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100 Jahre Kampf um Gerechtigkeit

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
144 Seiten
Deutsch
Vor 100 Jahren wurde die Tiroler Arbeiterkammer gegründet. Heute ist sie ob ihrer zahlreichen Aktivitäten und ihres Einsatzes für Arbeitnehmer*innen aus dem politischen und wirtschaftlichen Leben Österreichs nicht mehr wegzudenken. Zum Zeitpunkt ihrer Gründung 1921 sah das jedoch ganz anders aus: Die noch sehr junge Republik war vom Ersten Weltkrieg schwer mitgenommen und sah einer ungewissen Zukunft entgegen. Entsprechend wechselvoll war die Geschichte der österreichischen Arbeiterkammern bis 1945, von ihrer Ausschaltung im Dollfuß-Regime ab 1934 bis zur Zwangseingliederung in die Deutsche Arbeitsfront während des Nationalsozialismus. Die Wiederherstellung der Arbeiterkammern nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zur Erfolgsgeschichte: Im Rahmen der Sozialpartnerschaft hatten sie entscheidenden Anteil am wirtschaftlichen Aufstieg Österreichs, von dem auch die Arbeitnehmer*innen profitieren sollten. Erwin Niederwieser blickt mit uns zurück auf ein Jahrhundert Arbeiterkammer Tirol: 100 Jahre mit Höhen und Tiefen, Erfolgen und Rückschlägen, aber stets geprägt vom Kampf um eine gerechtere Arbeitswelt. Zahlreiche Abbildungen bereichern den Band, darunter auch viele bisher unveröffentlichte Fotos aus dem Oral-History-Projekt 'Erlebte Geschichte'.

ERWIN NIEDERWIESER, Dr. jur. et Dr. phil., geboren 1951 in Linz. Während der Gymnasial- und Studienzeit Arbeit in verschiedenen Berufen und Branchen, u. a. im Gastgewerbe, als Briefträger, in der Automobilindustrie, in der Krankenpflege, im Lebensmittelhandel und im Transportdienst. Von 1976 bis 2013 Mitarbeiter der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol (seit 1978 Leiter der Bildungspolitischen Abteilung). Umfangreiche Vortrags- und Seminartätigkeit u. a. über die Geschichte der Tiroler Arbeiterbewegung. 1990 bis 2008 Abgeordneter des österreichischen Nationalrates (SP). Derzeit Vorsitzender der Steuerungsgruppe der Bund-Länder-Initiative Erwachsenenbildung, Mitglied des Rates für Deutsche Rechtschreibung und bis 2021 Mitglied der Hochschulräte in Innsbruck und Feldkirch.
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KlappentextVor 100 Jahren wurde die Tiroler Arbeiterkammer gegründet. Heute ist sie ob ihrer zahlreichen Aktivitäten und ihres Einsatzes für Arbeitnehmer*innen aus dem politischen und wirtschaftlichen Leben Österreichs nicht mehr wegzudenken. Zum Zeitpunkt ihrer Gründung 1921 sah das jedoch ganz anders aus: Die noch sehr junge Republik war vom Ersten Weltkrieg schwer mitgenommen und sah einer ungewissen Zukunft entgegen. Entsprechend wechselvoll war die Geschichte der österreichischen Arbeiterkammern bis 1945, von ihrer Ausschaltung im Dollfuß-Regime ab 1934 bis zur Zwangseingliederung in die Deutsche Arbeitsfront während des Nationalsozialismus. Die Wiederherstellung der Arbeiterkammern nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zur Erfolgsgeschichte: Im Rahmen der Sozialpartnerschaft hatten sie entscheidenden Anteil am wirtschaftlichen Aufstieg Österreichs, von dem auch die Arbeitnehmer*innen profitieren sollten. Erwin Niederwieser blickt mit uns zurück auf ein Jahrhundert Arbeiterkammer Tirol: 100 Jahre mit Höhen und Tiefen, Erfolgen und Rückschlägen, aber stets geprägt vom Kampf um eine gerechtere Arbeitswelt. Zahlreiche Abbildungen bereichern den Band, darunter auch viele bisher unveröffentlichte Fotos aus dem Oral-History-Projekt 'Erlebte Geschichte'.

ERWIN NIEDERWIESER, Dr. jur. et Dr. phil., geboren 1951 in Linz. Während der Gymnasial- und Studienzeit Arbeit in verschiedenen Berufen und Branchen, u. a. im Gastgewerbe, als Briefträger, in der Automobilindustrie, in der Krankenpflege, im Lebensmittelhandel und im Transportdienst. Von 1976 bis 2013 Mitarbeiter der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol (seit 1978 Leiter der Bildungspolitischen Abteilung). Umfangreiche Vortrags- und Seminartätigkeit u. a. über die Geschichte der Tiroler Arbeiterbewegung. 1990 bis 2008 Abgeordneter des österreichischen Nationalrates (SP). Derzeit Vorsitzender der Steuerungsgruppe der Bund-Länder-Initiative Erwachsenenbildung, Mitglied des Rates für Deutsche Rechtschreibung und bis 2021 Mitglied der Hochschulräte in Innsbruck und Feldkirch.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783710767708
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum21.05.2021
Seiten144 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse42182 Kbytes
Artikel-Nr.5761420
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2. ARBEITERKAMMER UND GEWERKSCHAFT

Gewerkschafter standen an der Wiege der Arbeiterkammer. Seit die Unternehmen 1848 in Österreich in den Handelskammern ihre Vertretung gegenüber dem Staat besaßen, gab es in der organisierten Arbeitnehmerschaft die Forderung nach einer Arbeiterkammer als gleichberechtigtem Gegenüber.

Es waren Gewerkschafter, die nach dem Beschluss des Arbeiterkammergesetzes 1920 die organisatorischen Vorbereitungen für die Gründung trafen und es waren die Kandidaten der damals tätigen politischen Richtungsgewerkschaften, die sich bei der ersten Wahl 1921 auf den Listen für die Mandate in der Arbeiterkammer bewarben.

Schon in der Vollversammlung vom 14. November 1921 erhielt der Bildungsausschuss den Auftrag, eine Betriebsräte-Instruktorenschulung ins Leben zu rufen.38 Die Unterstützung der Arbeitnehmer bei der Gründung von Betriebsräten war Aufgabe der Gewerkschaft, die fachliche Schulung sollte die Arbeiterkammer gemeinsam mit der Gewerkschaft übernehmen. Die Betriebsräte ihrerseits sollten nicht nur ihre Belegschaft vertreten, sondern als Bindeglied zwischen den Arbeitnehmern im Betrieb sowie Arbeiterkammer und Gewerkschaft wirken.

Die Zusammenarbeit zwischen Arbeiterkammer und Gewerkschaft war von Beginn an dadurch gegeben, dass die Kandidaten für die Wahl in die Vollversammlung der Arbeiterkammer auch Funktionäre in ihrer Gewerkschaft waren.

Wilhelm Scheibein hatte die Gewerkschaft der Eisenbahner in Tirol gegründet, Ernst Müller war jahrzehntelang Obmann der Druckergewerkschaft, das Vorstandsmitglied Josef Fauster war führend bei den Angestellten der Christlichen Gewerkschafter und Hans Steinegger war Ver trauensmann der Christlichen Gewerkschafter Tirols, um nur einige Beispiele aus der Anfangszeit zu nennen.

Das änderte sich auch nach 1945 im Grunde nicht, außer dass die ehemals eigenständigen Richtungsgewerkschaften nunmehr im ÖGB unter einem Dach vereint waren und stattdessen die Fraktionen im ÖGB die Kandidatenlisten erstellten. Als am 6. Juli 1945 Vertreter der SPÖ, der ÖVP und der KPÖ zur Gründung des ÖGB in Tirol zusammentrafen, war Josef Wilberger von den ehemals freien , d.h. sozialdemokratischen, Gewerkschaftern ebenso dabei wie Rudolf Loreck von den christlichen Gewerkschaftern. Wilberger wurde erster ÖGB-Vorsitzender und ein Jahr später zum AK-Präsidenten gewählt, Rudolf Loreck gehörte dem ÖGB-Präsidium an und wurde einer der AK-Vizepräsidenten. Präsident Josef Gänsinger war Direktionssekretär der Gewerkschaft der Eisenbahner ebenso wie sein Nachfolger Hermann Schmidberger. Karl Gruber schließlich war Landessekretär der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter. Auf Seiten der Fraktion Christlicher Gewerkschafter-ÖAAB folgte auf Rudolf Loreck der Landessekretär des ÖAAB (damals noch AABB = Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenbund) Hans Maier; er war von 1949 bis 1971 AKVizepräsident, ihm folgte der Rechtsschutzsekretär des ÖGB Ernst Thöni nach.

Nach der AK-Wahl 1984 und der ÖAAB/FCG-Mehrheit in der Vollversammlung änderte sich die Gewichtung in der Zusammenarbeit. Der neue Präsident Ekkehard Abendstein war Angestelltenbetriebsrat bei Swarovski in Wattens und im Gegensatz zu Gruber nicht leitender Angestellter einer Gewerkschaft, sondern Mitglied der Landesleitung der Angestelltengewerkschaft und stellvertretender ÖGB-Vorsitzender. Er betonte in seiner Antrittsrede als AK-Präsident seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit, machte aber gleichzeitig klar, dass er die Arbeiterkammer zum ersten Sprachrohr der Arbeitnehmerschaft machen wolle. Das war dann auch der entscheidende Unterschied: Konnte man zuvor von einer Art Primat der Gewerkschaft sprechen, so wurde daraus jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung ein Primat der Arbeiterkammer. Hatte zuvor der AK-Präsident wichtige interessenpolitische Positionierungen mit dem ÖGB-Vorsitzenden absprechen müssen (sofern nicht ohnehin Personalunion bestand), so erfolgt dies heute aufgrund einer geübten Praxis, die sich für beide Teile als vorteilhaft darstellt.


Hans Maier

Vizepräsident Hans Maier stand für über 20 Jahre für die christlichen Gewerkschafter in der Tiroler Arbeiterkammer und war bei der Konstituierung 1969 dienstältester Kammerrat. Er war Geschäftsführer der Neuen Heimat und Innsbrucker Vizebürgermeister.


Auch Präsident Ing.Josef Kern war Betriebsrat bei der TIWAG und im Vorstand der Angestelltengewerkschaft, während Fritz Dinkhauser als Landesekretär des ÖAAB beruflich mit der Gewerkschaft und der FCG zu tun hatte. Der derzeitige Präsident Erwin Zangerl schließlich war Landesobmann der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten. Die Vizepräsidenten bzw. Fraktionsvorsitzenden der FSG hatten ebenfalls wichtige gewerkschaftliche Funktionen: Robert Strobl als Direktionssekretär der Gewerkschaft der Eisenbahner, Herbert Egg als Landessekretär der GPA, Hans Weber als Landessekretär der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie, Otto Leist als ÖGB-Vorsitzender, Günter Mayr bei der Gewerkschaft Vida und Bernhard Höfler bei der PRO-GE. Dasselbe gilt für die Vizepräsidenten des ÖAAB Franz Fuchs als Landessekretär der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Ambros Knapp als Betriebsrat der ISD (Innsbrucker Soziale Dienste), Ing. Hermann Lindner als Präsidiumsmitglied der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, Anna Sivetz als führende Funktionärin in der GPA und bei den ÖGBFrauen, Verena Steinlechner-Graziadei als Betriebsrätin der IKB, Fraktionsvorsitzende der FCG und Vorsitzende der younion (ehem. Gewerkschaft der Gemeindebediensteten und der KMSfB) und Reinhold Winkler, Betriebsratsvorsitzender bei Liebherr Telfs und im Präsidium der Metallergewerkschaft. Ebenfalls in der Metallergewerkschaft war FP-Vizepräsident Anton Blünegger, Betriebsrat in den Jenbacher Werken.

Das hat sich 2019 geändert, als Präsident Zangerl mit dem langjährigen Betriebsratsvorsitzenden bei der Fa.Gebrüder Weiss, Klaus Rainer und dem ÖAAB-Bezirksobmann von Imst Christoph Stillebacher (Nachfolger von Vizepräsident Winkler) zwei Vize an seine Seite geholt hat, die in ihren Biografien keine Funktionen in der Gewerkschaft nennen.

Neben den personellen Aspekten ist die Infrastruktur in den Bezirken ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit. Bei der Einrichtung von Bezirkskammern wurde und wird dem ÖGB die Möglichkeit geboten, dort ebenfalls Räume zu kaufen oder anzumieten. Das hat sich sowohl für die Betriebsräte als auch für die Mitglieder als sehr praktisch herausgestellt.

Als Beispiel für gemeinsame Aktionen sei hier noch der gemeinsame AK und ÖGB Betriebssport genannt.39 Er startete im Bereich der AK im Jänner 1980 mit einer Eisstockmeisterschaft für Betriebsmannschaften. 1983 fanden die ersten Betriebs-Schachmeisterschaften statt. Nach einigem Auf und Ab bietet der AK und ÖGB Betriebssport heute ein Angebot in rund 15 Sportarten, vom Bubble Soccer über Darts und Schneeschuhwandern bis zu Schikursen und Tourengehen.

Alle AK-Präsidenten sahen es auch als ihre Aufgabe an, die Ressourcen der Arbeiterkammer für die Stärkung der Gewerkschaften und der Betriebsräte zu nutzen. Die Argumentation ist klar: Je mehr Betriebsräte in den Tiroler Unternehmen die Mitbestimmungsrechte für ihre Kolleginnen und Kollegen nützen, desto besser sind die Arbeitsverhältnisse und desto eher werden die Regeln aus Gesetzen, Verordnungen und Kollektivverträgen eingehalten. Betriebsräte sind ein wichtiges Bindeglied zur Arbeiterkammer und zur Gewerkschaft, je besser sie geschult sind, desto besser können sie die ArbeitnehmerInnen im Betrieb vertreten. Es gibt sehr gute Nachweise, dass Betriebe mit Betriebsräten auch wirtschaftlich erfolgreicher sind als jene ohne Betriebsräte, trotzdem widersetzen sich immer noch Unternehmen (Eigentümer oder Manager) der Gründung von Betriebsräten.


Angebote in 15 verschiedenen Sportarten, vom Bogenschießen bis zum Tanzen, beim Betriebssport von Gewerkschaft und Arbeiterkammer



Der gemeinsame Ehrenschutz für alle Sportwettbewerbe als Zeichen der Zusammenarbeit: AK-Präsident Erwin Zangerl und ÖGB-Vorsitzender LAbg. Philip Wohlgemuth


Die Gewerkschaften verhandeln die Kollektivverträge und seit es solche Verhandlungen und Erfahrungen mit gewerkschaftlichen Organisationen gibt, steht fest, dass die Bedingungen für die ArbeitnehmerInnen in einer Branche umso besser sind, je mehr auch Mitglieder bei der Gewerkschaft sind.

Höhere Lohnabschlüsse bedeuten mehr Geld zum Leben und das ist ebenso im Interesse der Arbeiterkammer wie der Gewerkschaft, daher war und ist eine enge Zusammenarbeit die logische Konsequenz.

Einen guten Überblick über die spezifischen und die gemeinsamen Aufgaben gibt die folgende Grafik aus dem Lehrskriptum Gewerkschaftskunde von Richard Ondraschek.40

Für die Existenz der Arbeiterkammer war es in ihrer Geschichte auch bedeutsam, wie gut ihre Netzwerke in die politischen Parteien und in die Parlamentsklubs hineinreichen. Das hat sich ganz besonders im Dezember 2007 gezeigt, als durch Beschluss des Nationalrats41 die Sozialpartnerschaft in die Verfassung...
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ERWIN NIEDERWIESER, Dr. jur. et Dr. phil., geboren 1951 in Linz. Während der Gymnasial- und Studienzeit Arbeit in verschiedenen Berufen und Branchen, u. a. im Gastgewerbe, als Briefträger, in der Automobilindustrie, in der Krankenpflege, im Lebensmittelhandel und im Transportdienst. Von 1976 bis 2013 Mitarbeiter der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol (seit 1978 Leiter der Bildungspolitischen Abteilung). Umfangreiche Vortrags- und Seminartätigkeit u. a. über die Geschichte der Tiroler Arbeiterbewegung. 1990 bis 2008 Abgeordneter des österreichischen Nationalrates (SP). Derzeit Vorsitzender der Steuerungsgruppe der Bund-Länder-Initiative Erwachsenenbildung, Mitglied des Rates für Deutsche Rechtschreibung und bis 2021 Mitglied der Hochschulräte in Innsbruck und Feldkirch.