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Wenn die Schatten sterben

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
352 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am24.08.2021
Zwei Frauen, zwei Epochen - eine Hoffnung. Swiss Noir von Bestsellerautor Christof Gasser. Auf einem herrschaftlichen Schweizer Familiensitz fördern Renovierungsarbeiten den Leichnam einer jungen Frau zutage, die in den 1940er Jahren erschossen wurde. Offiziell ist der Fall verjährt. Doch der aus Deutschland stammenden Becky Kolberg, der das Schloss inzwischen gehört, lässt das rätselhafte Schicksal der Toten keine Ruhe. Die junge Frau arbeitete in einer Waffenfabrik im Ort, die sich im Besitz der Nationalsozialisten befand. Becky stößt auf Tagebücher und Fotos des Opfers aus jener Zeit, als die Schweiz vom Faschismus umzingelt war. Fasziniert taucht sie in das fremde Leben ein - bis die Schatten der Vergangenheit auch nach ihr greifen ...

Christof Gasser, geboren 1960 in Zuchwil bei Solothurn, ist seit 2016 Autor von Kriminalromanen. Zudem schreibt er als Gastkolumnist für die Solothurner Zeitung und verfasst Kurzgeschichten. In seinen Romanen, die regelmäßig Spitzenplätze auf der Schweizer Bestsellerliste belegen, spielt seine Heimatstadt stets eine wichtige Rolle. Gasser lebt mit seiner Frau unweit von Solothurn am Jurasüdfuß. http://www.facebook.com/solothurnkrimi www.christofgasser.ch
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR15,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextZwei Frauen, zwei Epochen - eine Hoffnung. Swiss Noir von Bestsellerautor Christof Gasser. Auf einem herrschaftlichen Schweizer Familiensitz fördern Renovierungsarbeiten den Leichnam einer jungen Frau zutage, die in den 1940er Jahren erschossen wurde. Offiziell ist der Fall verjährt. Doch der aus Deutschland stammenden Becky Kolberg, der das Schloss inzwischen gehört, lässt das rätselhafte Schicksal der Toten keine Ruhe. Die junge Frau arbeitete in einer Waffenfabrik im Ort, die sich im Besitz der Nationalsozialisten befand. Becky stößt auf Tagebücher und Fotos des Opfers aus jener Zeit, als die Schweiz vom Faschismus umzingelt war. Fasziniert taucht sie in das fremde Leben ein - bis die Schatten der Vergangenheit auch nach ihr greifen ...

Christof Gasser, geboren 1960 in Zuchwil bei Solothurn, ist seit 2016 Autor von Kriminalromanen. Zudem schreibt er als Gastkolumnist für die Solothurner Zeitung und verfasst Kurzgeschichten. In seinen Romanen, die regelmäßig Spitzenplätze auf der Schweizer Bestsellerliste belegen, spielt seine Heimatstadt stets eine wichtige Rolle. Gasser lebt mit seiner Frau unweit von Solothurn am Jurasüdfuß. http://www.facebook.com/solothurnkrimi www.christofgasser.ch
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960418115
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum24.08.2021
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3631 Kbytes
Artikel-Nr.7635635
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

»Sind das die Alpen, Mama?«

Becky schreckte hoch. Sie musste kurz nach der Abfahrt des Zuges in Olten eingenickt sein. Sie standen erneut, eine andere Station. Sie konnte kein Ortsschild erkennen. Sie sah einen bewaldeten Bergrücken, unterbrochen durch einen tiefen Einschnitt. Auf halber Höhe, an der rechten Flanke, lag eine gut erhaltene Burg mit einem riesigen aufgemalten rot-weißen Wappen am Turm. Sie kannte es von den Schilderungen ihrer Großmutter, es war das Kantonswappen von Solothurn. Sie würden bald dort sein, in ihrem zukünftigen Zuhause und Ausgangspunkt ihres neuen Lebens.

Der Zug fuhr erneut an. Die Anzeige über der Ausgangstür bestätigte es. »Nächster Halt: Solothurn«.

»Mama?«

Adrians wache hellblaue Augen sahen sie fragend an. Becky schluckte leer. Wie ähnlich er seinem Vater war. Der gleiche durchdringende Blick. Was für ein Mann würde in einigen Jahren aus ihm werden? Wie viel von sich hatte Jan seinem Sohn mitgegeben?

»Mama?« Ungeduldig, vorwurfsvoll.

»Entschuldige, mein Schatz, was sagtest du?«

»Sind das die Alpen?« Adrian zeigte zum Bergrücken, von dem sich der Zug in einer lang gestreckten Linkskurve abwandte, bevor er eine bewaldete Talenge durchquerte.

Becky lachte. »Aber nein, die Alpen sind viel höher. Erinnerst du dich nicht mehr? Wir haben nachgeschaut.«

Letzte Woche in Neustadt in Holstein hatten sie einen ganzen Abend auf der Terrasse des Hauses gesessen, das sie gegen ihre neue Heimat eingetauscht hatten, und über einem großen Atlas und Bildbänden gebrütet. Für Becky war die Schweiz ebenso neu wie für ihren Sohn. Vor allem dieser Ort, Solothurn. Sie hatte nie einen Fuß in diese Stadt gesetzt. Ihre Wurzeln lagen dort. Das war das Einzige, was sie davon wusste. Ihre Großmutter, Barbara Felicitas von Colberg, geborene von Aaregg, war Nachfahrin einer der wenigen Familien gewesen, die bis zur französischen Besetzung 1798 die Stadt und die dazugehörenden Gebiete regiert hatten.

Becky stand auf und stellte sich hinter Adrian ans Fenster. Sie beugte sich zu ihm hinunter und umfasste ihn mit beiden Armen.

Sie zeigte mit dem Finger an seinem Gesicht vorbei auf die sich entfernende Bergkette. Sie war kurz aus ihrem Blickfeld verschwunden und wieder aufgetaucht, nachdem die Bahn einen Fluss überquert hatte, von dem sie glaubte, dass es die Aare sein musste, deren Name mit dem ihrer Familie verbunden war.

»Das sind nicht die Alpen, mein Schatz. Dort siehst du bloß Felsen, Eis, Schnee und spitze Gipfel. Das da drüben nennt sich der Jura, an dessen Fuß dein neues Zuhause liegt. Ich hab s dir im Atlas gezeigt.«

Adrian machte sich von seiner Mutter los. »Wann sind wir endlich dort?«

»In ein paar Minuten, denke ich.« Becky zog die Reisetasche und Adrians Rucksack aus der Nische zwischen den Sitzlehnen hervor. Es befanden sich nur wenige Leute im Zug. Sie hatten ein ganzes Viererabteil für sich. Becky schaute auf ihre Uhr, kurz vor halb fünf. Sie hatten eine lange Reise hinter sich. Um sechs Uhr morgens waren sie in die Regionalbahn nach Lübeck gestiegen. Von dort ging es nach Hamburg und weiter über Hannover und Frankfurt bis Basel. Der Flieger wäre schneller gewesen. Becky hasste Luftreisen ebenso wie Schiffsreisen.

Die Lautsprecheransage kündigte Solothurn an. »Hast du alles, Adi?« Becky schubste ihren Sohn sanft auf seinen Sitz am Fenster. »Bleib da, bis der Zug steht.«

»Da drüben, ein Schloss. Ist das unser neues Zuhause?«, rief Adrian aufgeregt. Sie hatten gerade einen weiteren, kleineren Fluss überquert und fuhren über eine Ebene mit Feldern.

In der Richtung von Adrians Finger lag ein herrschaftliches Gebäude mit zwei Türmen neben einem weitläufigen Bauernhof. Becky wurde schwindlig. Sie setzte sich hin und schloss kurz die Augen. Ihre Ohren summten. Die Stimme war in ihrem Kopf, diejenige einer Frau. Sie verfolgte sie seit Wochen in ihren Träumen. Becky schluckte den Speichel hinunter, der sich in ihrer Mundhöhle gebildet hatte. Eine junge Frau, das Gesicht umrahmt von hellblonden Locken. Sie stand dort draußen auf einem Feld und winkte ihr zu, der Bauernhof, das Schloss, es war -

»Mama, geht s dir gut?«

Sie öffnete die Augen. Adrians besorgte Miene rührte sie. Sie schaute aus dem Fenster. Die Frau war weg.

»Ja klar. Lange Reise. Gut, dass wir da sind.« Ihre Tabletten. Die letzte hatte sie in Frankfurt genommen. Es wurde Zeit für die nächste.

Adrian sah sie stirnrunzelnd an. Sie wusste, was er dachte. Das Schloss verschwand aus ihrem Blickfeld. Becky kannte es aus ihren Träumen.

Die Besiedlung wurde dichter, der Zug verlangsamte seine Fahrt.

»Wir sind da«, sagte Becky.

Das erwartete Gefühl der Erleichterung stellte sich nicht ein.

Der Mann mit dem Schild »Frau Rebecca Colberg und Sohn« wartete auf dem belebten Bahnhofplatz.

»Frau Colberg?«, fragte er.

»Herr Hürlimann?« Becky reichte ihm die Hand und stellte Adrian vor. Sie zeigte auf das Schild und sagte: »Mit  K .«

»Bitte? Ich verstehe nicht.« Sein Hochdeutsch hatte einen schweren Akzent.

»Mein Name, Kolberg, schreibt sich mit  K .«

Herr Hürlimann starrte auf sein Schild, als würde er es zum ersten Mal sehen. »Ach so, entschuldigen Sie, Frau Serafini sagte mir, dass Ihre Familie sich mit -«

»Schon gut, das stimmt auch. Die offizielle Schreibweise ist mit  C . Ich habe meinen Familiennamen ändern lassen, damit er weniger adelig klingt.«

»Verstehe«, sagte Herr Hürlimann. Seine Haltung verriet, dass das nicht der Fall war. Er deutete auf in Zweierreihe stehende Autos. »Ich wurde zugeparkt, wird sicher nicht lange dauern.«

Fünf Minuten später standen sie im Stau vor einer Baustelle auf der Brücke über die Aare. Becky sah die Solothurner Altstadt zum ersten Mal. Sie wurde überragt von einer im Julitag strahlend weißen Kirche im neoklassizistischen Stil, sofern Beckys baugeschichtliche Kenntnisse sie nicht täuschten. »Ist das die St.-Ursen-Kathedrale?«

»Das ist sie«, sagte Herr Hürlimann. »Sie sind zum ersten Mal in Solothurn?«

»Ja, es ist die Heimatstadt meiner Großmutter. Ich war erst zweimal in der Schweiz, einmal als kleines Mädchen mit meinen Eltern im Tessin und später ein paar Tage bei Freunden der Familie in Luzern. Sonst habe ich nichts vom Land gesehen.«

Hürlimanns Gesichtsausdruck verriet die Frage, die ihm auf den Lippen brannte.

»Ich brauche einen Tapetenwechsel - aus familiären Gründen.«

»Verstehe.« Herr Hürlimann zeigte auf die Autoschlange vor ihnen. »Sie müssen das Chaos entschuldigen. Die Rötibrücke wird seit einem Jahr erneuert, noch bis zum nächsten Jahr, dann sollten wir eine funkelnagelneue Brücke bekommen. Bis in zwei Jahren wird die Westumfahrung fertiggestellt sein, welche die Innenstadt vom Durchgangsverkehr entlasten soll.«

Becky ließ sich von Herrn Hürlimanns Geplapper berieseln, gedankenverloren schaute sie auf den Fluss hinab, wo sich Menschen in Schlauchbooten und großen Schwimmringen bis zum Anleger kurz vor der Brücke am nördlichen Ufer treiben ließen. Sie waren auch Adrian nicht entgangen.

»Hast du gesehen, Mama? Im Fluss kann man schwimmen. Gehen wir nachher gleich hin?«

Der Gedanke, auf einem Schlauchboot, geschweige denn mit einem Schwimmring im Wasser zu treiben, löste bei Becky Angstschweiß aus. »Mal sehen, lass uns erst ankommen.« Sie hoffte auf einen Wetterumschlag und nasskalte Witterung für den Rest des Sommers.

Einer schmalen, verwinkelten Straße durch ein Villenquartier entlang gelangten sie an ihr Ziel. Es schien, als trotzte der Ort dem Sommertag. Ein von zwei Wohntürmen flankiertes Wohnhaus aus dem 17. Jahrhundert war von hohen Bäumen umgeben, die Gebäude und Grundstück in Schatten tauchten, den die Sommersonne kaum zu durchdringen vermochte. Die düstere Lethargie über dem Anwesen legte sich auf Beckys Gemüt.

»Es ist etwas schattig, nicht wahr?«, sagte Herr Hürlimann. »Wie ich bereits am Telefon erwähnte, hier steckt eine Menge Arbeit drin.«

Als Erstes werden die Bäume gefällt.

»Ganz bestimmt«, sagte Becky.

»Ich habe die Pläne bei mir. Wenn Sie möchten, können wir sie uns gleich ansehen.«

»Machen wir das morgen.« Becky schaute auf ihren Sohn, der auf den letzten Metern zum Ziel im Auto eingeschlafen war.

»Kein Problem. Aber Sie müssen wissen, morgen früh kommen die ersten Handwerker.«

»Schon?« Becky hatte gehofft, sich ein paar Tage in Ruhe einzugewöhnen.

»Sie fangen im Keller an. Sie werden sie praktisch nicht zu Gesicht bekommen. Frau Serafini kümmert sich um alles.«

Auf das Stichwort öffnete sich die massive Haustür. Eine etwa fünfzigjährige Frau von drahtigem Äußeren trat heraus. Sie steuerte direkt auf Becky zu und reichte ihr die Hand. »Giuseppa Serafini, willkommen in Solothurn, Frau Colberg. Ich freue mich, Sie endlich persönlich kennenzulernen.« Herrn Hürlimanns Präsenz quittierte sie mit einem knappen Kopfnicken.

»Sie schreibt sich übrigens mit  K «, bemerkte dieser, was die Haushälterin veranlasste, irritiert innezuhalten.

Becky klärte den Sachverhalt. »Mein Sohn und ich möchten uns ein wenig frisch machen. Ist es in Ordnung, wenn wir uns die Pläne für den Umbau später anschauen, Herr Hürlimann?«

Es war ihm recht, und er verabschiedete sich.

Frau Serafini nahm Beckys Tasche. »Sind Sie allein angereist, Frau Kolberg? Wollten Sie nicht mit Ihrem Sohn kommen?«

Übermannt von den...
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Autor

Christof Gasser, geboren 1960 in Zuchwil bei Solothurn, ist seit 2016 Autor von Kriminalromanen. Zudem schreibt er als Gastkolumnist für die Solothurner Zeitung und verfasst Kurzgeschichten. In seinen Romanen, die regelmäßig Spitzenplätze auf der Schweizer Bestsellerliste belegen, spielt seine Heimatstadt stets eine wichtige Rolle. Gasser lebt mit seiner Frau unweit von Solothurn am Jurasüdfuß.

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