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Das Buch der Nacht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am07.10.20211. Auflage
Das Buch für Nachtfreunde, Nachtschwärmer und Nachtgestalten. Mit dem Einbruch der Dunkelheit beginnt eine Zeit, in der sich die gewohnten Koordinaten unserer Wahrnehmung verschieben. Bernd Brunner streift durch die wundersamen Stunden zwischen Dämmerung und Morgengrauen und beleuchtet unser Verhältnis zur Nacht auf dem Grenzgebiet zwischen Geschichte, Mythologie, Biologie und Literatur. Jahrtausendelang gab die Natur einen festen Rhythmus vor. Am Tag herrschte rege Geschäftigkeit - doch nach Sonnenuntergang sank alles in die Welt des Schlafs und der Träume. Nur nachtaktive Geschöpfe und leidenschaftliche Noctivaganten wie Goethe, der bei Mondschein schwimmen ging, genossen die Dunkelheit. Aktivitäten der Nacht haftete stets etwas Subversives, Verbotenes, Aufregendes an. Doch mit der Erfindung künstlicher Beleuchtung kam der Nacht immer mehr ihr Mythos abhanden. Straßenlaternen machten die Nacht zum Tag. »Töten wir das Mondlicht« war der Schlachtruf der Futuristen, deren Bewegung mit dem Aufkommen von legendenumwobenen Nachtclubs, Tanzpalästen und dem Berliner »Cabaret« einherging. Echte Finsternis finden wir heutzutage nur an entlegenen Orten oder paradoxerweise in künstlich geschaffenen Umgebungen, die den Tag zur Nacht machen: Nachttierhäuser oder Dunkelrestaurants, die sich großer Beliebtheit erfreuen. In Bernd Brunners »Buch der Nacht« begegnen wir mystischen Nachtgestalten, Aberglaube und Bräuchen und begeben uns auf eine Entdeckungsreise, die uns darüber staunen lässt, welche Geheimnisse die Nacht bis heute birgt.

Bernd Brunner, 1964 geboren, schreibt vielbeachtete, höchst unterhaltsame Bücher an der Schnittstelle von Kultur und Wissenschaftsgeschichte. Bei Galiani sind Die Kunst des Liegens (2012), Ornithomania (2015), Als die Winter noch Winter waren (2016) und Die Erfindung des Nordens (2019) erschienen. Seine Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er lebt in Berlin.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR24,99

Produkt

KlappentextDas Buch für Nachtfreunde, Nachtschwärmer und Nachtgestalten. Mit dem Einbruch der Dunkelheit beginnt eine Zeit, in der sich die gewohnten Koordinaten unserer Wahrnehmung verschieben. Bernd Brunner streift durch die wundersamen Stunden zwischen Dämmerung und Morgengrauen und beleuchtet unser Verhältnis zur Nacht auf dem Grenzgebiet zwischen Geschichte, Mythologie, Biologie und Literatur. Jahrtausendelang gab die Natur einen festen Rhythmus vor. Am Tag herrschte rege Geschäftigkeit - doch nach Sonnenuntergang sank alles in die Welt des Schlafs und der Träume. Nur nachtaktive Geschöpfe und leidenschaftliche Noctivaganten wie Goethe, der bei Mondschein schwimmen ging, genossen die Dunkelheit. Aktivitäten der Nacht haftete stets etwas Subversives, Verbotenes, Aufregendes an. Doch mit der Erfindung künstlicher Beleuchtung kam der Nacht immer mehr ihr Mythos abhanden. Straßenlaternen machten die Nacht zum Tag. »Töten wir das Mondlicht« war der Schlachtruf der Futuristen, deren Bewegung mit dem Aufkommen von legendenumwobenen Nachtclubs, Tanzpalästen und dem Berliner »Cabaret« einherging. Echte Finsternis finden wir heutzutage nur an entlegenen Orten oder paradoxerweise in künstlich geschaffenen Umgebungen, die den Tag zur Nacht machen: Nachttierhäuser oder Dunkelrestaurants, die sich großer Beliebtheit erfreuen. In Bernd Brunners »Buch der Nacht« begegnen wir mystischen Nachtgestalten, Aberglaube und Bräuchen und begeben uns auf eine Entdeckungsreise, die uns darüber staunen lässt, welche Geheimnisse die Nacht bis heute birgt.

Bernd Brunner, 1964 geboren, schreibt vielbeachtete, höchst unterhaltsame Bücher an der Schnittstelle von Kultur und Wissenschaftsgeschichte. Bei Galiani sind Die Kunst des Liegens (2012), Ornithomania (2015), Als die Winter noch Winter waren (2016) und Die Erfindung des Nordens (2019) erschienen. Seine Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er lebt in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462000191
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum07.10.2021
Auflage1. Auflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2031 Kbytes
Artikel-Nr.5733400
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis Wie wir schlafen

Wann gingen die Menschen schlafen, bevor künstliches Licht den Tag immer weiter in die Nacht verschob? Folgt man den Untersuchungen des amerikanischen Historikers Roger Ekirch, schlief man in Europa bis zum achtzehnten Jahrhundert nicht am Stück durch, sondern unterbrach die Nachtruhe durch mindestens eine Phase längerer Aktivität - eine Beobachtung, die der folgende Auszug aus Don Quijote von Miguel de Cervantes belegt:

»Die Nacht war ziemlich finster, obgleich der Mond am Himmel stand, freilich nicht an einer Stelle, wo man ihn sehen konnte; denn manchmal geht Frau Diana bei den Gegenfüßlern spazieren und lässt die Waldberge schwarz und die Täler dunkel. Don Quijote entrichtete der Natur seinen Zoll, indem er dem ersten Schlummer unterlag, aber den zweiten gestattete er sich nicht; ganz im Gegensatze zu Sancho, der einen zweiten Schlaf nicht kannte, weil bei ihm der erste vom Abend bis zum Morgen dauerte, worin sich seine kräftige Gesundheit und sein Mangel an Sorgen zeigte.«

Wie Ekirch herausgefunden hat, lässt sich dieses Schlafmuster nicht etwa nur bis in die Zeit des frühen Christentums zurückverfolgen, als Mönche für nächtliche Gebete aufstehen mussten, sondern bis in die Spätantike.

Die Zeit des Wachens mitten in der Nacht konnte mit Rauchen, Besuch von Nachbarn, Feuermachen, Gebeten, intimem Beisammensein und vermutlich auch mit dem Nachdenken über die eigenen Träume verbracht werden: »Wenn die Menschen aus ihrem Mitternachtsschlaf erwachten, blickten sie häufig wie durch ein Kaleidoskop auf die leicht verschwommenen, aber plakativen Bilder ihrer Träume. Wie schon in der Antike spielten Träume auch in der Neuzeit eine wichtige Rolle. Man glaubte, dass sie die Zukunft wie auch die Vergangenheit enthüllten, schätzte deren prophetische Qualitäten und die Möglichkeit, über die Träume ein tieferes Verständnis für den Zusammenhang zwischen Körper und Seele zu erlangen«, so Ekirch.

Kriminelle nutzten die Gelegenheit, um zu dieser Zeit leere Geschäfte zu plündern, Brennholz zu stehlen oder Früchte von den Bäumen zu holen. Andere, wie der Landwirt Henry Best of Elmswell im 17. Jahrhundert, gingen nach draußen, um herumstreunende Tiere von ihren Feldern zu vertreiben.

Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von künstlichen Lichtquellen veränderte sich diese Aufteilung der Nacht, vor allem in den Städten. Ekirch datiert dies auf das 18. Jahrhundert. Bei Charles Dickens gibt es eine andere Unterscheidung: Da ist die Nacht »der Lichter und Vergnügen«, in der sich die Menschen zusammenfinden, und die andere, die sich mit »Schuld und Dunkelheit« verbindet.

Über den Schlaf werden mitunter gewagte Hypothesen aufgestellt. Manche Menschen sind davon überzeugt, auf Vorrat schlafen zu können - sie wagen den Vergleich mit den Kamelen, die es verstehen, Wasservorräte zu tanken. Das Sprichwort »Sechs Stunden Schlaf für einen Mann, sieben für eine Frau, acht für einen Narren« wird manchmal Napoleon Bonaparte zugeschrieben, der in Zeiten hoher Belastung nachts sogar nur vier Stunden geschlafen haben soll. Der enorm produktive Leonardo da Vinci soll - so geht zumindest eine nicht belegte Legende - nur alle vier Stunden für jeweils zwanzig Minuten, insgesamt sechsmal, also zwei Stunden pro Tag geruht haben. Dieser polyphasige Schlaf wird auch als Uberman (»Übermensch«)-Schlafmuster bezeichnet (und soll hier bestimmt nicht zur Nachahmung empfohlen werden). Schlafforscher verweisen darauf, dass längere Erholungsphasen (bei allen individuellen Unterschieden) unbedingt notwendig sind, wenn man eine Zeitlang mit sehr kurzen Schlafphasen auskommen musste.

Die Liste der Mittel gegen Schlaflosigkeit dürfte mindestens so lang sein wie die ihrer vermuteten Ursachen. Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht schlafen können, hat es schon immer gegeben. Angst, Lärm, Kälte, Hunger und Krieg können Schlaf verhindern. Kunstlicht, selbst intensives Mondlicht, das den Weg durchs Fenster findet, ist ihm abträglich. Und nicht zuletzt wirkt sich das blaustichige Licht von Smartphones negativ auf den Spiegel des Schlafhormons Melatonin im Blut aus. Zudem gibt es noch all die trüben Gedanken der Schlaflosen, denen die so sehnlichst herbeigewünschte Flucht in den Schlaf verwehrt bleibt. Bewusste Einschlafanstrengungen wie Schäfchen zählen, sich rauschende Bergquellen vorstellen oder sich »Bettschwere« einreden, können gerade das Gegenteil bewirken. Paradoxerweise ist es oft zielführender, sich darin zu versichern, man müsse wach bleiben - um einschlafen zu können. Anna Seghers´ Ich-Erzähler in ihrem Roman Transit wähnt sich gar an einem ganz anderen Ort:

»Ich hatte selbst beim Einschlafen die Empfindung, auf einem Schiff zu sein, nicht, weil ich so viel von Schiffen gehört hatte oder eins benutzen wollte, sondern weil ich mich schwindlig und elend fühlte in einem Gewoge von Eindrücken und Empfindungen, die ich keine Kraft mehr hatte, mir zu erklären. Auch drang von allen Seiten ein Lärm auf mich ein, als schliefe ich auf einer glitschigen Planke inmitten einer betrunkenen Mannschaft. Ich hörte Gepäckstücke rollen und krachen, als lägen sie schlecht verwahrt im Lagerraum eines vom Meer geschüttelten Schiffes. Ich hörte französische Flüche und spanische Abschiedsbeteuerungen, und endlich hörte ich noch aus weiter Ferne, doch durchdringender als alles, ein kleines einfaches Lied, das ich zum letztenmal in meiner Heimat gehört hatte, als noch niemand von uns wusste, wer Hitler war, nicht einmal er selbst. Ich sagte mir, dass ich sicher nur träumte. Ich schlief dann auch wirklich ein.«

Jeder Schlaflose hat seine eigene Geschichte. Einen denkwürdigen Fall aus der Praxis hat Anton Tschechow in seiner gleichnamigen Erzählung beigetragen. Darin begibt sich Koroljow, der Assistent eines Moskauer Arztes, auf den Weg in die Provinz, um eine unter Schlaflosigkeit leidende junge Frau namens Lisa, die Tochter eines Kattunfabrikanten, aufzusuchen: »sie sei schon seit langem krank und hätte sich von verschiedenen Ärzten behandeln lassen; in der letzten Nacht, vom Abend bis zum Morgen, hätte sie solches Herzklopfen gehabt, dass kein Mensch im Hause geschlafen habe; man hätte gefürchtet, sie könnte sterben.« Auf dem Weg zu ihr sieht Koroljow die ungesunden, vom Alkohol gezeichneten Arbeiter. »Fast jede Nacht ist es mir so schwer ums Herz«, sagt Lisa. Bald wird klar, dass sich in der Schlaflosigkeit der jungen Frau ihr schlechtes Gewissen wegen der Ausbeutung der Arbeiter verdichtet. Denn, wie Koroljow erfährt, gehören ihr die fünf Fabrikgebäude. Koroljow: »Als Besitzerin dieser Fabrik und reiche Erbin sind Sie unzufrieden, glauben nicht an Ihr Recht und können deshalb nicht schlafen. Das ist natürlich besser, als wenn Sie zufrieden wären, ruhig schliefen und glaubten, dass alles in Ordnung sei. Ihre Schlaflosigkeit ist ehrenvoll; in jedem Falle ist sie ein gutes Zeichen.«

Emily und Charlotte Brontë, denen man Schlaflosigkeit nachsagt, sollen abends vor dem Zubettgehen so lange um ihren Esstisch herumgelaufen sein, bis sie die nötige Schwere für den Schlaf erlangten. Nach Emilys Tod soll sich Charlottes Schlafproblem noch verstärkt haben, so dass sie ihre Streifzüge bis zum Morgengrauen in der Nachbarschaft und zum Friedhof fortsetzte.

Von extremer Schlaflosigkeit wurde der rumänische, dem Nihilismus zuneigende Schriftsteller Emil Cioran geplagt, der in einer heruntergekommenen Pariser Mansardenwohnung lebte. »Was ist eine einzige Kreuzigung verglichen mit jener täglichen, die der Schlaflose erleidet?«, fragte er einmal. Marcel Proust dürfte zu den berühmtesten Schlaflosen zählen. Er schrieb mit höchster Konzentration die Nächte hindurch, genoss aber eben auch den großen Luxus, tagsüber ruhen zu können. Bekannt ist allerdings auch, dass er nachts weniger unter seinen allergischen Anfällen litt. Hatte er womöglich einfach den normalen Rhythmus, nachts zu schlafen und tagsüber zu wachen, auf den Kopf gestellt, weil seine Gedanken nachts freier waren? Das Beispiel von Proust macht deutlich, wie sehr der gesellschaftliche Status über das Wachsein bei Nacht entscheidet, welchen Zwängen die Menschen bei der Gestaltung ihres Tages- und Nachtablaufs unterliegen. Jemandem, der Tag für Tag frühmorgens zur Arbeit geht, bleibt der Luxus, die Nacht in allen ihren Facetten erfahren zu können, sich auch von ihr inspirieren zu lassen, verschlossen.

Die Utopie eines Menschen, der mit nur sehr wenig Schlaf auskommt, ohne seine Gesundheit zu gefährden, geistert hier und da immer noch durch die Köpfe: Einige Wissenschaftler wollen ergründen, wie es anderen Lebewesen gelingt, mit langen Wachphasen umzugehen. Ein erstaunliches Beispiel bietet die Dachsammer, ein kleiner amerikanischer Singvogel, der zu den Sperlingsvögeln zählt. Man hat herausgefunden, dass dieser Vogel bis zu zwei Wochen lang wach bleiben und damit die Flugstrecke von Alaska bis in den Norden Mexikos ohne Unterbrechung zurücklegen kann.

Die Protagonistin in Ulrike Kolbs Roman Die Schlaflosen sinniert:

»Warum gibt es kein Mittel, das uns vom Schlaf erlöst, von dieser gottgewollten Zeitverschwendung? Wie hat der Therapeut doch neulich gesagt? Es geht nicht darum, dass Sie nicht schlafen können, sondern dass Sie nicht schlafen wollen! Und wie er das gesagt hat! Als hätte er ein verheimlichtes Verbrechen in meinem Leben aufgedeckt.

Gleich kommt da wieder so ein Guru, der uns etwas einreden will. Von wegen Schlaf...
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Autor

Bernd Brunner, 1964 geboren, schreibt vielbeachtete, höchst unterhaltsame Bücher an der Schnittstelle von Kultur und Wissenschaftsgeschichte. Bei Galiani sind Die Kunst des Liegens (2012), Ornithomania (2015), Als die Winter noch Winter waren (2016) und Die Erfindung des Nordens (2019) erschienen. Seine Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er lebt in Berlin.