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Nicht ohne meine Schwestern

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
300 Seiten
Deutsch
beHEARTBEATerschienen am31.08.20211. Aufl. 2021
Kristinas, Celestes und Julianas Familie ist die Sekte 'Kinder Gottes', in der sie den Misshandlungen und dem Missbrauch durch erwachsene Sektenmitglieder hilflos ausgesetzt sind. Die Schwestern werden schon früh voneinander getrennt und leben in verschiedenen Missionsstationen der Gemeinschaft. Sie träumen von einem Wiedersehen, fürchten aber den Zorn Gottes, wenn sie sich dem Willen der 'Familie' widersetzen.
Schonungslos offen erzählen die Schwestern von den seelischen Grausamkeiten und der Gewalt unter dem Deckmantel des Glaubens. Ihre Geschichte ist voller schmerzlicher Erinnerungen, aber auch das Zeugnis einer mutigen Befreiung und der Weg in ein neues Leben.
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Produkt

KlappentextKristinas, Celestes und Julianas Familie ist die Sekte 'Kinder Gottes', in der sie den Misshandlungen und dem Missbrauch durch erwachsene Sektenmitglieder hilflos ausgesetzt sind. Die Schwestern werden schon früh voneinander getrennt und leben in verschiedenen Missionsstationen der Gemeinschaft. Sie träumen von einem Wiedersehen, fürchten aber den Zorn Gottes, wenn sie sich dem Willen der 'Familie' widersetzen.
Schonungslos offen erzählen die Schwestern von den seelischen Grausamkeiten und der Gewalt unter dem Deckmantel des Glaubens. Ihre Geschichte ist voller schmerzlicher Erinnerungen, aber auch das Zeugnis einer mutigen Befreiung und der Weg in ein neues Leben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751716789
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum31.08.2021
Auflage1. Aufl. 2021
Seiten300 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.7843555
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1 Daddys kleines Mädchen

ICH SPIELTE ALLEIN im Vorgarten eines weißen Hauses nahe dem kleinen Fischerdorf Rafina in Griechenland. In unserem Garten standen drei Olivenbäume, ein Aprikosen-, ein Feigen- und ein Pfirsichbaum, alle schwer beladen mit Früchten. Ich saß im Schatten einer großen, alten Pinie. Von der Sonne war die Erde knochentrocken und ausgedörrt, und ich vergnügte mich damit, mit einem Stein Bilder in den Sand zu zeichnen. Ich war fünf Jahre alt.

An meine Mutter konnte ich mich kaum erinnern, nur daran, dass sie Gitarre spielte und »Jesus liebt mich, das weiß ich, weil die Bibel es mir sagt« sang, während ich mit meiner jüngeren Schwester Kristina auf einem Etagenbett spielte - doch das war in einem anderen Land. Ich hing sehr an Mum und sprach jeden Tag von ihr, obwohl ich sie seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ich vermisste sie, meine Schwester und meinen kleinen Bruder David. Verzweifelt klammerte ich mich an die Hoffnung, dass Mum zurückkommen würde, und fragte meinen Dad immer wieder: »Warum hat sie uns verlassen?«

»Mum hat beschlossen, mit einem anderen Mann zusammenzuleben, aber ich konnte mich nicht von dir trennen. Du warst die Älteste, und wir standen uns doch immer besonders nah, oder?« Ich nickte, denn ich liebte Dad genauso wie meine Mum, aber ich fand es ungerecht, mich zwischen ihnen entscheiden zu müssen.

»Und was ist mit Kristina und David?«, wollte ich wissen.

Dad nahm mich in die Arme. »Sie waren zu klein«, erklärte er mir. »Sie brauchten noch die enge Nähe ihrer Mutter.«

Dad verbrachte täglich viele Stunden in dem provisorischen Aufnahmestudio im Keller unseres Hauses und produzierte und arbeitete als Discjockey für die Radiosendung Music with Meaning. Deshalb hatte ich ein Kindermädchen, eine junge Deutsche, die Serena hieß. Ich konnte sie nicht leiden und machte ihr das Leben so schwer wie möglich, indem ich mich allem verweigerte, was sie vorschlug. Serena hatte lange, glatte dunkle Haare und braune Augen, die durch eine Brille mit dicken Gläsern vergrößert wurden. Die arme Serena. Obwohl sie ihr Möglichstes tat, mich für sich zu gewinnen, war ich fest entschlossen, sie nicht zu mögen. Ich fand, dass sich ihr deutscher Akzent komisch anhörte, und sie versuchte ständig, mich mit Weizenkeimen und ungesüßtem Joghurt zu füttern und mir löffelweise Lebertran einzuflößen, dessen Geruch und Geschmack ich nicht ausstehen konnte.

Wir gehörten den »Kindern Gottes« an, einer streng geheimen Glaubensgemeinschaft mit Verbindungen, die sich über die ganze Welt erstreckten. Der Anführer und Prophet hieß David Berg. Wir kannten ihn unter dem Namen »Moses David«, mein Dad nannte ihn »Mo«, und ich nannte ihn »Großvater«. Er schrieb uns vor, was wir sagten, taten und dachten, sogar unsere Träume. Alles in unserem Leben, selbst die belanglosesten Details wie unser Essen, wurde von Mo diktiert. Er hatte erklärt, dass wir uns gesund ernähren und auf weißen Zucker unbedingt verzichten sollten, und Serena richtete sich begeistert nach seinen Vorschriften. »Davon bekommst du starke Knochen und Zähne«, sagte sie zu mir, aber damit schmeckte es auch nicht besser. Sie war nicht grausam, aber streng, und ich betrachtete sie als unwillkommenen Eindringling in mein Leben. Als sie zu uns kam, hatte Dad mir gesagt, dass sie drei Monate bleiben würde, und ich zählte die Tage bis zu ihrer Abreise.

An dem Tag, als ich unter der Pinie spielte, hob ich plötzlich den Kopf und sah, wie Dad und Serena auf die Veranda traten. Sie standen sehr nah beieinander, und ich spürte instinktiv, dass irgendetwas zwischen ihnen knisterte.

»Schätzchen, ich muss dir etwas Tolles sagen.« Während mein großer, gut aussehender Dad, den ich mehr liebte als alles auf der Welt, das sagte, drehte er sich um und zog Serena in seine Arme.

Als ich auf die beiden zuging, bemerkte ich das Strahlen in ihren Gesichtern. Oh nein, stöhnte ich unhörbar. Das sieht gar nicht gut aus.

»Wir haben beschlossen, uns zusammenzutun«, verkündete mein Dad mit einer Stimme, die für meinen Geschmack viel zu glücklich klang. »Serena wird deine neue Mutter.«

»Nein!«, schrie ich. »Ich hasse sie!« Ich konnte es nicht einmal über mich bringen, ihren Namen auszusprechen. »Ich will meine Mutter wiederhaben. Warum kann sie nicht zu uns zurückkommen?« Ich brach in Schluchzen aus, drehte mich um, rannte in eine Ecke des Gartens und drehte ihnen den Rücken zu.

Besorgt kam Dad mir nach. Er legte seine Hand auf meine Schulter. »Süße, du weißt, dass deine Mutter für immer fort ist. Sie kommt nicht zurück.«

»Aber ich will mit meiner Schwester und meinem Bruder zusammen sein. Es ist einfach gemein.« Schmollend schob ich die Unterlippe vor.

»Aber du hast hier so viele Schwestern und Brüder, mit denen du spielen kannst«, wandte Dad ein.

»Das ist nicht dasselbe«, protestierte ich.

»Wir sind alle eine Familie. - Denk an deine Unterlippe. Du wirst noch darüber stolpern, wenn du nicht aufpasst.«

Ich lächelte dünn, wenn auch nur, um Dad einen Gefallen zu tun.

Mo sagte, dass wir unsere natürlichen Familien nicht überbewerten sollten. Unsere Brüder und Schwestern bei den »Kindern Gottes« seien unsere wahre Familie. Aber ich wollte auf meine Mutter, Kristina oder den kleinen David nicht verzichten, auch wenn ich allmählich vergaß, wie sie aussahen.

Auf dem einzigen Foto, das Dad von Mum hatte, stand sie hinter einem Zwillingsbuggy, in dem ich neben meiner kleinen Schwester saß. Ich betrachtete das Bild intensiv. Mum hatte Haare, die ihr bis zur Taille reichten, blaue Augen und ein strahlendes Lächeln.

»Sie ist sehr schön«, sagte ich. »Und das da ist meine Schwester?« Wegen der schlechten Qualität des Fotos konnte ich ihr Gesicht nicht genau erkennen. Kristina war noch klein, ungefähr ein Jahr alt, mit zwei Zöpfchen. Ich war achtzehn Monate älter und sah ihr sehr ähnlich. Jede von uns hatte ein hübsches Baumwollkleidchen an und einen Sonnenhut auf dem Kopf. So angestrengt ich auch auf das Foto starrte, ich konnte nicht die leiseste Erinnerung an sie heraufbeschwören, und ich fühlte eine bohrende Leere in meinem Inneren.

Dad erzählte mir, wie er und Mum uns immer mitnahmen, wenn sie auf der Straße Menschen bekehren wollten. »Ich schob den Kinderwagen Leuten in den Weg, drückte ihnen eine Broschüre in die Hand und erzählte von Jesus und wie sie gerettet werden konnten. Inder lieben nun einmal Kinder, und ihr habt so niedlich ausgesehen. Die Leute haben euch in die Backen gezwickt und mit euch geplaudert. Sie fanden, dass sie nicht unhöflich sein konnten, wenn ihr wie zwei kleine Engel zu ihnen aufschaut.«

»Hast du ein Bild von David?«, wollte ich wissen.

»Das wurde aufgenommen, als er gerade drei Monate alt war«, antwortete Dad und zeigte mir ein kleines Schwarz-Weiß-Foto.

»Oh, ist der süß«, rief ich aus. »Sieh dir doch nur seine Pausbäckchen an!« David lag auf dem Bauch und stützte breit lächelnd den Kopf auf seine dicken Ärmchen.

Meine eigenen Erinnerungen waren nur spärlich, wie eine Reihe flüchtiger Schnappschüsse. Vieles von dem, was ich wusste, hatte mir Dad in unseren seltenen gemeinsamen Momenten erzählt. Dabei kletterte ich auf seinen Schoß, und er gab ausgewählte Bruchstücke preis, die sich nach und nach zu einem größeren Bild zusammenfügten. Aber es war immer nur das halbe Bild; über Mum erzählte er mir kaum etwas.

Vielleicht um sie für mich lebendig zu erhalten, bat ich Dad oft, mir zu erzählen, wie er und Mum sich kennengelernt, wie sie geheiratet hatten und wie ich geboren wurde. Ohne großen Erfolg; erst als ich erwachsen war, erfuhr ich endlich die ganze Geschichte.

»Deine Mum war jung und sehr schön, gerade siebzehn Jahre alt, als wir heirateten. Ich war zweiundzwanzig.«

Ich war immer voller Fragen. »Und dein Dad?«

Dad erzählte mir, dass sein Vater Jurist und Militärrichter bei der britischen Armee gewesen war. An seine Mutter konnte er sich kaum erinnern, da er sie mit vier Jahren verloren hatte und sein Vater bald nach ihrem Tod eine neue Ehe eingegangen war. Er und sein Halbbruder wurden in ein Internat in Cheltenham geschickt.

»Im Internat war ich ziemlich rebellisch. Ich wurde sogar von der Schule verwiesen, weil ich eine Protestaktion initiiert hatte, bei der sich einige von uns in der Haupthalle verbarrikadierten.«

»Warum? Wogegen hast du denn protestiert?«, fragte ich.

»Die Männer von der Schulaufsicht haben uns bei fast jeder Gelegenheit verprügelt, ganz gleich, was wir getan hatten. Nachts kamen sie in die Schlafräume und leuchteten uns mit der Taschenlampe ins Gesicht, um uns zu wecken. Diese ungerechte Behandlung hatten wir satt und beschlossen, uns dagegen zu wehren.«

Nach dem Rauswurf schrieb er sich an einer Schauspielschule in London ein und reiste in den Ferien durch Europa. »Ich war auf der Suche nach dem Sinn des Lebens«, fügte er erklärend hinzu.

Ernst und gespannt lauschte ich seinen Schilderungen, wie er auf der Suche nach dem Sinn des Lebens viele spiritistische Bücher gelesen und sich mit Okkultismus und Meditation befasst hatte.

Ich erschauerte. Von Mo war uns unablässig eingehämmert worden, dass Drogen und Alphabettafeln für spiritistische Sitzungen gefährlich waren, weil sie dem Satan die Tür zu unserem Geist öffnen konnten.

Dad schloss seine...
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