich ihn deshalb nie leiden.

Jack war so in die Diskussion vertieft, dass er zur Begrüßung nur die Hand hob. Albert spürte, wie seine Schultern vor Erleichterung entspannten.

Wie es aussah, drohte ihm vom Regal hinter ihm auch keine Gesprächsgefahr. Dort arbeitete eine der wenigen weiblichen Postangestellten, eine junge Mutter namens Sue Frinton. Sue war süchtig nach Preisausschreiben und hatte im Laufe der Jahre schon alles Mögliche gewonnen, darunter Reisen und ein Auto, aber auch Einkaufsgutscheine des hiesigen Supermarkts und ein sogenanntes Vampir-Lifting, was Albert unangenehme Assoziationen bescherte. Ihr Spitzname lautete Tsunami , weil sie so unorganisiert war: Ihr Sortierregal sah geradezu wüst aus, und sie kam jeden Morgen zu spät. An diesem Tag war sie noch nicht da, daher wusste Albert, wenn sie erst käme, hätte sie keine Zeit mehr zum Plaudern. Zumindest darauf kann ich mich bei Tsunami immer verlassen.

Leider konnte man das nicht von seinem Kollegen rechts von ihm behaupten. Smiler war eine drahtige Frohnatur in den Vierzigern. Er hatte so viel Energie, dass er kaum stillstehen konnte und selbst, wenn er sich mal hinsetzte - was selten genug vorkam -, immer noch zappelte. An seinem Sortierregal klebten unzählige Fotos von dem Bowlingteam, das er leitete, und von seiner fünfköpfigen Familie, die sich mit albernen Grimassen bei irgendwelchen verrückten Aktivitäten präsentierte. Smiler verlieh seiner Dienstuniform immer eine persönliche Note. So trug er heute Lametta um den Hals und eine Nikolausmütze mit Mistelzweig auf dem Kopf.

»Hi, Kumpel«, rief er fröhlich. »Schönes Wochenende gehabt?«

Albert keuchte auf, als hätte er einen leichten Schlag in den Magen bekommen.

»Ja«, quiekte er aufgeschreckt. Um das Gespräch sofort zu unterbinden, fragte er: »Auch eine Tasse Tee?«

»Nein, danke«, grinste Smiler. »Ich bin schon bedient.« Breit lächelnd hob er einen Becher mit einem Rentier drauf, dessen Nase sich rot färbte, sobald er mit heißer Flüssigkeit befüllt wurde.

Albert nickte und entschuldigte sich. Es war zehn nach sechs, daher war er sicher, dass all seine Kollegen sich schon mit Heißgetränken versorgt hatten und die Küche leer war. Zu seiner Überraschung jedoch hantierte im Pausenraum jemand mit dem Wasserkessel. Der junge Mann - schwarz und groß wie ein Laternenpfahl - hatte den Kopf hinten und an den Seiten kahl rasiert und trug eine so enge Jeans, dass Albert sich fragte, wie er sich damit hinsetzen wollte. Würde mich nicht wundern, wenn meine Unterhose älter wäre als er.

Er wich zurück und tat so, als würde er auf sein Handy starren. Obwohl da keinerlei Nachrichten waren, tröstete er sich mit einem Foto von Gracie, das er in seiner Galerie gespeichert hatte.

Der Pausenraum war mit den alten, verschrammten Schreibtischen und Plastikstühlen nicht wesentlich gemütlicher als die Arbeitshalle. Ein alter Fernseher hing an einer einst weiß verputzten Wand, die jetzt nikotingelb war, obwohl man hier seit Jahren nicht mehr rauchen durfte. Albert erhaschte einen Blick von sich in dem Spiegel, der halbherzig mit einer dürftigen Lamettagirlande geschmückt war. Mit seinen vierundsechzig Jahren war er...
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Autor

Matt Cain wurde in Bury geboren und wuchs in Bolton auf. Er verbrachte zehn Jahre damit, Kunst- und Unterhaltungsprogramme für ITV zu machen, bevor er 2010 vor die Kamera trat und der erste Kulturredakteur von Channel 4 News überhaupt wurde. Sein erster Roman, Shot Through the Heart, wurde 2014 veröffentlicht und sein zweiter, Nothing But Trouble, folgte 2015.