Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Barrier Highway

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am12.07.2021
Tivertons sirrend heißer Sommer, der müde Steinmauern zermalmt und träge Windräder unter seiner Hitze in die Knie zwingt, wird von einem kalt grünen Winter abgelöst. Unentwegt fährt Constable Hirschhausen über die einsamen Landstraßen, um nach dem Rechten zu sehen. Oft sind es Kleinigkeiten, mit denen das große Verbrechen sich ankündigt. Ein Unterwäschedieb in den Gärten. Ein randalierender Vater an der Grundschule. Ein vernachlässigtes, eingesperrtes Kind. Familien unter Druck, finanzielle Probleme. Hirsch weiß genau, wie leicht solche Fälle eskalieren können, und bemüht sich mit einfühlsamer Autorität um Kontrolle. Bis sie ihm entgleitet.

Garry Disher, geboren 1949, wuchs im ländlichen Südaustralien auf. Er schreibt Romane, Kurzgeschichten, Kriminalromane und Kinderbücher. Sein Werk wurde für den Booker Prize nominiert und mehrfach ausgezeichnet, u. a. viermal mit dem Deutschen Krimipreis sowie zweimal mit dem wichtigsten australischen Krimipreis, dem Ned Kelly Award. Garry Disher lebt an der Südküste von Australien in der Nähe von Melbourne.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextTivertons sirrend heißer Sommer, der müde Steinmauern zermalmt und träge Windräder unter seiner Hitze in die Knie zwingt, wird von einem kalt grünen Winter abgelöst. Unentwegt fährt Constable Hirschhausen über die einsamen Landstraßen, um nach dem Rechten zu sehen. Oft sind es Kleinigkeiten, mit denen das große Verbrechen sich ankündigt. Ein Unterwäschedieb in den Gärten. Ein randalierender Vater an der Grundschule. Ein vernachlässigtes, eingesperrtes Kind. Familien unter Druck, finanzielle Probleme. Hirsch weiß genau, wie leicht solche Fälle eskalieren können, und bemüht sich mit einfühlsamer Autorität um Kontrolle. Bis sie ihm entgleitet.

Garry Disher, geboren 1949, wuchs im ländlichen Südaustralien auf. Er schreibt Romane, Kurzgeschichten, Kriminalromane und Kinderbücher. Sein Werk wurde für den Booker Prize nominiert und mehrfach ausgezeichnet, u. a. viermal mit dem Deutschen Krimipreis sowie zweimal mit dem wichtigsten australischen Krimipreis, dem Ned Kelly Award. Garry Disher lebt an der Südküste von Australien in der Nähe von Melbourne.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293311145
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum12.07.2021
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2508 Kbytes
Artikel-Nr.5844235
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe




1


Herrschte Hirsch über den Ort?

Manchmal kam es ihm so vor - zumindest machte er ihn zu dem seinen, wenn er bei Tagesanbruch durch die Straßen patrouillierte. Als er damit vor achtzehn Monaten begonnen hatte, hatte er sich eine Art inneren Lageplan zurechtgelegt. Ausgehend vom Polizeirevier hatte er imaginäre Verbindungslinien gezogen zur kleinen Schule am Barrier Highway, zum Gemischtwarenladen, zu dem Geschäft für Luzernesamen in der Nebenstraße, den Tennisplätzen, den bemalten Silos an der aufgelassenen Bahnstation - und zu jedem der Häuser, zumeist errichtet aus lokalem Gestein des Woll- und Weizenlandes auf halber Strecke zwischen Adelaide und den Flinders Ranges.

Als Hirsch diesen Lageplan vollendet hatte und alles mit allem verknüpft war, hatte der Polizist in ihm wieder die Oberhand gewonnen. Der Beschützer und Gesetzeshüter. Er wachte über die beiden Geschwister im Teenageralter, die sich um ihre manisch-depressive Mutter kümmerten, über die alte Frau, deren Gatte ständig umherirrte, kaum dass sie ihm den Rücken kehrte, über den jungen Ureinwohner, der erst allmählich zu glauben begann, dass Hirsch nicht zu der prügelnden Sorte von Polizisten gehörte. Und er hielt Ausschau nach Dummheit, Hinterlist und reiner Bosheit. Er ging alte Verbrechen und launische Schicksalsschläge durch, von denen nur noch ein paar Blutflecken an einem Verandapfosten oder auf einer Einfahrt zeugten - verbunden mit einem Gefühl von Bedauern: »Hätte ich doch nur â¦« Vielleicht konnte er das nächste Mal früher eingreifen? War da nicht ein irrer Glanz in den Augen eines Mannes, der auf den ersten Blick wie ein ordentlicher Bürger wirkte? An welcher Stelle auf der First Street konnte er vielleicht einen eventuellen Fluchtversuch unterbinden? Oder wie am Canowie Place schließlich den Schlüpferdieb schnappen? Jeder Ort war durchlässig, nach allen Seiten offen. Niedertracht wie Gutherzigkeit konnten einsickern. Alles war mit allem verbunden.

Der Schlüpferdieb. Hirsch ging an diesem eisigen Mittwochmorgen gegen Ende August von der Mawson Street zum Canowie Place; Frost lag auf dem Gras, Eiszapfen hingen an tropfenden Gartenwasserhähnen, schließlich zerfielen sie im Glanz der Sonne in Prismen und Diamanten. Vor Hirsch lag ein strahlender, ruhiger, eisiger Tag. Gestern war Schnee auf dem Razorback gemeldet worden, und Hirsch war gewillt, das zu glauben, denn von der Kälte tränten ihm die Augen, und Wangen und Zehen waren eiskalt.

Komische Vorstellung, dass 2019 mit Buschbränden im ganzen Land begonnen hatte. Was konnte da noch kommen? Hirsch stampfte mit den Füßen auf, zog die Schultern hoch und den Kopf ein, wurde zu einer gedrungenen Gestalt unter einer Strickmütze, die den Canowie Place entlangging. Er kam an der Uniting Church vorbei, in der nun ein Geologe im Ruhestand wohnte, dann an einem transportablen Fertighaus, aus dessen Schornstein der Rauch senkrecht in die Höhe stieg, und passierte weitere steinerne Häuser mit verblichenen roten oder grünen Blechdächern, deren Sträucher und Jalousien die Welt fernhielten. Die übliche ländliche Gemeinde: ein Mischmasch aus alt und neu, renoviert und verlassen; Hirsch konnte die Kälte in all den Gemäuern spüren.

Er blieb bei Mrs Lidstroms Haus, 9 Canowie Place, stehen und schaute an der Seitenwand entlang zur Wäscheleine im Hinterhof hinüber. Ein Geschirrtuch und eine marineblaue Polyesterhose, die sie häufig trug. Sie dürften steif gefroren sein, nahm er an. Er stellte sich vor, wie er sie mit den Fingern anschnippste: ein leises Knacken wie Pappe.

Er schaute zum Dachvorsprung hinauf. Nachdem der Schlüpferdieb wiederholt in der Gegend zugeschlagen hatte - hier in Tiverton, unten in Penhale, drüben in Spalding - und bei einigen Opfern mehrmals aufgetaucht war, hatte sich im Polizeibudget eine Summe gefunden, um die Installierung einer versteckten Überwachungskamera an je einem Haus in jedem Ort zu finanzieren. In Redruth war nichts dergleichen vorgefallen, was Hirsch und seine Vorgesetzte, Sergeant Brandl, vermuten ließ, dass der Täter dort lebte. Das war nun zehn Wochen her gewesen. Seitdem hatten die Kameras bei Mrs Lidstrom und in Penhale körnige Videoaufnahmen von einer männlichen Gestalt in Motorradkleidung und Helm geliefert. »Jetzt fällt es mir wieder ein«, hatten die Nachbarn gesagt, »ich habe gestern Nacht ein Motorrad gehört.« Kein Gesicht, nur der Eindruck einer gedrungenen Gestalt in Lederkluft.

Bob Muir, Hirschs Elektrikerfreund, hatte die Kameras installiert. Mrs Lidstrom, die mit Hirsch danebengestanden und Bob auf der Leiter zugeschaut hatte, hatte ein Wort benutzt, das Hirsch bislang nur gedruckt gekannt hatte.

»Wer würde denn meine alten Liebestöter klauen?«

»Das liegt an deinem topmodischen Geschmack, Betty«, hatte Bob erwidert und mit ein paar Messingschrauben zwischen den Zähnen von der Leiter geschaut.

Mrs Lidstrom hatte geprustet. Sie war rundlich und gemütlich, weißhaarig und gewitzt und amüsierte sich meist über die Welt. »Und dann auch noch meinen Badeanzug und meinen besten BH.«

»Badeanzug?«, hatte Hirsch gefragt.

Sie machte eine leicht verdrießliche Miene: Schon vergessen, Paul? »Wassergymnastik. In Redruth.«

Wie sie mal zu Hirsch gesagt hatte, war sie keine von denen, die einfach auf dem Hintern herumsaßen. Vorträge im Probus Club, Wanderurlaub auf Neuseeland, freiwillige Dienste, Sport. »Ach ja«, meinte Hirsch.

»So bleibe ich jung. Aber so jung auch wieder nicht. Also, wer würde denn die Unterwäsche einer alten Frau klauen wollen?« Betty Lidstrom sah Hirsch an. Er bemerkte ihren hellen Blick und den wachen Verstand dahinter. »Ein Fetisch?«, fragte sie. »Etwas Psychosexuelles?«

Hirsch sah sie stirnrunzelnd an. Sie verpasste seinem Oberarm einen leichten Schlag - unterschätzen Sie mal alte Frauen nicht -, und er lächelte und nickte. »Schon möglich.«

Die beiden standen unten, Bob Muir balancierte im Overall oben auf der Leiter, und alle drei versuchten, sich in einen Mann hineinzudenken, der Unterwäsche von den Wäscheleinen in Hinterhöfen klaute. Warum tat er das? Was machte er mit seinem Schatz an Liebestötern? Und war das nur der Auftakt zu weiteren Taten?

Ihn zu fassen würde schwer werden. Und wenn, dann konnte er seinen Kopf ganz einfach aus der Schlinge ziehen und sagen, er habe die Unterwäsche in einem Secondhandladen gekauft. Peinlich, aber kein Diebstahl. Dann würde er sagen, die Behörden hätten in den Schlafzimmern der Bürger nichts zu suchen, und so weiter. Deshalb waren die Opfer mit besonders markierter Unterwäsche ausgestattet worden, falls der Mann wieder zuschlagen sollte: ein in die obere linke Ecke des Etiketts gestanztes Loch.

In diesem Augenblick ging in Mrs Lidstroms hinterem Seitenfenster das Licht an: die Küche. Hirsch setzte seinen Kontrollgang fort, die nächtlichen Verspannungen und die Steifheit lösten sich und er fühlte sich trotz Kälte und Eintönigkeit lebendig. Er würde den Vormittag wahrscheinlich damit verbringen, ein, zwei eidesstattliche Erklärungen zu bezeugen, einen Bericht über die Kneipenschlägerei unter Windfarmarbeitern am letzten Wochenende abzufassen und die Lehmklumpen aus den Radkästen seines Allrad-Dienstfahrzeugs der South Australia Police zu kratzen, die aus dem fiesen, zähen, klebrigen roten Staub der Plains zusammengebacken waren.

Dann ging er seitlich an einem kleinen Backsteinhaus am Highway vorbei. Im Vorübergehen klopfte er gewohnheitsmäßig mit den Fingerknöcheln auf die Windschutzscheibe seines alten Nissan, das sollte Glück bringen. Er betrat das Haus durch die Hintertür. Nach der Dusche und dem zweiten Frühstück öffnete er die Verbindungstür und trat aus seiner kleinen Dreizimmerwohnung in das Zimmer mit Blick auf den Highway.

Das war das ganze Polizeirevier. Ein Deckenventilator für den Sommer, ein nutzloser Heizstrahler für den Winter. Gemeindemitteilungen an den Wänden, ein abgelaufener Kalender mit Aufnahmen von Wildblumen im Frühling östlich der Ortschaft, ein Tresen, der seinen Schreibtisch, den Computer, Drehstuhl und Aktenschrank vom Wartebereich abtrennte. Allerdings wartete selten jemand. Ab und an geschah ein Verbrechen, Gesetzesbrecher waren unterwegs, doch meistens konnten Anwohner oder Fremde damit rechnen, sofort angehört zu werden - zumindest, wenn Hirsch anwesend war, nicht Streife fuhr oder am Telefon hing. Eine verschlafene Ortschaft auf dem Land. Meistens jedenfalls.

Hirsch saß am Schreibtisch, der Heizstrahler roch nach verbranntem Staub, wärmte ihm aber kaum die Schienbeine; er widmete sich dem Eingangskorb, las Mails und warf einen Blick auf die What-The-Fuck-Seite von Tiverton auf Facebook. Der Wäschediebstahl war dort das vorherrschende Thema, die Kommentare manchmal amüsant, manchmal leicht daneben; gelegentlich wurden sie bösartig. Hirsch nahm an, dass Betty Lidstrom davon wusste. Er konnte sie nicht davor beschützen. Überall kämpfte die Polizei einen aussichtslosen Kampf gegen die sozialen Medien.

Drei interessante Dinge gab es an diesem Vormittag: Fotos vom Razorback mit Schnee auf dem Grat; Meldungen von einem Paar irischer Dachflicker, die sich im Bezirk herumtrieben - eine Betrugsmasche?; und eine anonyme Anfrage bezüglich Quinlan Stock and Station, einem Händler in Redruth, der sich auf den Ankauf von Land, Vieh, Wolle, Agrochemikalien und Landmaschinen spezialisiert hatte:...


mehr

Autor

Garry Disher, geboren 1949, wuchs im ländlichen Südaustralien auf. Er schreibt Romane, Kurzgeschichten, Kriminalromane und Kinderbücher. Sein Werk wurde für den Booker Prize nominiert und mehrfach ausgezeichnet, u. a. viermal mit dem Deutschen Krimipreis sowie zweimal mit dem wichtigsten australischen Krimipreis, dem Ned Kelly Award. Garry Disher lebt an der Südküste von Australien in der Nähe von Melbourne.