Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Ich war ein schüchternes Kind vom Lande

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Klett-Cotta Verlagerschienen am18.09.2021Die Auflage entspricht der aktuellen Auflage der Print-Ausgabe zum Zeitpunkt des E-Book-Kaufes
Wieland Backes: die Autobiographie eines leidenschaftlichen Fernsehmachers Humorvoll, authentisch und mit einer Prise Selbstironie erzählt Wieland Backes seine ungewöhnliche Lebensgeschichte. Ein sehr persönliches Buch über Flüchtlingsnot, Heimatlosigkeit, erste Liebe, über Willensstärke, Inkonsequenz und ein Leben im Wirtschaftswunderland. Beginnend mit der Suche nach den eigenen Wurzeln, entfaltet Wieland Backes die ungewöhnliche Lebensgeschichte eines 'Wunschkindes auf den zweiten Blick'. 1946 in Österreich als sechster Sohn einer Lehrerfamilie aus dem Banat geboren, erlebte er als Kind, was Armut, Hunger und Verlust der Heimat bedeuten. Im Raum Stuttgart hofft die Familie auf ein Ende des Elends. Doch nur der 'Kleine' profitiert schließlich von den Chancen im Wirtschaftswunderland. Eigentlich sollte das Kind vom Lande Lehrer werden, doch seine wahre Leidenschaft war nicht aufzuhalten. Als Außenseiter bahnte er sich seinen Weg durch das Haifischbecken Fernsehen und wurde zum Star des SWR. Die Talkshow 'Nachtcafé' moderierte er fast 28 Jahre und schrieb damit Fernsehgeschichte, der beliebten Ratesendung 'Ich trage einen großen Namen' verlieh er 20 Jahre lang einen unverwechselbaren Flair. Den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, dem er 47 Jahre angehörte, hält er für eine der großen Errungenschaften unserer Demokratie, für die er auch heute noch auf die Straße gehen würde. Die Autobiographie des 'ungekrönten Königs des Niveautalks' (DIE ZEIT) und zugleich ein gesellschaftskritisches Buch über den Versuch, in einer sich rasch wandelnden Medienwelt für Inhalt und Anspruch zu kämpfen und einen eigenen Weg zu gehen.

Wieland Backes, geboren 1946 in Österreich, studierte Chemie und Geographie und promovierte 1978 zum Doktor rer.nat. Bereits 1973 knüpfte er erste berufliche Kontakte zum Fernsehen des SDR (später SWR). In rascher Folge wurde er Reporter, Dokumentarfilmer, leitender Redakteur und schließlich Moderator. Mit seiner mehrfach ausgezeichneten Talkshow Nachtcafé war er rund 28 Jahre auf Sendung und schrieb damit Fernsehgeschichte. Darüber hinaus ist er Mitbegründer des Stuttgarter Literaturhauses sowie des Instituts für Moderation an der Hochschule der Medien.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR15,99

Produkt

KlappentextWieland Backes: die Autobiographie eines leidenschaftlichen Fernsehmachers Humorvoll, authentisch und mit einer Prise Selbstironie erzählt Wieland Backes seine ungewöhnliche Lebensgeschichte. Ein sehr persönliches Buch über Flüchtlingsnot, Heimatlosigkeit, erste Liebe, über Willensstärke, Inkonsequenz und ein Leben im Wirtschaftswunderland. Beginnend mit der Suche nach den eigenen Wurzeln, entfaltet Wieland Backes die ungewöhnliche Lebensgeschichte eines 'Wunschkindes auf den zweiten Blick'. 1946 in Österreich als sechster Sohn einer Lehrerfamilie aus dem Banat geboren, erlebte er als Kind, was Armut, Hunger und Verlust der Heimat bedeuten. Im Raum Stuttgart hofft die Familie auf ein Ende des Elends. Doch nur der 'Kleine' profitiert schließlich von den Chancen im Wirtschaftswunderland. Eigentlich sollte das Kind vom Lande Lehrer werden, doch seine wahre Leidenschaft war nicht aufzuhalten. Als Außenseiter bahnte er sich seinen Weg durch das Haifischbecken Fernsehen und wurde zum Star des SWR. Die Talkshow 'Nachtcafé' moderierte er fast 28 Jahre und schrieb damit Fernsehgeschichte, der beliebten Ratesendung 'Ich trage einen großen Namen' verlieh er 20 Jahre lang einen unverwechselbaren Flair. Den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, dem er 47 Jahre angehörte, hält er für eine der großen Errungenschaften unserer Demokratie, für die er auch heute noch auf die Straße gehen würde. Die Autobiographie des 'ungekrönten Königs des Niveautalks' (DIE ZEIT) und zugleich ein gesellschaftskritisches Buch über den Versuch, in einer sich rasch wandelnden Medienwelt für Inhalt und Anspruch zu kämpfen und einen eigenen Weg zu gehen.

Wieland Backes, geboren 1946 in Österreich, studierte Chemie und Geographie und promovierte 1978 zum Doktor rer.nat. Bereits 1973 knüpfte er erste berufliche Kontakte zum Fernsehen des SDR (später SWR). In rascher Folge wurde er Reporter, Dokumentarfilmer, leitender Redakteur und schließlich Moderator. Mit seiner mehrfach ausgezeichneten Talkshow Nachtcafé war er rund 28 Jahre auf Sendung und schrieb damit Fernsehgeschichte. Darüber hinaus ist er Mitbegründer des Stuttgarter Literaturhauses sowie des Instituts für Moderation an der Hochschule der Medien.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783608116540
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum18.09.2021
AuflageDie Auflage entspricht der aktuellen Auflage der Print-Ausgabe zum Zeitpunkt des E-Book-Kaufes
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.7894970
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Die Sache mit der Herkunft


Dieser Satz des Deutschlehrers blieb haften: »Jeder Mensch hat Wurzeln - und die sind prägend.« Wurzeln - ich auch? Nein, wie meine ganz Familie fühlte ich mich damals, in den 1950ern in meinem schwäbischen Dorf eher ohne jede Verankerung - mehr entwurzelt.

Was war, was bin ich eigentlich: Deutscher, Österreicher, Rumäne oder nach mehr als 70 Jahren dann letztlich doch Schwabe? Den Dialekt beherrsche ich seit Kindertagen akzentfrei - Ergebnis strenger autodidaktischer Übungen auf der heimischen Ofenbank. Damals im Dorf eine Überlebensfrage. Heimatgefühle? Zugegeben, ich habe da nach wie vor ein Problem: Fast ein Leben lang hier und noch immer will ich kein Schwabe sein.

Rumänien, genauer das Banat, hatten meine deutschstämmigen Eltern bereits 1939 in Richtung Hitlerdeutschland verlassen, im Gepäck meine fünf Brüder, gerade mal zwischen drei und zehn Jahre alt. Ich war noch nicht dabei. Mein ungeplanter Auftritt sollte erst Jahre später anstehen.

Insbesondere für meinen Vater war die illegale Ausreise wohl so etwas wie der Aufbruch ins gelobte Land. Jedenfalls meinte er das damals. Dort, wo er 1908 geboren ist, als Sohn eines Schmieds und Bauern, hatte man ihm den Abschied allerdings auch nicht schwer gemacht. Längst vergessen die Zeiten, als seine ärmlichen Vorfahren aus der Südeifel, dem Ruf Kaiserin Maria-Theresias folgend, donauabwärts in die Ebene unter dem Karpatenbogen zogen. Stolz auf ihr prosperierendes Bauernland, blieben sie über die Jahrhunderte ziemlich deutsch.

Doch nach dem Ersten Weltkrieg zeigte der aus Wrackteilen der K.u.k-Monarchie zusammengezimmerte rumänische Nationalstaat, dass er eines bereits perfekt beherrschte: die Diskriminierung von Minderheiten. So erfuhr der junge Heinrich Backes erst wenige Wochen vor seinem Abitur, dass die Abschlussprüfungen nicht wie bisher auf Deutsch, sondern auf Rumänisch abzulegen seien. Er hat sein Abitur bestanden, aber die Basis für seine spätere unselige Hitlerbegeisterung war gelegt.

Damals, im Juni 1908, als dieser Heinrich Backes, der Sohn des Hufschmieds, auf die Welt gekommen war, schien es zunächst eher so, als wolle er sich schon bald wieder von dieser Welt verabschieden. Das Kind schwächelte bedenklich. Doch vielleicht war es gerade die durch den herbeigerufenen Ortspfarrer schon eingeleitete letzte Ölung, die ihn sich trotzig eines anderen besinnen ließ. Er überlebte und gedieh normgerecht. Und just jener Geistliche, der ihm schon kurz nach der Geburt den Weg ins Jenseits hatte ebnen sollen, nahm jetzt eine geradezu lebensentscheidende Rolle für den einstigen frühkindlichen Wackelkandidaten ein. Heinrich entpuppte sich als so auffallend intelligent, dass der Geistliche dem Hoffnungsträger Privatunterricht anbot - mit Erfolg. Das rumänische Abitur in der Tasche, schrieb er sich bei einer begehrten Adresse ein, dem katholischen Priesterseminar von Temeswar.

Vermutlich wäre er tatsächlich Priester geworden, wäre da nicht in seinem Heimatdorf unglücklicherweise diese dralle Kindergartenpraktikantin aufgetaucht: Margarete. Bald war ihm klar: Vielleicht ist er ja ein Mann für die Kanzel, aber bestimmt nicht für das Zölibat, eine These, die im Rückblick von heute durch sieben gemeinsame Kinder überzeugend belegt ist. Beide, Margarete und Heinrich, sind schließlich Lehrer geworden und ein Paar auf Lebenszeit.

Margarete Nikola aus Lenauheim war nach ihrer Herkunft eine Schattierung feiner als Heinrich. Sie stammte aus einem gutsituierten Lehrerhaushalt und war die Nachbarin des - hierzulande wohl eher unbekannten - Grafen Sitschy. Wann immer mein Vater bei meiner Mutter eine dünkelhafte Vornehmheit zu spüren glaubte, musste besagter Graf herhalten: »Ja natürlich, die Nachbarin des Grafen Sitschy!« Aber meine Mutter war keineswegs dünkelhaft, eigentlich überhaupt nie. Sie war eine durch und durch warmherzige Person, eine liebende Mutter und eine leidenschaftliche Lehrerin, verehrt von ihren Schülern wie von ihren Söhnen. Fünf wurden noch in Rumänien geboren: Der eigenbrötlerische Heinrich, der gemütliche Ewald, der so intelligente wie chaotische Nikolaus, der schöne Günther und der solide und treue Werner.



Die Familie Backes 1936 mit fünf Söhnen im Banat. Ich kam erst zehn Jahre später dazu.



Bei der fluchtartigen, illegalen Ausreise aus Rumänien hatte sich mein Vater zunächst mit dem »schlimmsten seiner Söhne«, Nikolaus, allein auf den Weg gemacht. Geführt von teuer bezahlten Schleusern, arbeiteten sie sich auf atemraubenden Gebirgspfaden in Richtung Österreich vor, seit einem Jahr Deutschlands Ostmark.

Gleichzeitig reiste meine Mutter mit den vier angeblich braveren Söhnen nach Budapest. Sie - die Nachbarin des Grafen Sitschy - sprach glücklicherweise perfekt ungarisch. Das für germanische Ohren nur schwer zu dekodierende Idiom eignete sich übrigens auch ganz hervorragend als Geheimsprache, wenn wir Kinder etwas nicht verstehen sollten.

In Budapest residierte man für Flüchtlinge deutlich über Norm. Meine Brüder waren noch viele Jahre später der tiefen Überzeugung, dass im legendären Hotel Gellért noch immer Geschichten über die vier Rowdies aus dem Banat kursieren. Wann immer sie davon erzählten, Mal für Mal, entwickelte sich die Dimension des angerichteten Schadens noch eine Drehung weiter nach oben.

Als die völlig entnervte (aber natürlich ungebrochen innig liebende) Mutter am 1. September 1939 mit ihrer wilden Truppe und wenigen Handkoffern die Grenze nach Österreich passiert, also »großdeutschen Boden« erreicht, hat Hitler gerade Polen überfallen - der Zweite Weltkrieg beginnt. Auf der Landstraße beim Grenzort Mogersdorf kommt den neu Zugereisten ein Fuhrwerk entgegen, das - sie trauen ihren Augen nicht - von zwei Kühen gezogen wird. Was mag das wohl für ein armseliges Land sein, in das sie da geraten sind? Die Realität wollte meine Familie erst gar nicht wahrhaben. Es herrschte bereits Krieg. Menschenverachtung und Größenwahn trieben die Nation unaufhaltsam in eine der größten Katastrophen der Menschheitsgeschichte.

Das Gotteshaus von Sankt Martin an der Raab im Burgenland thront beherrschend auf dem höchsten Hügel der Marktgemeinde. Geradezu symbolhaft ihr zu Füßen liegt das Schulhaus - für meine Familie von nun an Wohnsitz und Arbeitsplatz zugleich. Die Backes-Familie liebt die Österreicher. Und die Österreicher lieben sie. Für meine fünf Brüder ist Sankt Martin, auch noch in den ersten Kriegsjahren, das Idyll ihrer Kindheit. Die Mutter wird vergöttert, dem streng autoritären Vater indessen werden eindeutige Reime gewidmet: »Weil er uns sonst niederhaut, preisen wir ihn alle laut.«

Es war ihm nicht schwergefallen, für sich und seine Familie den existenziellen Boden zu bereiten, ging ihm doch der Hitlergruß so leicht über die Lippen. Ja, er besaß Neigungen, die ihn für das Gedankengut der Nationalsozialisten bedenklich empfänglich machten. Ich habe sie später selbst in der Hand gehalten, die Fotos in Uniform mit Hakenkreuz und Heldenpose. Zuweilen auch mit Bella, seinem Deutschen Schäferhund. Eigentlich war mein Vater aber alles andere als ein Held. Ich habe nie einen größeren Hypochonder als ihn kennengelernt, vielleicht eine Mitgift aus seinem frühkindlichen Überlebenskampf. Keinen Menschen habe ich so oft sterben sehen wie ihn. Er wurde freilich 92 Jahre alt.

Im Schreckenssystem dieser Zeit kam seine Heldenattitude allerdings blendend an. Außer der Lehrerrolle wurden ihm offenbar weitere Aufgaben übertragen, über die man später in der Familie kein Wort mehr verlor. Ein politisch Verführter? Ein verblendeter Idealist? Der Weg, den er gegangen ist, verbindet sich für mich bis heute mit einem unendlichen Schmerz, gerade bei einem Menschen wie ihm - intelligent, initiativ und kreativ, ein Organisationsgenie, das waren nämlich seine anderen Seiten. Er konnte »etwas auf die Beine stellen«. Seine besten Jahre aber hat er an die Nazis vergeudet.

Er wurde Soldat, wie fast alle. An die Front wurde er zum Glück allerdings nicht beordert. Das Kriegsende, den Zusammenbruch erlebte er in der Kaserne in Klagenfurt.

Im Osten Österreichs, im Burgenland, wo der Hauptteil der Familie lebt, rückt die Rote Armee bedrohlich näher. Gerüchte über Massenvergewaltigungen und Verschleppungen ganzer Familien eilen den Soldaten voraus. Als die Rote Armee im Burgenland einmarschiert, erkämpft meine Mutter für ihre Söhne und sich gerade noch einen Platz auf dem letzten Wehrmachtslaster der Sankt Martin gen Westen verlässt. Ihre ganze Habe lassen sie zurück. Kurz vor der Abfahrt fehlt einer: Bruder...
mehr

Autor

Wieland Backes, geboren 1946 in Österreich, studierte Chemie und Geographie und promovierte 1978 zum Doktor rer.nat. Bereits 1973 knüpfte er erste berufliche Kontakte zum Fernsehen des SDR (später SWR). In rascher Folge wurde er Reporter, Dokumentarfilmer, leitender Redakteur und schließlich Moderator. Mit seiner mehrfach ausgezeichneten Talkshow Nachtcafé war er rund 28 Jahre auf Sendung und schrieb damit Fernsehgeschichte. Darüber hinaus ist er Mitbegründer des Stuttgarter Literaturhauses sowie des Instituts für Moderation an der Hochschule der Medien.
Weitere Artikel von
Backes, Wieland