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Briefwechsel 1954-1978 und weitere Materialien

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
350 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am19.06.20221. Auflage
Auf die Frage, welchen Gegenwartsphilosophen er für den bedeutendsten halte, antwortete Hans Jonas mehr als einmal: Hans Blumenberg. Umgekehrt hatte Blumenberg vor wenigen seiner Kollegen mehr Respekt als vor Jonas. Ihr Briefwechsel, der sich über knapp 25 Jahre erstreckt, legt Zeugnis ab von dieser gegenseitigen Wertschätzung, aber auch von gelegentlichen Spannungen, und erlaubt Einblicke in biographische und werkgeschichtliche Hintergründe dieser beiden so wirkmächtigen Philosophen des 20. Jahrhunderts.

Der Briefwechsel beginnt 1954, nachdem sich die beiden Männer auf einem Kongress in Brüssel kennengelernt hatten, und endet 1978 mit der Erinnerung an dieses erste, so eindrucksvolle Treffen, das mit der Hoffnung einherging, der 1933 aus Deutschland vertriebene Jonas könne wieder nach Europa zurückkehren. Blumenbergs wiederholtes - und letztlich erfolgloses - Bemühen, Jonas erneut »in den Stromkreis des deutschen Geisteslebens« einzuschalten, durchzieht die Korrespondenz wie ein roter Faden. Dass der Briefwechsel 1978 abbricht, mag an Jonas' spätem Hauptwerk Das Prinzip Verantwortung liegen, das Blumenberg sehr kritisch sah. Dies belegen bislang unveröffentlichte Texte aus seinem Nachlass, die dieser Edition zusammen mit weiteren Materialien beigegeben sind.



Hans Blumenberg wurde am 13. Juli 1920 in Lübeck geboren und starb am 28. März 1996 in Altenberge bei Münster. Nach seinem Abitur im Jahr 1939 durfte er keine reguläre Hochschule besuchen. Er galt trotz seiner katholischen Taufe als ?Halbjude?. Folglich studierte Blumenberg zwischen 1939 und 1947 mit Unterbrechungen Philosophie, Germanistik und klassische Philosophie in Paderborn, Frankfurt am Main, Hamburg und Kiel. 1947 wurde Blumenberg mit seiner Dissertation Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert. Hier habilitierte er sich 1950 mit der Studie Die ontologische Distanz. Eine Untersuchung über die Krisis der Phänomenologie Husserls. Sein Lehrer während dieser Zeit war Ludwig Landgrebe. Im Jahr 1958 wurde Blumenberg in Hamburg außerordentlicher Professor für Philosophie und 1960 in Gießen ordentlicher Professor für Philosophie. 1965 wechselte er als ordentlicher Professor für Philosophie nach Bochum und ging im Jahr 1970 an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, wo er 1985 emeritiert wurde. Blumenberg war Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz (seit 1960), des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Mitgründer der 1963 ins Leben gerufenen Forschungsgruppe »Poetik und Hermeneutik«.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR36,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR30,99

Produkt

KlappentextAuf die Frage, welchen Gegenwartsphilosophen er für den bedeutendsten halte, antwortete Hans Jonas mehr als einmal: Hans Blumenberg. Umgekehrt hatte Blumenberg vor wenigen seiner Kollegen mehr Respekt als vor Jonas. Ihr Briefwechsel, der sich über knapp 25 Jahre erstreckt, legt Zeugnis ab von dieser gegenseitigen Wertschätzung, aber auch von gelegentlichen Spannungen, und erlaubt Einblicke in biographische und werkgeschichtliche Hintergründe dieser beiden so wirkmächtigen Philosophen des 20. Jahrhunderts.

Der Briefwechsel beginnt 1954, nachdem sich die beiden Männer auf einem Kongress in Brüssel kennengelernt hatten, und endet 1978 mit der Erinnerung an dieses erste, so eindrucksvolle Treffen, das mit der Hoffnung einherging, der 1933 aus Deutschland vertriebene Jonas könne wieder nach Europa zurückkehren. Blumenbergs wiederholtes - und letztlich erfolgloses - Bemühen, Jonas erneut »in den Stromkreis des deutschen Geisteslebens« einzuschalten, durchzieht die Korrespondenz wie ein roter Faden. Dass der Briefwechsel 1978 abbricht, mag an Jonas' spätem Hauptwerk Das Prinzip Verantwortung liegen, das Blumenberg sehr kritisch sah. Dies belegen bislang unveröffentlichte Texte aus seinem Nachlass, die dieser Edition zusammen mit weiteren Materialien beigegeben sind.



Hans Blumenberg wurde am 13. Juli 1920 in Lübeck geboren und starb am 28. März 1996 in Altenberge bei Münster. Nach seinem Abitur im Jahr 1939 durfte er keine reguläre Hochschule besuchen. Er galt trotz seiner katholischen Taufe als ?Halbjude?. Folglich studierte Blumenberg zwischen 1939 und 1947 mit Unterbrechungen Philosophie, Germanistik und klassische Philosophie in Paderborn, Frankfurt am Main, Hamburg und Kiel. 1947 wurde Blumenberg mit seiner Dissertation Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert. Hier habilitierte er sich 1950 mit der Studie Die ontologische Distanz. Eine Untersuchung über die Krisis der Phänomenologie Husserls. Sein Lehrer während dieser Zeit war Ludwig Landgrebe. Im Jahr 1958 wurde Blumenberg in Hamburg außerordentlicher Professor für Philosophie und 1960 in Gießen ordentlicher Professor für Philosophie. 1965 wechselte er als ordentlicher Professor für Philosophie nach Bochum und ging im Jahr 1970 an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, wo er 1985 emeritiert wurde. Blumenberg war Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz (seit 1960), des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Mitgründer der 1963 ins Leben gerufenen Forschungsgruppe »Poetik und Hermeneutik«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518772454
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum19.06.2022
Auflage1. Auflage
Seiten350 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8184126
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



15[1] Blumenberg an Jonas
Kiel, 19.ââ3.ââ1954


Hans Blumenberg

Kiel, den 19. März 1954

Neue Universität

Herrn

Prof. Dr. Hans Jonas

Carleton College

Ottawa/Ontario (Canada)

Sehr verehrter Herr Jonas,

längst hätte ich Ihnen einmal geschrieben, wenn ich 1. die mir von Ihnen anvertrauten Arbeiten sämtlich schon gelesen, und 2. die Photos aus dem in Brügge aufgenommenen Film endlich in Händen gehabt hätte. Der Umlauf Ihrer Arbeiten bei den hiesigen »Fachleuten« hat länger als erwartet gedauert; während des Semesters kommt man ja zu nichts. Die Photos, die aus dem Film herauskopiert werden müssen, hat der säumige Herr Schorr leider immer noch nicht machen lassen; ich werde ihn mahnen und sie Ihnen noch nachsenden.

Die erwarteten Veränderungen hier in Kiel sind noch nicht eingetreten; es ist auch zweifelhaft geworden, ob schon in absehbarer Zeit damit zu rechnen ist. Ich bin beinahe erleichtert, daß Ihnen der Konflikt bisher erspart geblieben ist.

Was Ihre mir mitgegebenen Arbeiten betrifft, so lasse ich Ihnen die, für die Sie Rückgabe erbaten, mit gleicher Post wieder zugehen. Ich glaube, daß der Aufsatz »Is God a Mathematician?« am deutlichsten den zentralen Punkt Ihrer Problemstellung zum Ausdruck bringt. Es wäre außerordentlich zu begrüßen, wenn der Aufsatz in deutscher Sprache hier erscheinen könnte. Falls Sie sich dazu entschließen könnten, würde ich einen Abdruck im STUDIUM GENERALE (Springer) empfehlen. Bitte, lassen Sie mich wissen, wie Sie zu dieser Möglichkeit stehen; ich würde dann bei der Redaktion erwirken, daß man an Sie direkt herantritt.

16Das STUDIUM GENERALE erscheint in Heften mit geschlossener Themenstellung. Beiträge zu bereits erschienenen Themengruppen werden aber auch nachträglich aufgenommen. Eine Reihe von Heften über die Berührungen der Mathematik mit anderen Disziplinen ist gerade erschienen, und ich würde es für sehr glücklich halten, wenn Ihr Aufsatz noch in Kontinuität zu diesem Thema innerhalb dieses laufenden Jahrganges erscheinen könnte.

Ein anderes Thema, das für den Jahrgang 1955 in Vorbereitung ist, soll die Bedeutung des SYSTEM-Begriffs im gesamten Bereich der Wissenschaften behandeln. Dieses Heft habe ich hinsichtlich der Mitarbeiter weitgehend betreut und werde auch selbst einen philosophischen Beitrag dazu liefern. Die Lektüre der Diskussion über »General System Theory« in »HUMAN BIOLOGY« hat mir nun den Gedanken erweckt, Sie um die Möglichkeit eines Beitrages über »System als Begriff innerhalb einer Philosophie des Organischen« anzusprechen. Selbstverständlich würde die Redaktion noch offiziell an Sie herantreten; doch habe ich bereits die ausgesprochen enthusiastische Zustimmung. Die Formulierung des Themas bleibt natürlich Ihnen überlassen.

Lieber Herr Jonas, ich hoffe, daß die Ansinnen, die ich an Sie gestellt habe, im Vergleich zu der Frage »Kiel« harmlos genug sind, um auf Ihre Einwilligung rechnen zu können. Lassen Sie mich, bitte, nicht allzu lange darauf warten.

Ich würde mich glücklich schätzen, wenn der in Brüssel begonnene Kontakt nicht ganz abreißen würde, und bleibe

mit herzlichen Wünschen und Grüßen

Ihr sehr erg. Hans Blumenberg

PS. Meiner gleichlaufenden Drucksachensendung ist beigefügt ein Separatum der Arbeit von Kurt Hübner »Leib und Erfahrung in Kants Opus Postumum«, von der ich Ihnen schon in Brüssel erzählt hatte.

17ÜBERLIEFERUNG O: Ts, hs am oberen Rand: »Antw. 10.ââ4.ââ54«; Hans-Jonas-Archiv. - TsD ohne hs Unterschrift; DLA Marbach, Nachlaß Hans Blumenberg.

die mir von Ihnen anvertrauten Arbeiten: Nicht zu rekonstruieren.

Photos aus dem in Brügge aufgenommenen Film: Hans Blumenberg und Hans Jonas begegneten sich zum ersten Mal auf dem XI. Internationalen Kongreß für Philosophie, der vom 20. bis 26. August 1953 in Brüssel stattfand. Blumenberg hielt dort den Vortrag »Technik und Wahrheit«, Jonas' Beitrag trug den Titel »Motility and Emotion. An Essay in Philosophical Biology«. (Blumenbergs Beitrag ist abgedruckt in: Actes du XIème Congrès International de Philosophie Bruxelles, 20-26 Août 1953, Bd. 2, Épistémologie, Amsterdam 1953, S. 113-120, wiederabgedruckt in: Schriften zur Technik, S. 42-50; Jonas' Beitrag ist abgedruckt in: Actes du XIème Congrès, Bd. 7, Psychologie philosophique, S. 117-122; in überarbeiteter Fassung als »Forth Essay. To Move and to Feel: On the Animal Soul« aufgenommen in: The Phenomenon of Life, S. 99-107; die deutsche Übersetzung »Bewegung und Gefühl. Über die Tierseele« findet sich in: Organismus und Freiheit, S. 151-163; KGA I/1, S. 189-204.)

Bei einer gemeinsamen Exkursion nach Brügge, bei der auch Blumenbergs Freund Karl-Eberhard Schorr (s.ââu.) zugegen war, wurden Jonas' Memoiren zufolge Spitzen erworben (Erinnerungen, S. 263); die erwähnten Fotos, von denen Schorr wohl für Jonas Abzüge zu machen versprach, sind nicht überliefert. Blumenberg beschrieb seine Eindrücke des Kongresses in einem Beitrag für die Düsseldorfer Nachrichten, für die er als Autor des Feuilletons in den 1950er Jahren regelmäßig schrieb (siehe Materialien 1).

der säumige Herr Schorr: Karl-Eberhard Schorr (1919-1995) war ein deutscher Erziehungswissenschaftler, der 1947 bei Blumenbergs Doktorvater Ludwig Landgrebe an der Universität Kiel mit der Dissertation Hegels Konzeption der Kraft in seiner Philosophie des absoluten Geistes promoviert wurde. Ab 1974 bekleidete er die Professur für Sozialgeschichte der Erziehung (Bildungspolitik) an der Universität Hamburg; er wurde 1984 emeritiert. Zusammen mit Niklas Luhmann verfaßte er 1979 die Schrift Reflexionsprobleme im Erziehungssystem. Er zählte zu Blumenbergs engsten Freunden dieser Jahre. Als Kommilitonen bei Landgrebe planten sie 1948 für den Fall akademischen Mißerfolgs die Gründung einer gemeinsamen Firma. 1955 reisten die Ehepaare Blumenberg und Schorr gemeinsam nach Ägyp18ten - es war Blumenbergs einzige größere Auslandsreise (siehe Brief 5, Anm.).

Die erwarteten Veränderungen hier in Kiel: Der Lehrstuhl von Blumenbergs Doktorvater Ludwig Landgrebe wurde vakant, nachdem dieser einen Ruf nach Köln erhalten hatte. Für seine Nachfolge stand Jonas als Kandidat an erster Stelle. Nicht zuletzt, um mit Jonas diesbezüglich Tuchfühlung aufzunehmen, trat Blumenberg mit diesem in Brüssel in Kontakt. Der erwähnte »Konflikt«, den Jonas in Brief 6 erneut aufgreift, mag sich auf die Frage einer Position im Täterland Deutschland beziehen.

»Is God a Mathematician?«: Hans Jonas, »Is God a Mathematician?«, in: Measure 2:4 (1951), S. 404-426; wiederabgedruckt in: ders., The Phenomenon of Life, S. 64-92 (dt.: »Ist Gott Mathematiker? Vom Sinn des Stoffwechsels«, in: Organismus und Freiheit, S. 107-150; KGA I/1, S. 125-187). Blumenberg vermerkte diesen Text in seiner Leseliste für den 9. Oktober 1953 und gab ihm die Schulnote 2 (Leseliste 1942-1959; DLA Marbach, Nachlaß Hans Blumenberg).

einen Abdruck im STUDIUM GENERALE empfehlen: Zwischen 1951 und 1960 publizierte Blumenberg regelmäßig in der Zeitschrift Studium Generale, einer von Karl Jaspers angeregten Nachkriegsgründung, die im Julius Springer Verlag erschien. Im Untertitel als Zeitschrift für die Einheit der Wissenschaften im Zusammenhang ihrer Begriffsbildungen und Forschungsmethoden ausgewiesen, besaß sie eine interdisziplinäre Programmatik und veröffentlichte zwischen 1947 und 1971 Beiträge aller Fächer. Als Herausgeber betätigte sich Blumenberg nur einmal, für die erwähnte Ausgabe zum Systembegriff, deren Planung er am 3. Januar 1953 durch eine Anfrage bei Manfred Thiel, dem Schriftleiter von Studium Generale (siehe Brief 4, Anm.), einleitete. Da sie frühestens 1955 würde erscheinen...


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>HalbjudeBeiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert. Hier habilitierte er sich 1950 mit der Studie Die ontologische Distanz. Eine Untersuchung über die Krisis der Phänomenologie Husserls. Sein Lehrer während dieser Zeit war Ludwig Landgrebe. Im Jahr 1958 wurde Blumenberg in Hamburg außerordentlicher Professor für Philosophie und 1960 in Gießen ordentlicher Professor für Philosophie. 1965 wechselte er als ordentlicher Professor für Philosophie nach Bochum und ging im Jahr 1970 an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, wo er 1985 emeritiert wurde. Blumenberg war Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz (seit 1960), des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Mitgründer der 1963 ins Leben gerufenen Forschungsgruppe »Poetik und Hermeneutik«.
Briefwechsel 1954-1978 und weitere Materialien