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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
624 Seiten
Deutsch
Schöffling & Co.erschienen am24.08.2021Erstausgabe
Noch einmal einen großen Roman schreiben - das war, nach den 'Effingers', Gabriele Tergits größter Wunsch.Dieser Roman 'So war's eben', der jetzt erstmals aus dem Nachlass der Autorin erscheint, erzählt das Durchschnittsleben von reichen und bescheidenen Familien in der Zeit von 1898 bis in die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Während die Geschicke der Familien ihren Lauf nehmen, tobt der Erste Weltkrieg, die Weimarer Republik mit ihren Wirrnissen und Kämpfen zwischen Rechten und Linken findet ihren Widerhall in den Zeitungsredaktionen, dem Milieu von Gabriele Tergits Zeit als Journalistin. Nach einer Familienfeier am 30. Januar 1933, die fast alle Figuren des Romans versammelt, beginnt die Emigration nach Prag und Paris, später nach London und in die USA; erzählt wird von den immer größeren Problemen der Emigranten und der zurückgebliebenen Juden, den Selbstmorden, Deportationen und der Vernichtung einer Mischehe. Gabriele Tergit wollte das Leben ihrer Generation, mit allen Hoffnungen, Enttäuschungen und Lebensbrüchen schildern, 'unsere ganze blödsinnige Welt von 1932' wollte sie einfangen, die Generationen von Vertriebenen, bis hin zu den jüdischen Flüchtlingen in New York, die Grete, Tergits Alter Ego, Anfang der fünfziger Jahre besucht.

Gabriele Tergit (1894-1982), Journalistin und Schriftstellerin, schrieb drei Romane, zahlreiche Feuilletons und Reportagen sowie posthum veröffentlichte Erinnerungen. 1933 emigrierte sie nach Palästina, 1938 zog sie mit ihrem Mann nach London. Von 1957 bis 1981 war sie Sekretärin des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland. Nicole Henneberg, geboren 1955 in Hof, Studium der Komparatistik und Philosophie in Berlin und Paris, schreibt als freie Autorin und Literaturkritikerin, u. a. für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und den Berliner Tagesspiegel. Außerdem verfasste sie mit Fred Oberhauser den 'Literarischen Führer Berlin'.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR22,99

Produkt

KlappentextNoch einmal einen großen Roman schreiben - das war, nach den 'Effingers', Gabriele Tergits größter Wunsch.Dieser Roman 'So war's eben', der jetzt erstmals aus dem Nachlass der Autorin erscheint, erzählt das Durchschnittsleben von reichen und bescheidenen Familien in der Zeit von 1898 bis in die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Während die Geschicke der Familien ihren Lauf nehmen, tobt der Erste Weltkrieg, die Weimarer Republik mit ihren Wirrnissen und Kämpfen zwischen Rechten und Linken findet ihren Widerhall in den Zeitungsredaktionen, dem Milieu von Gabriele Tergits Zeit als Journalistin. Nach einer Familienfeier am 30. Januar 1933, die fast alle Figuren des Romans versammelt, beginnt die Emigration nach Prag und Paris, später nach London und in die USA; erzählt wird von den immer größeren Problemen der Emigranten und der zurückgebliebenen Juden, den Selbstmorden, Deportationen und der Vernichtung einer Mischehe. Gabriele Tergit wollte das Leben ihrer Generation, mit allen Hoffnungen, Enttäuschungen und Lebensbrüchen schildern, 'unsere ganze blödsinnige Welt von 1932' wollte sie einfangen, die Generationen von Vertriebenen, bis hin zu den jüdischen Flüchtlingen in New York, die Grete, Tergits Alter Ego, Anfang der fünfziger Jahre besucht.

Gabriele Tergit (1894-1982), Journalistin und Schriftstellerin, schrieb drei Romane, zahlreiche Feuilletons und Reportagen sowie posthum veröffentlichte Erinnerungen. 1933 emigrierte sie nach Palästina, 1938 zog sie mit ihrem Mann nach London. Von 1957 bis 1981 war sie Sekretärin des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland. Nicole Henneberg, geboren 1955 in Hof, Studium der Komparatistik und Philosophie in Berlin und Paris, schreibt als freie Autorin und Literaturkritikerin, u. a. für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und den Berliner Tagesspiegel. Außerdem verfasste sie mit Fred Oberhauser den 'Literarischen Führer Berlin'.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783731762003
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum24.08.2021
AuflageErstausgabe
Seiten624 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2176 Kbytes
Artikel-Nr.7635637
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



ERSTER TEIL
KAISERREICH

1. Kapitel

Damentee in den neunziger Jahren

Stern, kugelig, im hellen Gehrock mit breiten Seidenrevers, Krawatte, die den Rockausschnitt füllte, Rose im Knopfloch, Zylinder nach hinten, stürmte ins Wohnzimmer, ließ die Tür offen, rief: »Eine runde halbe Million verdient!«

Franziska schloß rasch die Tür, das fehlte noch, das mit der halben Million vor den Dienstmädchen.

»Dein lieber Bruder, seine Hochwürden Rechtsanwalt Kollmann, fand jede Anlage unsicher. Industrie? Schon schlecht . Elektrizität? Haben sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Wir kaufen für unsere Klienten nur preußische Konsols. «

»Du kannst mir nicht die Solidität meiner Familie vorwerfen.«

»Festverzinsliche Werte! Der geförderte Rückschritt und der verhinderte Fortschritt. Ein ganz ordinärer übelbeleumdeter Winkelbankier hat mir die Aktien besorgt.«

»Bitte setze deinen Hut im Zimmer ab!«

»Nicht fein genug? Mit ner halben Million werde ich allen fein genug sein. Wir bauen ein Palais in der Tiergartenstraße.«

Franziska, die geborene Kollmann, kannte sich in Geschäften aus: »Ein Palais in der Tiergartenstraße kostet mindestens 300000 Mark, da bleibt uns nicht genug zum Leben.« Ein Phantast war ihr Mann. Ihr Vater und Bruder hatten recht.

»Diese schäbige Wohnung wird auf alle Fälle gekündigt!«

Franziska saß in der neuen Wohnung - Füße auf einer gestickten Fußbank, Fußbank auf einem Tigerfell, Tigerfell auf einem Perser - auf einem Sofa mit Umbau, auf dem Vasen, ein bronzener Schmied, der Dornauszieher, ein radschlagender ausgestopfter Pfau und die Türme des Kölner Doms in Alabaster standen. Die Bibel mit Illustrationen von Doré, Unser Bismarck und Unser Rhein lagen auf der Samtdecke.

Im Esszimmer war für Franziskas ersten Damentee gedeckt, gekreuzte Silberbestecke auf Servietten mit Fransen, Teegläser in kupfernen Haltern mit Löffeln darin, um sie vor dem Platzen zu bewahren, Platten kunstvoll belegter Brötchen, Sahnebaisertorte.

Franziska klingelte, wies das Hausmädchen an, die braunen Samtgardinen vorzuziehen und die Petroleumlampen anzuzünden. Dieser Damentee war wichtig, sollte ihr und ihrem Mann das Markussche Haus öffnen.

Tatsächlich kam Adelina Markus als Erste, ein Modebild im weißbekurbelten grünen Kleid mit dreifacher Pelerine, jede mit Nerz eingefaßt, dazu ein Brüsseler Spitzenjabot, eine blonde zierliche Schönheit mit strahlend blauen Augen und Gemmenprofil. Der Hofphotograph stellte ihr vergrößertes und angemaltes Photo seit Jahren in seinem Schaukasten in der Leipzigerstraße aus - das Photo einer Wiener Komtesse, dachten die Betrachter -, darunter hing das aquarellierte Photo ihrer drei Kinder, der Junge in der Uniform der neuen kaiserlichen Marine und die zwei engelhaften kleinen Mädchen. Adelina Markus hatte die Jüngere Friedericke genannt, obwohl ihr Ideal Frau von Stein und nicht Friederike von Sesenheim war, die sich womöglich mit Goethe eingelassen hatte, und die Ältere Leonore, obwohl ihr Wagner näherstand als Beethoven. Aber man konnte ein Mädchen nicht Brunhilde oder Sieglinde nennen.

Dann trat Marie Kollmann, Franziskas Schwägerin, ein, mausig und missvergnügt in einem schlecht sitzenden Kleid: »Ich wäre fast nicht gekommen. Meine Köchin ist krank, jetzt in der Saison, eine Katastrophe.«

»Kann ich dir etwas besorgen?« sagte Franziska.

Das neue Hausmädchen, schwarzes Kleid, weißes Häubchen, servierte schlecht.

»Schwer, gute Mädchen zu bekommen«, seufzte Marie Kollmann.

»Diese Berliner Hängeböden für die Mädeln sind aber auch a Schand! Eine Leiter müssens aufstellen wie für an Heuboden«, sagte Adelina.

»Sie vergessen, was man für ein Gesindel ins Haus bekommen kann«, sagte Marie Kollmann.

»Neben uns wohnt eine adelige Offiziersfamilie. Die Mädchen schlafen auf dem Hängeboden, bekommen nicht satt zu essen und sind stolz, daß sie bei einem adeligen Offizier dienen«, sagte Franziska.

»Es ist schon ein Problem«, sagte Adelina, »ich hab ein ganz reizendes Kindermädl, und als ich eines Abends nach Haus komm, sind die Kinder nicht da, sind mein Mann und ich suchen gegangen, und stellen Sie sich den Zufall vor, am Potsdamerplatz kommens ausm Häusl, und die Toilettenfrau hat uns gestanden, daß die Kinder sechs Wochen lang jeden Tag für ein paar Pfennig bei ihr abgegeben wurden â¦«

»Haben Sie sie gleich rausgeschmissen?« fragte Marie Kollmann.

»Nein, es ist ein ordentliches Mädchen. Die Kinder sind wie aus dem Ei gepellt. Nur läßt sie halt dem Buberl jeden Willen, räumt ihm jedes Stück nach: Reicher Kind braucht nicht aufräumen , sagt sie. Sie ist eine Polin, findet es fein, wenn man keine Hand rührt.«

Inzwischen war auch Roserl Mayer, Frau eines Amtsrichters aus Kragsheim, gekommen, ihr Gretel blieb im Kinderzimmer.

Die vier Damen langten zu. »Nehmen Sie noch ein Stück Torte«, sagte Franziska zu Adelina.

»Ich sollt wirklich. Mein Mann möcht, daß ich dies Jahr wieder eine Mastkur mach, aber es ist halt so fad beim Beringer. Ich könnts schließlich zu Haus machen. Man soll halt drei Liter Milch im Tag trinken.«

Marie sagte bitter: »Ja, eine wirklich üppige Frau ist etwas Schönes. Ich wiege auch zu wenig â¦«

»Fett unter die Häut macht schöne Leut «, sagte Adelina und dachte, das wüschte dürre Gstell.

Roserl Mayer sagte bewundernd zu Adelina: »Ich hab fei noch nie so eine phantastische Promenadentoilette gesehen. Ich bin aus Gunzenhausen.«

»Ach dieser alte Schlafuzel. Er war von Paquin, aber die Ärmel sind halt viel zu klein für die heutige Mode.«

»Paquin? Paris?« stammelte Roserl Mayer.

Ein Pariser Modell kommt ihr ja wirklich nicht zu, dachte Marie. Diese Äußerlichkeit, die jetzt einriß, empörte sie: »Mir genügt meine Hausschneiderin. Sie sind aus Wien?«

»Aus München. Hausschneiderinnen sind oft Pfuscherinnen, zerschneiden einem das gute Material. Das ist eine falsch angebrachte Sparsamkeit.«

»Paquin«, sagte Roserl träumerisch, »ich würde mich gar nicht trauen, in so ein Geschäft zu gehen.«

»Ich lasse im Modesalon Winkler arbeiten«, sagte Franziska.

»Modesalon? Frau Winkler ist eine gute Schneiderin«, sagte Marie Kollmann.

»Man nennt das jetzt Modesalon«, entschuldigte sich Franziska.

»Sie sollten ein Pariser Haus versuchen, halt eine andere Façon«, sagte Adelina.

»Halten Sie es für eleganter, Spitzen auf ein Abendkleid zu applizieren oder zu inkrustieren, mit Perlmutterpailletten bestickt?« fragte Franziska.

»Applizieren wirkt grob«, sagte Adelina.

»Wir sind hier für das Schlichte. Wir mögen das Aufgetakelte nicht«, sagte Marie.

Der preußische Snobismus der Schlichtheit, dachte Adelina.

Roserl verstand nichts. Ich bin halt ein Landskonfekt, dachte sie.

»Was macht die Musik?« fragte Franziska

»Ich spiel die Woch für die Ferienkolonien«, sagte Adelina.

»Man muß schon etwas für die armen Würmerln tun.«

»Würden Sie uns etwas vorspielen?« bat Franziska.

Dieses »vor« ging zwar Adelina auf die Nerven, aber sie ging an den Flügel, der voll Photographien stand. »Gestimmt?« fragte sie mißtrauisch.

»Natürlich«, sagte Franziska. Die Damen räumten den Flügel ab. Adelina warf den Rock um den Klavierstuhl, so daß man den Jupon sah. Ein Volant bestand aus grünem plissiertem Chiffon, in den schwarze Spitzenvierecke eingesetzt waren, von schwarzen Samtbändchen umgeben, der nächste Volant aus schwarzem plissiertem Chiffon mit grünen Spitzenvierecken, von grünen Samtbändchen umgeben. Sie spielte den »Feuerzauber«.

»Was für eine Ehre, solch gottbegnadete Künstlerin in unserm Kreis zu haben«, sagte Franziska.

Marie Kollmann dachte: Extravagant und aufgeputzt, dieser Jupon gehört sich ja wohl nicht.

Franziska kamen Bedenken. Sie hätte Adelina Markus nicht mit ihrer Schwägerin einladen sollen. Dieser wichtige Damentee schien zu verunglücken.

Adelina hielt den Rock hoch, so daß man wieder die schwarz-grüne Spirale sah.

Rudolf, Franziskas kleiner Sohn, schlank und ein wunderbares Mittelmeergesicht, stand in der Tür und wurde hereingerufen, um allen die Hand zu geben. »Was für ein schönes Buberl!« sagte Adelina.

Rudolf stürzte ins Kinderzimmer, zog die Tischdecke herunter, schwang sie um sich, hielt sie wie Adelinas Spirale. Der ältere Werner schüttelte den Kopf über diesen Quatsch, aber Grete Mayer versuchte das auch mit der Decke, verwickelte sich und brüllte.

Die Damen waren im Aufbruch, die Kinder quängelten, weil sie ihr Spiel unterbrechen mußten, als Stern eintrudelte: »Wessen prachtvolles Rappengespann habe ich denn da unten gesehn? Wohl Besuch vom Hofe? Ha, unsere liebe Schwägerin Marie, Gattin des Rechtsverdrehers Kollmann und Tochter des Kommerzienrates und Kronenordenbesitzers Kramer!« Er tätschelte Maries Backen und sagte zu Franziska: »So ein Rappengespann werden wir dir auch anschaffen. Was sagen Sie denn zu dem Brilliantring? Prachtvolles Feuer, was? Ein Karat! Wir lassen uns nicht lumpen!« Und hielt Franziskas Hand Adelina unter die Nase.

»Ich muß gehen«, sagte Adelina.

»Es schneit fürchterlich«, sagte Stern, »nicht warm genug bei uns? Warten Sie doch noch etwas!«

»Ich muß zu Hause sein, wenn mein Mann aus der Fabrik kommt«, dachte, ich geh bei...

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