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Der fabelhafte Buchladen des Mr. Livingstone

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am30.09.20211. Auflage
Als die junge Archäologin Agnes Martí nach London zieht, um ein neues Leben zu beginnen, ahnt sie nicht, dass sie inmitten der schnelllebigen britischen Metropole eine Oase der Ruhe finden wird. Bei einem Erkundungsgang durch den Stadtteil Temple von einem plötzlichen Regenschauer überrascht, flüchtet sie sich in eine ganz besondere Buchhandlung namens Moonlight Books. Edward Livingstone, der Eigentümer, sucht gerade nach einer Aushilfe, und während Agnes bei einer Tasse Tee wieder trocken wird, haben beide den Eindruck, dass das Schicksal sie nicht zufällig an diesem Ort zusammengeführt hat. In den folgenden Tagen lernt Agnes nicht nur die Arbeit einer Buchhändlerin kennen und lieben, sondern auch ihren humorvoll-brummigen Chef, die eigenwillige Stammkundschaft und den Zauber des kleinen Buchladens, der seinen Namen einem kreisrunden Fenster verdankt, durch das in den Abendstunden der Mond scheint. Als eines Tages das wertvollste Buch von Moonlight Books verschwindet, tritt ein hilfsbereiter Polizeiinspektor in Erscheinung, um den Fall zu lösen und Agnes' beschauliches Leben durcheinanderzuwirbeln.mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextAls die junge Archäologin Agnes Martí nach London zieht, um ein neues Leben zu beginnen, ahnt sie nicht, dass sie inmitten der schnelllebigen britischen Metropole eine Oase der Ruhe finden wird. Bei einem Erkundungsgang durch den Stadtteil Temple von einem plötzlichen Regenschauer überrascht, flüchtet sie sich in eine ganz besondere Buchhandlung namens Moonlight Books. Edward Livingstone, der Eigentümer, sucht gerade nach einer Aushilfe, und während Agnes bei einer Tasse Tee wieder trocken wird, haben beide den Eindruck, dass das Schicksal sie nicht zufällig an diesem Ort zusammengeführt hat. In den folgenden Tagen lernt Agnes nicht nur die Arbeit einer Buchhändlerin kennen und lieben, sondern auch ihren humorvoll-brummigen Chef, die eigenwillige Stammkundschaft und den Zauber des kleinen Buchladens, der seinen Namen einem kreisrunden Fenster verdankt, durch das in den Abendstunden der Mond scheint. Als eines Tages das wertvollste Buch von Moonlight Books verschwindet, tritt ein hilfsbereiter Polizeiinspektor in Erscheinung, um den Fall zu lösen und Agnes' beschauliches Leben durcheinanderzuwirbeln.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492600439
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum30.09.2021
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse3713 Kbytes
Artikel-Nr.7897568
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Mr. Livingstone fand es abscheulich, dass Roberta Twist ihren einzigen Sohn auf den Namen Oliver hatte taufen lassen. Nicht weil er etwas gegen die presbyterianische Gemeinde oder die schauderhafte Kuppel der St.-Andrew-Kirche gehabt hätte, wo die Zeremonie damals stattgefunden hatte, sondern weil er der Meinung war, dass es einer gehörigen Portion Bosheit bedurfte, um von Montag bis Freitag ein Kind namens Oliver Twist vor seinem Buchladen auszusetzen.

Seine Jahre als Buchhändler konnte Edward Livingstone schon nicht mehr zählen. Dabei handelte es sich nicht etwa um Leidenschaft oder Berufung, vielmehr war es eine Frage des Überlebens: Mr. Livingstone, der mittlerweile auf die fünfzig zuging, verstand sich auf Bücher einfach besser als auf Menschen. Und auch wenn dieser letzte Satz vielleicht nicht hundertprozentig zutraf - selbst für den bärbeißigsten aller Buchhändler gibt es ja Ausnahmen -, drehte sich das Leben in einem Buchladen nun mal um viele Bücher und wenig Kundschaft.

Das Geschäft mit dem stolzen blauen Schild, auf dem in weißen Lettern der Name Moonlight Books prangte, befand sich in einem alten langgestreckten zweistöckigen Gebäude in einem der Gässchen des Stadtteils Temple. Es teilte sein bescheidenes Quartier mit einem Schuhladen, der seine besten Zeiten in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts erlebt hatte, und einem Herrenschneider, der eine frappierende Ähnlichkeit mit Mr. Magoo besaß und so betagt war, dass die Mehrheit seiner Kundschaft seine Dienste nie wieder in Anspruch nehmen würde. Mr. Livingstone störte die etwas versteckte Lage seines Ladens nicht, da er die feste Überzeugung vertrat, dass ein Leben ohne eine Prise Geheimnis uninteressant war.

Von außen betrachtet, bestand Moonlight Books ganz aus blau gestrichenem Holz und blitzblanken Schaufenstern, hinter denen ein Reigen von Romanen mehr oder weniger erfolgreich um die Aufmerksamkeit der Passanten warb. Um die Dekoration kümmerte sich Mr. Livingstone nicht persönlich, pflegte jedoch mit einem kurzen Knurren sein Einverständnis zur Auswahl der Titel kundzutun. Die Tür, ebenfalls aus blauem Holz, hatte einen originellen Knauf in Form einer Schreibfeder, und wer danach griff, den empfing ein seltsamer kleiner Glöckchenklang.

Edward Livingstone hatte seine Bücher nach einem ganz eigenen Kanon geordnet: die Klassiker im Erdgeschoss und oben die zeitgenössischen Autoren - zusammen mit Büchern über Philosophie, Theologie, Geschichte und andere Wissenschaften sowie Reiseliteratur und Landkarten, sodass sich nicht einmal die neuzeitlichsten Schriftsteller dem achtsamen Blick von Aristoteles, Plutarch, Thukydides, Voltaire, Rousseau und Kant als den würdevollen Wächtern der Moderne entziehen konnten. Mr. Livingstone fand, dass man, bevor man sich die neuzeitlichen Bücher im ersten Stock vornahm, erst einmal die Klassiker im Erdgeschoss zur Kenntnis nehmen sollte - daher seine ungewöhnliche Aufteilung. Die beiden Stockwerke mit den gebohnerten alten knarzenden Dielenböden und den hinter dicht gefüllten Bücherregalen fast verschwundenen Wänden, an deren Farbe sich längst niemand mehr erinnerte - vielleicht waren sie früher einmal fliederfarben gewesen -, verband eine einsame Wendeltreppe, ebenfalls aus Holz und herrschaftlich flankiert von einem mit verschnörkelten Rosen und Blättermotiven verzierten Geländer aus schwarzem Schmiedeeisen. Über das prachtvolle Jugendstilgeländer verlor der Besitzer der kleinen Buchhandlung zwar nie ein Wort, doch wären die scharfen Beobachter in diesem Jahrhundert nicht ausgestorben, wäre ihnen gewiss nicht die Zärtlichkeit entgangen, mit der Mr. Livingstones Fingerspitzen über das dunkle Metall strichen, wann immer er die wunderschöne alte Treppe hinauf- oder hinunterging.

Wenn man in einer sternenklaren Nacht den Blick zur Decke von Moonlight Books hob, verstand man sofort, warum der Inhaber seinem Laden diesen Namen gegeben hatte, der darüber hinaus seiner Meinung nach entschieden besser zu der Buchhandlung passte als »Oliver« zu Mrs. Twists einzigem Kind. Über dem Giebel des Obergeschosses erhob sich ein pryramidenförmiges Oberlicht aus Glas. Tagsüber fiel bei dem üblichen Londoner Regenwetter kaum Licht hindurch, doch wer in einer wolkenlosen Nacht nach oben schaute, wurde mit einem überwältigenden Himmelspanorama belohnt. Neben der alten Wendeltreppe war dieses Dachfenster wohl der kostbarste Schatz, den die alte Buchhandlung zu bieten hatte.

Edward Livingstone war entfernt verwandt mit jenem berühmten schottischen Arzt, Gegner von Sklaverei und Forschungsreisenden, der die Wasserfälle des Sambesi entdeckt und ihnen den Namen Victoriafälle gegeben hatte. Doch anders als sein viktorianischer Vorfahre widmete Mr. Livingstone sein Leben nicht Landkarten und Reisenotizen, sondern auf erheblich weniger abenteuerliche Weise seinen Lieblingsbüchern. Wie es sich für einen guten Buchhändler gehörte, war der Laden seine Welt, die Lektüre sein Land, und das alphabetische Verzeichnis aller Titel und Autoren, das er seit einigen Jahren in digitaler Form pflegte, obwohl er selbst an seinen schlechtesten Tagen imstande war, auf Anhieb jedes Buch zu finden, nach dem er gefragt wurde, entsprach seiner Verfassung.

Der Tag, an dem der kleine Oliver Twist mit der unbestechlichen Logik seiner acht Jahre Mr. Livingstones wohlsortierte Arbeitsroutine durcheinanderbrachte, von der er niemals abzuweichen pflegte, war ein Dienstag. Wie stets im Londoner November brach die Dämmerung rasch herein, in der Buchhandlung brannte bereits Licht, und im Erdgeschoss durchstöberten drei Kunden die Tische mit den Neuerscheinungen. Während sie hin- und hergingen, knirschten die alten Dielen unter ihren Füßen, und der exzentrische Buchhändler war noch unleidlicher
als sonst.

An diesem Nachmittag war Edward Livingstone unzählige Male seine schöne Wendeltreppe rauf- und runtergestiegen und völlig außer Atem. Er hatte die frisch gelieferten Bücher eingeräumt - der Dienstagmorgen war den Lieferanten vorbehalten - und war so erschöpft, dass er sich oben einen Moment in einen der dunkelvioletten Sessel setzen musste.

»Sie sollten jemanden einstellen, der Ihnen hilft.«

Das naseweise Stimmchen von Oliver Twist, der sich auf der oberen Etage mit seinem Rucksack und einigen Astronomiebüchern an seinem Stammplatz in der Abteilung für Historisches niedergelassen hatte, ging Mr. Livingstone sofort auf die Nerven.

»Und du solltest mal endlich nach Hause gehen.«

Oliver, der wusste, dass seine Mutter ihn aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vor Ladenschluss abholen würde, zuckte mit den Schultern und vertiefte sich wieder in einen dicken Wälzer über die Jupitermonde. Die brüske Art des Ladenbesitzers war ihm so vertraut wie diesem die stille Gegenwart des Jungen im Obergeschoss.

Jeden Tag wartete Clara, das Hausmädchen der Twists, vor der Schule auf ihn, um ihm etwas zu essen zu bringen und ihn dann schweigend zu Moonlight Books zu begleiten. Oliver wusste nicht genau, worin Claras vertragliche Aufgaben bestanden, war sich jedoch ziemlich sicher, dass eine Sache nicht dazu zählte: nämlich er. Die Angestellte seiner Eltern beeilte sich, die lästige Pflicht zu erfüllen, wenn irgend möglich, ohne ein Wort sprechen zu müssen. Oliver kam sich vor wie ein Paket, das Clara auszuliefern hatte. Kein vernünftiger Mensch unterhält sich mit Paketen.

Mr. Livingstone hatte nicht viel an Oliver auszusetzen. Der Junge schien ihm über eine erstaunliche Dosis gesunden Menschenverstandes zu verfügen - etwas, woran es den meisten Leuten, die in seinem Laden ein und aus gingen, nur allzu häufig mangelte -, und so ertrug er geduldig die Marotten des altklugen Kindes. Und obgleich er von Mrs. Twists zweifelhaftem Geschmack überzeugt war und diesen mitverantwortlich dafür machte, dass Schulkinder Charles Dickens von klein auf hassten - Mr. Livingstone hatte den Verdacht, dass in den Familien von heute Dickens zugunsten der Lektüre mieser französisierter Autoren diskriminiert wurde -, war die Rechtsanwältin Roberta Twist nicht nur ebenso schön wie die Schneekönigin, sondern auch ebenso wenig geneigt, in ihrem frostigen Herzen Mitleid mit ihrem ständig vernachlässigten Sohn zu empfinden. Olivers Intelligenzquotient interessierte den Buchhändler also nicht, auch das familiäre Drama versuchte er zu ignorieren, aber er wusste die Bemerkungen und Beobachtungen dieses Jungen gebührend zu würdigen.

Einmal, als er noch annahm, die Anwesenheit des Kleinen in der Abteilung für Historisches sei nur vorübergehend, fragte er ihn, warum er seine Nachmittage in der Buchhandlunge verbringe.

»Hast du denn keine Lust, mit deinen Freunden Quidditch zu spielen?«, fragte er.

»Ich habe keine Freunde«, entgegnete Oliver, der zwischen einem Stapel Bücher auf dem Boden saß.

»Spielkameraden müssen ja nicht unbedingt Freunde sein«, korrigierte sich Mr. Livingstone, dem einfiel, dass auch sein Adressbuch vor Freunden nicht gerade aus den Nähten platzte.

»Ich bin gern hier.«

Am selben Abend ermahnte der Buchhändler wieder einmal Mrs. Twist.

»Das hier ist kein Hort. Sie können Ihren Sohn nicht jeden Tag hier abgeben.«

»Ich habe Ihnen doch gesagt, ich zahle Ihnen pro Stunde, was Sie wollen«, gab die Schneekönigin, in der einen Hand die Aktentasche, in der anderen ihr Mobiltelefon, hoheitsvoll zurück.

Getreu dem Prinzip, dass alles auf der Welt seinen Preis hat, kam es der Anwältin überhaupt nicht in den Sinn, dass derartige Allgemeinplätze beim Besitzer von Moonlight Books nicht fruchteten.

»Das ist eine Buchhandlung. Wir nehmen keine Parkgebühr für Kinder.«

»Oliver...
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