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Dranbleiben!

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Herder Verlag GmbHerschienen am17.08.20211. Auflage
'Ausgeheuchelt!', rief Stefan Jürgens in seinem Bestseller der Kirche zu, das Echo war gewaltig. Und seitdem kommen ständig immer mehr Scheinheiligkeit, Systemversagen und persönliche Fehler zum Vorschein, die Folgen sind dramatisch. Erschütternd? Ja. Zum Aufgeben? Nicht unbedingt. In seinem neuen Buch 'Dranbleiben' nimmt Jürgens nun wieder kein Blatt vor den Mund. Er weiß, dass viele die Nase voll und nichts mehr mit Kirche zu tun haben wollen. Offen spricht Jürgens über seine Enttäuschung und erklärt, weshalb er selbst trotzdem bleibt. Er geht über Denkverbote hinweg und zeigt, was sich wirklich ändern muss - und vor allem ändern kann. Nicht naiv, sondern realistisch und mutig. Eine entschiedene Forderung und Vision für eine andere Kirche, bei der es sich lohnt, dranzubleiben. Eine Kirche, die wieder den Menschen gehört und deshalb eine Zukunft hat. 'Ich lebe ja nicht für die Kirche, sondern von Gott her für die Menschen. Wer von Gott groß denkt, muss sich um den Fortbestand der Kirche keine Sorgen machen. Deren Untergang kann auch eine Chance zum Neuanfang sein.' (Stefan Jürgens)

Stefan Jürgens, geb. 1968, war zunächst Kaplan und Jugendseelsorger, dann Geistlicher Rektor einer katholischen Akademie und Leiter eines Exerzitienhauses, später Pfarrer in Münster und im Münsterland. Sein Blog 'Der Landpfarrer' erfuhr große Aufmerksamkeit, von 2004 bis 2008 war Jürgens Sprecher beim 'Wort zum Sonntag' in der ARD. Sein Buch 'Ausgeheuchelt' war ein Bestseller und sorgte für Furore.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR15,99

Produkt

Klappentext'Ausgeheuchelt!', rief Stefan Jürgens in seinem Bestseller der Kirche zu, das Echo war gewaltig. Und seitdem kommen ständig immer mehr Scheinheiligkeit, Systemversagen und persönliche Fehler zum Vorschein, die Folgen sind dramatisch. Erschütternd? Ja. Zum Aufgeben? Nicht unbedingt. In seinem neuen Buch 'Dranbleiben' nimmt Jürgens nun wieder kein Blatt vor den Mund. Er weiß, dass viele die Nase voll und nichts mehr mit Kirche zu tun haben wollen. Offen spricht Jürgens über seine Enttäuschung und erklärt, weshalb er selbst trotzdem bleibt. Er geht über Denkverbote hinweg und zeigt, was sich wirklich ändern muss - und vor allem ändern kann. Nicht naiv, sondern realistisch und mutig. Eine entschiedene Forderung und Vision für eine andere Kirche, bei der es sich lohnt, dranzubleiben. Eine Kirche, die wieder den Menschen gehört und deshalb eine Zukunft hat. 'Ich lebe ja nicht für die Kirche, sondern von Gott her für die Menschen. Wer von Gott groß denkt, muss sich um den Fortbestand der Kirche keine Sorgen machen. Deren Untergang kann auch eine Chance zum Neuanfang sein.' (Stefan Jürgens)

Stefan Jürgens, geb. 1968, war zunächst Kaplan und Jugendseelsorger, dann Geistlicher Rektor einer katholischen Akademie und Leiter eines Exerzitienhauses, später Pfarrer in Münster und im Münsterland. Sein Blog 'Der Landpfarrer' erfuhr große Aufmerksamkeit, von 2004 bis 2008 war Jürgens Sprecher beim 'Wort zum Sonntag' in der ARD. Sein Buch 'Ausgeheuchelt' war ein Bestseller und sorgte für Furore.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783451825675
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum17.08.2021
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse895 Kbytes
Artikel-Nr.5731000
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Über Irrwege auf Umwegen

Glaube und Kirche gehen keinen geraden Weg. Immer wieder erweisen sich ausgetretene Pfade als Irrwege, Umwege jedoch als Hinwege zu etwas Neuem. Es gilt, sich der Realität zu stellen, mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen und mit ganzem Herzen bei Gott zu sein.
Corona - die alles bestimmende Wirklichkeit

Religion entstand vor etwa fünfzigtausend Jahren. Die Menschen wurden damals sesshaft. Vorher liefen sie ihren Beutetieren hinterher, hatten faktisch keine Freizeit und von daher kaum Gelegenheit zum Denken und Nachdenken. Jetzt, mit der Sesshaftwerdung, betrieben sie Ackerbau und Viehzucht, legten Vorräte an und gewannen damit Zeit, in den Himmel zu schauen, über die Sterne zu sinnieren und nach dem Sinn des Lebens zu fragen. Bestattungsriten gehörten zu den ersten religiösen Handlungen überhaupt. Die Hoffnung auf ein ewiges Leben bestimmte Religion von Anfang an.

Von diesen Frühformen bis zum Ende des Mittelalters gab es eine einzige alles bestimmende Wirklichkeit: Gott. In ganz Ägypten oder Persien, Griechenland oder Rom lebten faktisch keine Atheisten. Jeder glaubte an irgendeinen Gott und meistens an mehrere. Die Israeliten mussten nicht beweisen, dass es Gott gibt, nicht begründen, ob Glauben sinnvoll ist oder nicht, sondern nur ihren eigenen Gott für den einzigen halten. Jesus musste mit den Schriftgelehrten und Pharisäern nicht darüber diskutieren, ob JHWH der Gott Israels ist, sondern nur über unterschiedliche Ansichten von Gottes Barmherzigkeit und Liebe, über die Auslegung von Gesetzen und die religiöse Praxis. Paulus musste niemanden dazu bewegen, an einen Gott zu glauben, sondern nur dazu ermutigen, dem Gott und Vater Jesu Christi zu vertrauen und durch dessen Tod und Auferstehung das Heil zu erwarten, bedingungslos und leistungsfrei. Auf diese Weise hat Paulus das Christentum für jedermann und jederfrau zugänglich gemacht.

So blieb es durch die gesamte Antike bis ins späte Mittelalter: Dass es einen Gott gibt, wurde niemals in Frage gestellt. Gott - der Glaube an ihn, aber auch die Angst vor ihm - war die alles bestimmende Wirklichkeit. Von der Neuzeit bis zur Aufklärung war der Mensch das Maß aller Dinge, das anthropozentrische Weltbild war die alles bestimmende Wirklichkeit. In der Reformation und Gegenreformation ging es um die Gnade und die Bedeutung der Kirche, nicht jedoch um Gott selbst. Dessen Existenz wurde von niemandem bezweifelt. Steht der Mensch im Mittelpunkt, kann Gott nur noch helfen, das zeitliche Leben zu bestehen und das ewige Leben zu finden. In der Aufklärung tauchen die ersten Atheisten auf, jedoch nur unter den Intellektuellen. Die Romantiker fanden das Göttliche in der Natur, sie schwärmten von einem Gott in allen Dingen. In dieser Zeit erfand sich die katholische Kirche neu, indem sie durch manche erfundenen Traditionen meinte beweisen zu können, dass sie allein die göttliche Wahrheit authentisch zu verwalten im Stande sei. Sie lehnte sich gegen die Vernunft auf und band im 19. Jahrhundert durch den Jurisdiktionsprimat und das Unfehlbarkeitsdogma jeden Wahrheitsanspruch an einen Papst, der in der Zeit aufkommender Nationalstaaten der letzte universale Souverän der Wahrheit zu sein vorgab. Ein verzweifelter Versuch, nach der Emanzipation der menschlichen Freiheit und Vernunft wieder Gott oder gar die Kirche zur alles bestimmenden Wirklichkeit zu machen.

Dieser Versuch ist gescheitert, denn seit dem 19. Jahrhundert gibt es viele Wirklichkeiten, die miteinander konkurrieren oder einfach nebeneinander existieren: das Aufblühen der Nationalstaaten, das Aufkommen von Ideologien wie dem Kommunismus, die industrielle Revolution mit dem Kapitalismus, in dem nunmehr das Geld zur alles bestimmenden Wirklichkeit wurde. Mir scheint, dass nach dem Fall der Mauer und dem Zerfallen der Ideologien das Kapital eine Zeitlang zur alleinigen Wirklichkeit geworden war. Fukushima, der Klimawandel und die Flüchtlingsproblematik waren und sind weitere bestimmende Wirklichkeiten, die übrigens mit Ausnahme von Sonntagsreden und Zeichenhandlungen komplett an den Kirchen vorbeigelaufen sind; niemand erwartet mehr ein Wort dazu, geschweigen denn eine Antwort.

Das vergangene Jahr 2020 war eine erneute Zeitenwende. Denn jetzt wurde ein kleines Stück RNA zur alles bestimmenden Wirklichkeit: das Corona-Virus. Im ersten Lockdown zu Ostern war die Kirche wie in einer Schockstarre. Gottesdienste wurden abgesagt, Live-Streams im Internet aus jeder Dorfkirche traten an deren Stelle. Es war von Geistermessen die Rede, bei denen man einen einsamen, oft unsicheren Priester am Altar vor sich hinbeten sah. Dafür war es immerhin der eigene Pfarrer, nicht irgendein unbekannter aus dem Fernsehprogramm. Das magische Amtsmissverständnis schlug an einigen Stellen voll durch, und das nicht nur durch die Feier der heiligen Messe ohne Gemeinde wie vor dem Konzil, die von einigen Bischöfen sogar empfohlen wurde als eine Art von Stellvertretung. So weigerten sich zunächst einige afrikanische und auch osteuropäische Bischöfe, die Mundkommunion zu verbieten, so als könne das Virus weder geweihten Händen noch eucharistischen Gaben etwas anhaben. Viele Priester hierzulande vergaßen offenbar aus Gewohnheit, die Gaben von Brot und Wein hygienisch abzudecken, was so wirkte, als müssten die von ihnen gesprochenen Wandlungsworte mitsamt den darin enthaltenen Aerosolen auf die Gaben gesabbert werden, damit die Messe gültig sei. Was für ein primitiver und sich selbst überschätzender Sakramentalismus und Klerikalismus!

Der Kirche wurde vorgeworfen, sich allzu schnell, ja, allzu bereitwillig zurückgezogen zu haben. Dabei war eine Menge Kreativität im Spiel. In den Pfarreien, in denen ich mitarbeiten darf, sowie in vielen anderen gab es beispielsweise neben den Live-Streams tägliche und wöchentliche Impulse, viele Telefonate mit alten Menschen, eine kleine Gebetsschule und vieles mehr. In den Apotheken, Supermärkten und Bäckereien hatten wir Flyer mit den Telefondurchwahlen der meisten Seelsorgerinnen und Seelsorger ausgelegt. Die Kirche war präsent, wenn auch nicht als Gemeinde, dann doch als Event und als personales Angebot. Kirche war in der Krise deutlich besser als ihr Ruf. Nur: Der Nachteil der meisten Online-Angebote war eine deutliche Reklerikalisierung, denn Kirche trat jetzt wieder hauptsächlich hauptamtlich-priesterlich auf.

Der Rückzug der Kirche aus dem öffentlichen Leben war jedoch mehr als eine Schockstarre. Er offenbarte ihre Milieuverengung. Nach wie vor gibt es eine Masse von Menschen, die man ins offene Covid-19-Messer laufen lässt, weil ihre Arbeit nicht im Homeoffice erledigt werden kann. Dazu gehört der gesamte Dienstleistungssektor, dazu gehören die Armen, Schwachen und Kranken, die sich häufiger als andere mit Covid-19 infizieren. Und dazu gehört die körperliche Arbeit, die immer weniger wahrgenommen wird, denn die Öffentlichkeit wird weitgehend von Akademikern im Homeoffice dominiert. Auch die Kirchenbürokratie saß größtenteils zu Hause, das Ausfallen der meisten Konferenzen offenbarte deren geringe Bedeutung, Online-Meetings waren viel kürzer als zuvor, weil man sie stringenter durchführen und auf die Inszenierung der eigenen Wichtigkeit verzichten konnte.

Auch ich hatte ungewohnt viele freie Abende, hatte zwar stets genug zu tun, aber nicht den Termindruck und Stress wie sonst. Plötzlich hatte ich ausreichend Zeit für Gottesdienst und Seelsorge, für die Begleitung von Menschen und das geistliche Leben. Obwohl auch die Verwaltung auf Sparflamme lief, blieb nichts unerledigt, alle Projekte liefen reibungslos weiter. Was ausfiel, waren allein die Sitzungen. Mich hat das sehr nachdenklich gemacht: Kann es sein, dass sich der Kirchenbetrieb bereits mit voller Wucht um sich selbst gedreht hatte? Dass alle Energie im Selbsterhalt gelandet war? Wie dem auch sei: Eine Kirche ohne Sitzungen ist offenbar wieder eine Kirche der Seelsorge. Die Gremien in den Gemeinden vor Ort hatten nach meiner Erfahrung ohnehin kaum noch Themen, denn auch hier begnügte man sich schon lange mit der Verwaltung des Bestehenden und plante gemächlich vor sich hin wie in den Jahren zuvor. Die diözesanen und überdiözesanen Gremien hingegen hätten eigentlich genügend Themen, nämlich im Zusammenhang mit der notwendigen Kirchenreform. Doch die wird nicht beherzt angepackt, das große Abenteuer der Nachfolge Christi landet in einer großen, von Corona noch verstärkten Kirchenlethargie.

In den sanften Monaten nach der Lockerung des ersten Lockdowns wurde viel diskutiert, Corona-Leugner und selbsternannte Querdenker traten auf den Plan und agierten höchst unwissenschaftlich und egoistisch vor sich hin, wobei sie sich mit Rechtsradikalen buchstäblich zusammenrauften. Im zweiten harten Lockdown kurz vor Weihnachten tauchten erneut die Fragen auf, was jetzt zu tun sei. Gottesdienste blieben weiterhin erlaubt, wenn auch unter hohen Auflagen. In meinen beiden Pfarreien haben wir diejenigen Gottesdienste abgesagt, bei denen nicht hundertprozentig sichergestellt werden konnte, dass auch das Kommen und Gehen vieler Menschen vor und nach der Liturgiefeier mit Abstand zu bewerkstelligen war. Alle Gottesdienste jedoch, zu denen man sich langfristig anmelden musste, blieben bestehen. Hier konnten wir die Abstands- und Hygieneregeln mit großer Sicherheit garantieren. Die evangelische Landeskirche von Westfalen hatte dennoch frühzeitig alles abgesagt, die katholischen Nachbarpfarreien zogen kurzfristig nach. Vom Bundespräsidenten über den Ministerpräsidenten bis zum Bischof hieß es: Wir brauchen auch Präsenzgottesdienste, damit uns Zuversicht und Trost nicht ausgehen. Außerdem wollten wir uns nicht nachsagen lassen, uns schon wieder allzu...

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Stefan Jürgens, geb. 1968, war zunächst Kaplan und Jugendseelsorger, dann Geistlicher Rektor einer katholischen Akademie und Leiter eines Exerzitienhauses, später Pfarrer in Münster und im Münsterland. Sein Blog "Der Landpfarrer" erfuhr große Aufmerksamkeit, von 2004 bis 2008 war Jürgens Sprecher beim "Wort zum Sonntag" in der ARD. Sein Buch "Ausgeheuchelt" war ein Bestseller und sorgte für Furore.