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Kaktusfeigen

tolino mediaerschienen am01.07.2021
Die eine glaubt ans Universum, die andere an Tomatensoße. Eigentlich sind die bodenständige Linda und ihre exzentrische Mutter ein gutes Team. Nur wenn es um Lindas sizilianische Wurzeln geht, fliegen die Fetzen. Um endlich Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, fliegt Linda mit ihrer kleinen Tochter kurzerhand nach Sizilien. Dort lernt sie nicht nur den schönen Bademeister Silvo kennen, sondern auch ihre sizilianische Großfamilie. Doch Lindas Vater aufzuspüren, erweist sich als schwierig. Und auch um Lindas Zwillingsschwester, die angeblich bei der Geburt gestorben ist, ranken sich gruselige Geheimnisse. Linda ist überzeugt: Ihre Schwester lebt. Doch was ist damals mit ihr passiert? Auf einer sizilianischen Hochzeit geraten die Dinge endlich ins Rollen. Ein Roman über die Suche nach den eigenen Wurzeln und die Magie von Tomatensoße. 'Anna Castronovo schafft es, Mystery, Spannung und jede Menge Witz in einer fesselnden Geschichte zu vereinen - und das mit einer solchen Leichtigkeit, dass man trotz der ernsten Themen immer wieder schmunzeln muss.' (Sabine Müller)

Anna Castronovo kennt Sizilien. Seit über 20 Jahren verbringt die Journalistin, Übersetzerin und Autorin jedes Jahr mehrere Wochen auf der Insel. Dabei stößt sie immer wieder auf spannende Geschichten und bewegende Schicksale abseits der Touristenpfade, die sie in ihren Romanen verarbeitet. Für ihren ersten Sizilienroman 'Klosterkind' gewann sie 2019 den Skoutz Award.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR11,99

Produkt

KlappentextDie eine glaubt ans Universum, die andere an Tomatensoße. Eigentlich sind die bodenständige Linda und ihre exzentrische Mutter ein gutes Team. Nur wenn es um Lindas sizilianische Wurzeln geht, fliegen die Fetzen. Um endlich Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, fliegt Linda mit ihrer kleinen Tochter kurzerhand nach Sizilien. Dort lernt sie nicht nur den schönen Bademeister Silvo kennen, sondern auch ihre sizilianische Großfamilie. Doch Lindas Vater aufzuspüren, erweist sich als schwierig. Und auch um Lindas Zwillingsschwester, die angeblich bei der Geburt gestorben ist, ranken sich gruselige Geheimnisse. Linda ist überzeugt: Ihre Schwester lebt. Doch was ist damals mit ihr passiert? Auf einer sizilianischen Hochzeit geraten die Dinge endlich ins Rollen. Ein Roman über die Suche nach den eigenen Wurzeln und die Magie von Tomatensoße. 'Anna Castronovo schafft es, Mystery, Spannung und jede Menge Witz in einer fesselnden Geschichte zu vereinen - und das mit einer solchen Leichtigkeit, dass man trotz der ernsten Themen immer wieder schmunzeln muss.' (Sabine Müller)

Anna Castronovo kennt Sizilien. Seit über 20 Jahren verbringt die Journalistin, Übersetzerin und Autorin jedes Jahr mehrere Wochen auf der Insel. Dabei stößt sie immer wieder auf spannende Geschichten und bewegende Schicksale abseits der Touristenpfade, die sie in ihren Romanen verarbeitet. Für ihren ersten Sizilienroman 'Klosterkind' gewann sie 2019 den Skoutz Award.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783752144178
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.07.2021
Seiten300 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1359
Artikel-Nr.5760329
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Die Magie von Tomatensoße

 

 

Da ist er wieder. Silvio Berlusconi mit seinem Haifischgrinsen. Die gebleichten Zähne leuchten aus einer dicken Schicht Make-up hervor, er breitet die Arme aus wie Jesus persönlich, streckt dann den Zeigefinger in die Kamera.

»Immer dieser aufgeblasene Sprücheklopfer, rauf und runter, und des schon am frühen Morgen.« Meine Mutter verdreht die Augen und hält die Fernbedienung Richtung Fernseher wie einen Revolver.

»Nicht ausschalten«, sage ich, schnelle vor und reiße ihr die Kommandozentrale unserer WG-Küche aus der Hand. Wer die Fernbedienung hat, hat die Macht.

»He!« Meine Mutter schaut mich empört an, dann schüttelt sie den Kopf. »Dass dir dieser heroperierte Zampano nicht auf die Nerven geht.«

»Mich interessiert halt, was in Italien los ist. Ist ja schließlich mein Geburtsland. Gell?«

Sie reagiert nicht auf meine Spitze, sondern rührt in ihrem Yogi-Tee und verfolgt das Spektakel auf dem Bildschirm. »Mei, der hat ja mehr Haare auf dem Kopf als vor den letzten Wahlen. Wie alt ist der jetzt eigentlich? Schau dir des mal an. Wenn der so deppert grinst, bleibt sein ganzes Gesicht starr, als wär es unecht.«

»Ist es ja auch«, sage ich.

»Des ist ja gruselig, wie so eine Horror-Mörderpuppe.« Sie schüttelt sich.

»Hast du dir heute schon einen Joint genehmigt?« Skeptisch beobachte ich, wie sie in kleinen Schlucken schlürft und dabei die Augenbrauen hochzieht.

»Ach geh! Jetzt sei halt nicht immer so spießig. Ein bisserl mehr Lockerheit würde dir fei nicht schaden.« Sie stellt die Tasse ab. »Aber echt, des ist doch ein richtiger Wiedergänger, oder? Also politisch gesehen, meine ich. Aus wie vielen Skandalen ist der jetzt schon auferstanden?«

Ich lache auf. »Verwicklung in Mafia-Attentate, Meineid, Geldwäsche, Bilanzfälschung, Schmiergeldzahlungen, Richterbestechung und illegale Parteifinanzierung. Hab ich was vergessen?«

»Sag ich doch. Alles Verbrecher, diese Italiener. Mit denen bin ich eh fertig.«

»Mitzi!«

»Ist doch wahr.« Meine Mutter schlägt raschelnd die Süddeutsche auf. »Was gibt´s heute zum Mittagessen?«

»Spaghetti mit Tomatensoße.«

»Schon wieder?« Sie schnauft lautstark.

»Kannst ja selber kochen.«

Grummelnd vergräbt sie sich in ihre Zeitung.

Ich zeige auf unseren Kochplan, der am Kühlschrank hängt. Er wird von meiner Mutter erstellt und verwaltet, und irgendwie steht sie selbst immer ein bisschen seltener drauf als ich. »Eigentlich war ich nämlich schon letzte Woche dran.«

Sie schaut nicht mal von der Süddeutschen auf. »Weißt, wir leben nicht, um zu glauben, sondern um zu handeln. Des ist fei vom Dalai Lama.«

»Lernen«, korrigiere ich sie. »Es heißt, wir leben nicht, um zu glauben, sondern um zu lernen.«

»Mei, dass du immer alles besser wissen musst. Dann lernst du halt. Des ist doch fast dasselbe. Wenn man handelt, lernt man doch automatisch.«

»Soll ich jetzt vom Dalai Lama kochen lernen, oder was?«

Jetzt schaut sie doch auf und rückt ihren Schal zurecht, den ich ihr als Kind gebatikt habe. Das Lila beißt sich mit dem Rot ihrer Haare, aber das ist ihr egal. Selbstgemachte Geschenke von Kindern sind heilig, sagt sie immer. Jetzt seufzt sie mitleidig. »Mei Linda, des verstehst du doch eh nicht.«

Ich schnappe nach Luft. »Was ich verstehe ist, dass ich doppelt so oft kochen soll wie du, und dass du dann auch noch über mein Essen meckerst.«

»Mein Gott, bist du stur. Jetzt nimm die Dinge doch einfach mal so hin, wie sie sind. Und außerdem lasse ich mir von niemandem vorschreiben, wie oft ich kochen soll, dass des fei klar ist. Des wäre ja noch schöner.«

»Aber ...« Ich breche ab. Eigentlich will ich ihr sagen, dass sie diejenige ist, die mir gerade Vorschriften macht, und zwar ziemlich ungerechte, aber ich will jetzt keinen Streit anzetteln. Dann koche ich eben auch heute, um des lieben Friedens willen. Ich setze mich hin, greife nach dem Müsli und verfolge weiter die Neun-Uhr-Nachrichten.

Seit Wochen schon echauffiert Berlusconi gut gelaunt die Weltpolitik. Und jedes Mal, wenn er mich aus dem Bildschirm heraus angrinst, erinnert er mich daran, dass ich nicht weiß, wer ich bin. Ob mein Vater auch so ist wie er? So narzisstisch und gänzlich ohne Manieren? Vielleicht ein ganz kleines bisschen? Ich zerbeiße eine Haselnuss. Das kann nicht sein. Mein Vater ist bestimmt ganz anders. Zum Beispiel der Typ verträumter Fischer, der im Morgendunst mit seinem Boot aufs Meer hinausfährt und sich seufzend fragt, was wohl aus seiner Tochter im fernen Deutschland geworden ist. Dieses Bild gefällt mir viel besser. Aber ich fürchte, das ist eher unwahrscheinlich. Die wenigen Informationen über ihn, die ich meiner Mutter in explosiven Momenten entlocken konnte, sprechen nicht wirklich für ihn.

Jedenfalls pflanzt Silvio Berlusconi den Gedanken an meinen Vater hinterrücks in meinen Alltag ein. Seit in Italien Wahlkampf ist, ist mein Geburtsland in unserer Küche omnipräsent. Genau wie der Geruch von Tomatensoße, der tagelang festhängt und jedes Mal, wenn man reinkommt, Lust auf noch mehr Tomatensoße macht. Ich bin süchtig danach. Wenn ich nur ein Gericht auf eine einsame Insel mitnehmen könnte, von dem ich mich den Rest meines Lebens ernähren müsste, wären es Spaghetti mit Tomatensoße, weil die gegen Einsamkeit, Fernweh, Erschöpfung und Kopfschmerzen helfen. Einfach gegen alles. Ein großer Teller Nudeln, ordentlich Soße drauf und ein Berg Käse, der schmilzt und Fäden zieht. Dann ist die Welt gleich wieder ein bisschen schöner.

Seit Wahlkampf ist, denke ich sogar an meinen Vater, wenn ich das Geschirr spüle. Ob ich wohl spüle wie eine richtige Sizilianerin? Und wenn ich unter der Dusche singe, nämlich immer Ti amo, weil es das einzige italienische Lied ist, dessen Refrain ich kann - ti amooo, ti amo, ti amooo, ti amo und so weiter. Auch wenn ich koche, natürlich sizilianische Rezepte, oder wenn ich meiner Tochter Hanna in ihre dunkelbraunen Rehaugen schaue. Die hat sie von mir, und ich habe sie, ist ja klar, von meinem südländischen Vater. Überhaupt fühle ich mich unglaublich sizilianisch.

Die Wahrheit ist, dass ich zwar seit Jahren heimlich Italienischkurse besuche und literweise Tomatensoße koche, aber Sizilien noch nie gesehen habe. Und über meinen Vater weiß ich nichts außer seinen Namen, und das auch nur, weil er in meiner Geburtsurkunde steht. Gaetano Inguanta. Das klingt wie Musik.

»Du, Mitzi?«, frage ich über den Tisch.

»Hm«, macht meine Mutter und liest weiter.

»Ist mein Vater auch so ein Zampano?«

Jetzt schnellt ihr Kopf doch nach oben und ihre Augen funkeln. »Der war schlimmer! Ein elendiger Grattler war der, ein hinterfotziger Hallodri, der war nicht nur ein Depp, sondern ein ganzer Deppenhaufen.«

Ich seufze. »Musst du immer gleich so giftig sein? Er ist immerhin mein Vater. Ich will ihn so gerne mal kennenlernen. Ich will wissen, wie viel Sizilien in mir steckt.«

»Wie viel Sizilien in mir steckt«, äfft sie mich nach. »Tu doch nicht so theatralisch. Du bist besser ohne diesen sizilianischen Süßholzraspler dran, des kannst du mir fei glauben.« Sie senkt den Kopf wieder und raschelt unmissverständlich mit der Zeitung. Thema beendet.

Ich schaue auf den Bildschirm. Da ist er schon wieder, der Kasperl mit dem öligen Siegerlächeln. Nein, nicht mein Vater, sondern Berlusconi. Er jubelt, als hätte er gerade das böse Krokodil niedergerungen. Die Bilder sind mit der Stimme des Nachrichtensprechers unterlegt: »Silvio Berlusconi hat die Parlamentswahlen mit großer Mehrheit gewonnen und wird zum dritten Mal Ministerpräsident Italiens.« Er klingt so, als würde er selbst nicht glauben, was er da sagt.

Meine Mutter faltet geräuschvoll ihre Zeitung zusammen. »Ja da gehst du her! Mit siebenundvierzig Komma drei Prozent der Stimmen. Des kann doch gar nicht sein, dass diese Italiener diesen aufgeblasenen Gockel schon wieder wählen. Zum dritten Mal.« Sie winkelt die Arme ab wie zwei Flügel und imitiert einen Hahn. »Gock, gock, gock, kikerikiii.« Dann zuckt sie die Schultern. »Aber mei, jedes Volk hat halt die Regierung, die es verdient.«

»Mitzi!«

»Ist doch wahr.«

Es folgen Bilder von Berlusconi, der Schampus über seine zukünftigen Minister gießt, vor allem in den Ausschnitt einer spindeldünnen Frau mit kurzen Haaren, die neben ihm steht. Irgendwie kommt sie mir bekannt vor. »Das ist doch dieses Nacktmodell, oder?«, frage ich meine Mutter. »Letztes Jahr hat er der doch zugeflüstert, er würde sie sofort zur Frau nehmen, wenn er nicht schon verheiratet wäre, und musste sich dann öffentlich in der Zeitung dafür entschuldigen. Weißt du noch, der Rosenkrieg im Hause Berlusconi?« Ich zeige mit dem Löffel auf den Fernseher. »Und jetzt will er ausgerechnet die zu seiner Gleichstellungsministerin machen? Im Jahr zweitausendacht? Ich fasse es nicht. Dabei hat er vor ein paar Tagen noch gesagt, die spanische Regierung mit neun Ministerinnen ist ihm zu rosa.«

Meine Mutter seufzt. »Mei, jetzt reg dich halt nicht gleich so auf. Des ist doch ein Zeichen von Fortschritt, dass ein Showgirl heutzutage Ministerin werden kann. Oder willst du einer Frau gleich alle ihre Qualifikationen absprechen, nur weil sie sich mal vor der Kamera ausgezogen hat? Die ist fei Juristin. Da brauchst du mit deinem abgebrochenen Studium gar nicht so schlau daherreden.« Sie blättert auf die nächste Seite der Süddeutschen.

Ich schüttle den Kopf. Das Krokodil ist jetzt jedenfalls endgültig weg vom Fenster, der Kasperl hat gewonnen und ich habe schlechte Laune. Ich...
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