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Tokio, besetzte Stadt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Verlagsbuchhandlung Liebeskinderschienen am26.04.2021Deutsche Erstausgabe
Tokio, 1948: In den Ruinen der kriegsversehrten Stadt beginnt der Wiederaufbau, doch es herrschen immer noch Korruption und Gewalt. Die Menschen kämpfen ums Überleben, schuldbeladen und gedemütigt von der amerikanischen Besatzungsmacht. An einem kalten Tag im Januar betritt ein Mann die Zweigstelle der Teikoku Bank im Viertel Shiinamachi. Er weist sich als Amtsarzt aus und erklärt dem stellvertretenden Filialleiter, dass es in der Nachbarschaft einen Fall von Ruhr gegeben habe und er vom Gesundheitsministerium beauftragt worden sei, alle Mitarbeiter zu impfen. Die sechzehn anwesenden Bankangestellten folgen seinen Anweisungen und trinken die verabreichte Flüssigkeit. Zwölf von ihnen sterben sofort, die anderen vier werden bewusstlos. Der Mann raubt nur einen Teil der Geldvorräte und verschwindet spurlos. Es beginnt die größte Verbrecherjagd in der Geschichte Japans.

David Peace wurde 1967 in Yorkshire geboren. Für sein Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem James Tait Black Memorial Prize, dem Grand Prix du Roman Noir und zwei Mal mit dem Deutschen Krimi Preis. Er wurde als einziger Krimischriftsteller in die renommierte 'Granta's List of Best Young British Novelists' aufgenommen. David Peace lebt mit seiner Familie in Tokio.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextTokio, 1948: In den Ruinen der kriegsversehrten Stadt beginnt der Wiederaufbau, doch es herrschen immer noch Korruption und Gewalt. Die Menschen kämpfen ums Überleben, schuldbeladen und gedemütigt von der amerikanischen Besatzungsmacht. An einem kalten Tag im Januar betritt ein Mann die Zweigstelle der Teikoku Bank im Viertel Shiinamachi. Er weist sich als Amtsarzt aus und erklärt dem stellvertretenden Filialleiter, dass es in der Nachbarschaft einen Fall von Ruhr gegeben habe und er vom Gesundheitsministerium beauftragt worden sei, alle Mitarbeiter zu impfen. Die sechzehn anwesenden Bankangestellten folgen seinen Anweisungen und trinken die verabreichte Flüssigkeit. Zwölf von ihnen sterben sofort, die anderen vier werden bewusstlos. Der Mann raubt nur einen Teil der Geldvorräte und verschwindet spurlos. Es beginnt die größte Verbrecherjagd in der Geschichte Japans.

David Peace wurde 1967 in Yorkshire geboren. Für sein Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem James Tait Black Memorial Prize, dem Grand Prix du Roman Noir und zwei Mal mit dem Deutschen Krimi Preis. Er wurde als einziger Krimischriftsteller in die renommierte 'Granta's List of Best Young British Novelists' aufgenommen. David Peace lebt mit seiner Familie in Tokio.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783954381326
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum26.04.2021
AuflageDeutsche Erstausgabe
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1162 Kbytes
Artikel-Nr.5761411
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

DIE ERSTE KERZE
Aussage der Weinenden Opfer

Wegen dir ist die Stadt ein Sarg. Im Schnee. Hinten auf einem Laster. Vor der Bank. Im Eisregen. Unter der schweren, feuchten Plane. Durch die Straßen. Im Regen. Zum Krankenhaus. Ins Leichenschauhaus. Im Eisregen. Zur Leichenhalle. Zum Tempel. Im Schnee. Zum Krematorium. Zu Erde und Himmel.

In unseren zwölf billigen Holzsärgen ...

In diesen zwölf billigen Holzsärgen liegen wir. Aber wir liegen nicht erstarrt da. Wir kämpfen in diesen zwölf billigen Holzsärgen. Nicht in der Dunkelheit, nicht im Licht; wir kämpfen im Grau; denn hier ist alles grau, hier gibt es nur Kampf.

An diesem grauen Ort,

der kein Ort ist,

kämpfen wir ununterbrochen, schon immer, schon lange ...

An diesem Ort, Nichtort, zwischen zwei Orten. Wo wir einst waren, wo wir sein werden ...

Die tödlich Lebenden,

die lebendigen Toten ...

Zwischen diesen zwei Orten, zwischen diesen beiden Städten:

Zwischen der besetzten Stadt und der toten Stadt leben wir, zwischen der verwirrten und der posthumen Stadt.

Hier leben wir in der Erde, bei den Würmern,

am Himmel, bei den Fliegen, wir, die wir nicht mehr im Dasein beheimatet sind. Jenseits von Verlust fallen Vogelschwärme vom Himmel und lassen ihre blutigen Federn und abgerissenen Flügel auf uns herabregnen. Aber wir hören dich immer noch. Wir, die wir nun im Nichts beheimatet sind. Jenseits von Verlust springen Fischschwärme aus dem Meer und lassen ihre blutigen Eingeweide und abgerissenen Köpfe auf uns herabfallen. Wir sehen dich immer noch. Wir wollen wieder atmen, aber das können wir nie mehr. Jenseits von Verlust stürmen Viehherden von den Weiden und zertrampeln uns mit ihren blutigen Kadavern und abgetrennten Körperteilen. Wir hören dich. Wir wollen zurückkehren, aber das können wir nie mehr. Jenseits von Verlust. Wir beobachten dich immer noch. Durch unsere Schleier ...

Schleier, die nicht mehr vor unseren Augen liegen, sondern dahinter, Fäden, gesponnen aus Tränen, Netze, gewoben aus Tod, Schleier, die unsere Namen ersetzen, unser Leben.

Durch diese Schleier

schauen wir noch immer hindurch ...

Wir beobachten, wir beobachten dich ...

Unsere Münder schon immer offen, schon lange offen. Aber wir sprechen nicht mehr, wir können nicht sprechen, hier können wir nur hauchen, hauchen:

Interessieren wir dich? Haben wir das je?

Unsere Münder schreien,

schon immer, Schreie,

die hauchen:

Deine Gleichgültigkeit ist unsere Krankheit, ist uns eine Plage ...

Wir hausen jenseits des Kummers. Du verschließt deine Münder. Wir hausen jenseits des Schmerzes. Du verschließt deine Augen. Jenseits der Trauer, der Verzweiflung. Du schließt deine Ohren, denn du hörst uns nicht, du hörst nicht auf uns ...

Und wir sind müde, so müde, so überaus müde ...

Doch noch immer hausen wir zwischen diesen beiden Orten ...

Jenseits von Verfall liegen wir da. Betrunken hältst du uns Strafpredigten. Jenseits von Wahrnehmung warten wir. Nüchtern ignorierst du uns. Vergessen und vernachlässigt, verscharrt oder verbrannt, verfolgt und ruhelos, unter der Erde und über dem Himmel, traumlos, schlaflos. Du siehst unser Leid nicht. Wir sind so müde, so überaus müde. Du hörst unser Flehen nicht. Wir weinen tränenlos, wir schreien tonlos,

und noch immer warten wir, noch immer

beobachten wir ...

Zwischen der besetzten Stadt und der toten Stadt, zwischen der verwirrten Stadt und der posthumen Stadt warten wir, wir beobachten und kämpfen. Hier an diesem grauen Ort, an dem wir warten,

beobachten und kämpfen:

Verflucht seist du, der du uns hierher verbannt hast! Verflucht seist du, der du uns hier festhältst! Launisch bist du, so launisch ...

Launisch seid ihr, die Lebenden ...

Vergessen sind wir, vergessen und verleugnet ...

Vergessenes, verleugnetes Leben ...

Denn du gibst uns unseren Tod nicht ...

Verleugnest uns und sperrst uns ein ...

In der verwirrten Stadt, der posthumen Stadt, unter der besetzten Stadt, vor der toten Stadt sind wir eingesperrt, eingesperrt im Grau, in dieser Stadt. In dieser Stadt, die keine ist,

an diesem Ort, der keiner ist.

Hier gehen wir langsam mit unseren Schachteln im Kreis herum. Hast du unsere Schritte in deinem Herz gehört? Tragen unsere eigene Asche um den Hals, unsere eigenen Knochen in diesen Schachteln. Hast du unsere Fingerspitzen in deiner Haut gespürt? Wir heben die Schultern, die Gesichter, die Blicke. Bist du gekommen, uns zurück ans Licht zu führen? Wir gehen langsam zurück ans Licht. Zurück in die besetzte Stadt? Wir gehen langsam durch die besetzte Stadt, um diese zwölf Kerzen, gehen langsam um sie herum, immer weiter im Kreis ...

Zurück in der besetzten Stadt sind wir wieder die Opfer.

Hier sind wir niemals die Zeugen; immer, schon immer die Opfer.

Und wir weinen. Immer, schon immer die Weinenden ...

Hier, dir wir einst die Lebenden waren ...

Weinen wir nun die ganze Zeit, hier ...

Hier heut Nacht, weinen wir ...

In der besetzten Stadt, wo die Weinenden die Lebenden suchen. Aber die Lebenden sind nicht hier, nicht heute Nacht vor diesen Kerzen.

Heute Nacht sind hier nur die Weinenden ...

Heute Nacht hier nur wir:

Heute Nacht sind wir wieder Takeuchi Sutejiro, Watanabe Yoshiyasu, Nishimura Hidehiko, Shirai Shoichi, Akiyama Miyako, Uchida Hideko, Sawada Yoshio, Kato Teruko, Takizawa Tatsuo, Takizawa Ryu, Takizawa Takako und Takizawa Yoshihiro.

Und noch immer weinen wir. Sind immer, schon immer die Weinenden, schon wieder die Weinenden: In der besetzten Stadt ist es schon wieder der 26. Januar 1948.

Hier ist es immer, schon immer der 26. Januar 1948.

Immer dieses Datum, schon immer unsere Wunde ...

Die niemals verheilen wird ...

Hier, hier, wo es immer, schon immer dieses Datum, diese Zeit ist; immer, schon immer das letzte Mal:

Zum letzten Mal erwachen wir am Morgen in unseren Betten. In unseren Betten, die nicht mehr die unseren sind. Zum letzten Mal kleiden wir uns an. In unseren Wohnungen, die nicht mehr die unseren sind, unsere Kleidung, die nicht mehr die unsere ist. Zum letzten Mal essen wir weißen Reis. Jetzt essen wir nur noch schwarzen Reis, den schwarzen Reis, der unsere Mägen leert. Zum letzten Mal trinken wir klares Wasser. Hier trinken wir nur das schwarze Wasser, das uns die Münder leert. Zum letzten Mal verabschieden wir uns in unseren genkans von Müttern und Vätern, Brüdern und Schwestern, Frauen und Söhnen, Gatten und Töchtern, die nicht länger unsere Mütter und Väter sind, nicht länger unsere Brüder und Schwestern, unsere Frauen und Söhne, unsere Gatten und Töchter. Zum letzten Mal gehen wir durch den Schnee zur Arbeit, die nicht länger unsere Arbeit ist. Zum letzten Mal fahren wir in der Menschenmenge mit Eisenbahnen und Bussen. Eisenbahnen und Busse, die nicht länger unsere Eisenbahnen und Busse sind ...

Zum letzten Mal eilen wir durch die besetzte Stadt.

Wir eilen weg von der Haltestelle Shiinamachi. Im Eisregen. Zum letzten Mal. Die Straße entlang. Wir eilen durch den Schlamm. Zum letzten Mal. Zur Teikoku Bank. Die Teikoku Bank, die keine Bank mehr ist ...

Zum letzten Mal öffnen wir die Tür. Die Tür, die keine Tür mehr ist. Zum letzten Mal ziehen wir die Schuhe aus. Wo sind unsere Schuhe jetzt? Zum letzten Mal ziehen wir unsere Hausschuhe an. Wo sind sie? Zum letzten Mal sitzen wir an unseren Schreibtischen. An unseren Tischen, die nicht länger unsere Tische sind ...

Zum letzten Mal ...

Warten wir zwischen den Unterlagen und Hauptbüchern darauf, dass die Bank geöffnet wird. Zum letzten Mal an diesem letzten Tag, dem 26. Januar 1948 ...

Schauen wir zu, wie die Zeiger der Uhr auf halb zehn springen. Zum letzten Mal wird die Bank geöffnet, beginnt der Tag. Zum letzten Mal bedienen wir die Kunden. Zum letzten Mal schreiben wir in die Hauptbücher.

Zum letzten Mal ...

Im Schein der Lampen, in der Wärme der Heizkörper, hören wir, wie der Schnee zu Eisregen wird, der Eisregen zu Regen, der aufs Dach der Bank...
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Autor

David Peace wurde 1967 in Yorkshire geboren. Für sein Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem James Tait Black Memorial Prize, dem Grand Prix du Roman Noir und zwei Mal mit dem Deutschen Krimi Preis. Er wurde als einziger Krimischriftsteller in die renommierte "Granta's List of Best Young British Novelists" aufgenommen. David Peace lebt mit seiner Familie in Tokio.