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Neersum

Ein Ort, aus dem das Leben sich zurückzieht.
tolino mediaerschienen am01.07.2019
Die pensionierte Landärztin Änne Wahls hat ihr Leben in Neersum am Rande des Reichwaldes bei Kleve verbracht, nichts auf der Welt kann sie von dort wegbringen. Dann beginnen im Dorf grausame Doppelmorde, bei denen sich die Opfer gegenseitig umbringen. Ein Fremder mit einem Motorrad taucht auf und bietet eine Erklärung für die Morde an. Wenn sie ihm glauben will, dann muss sie die Welt neu verstehen und ihre eigene Zukunft in Frage stellen.

Siebo Woydt, Jahrgang 1965, hat in einem früheren Leben Informatik und Mathematik studiert. Einige Jahre hat er für ein theologisches Kabarett gearbeitet, Texte von ihm wurden in Büchern und auf CD veröffentlicht und live im Fernsehen gesendet. Heute arbeitet er als Manager und lebt einigermaßen widerspruchsfrei mit einer Frau, drei Kindern und einem Hund in Mönchengladbach und Mecklenburg.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,99

Produkt

KlappentextDie pensionierte Landärztin Änne Wahls hat ihr Leben in Neersum am Rande des Reichwaldes bei Kleve verbracht, nichts auf der Welt kann sie von dort wegbringen. Dann beginnen im Dorf grausame Doppelmorde, bei denen sich die Opfer gegenseitig umbringen. Ein Fremder mit einem Motorrad taucht auf und bietet eine Erklärung für die Morde an. Wenn sie ihm glauben will, dann muss sie die Welt neu verstehen und ihre eigene Zukunft in Frage stellen.

Siebo Woydt, Jahrgang 1965, hat in einem früheren Leben Informatik und Mathematik studiert. Einige Jahre hat er für ein theologisches Kabarett gearbeitet, Texte von ihm wurden in Büchern und auf CD veröffentlicht und live im Fernsehen gesendet. Heute arbeitet er als Manager und lebt einigermaßen widerspruchsfrei mit einer Frau, drei Kindern und einem Hund in Mönchengladbach und Mecklenburg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783739440477
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum01.07.2019
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse291
Artikel-Nr.7635669
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 5

Die Tür war abgeschlossen, zweimal herumgedreht. Ungewöhnlich, aber kein Problem, Jutta hatte einen Schlüssel. Wenigstens steckte der Schlüssel nicht von innen, das alte Schloss würde sonst nicht aufgehen. Der Schlüssel lag in der kleinen Messingschale neben dem alten Telefon. Die Zeitung hatte sie mit reingebracht, die Schlagzeile brüllte ihr etwas von Waldbrandgefahr entgegen. Jutta legte sie neben die Schale, wo sie immer liegen sollte.

Ihre Turnschuhe quietschten leise auf dem blanken Steinfußboden, sonst war nichts zu hören. Sie bemühte sich, keinen Krach zu machen, die Herrschaften, oh ja sie wollten tatsächlich die Herrschaften sein, mochten es nicht, wenn sie von der Putze geweckt wurden.

Die Putze schlägt sich mit Hartz vier herum, muss die Kinder irgendwie durchbringen und die Herrschaften drücken den Arsch um diese Uhrzeit noch in die Satinbettwäsche.

Oder der Hausherr war schon früh aus dem Haus und hatte von außen wieder abgeschlossen. Es war Schlüssel seiner Frau mit dem kleinen Hufeisenanhänger, der in der Messingschale lag.

Ist ja verständlich, dass er früh abhaut, da läuft bestimmt nichts mehr zwischen den beiden. Die Stimmung im Hause Reiners war schon lange ziemlich mies, da bekam die Putze als erstes mit. Aber beide profitierten von dem Arrangement, er hatte die Gattin für die gesellschaftlichen Momente im Leben und sie hatte das Geld zum Ausgeben.

Der Schlüssel, den man der Putze gegeben hatte, hatte keinen Anhänger. Sie steckte ihn wieder in die Hosentasche um beide Hände frei zu haben, fürs Aufräumen und Putzen.

Wahrscheinlich, damit ihn niemand mit dem Haus in Verbindung brachte, wenn sie ihn wieder mal verlor. Bisher allerdings hat sie ihn noch nicht verloren, die Herrschaften waren sicher enttäuscht. Sollten sie ruhig. Doch dieses Misstrauen ärgerte sie natürlich, von Anfang an.

Mit dem Schlüssel ohne Anhänger fing es an.

Die Frau des Hauses greift immer hektisch nach ihrer Handtasche, sobald sie mich sieht; so einer wie mir kann man nicht trauen, genau.

Das war ihr egal. Es musste ihr egal sein, sie brauchte zwar nicht diesen Job, aber sie brauchte das Geld, das dieser Job ihr brachte. Was sie nicht brauchte, war die Grapscherei von ihm, sobald seine Frau nicht im Haus war versuchte, er es immer wieder.

Sein Altherrencharme reichte bei Jutta nicht aus, hat er es mit Geld versucht. Und er kam gerne nackt aus der Dusche, wenn sie gerade im Schlafzimmer die Betten machte, rein zufällig natürlich.

Wie wärs, hatte er gesagt, ich geb nen Fuffie.

Bis jetzt hatte sie ihn nur ausgelacht. Trotz des Geldes. Alter Sack! Der erfolgreiche Unternehmer, der angesehene Vorsitzende des Sportvereins, die Hälfte der laufenden Meter Bandenwerbung auf dem Sportplatz von Neersum zeigte den Schriftzug der Spedition Reiners - Schnell und Gut. Und in seinen eigenen vier Wänden der uneingeschränkte Macker mit dem Anspruch, die Leibeigenen zu begrapschen. Arschloch.

Noch immer war es still im Haus. Sie blieb in der Eingangshalle stehen, lauschte die Treppe hinauf, von dort kein Geräusch, keine Stimmen, kein laufendes Wasser aus dem Badezimmer, kein Radiowecker, der noch nicht abgestellt war. Hinter ihr in der Küche stand leise der große Kühlschrank, dort würde sie wie immer eine angebrochene Flasche Schampus finden, wie Frau Reiners diese Sorte nannte. Jutta hatte ihre Zweifel, ob es wirklich Champagner war, konnte aber mit dem Etikett nichts anfangen, auf jeden Fall klang es französisch, manchmal reicht das schon. Französisch gab es nicht an ihrer Schule, an das Englisch konnte sie sich nicht erinnern.

Im Eisfach würde die unvermeidliche Flasche Aquavit liegen, gleich daneben zwei eisgekühlte langstielige Gläser. Man weiß ja, was sich gehört. Benutzt wurde sowieso immer nur eins davon. Das Zeugs ist der Treibstoff für den alten Sack.

Sie schloss die Küchentür hinter sich, wollte keinen Lärm machen. Auf dem Küchentisch die Reste vom Abendessen, zwei schmutzige Teller, zwei Flaschen Rotwein, in der einen ein zwei Finger hoher Rest. Sie setzte die Flasche an und trank sie leer, sah sich schnell um, die Tür war noch immer zu, dann kamen beide Flaschen in den Korb für Altglas und die Teller in die Spülmaschine. Viel zu tun war heute nicht, sah nicht so aus, als wären gestern Abend Gäste da gewesen.

Also auch kein Grund, heute einen Rausch auszuschlafen. Nicht von zwei Flaschen Wein.

Die Spülmaschine war nur halb voll, stank aber schon, die Hitze ließ alles schneller vergammeln als sonst. Jutta warf einen Tab ein, schloss die Klappe und drehte den Schalter auf Bio.

Nichts passierte.

Blödes Ding, du bist doch brandneu, warum gehst du nicht an?

Sie drehte nochmal und nochmal passierte nichts.

Dann merkte sie, dass der große Kühlschrank neben ihr nicht leise brumme, er war still. Sie machte ihn auf, kein Licht und nur leidlich kalt. Eine angefangene Flasche im Türfach, Joghurt für sie, Steaks für ihn, aus dem Eisfach tropfte es.

Da muss ich mal in den Keller, da sicher der Sicherungskasten.

Den Korb mit dem Altglas trug sie durch die Speisekammer in die Garage. Dort standen beide Autos, sein dicker schwarzer Mercedes und ihr schwarzes Golf-Cabrio.

Also war er doch noch nicht weg. Sonst ließ er auch das Garagentor offen, weil die Elektrik seit Jahren kaputt war und seine Frau dauernd vergaß, jemanden dafür anzurufen. Zu faul, beim Nachhause kommen auszusteigen, um es per Hand aufzumachen. Jetzt war es zu und die beiden Autos waren abgeschlossen. Es roch zwar nach Auto, aber nach kaltem Auto. Sie legte die Hände auf die Kühlerhaube des Mercedes. Das Auto war kalt, beim Golf war es genauso.

Die obere Etage war leer. Hätte sie sich also sparen können, die Treppe rauf zu schleichen. Die Betten waren unbenutzt, genau wie Jutta sie gestern Morgen gemacht hatte. Auch das Badezimmer war wie neu, kein schmutziges Handtuch, keine Wasserspuren in Waschbecken und Dusche. Nicht einmal das Klo war benutzt, das Ende vom Klopapier war auf Dreieck gefaltet, weil man das in den besseren Häusern so macht, hatte die Reiners mal gesagt, hatte sie mal in einem Hotel gesehen, Bali oder Thailand, egal. Seither musste Jutta Klopapier falten.

Alles an seinem Platz, alles ordentlich gefaltet und ordentlich glänzend.

Das Gästezimmer war sowieso ok, da hatte es schon lange kein Gast mehr ausgehalten.

Waren die beiden zu Fuß unterwegs? Seit sie hier war, hatte sie die beiden draußen noch nie außerhalb eines Autos gesehen. Wenn man den einen Tag nicht mitzählt, an dem sie Frau Reiners im Garten beim Sonnenbaden überrascht hatte.

Kein Wunder, dass der Alte lieber mir nachsteigt als seiner Frau, selbst nach zwei Kindern sehe ich um Längen besser aus und das Tattoo ist auch noch straff. Yes!

Sie blieb oben im Flur stehen. Im Garten war auch niemand, dass hatte sie unten schon gesehen durch die großen Fenster, die Terrassentür war zu, die weißen Korbstühle standen ordentlich gestapelt in der Ecke. Hier oben alles klar, unten nichts zu tun. Beide Autos in der Garage, Haustür abgeschlossen. Und gestern hatte Frau Reiners ihr noch aufgetragen, fürs Wochenende schon den Weißwein und den geliebten Schampus in den Kühlschrank im Keller zu stellen. Außerdem hätten sie ihr bei einem spontanen Kurzurlaub bestimmt einen Zettel hingelegt. Damit bei ihrer Rückkehr alles aufgeräumt ist. Und damit jemand da war, um die Einkäufe zu bestaunen.

Scheiss drauf. Keiner da, sturmfreie Bude. Dauerte noch zwei Stunden bis die Kinder aus der Schule kamen.

Was fangen wir an mit diesem angefangenen Tag?

Letzter Versuch, ab in den Keller und nach den Sicherungen suchen. Wenn da auch alles ist wie vorgeschrieben, dann gibts erst mal einen Kaffee.

Die Treppe herunter schaffte sie, ohne Licht anzumachen. Oft genug musste sie hier rauf und runter mit beiden Händen voll, keine Chance an den Schalter zu kommen. Fand sie blind.

Unten im Vorraum war auch alles dunkel. Alle Türen waren geschlossen.

Sie fand den Sicherungskasten, drehte ihn auf und spähte hinein. Über ihre Schulter fiel etwas Licht die Treppe herunter und sie sah, dass alle Sicherungen ok waren, sauber in Reihe und Glied, aber der Schalter der Hauptsicherung war umgekippt. Mit spitzen Fingern tippte sie ihn an, er biss nicht nach ihrer Hand.

Dann traute sie sich, ihn mit den Fingerspitzen umzukippen. Das laute Klack in dem kleine gekachelten Vorraum war wie ein Schreckschuss.

Aber es blieb dunkel.

Wahrscheinlich ist einfach nirgendwo Licht eingeschaltet.

Jutta hatte den leichten Chlorgeruch in der Nase, der hier unten alles durchzog. Wahrscheinlich hatten die beiden vergessen, die Tür zum Poolraum zu schließen. Im Dunkeln ging sie zielsicher die paar Schritte und öffnete die Tür zum Poolraum.

Die Pool-Parties der Reiners waren in ganz Neersum bekannt, obwohl niemand etwas genaues wusste oder gar dabei gewesen war. Aber es hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass einige Aufträge für die Spedition erst nach diesen Pool-Parties erteilt wurden. Auch Jutta hatte diese Gerüchte nach dem Start in diesen Job schnell mitgekriegt. Und es hatte sie geärgert, dass sie weder etwas dazu sagen noch etwas dazu beitragen konnte.

Drinnen war es heller, denn Tageslicht fiel durch die vier großen Lichtschächte in den Raum. Müde Lichtreflexe krochen über die Decke, das Chlor roch stärker. Rechts stand die Bar, darauf einige leere Gläser, auf den hohen Stühlen davor zwei Bademäntel.

Jetzt hatte sie wenigstens etwas...

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