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Sprachliche Höflichkeit

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
300 Seiten
Deutsch
UTB GmbHerschienen am07.06.20211. Auflage
Höflichkeit ist ein wichtiges Thema laienlinguistischer Überlegungen zu Sprache und Kommunikation. Seit einiger Zeit hat es sich auch zu einem zentralen Gegenstand linguistischer Forschungsansätze entwickelt. Der Band stellt die wichtigsten sprachwissenschaftlichen Theorien zur Höflichkeit vor und zeigt ihre Verflechtung mit Nachbardisziplinen auf. Es handelt sich um die erste deutschsprachige Publikation, die einen aktuellen Überblick über das Forschungsgebiet samt Anwendungsfeldern bietet.

Prof. Dr. Claus Ehrhardt lehrt Sprachwissenschaft an der Universität Urbino.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR32,90
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Produkt

KlappentextHöflichkeit ist ein wichtiges Thema laienlinguistischer Überlegungen zu Sprache und Kommunikation. Seit einiger Zeit hat es sich auch zu einem zentralen Gegenstand linguistischer Forschungsansätze entwickelt. Der Band stellt die wichtigsten sprachwissenschaftlichen Theorien zur Höflichkeit vor und zeigt ihre Verflechtung mit Nachbardisziplinen auf. Es handelt sich um die erste deutschsprachige Publikation, die einen aktuellen Überblick über das Forschungsgebiet samt Anwendungsfeldern bietet.

Prof. Dr. Claus Ehrhardt lehrt Sprachwissenschaft an der Universität Urbino.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783846355411
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum07.06.2021
Auflage1. Auflage
Seiten300 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse12092 Kbytes
Artikel-Nr.8184880
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
2 Höflichkeit im Alltagsverständnis2.1 Höflichkeit in Wörterbüchern2.2 Höflichkeit in der Ratgeberliteratur: Knigge als "Säulenheiliger"?2.3 Konjunktur der Höflichkeit als Pressethema2.4 Höflichkeit auf dem kulturkritischen Büchermarkt2.5 (Un)Höflichkeit im Gebrauch2.5.1 Frequenzanalysen2.5.2 Kookkurrenzanalysen2.6 Der sprachwissenschaftliche Blick2.6.1 Ein Beispiel: Talkshows als Forum von Unhöflichkeit?2.6.2 Zwei Ebenen der Diskussion: Höflichkeit 1 und Höflichkeit 23 Höflichkeit in der Kulturgeschichte3.1 Rückblicke auf Höflichkeit in der europäischen Kulturgeschichte3.1.1 Höflichkeit und gesellschaftlicher Wandel in der Vormoderne3.1.2 Höfische Höflichkeit3.1.3 Salonkonversationelle Höflichkeit3.2 Entwicklung und Bedeutung der bürgerlichen Höflichkeit in Deutschland3.2.1 Bürgerliche Natürlichkeit3.2.2 Knigge3.2.3 Höflichkeitserziehung3.3 Antibürgerliche Höflichkeitskritik im 20. Jahrhundert3.4 Ausblicke auf Prozesse kulturellen Wandels in der Gegenwart3.4.1 Tendenzen der Informalisierung3.4.2 Generationelle Einflüsse4 Ausdrucksformen sprachlicher Höflichkeit im Deutschen4.1 Höflichkeit und Sprache4.2 Höflichkeit in Grammatiken des Deutschen4.2.1 Thematisierungen von Höflichkeit4.2.2 Pronominale Anredeformen4.2.3 Modalität, Konjunktiv Präteritum4.3 Höflichkeitsformeln4.3.1 Höflichkeit zwischen Grammatik und Phraseologie4.3.2 Routineformeln und Höflichkeitsformeln4.3.3 Kommunikative und rituelle Leistungen von Höflichkeitsformeln4.4 Pragmatik der Höflichkeit4.4.1 Höflichkeitsformeln als pragmatische Prägungen4.4.2 Höflichkeit als Stil4.5 Zusammenfassung5 Höflichkeit und Kommunikation: (Sprach-)wissenschaftliche Grundlagen der Höflichkeitsforschung5.1 Einleitung5.2 Beziehung und Kommunikation5.2.1 Interaktionssoziologisches Intermezzo: Goffman und das face5.2.2 Sprache und Beziehungsgestaltung5.2.3 Watzlawick/Beavin/Jackson5.2.4 Das Organon-Modell und Jakobson5.2.5 Schulz von Thun5.3 Kommunikation, Kooperation und Höflichkeit5.4 Kooperation und Höflichkeit: Ein Blick in die Evolution5.5 Kommunikative Ziele, Maximen und Höflichkeit5.6 Ein Beispiel: Bundestagsdebatte5.7 Vorläufiges Fazit6 Sprachwissenschaftliche Höflichkeitstheorien6.1 Einleitung6.2 Die Pionierphase6.3 Kritik an Brown/Levinson6.4 Die Konsolidierungsphase6.4.1 Fraser/Nolan und der Konversationsvertrag6.4.2 Leech: Höflichkeit als "kommunikativer Altruismus"6.4.3 Arndt/Janney und die emotive communication6.4.4 Was kommuniziert man, wenn man höflich ist? Der relevanztheoretische Ansatz6.4.5 Beiträge aus dem nicht-anglofonen Bereich6.4.6 Schluss6.5 Die diskursive Wende6.5.1 Überblick6.5.2 Höflichkeit: Der Gegenstand der Reflexion6.5.3 Höflich - unhöflich und x?6.5.4 Face und Beziehung6.6 Höflichkeit als soziale Praxis: Ein Beispiel6.6.1 Vorbemerkung6.6.2 Beschreibung6.6.3 (Un)Höflichkeit?7 Anwendungsfelder der Höflichkeitsforschung7.1 Höflichkeit in den sozialen Medien: Zwischen Hatespeech und Wohlfühlkommunikation7.2 Kontrastive Perspektiven7.2.1 Einleitung7.2.2 Das Problem des tertium comparationis7.2.3 Sprechhandlungen kontrastiv7.2.4 Höflichkeit in ausgewählten Ländern7.3 Höflichkeit als Schlüsselkompetenz in der interkulturellen Kommunikation7.3.1 Interkulturalität7.3.2 Kritik der "Kulturstandards"7.3.3 Höflichkeit und interkulturelle Kompetenz7.4 Höflichkeit in interkulturellen Trainingsprogrammen7.4.1 Diversität der Zielgruppen versus Universalität der Kulturen7.4.2 Vielzahl von Übungstypen und wenig Sprachliches7.4.3 Höflichkeit in critical incidents7.5 Lässt sich Höflichkeit erlernen? Sprachdidaktische Perspektiven8 Ausblick und Fazit8.1 Theorie und Empirie der Höflichkeitsforschung8.3 Fazit9 LiteraturverzeichnisSachregisterPersonenregisterAbbildungsverzeichnismehr
Leseprobe


2.2 Höflichkeit in der Ratgeberliteratur: Knigge als Säulenheiliger ?


Ein Blick in die Kataloge deutschsprachiger Verlage und in die Regale von Buchhandlungen macht schnell klar, dass Höflichkeit, im alltagsprachlichen Sinne als Verhaltenskodex verstanden, wieder ein Thema von hoher gesellschaftlicher Bedeutung geworden ist. BücherproduzentInnen in Deutschland machen offenbar einen gestiegenen Beratungsbedarf in Bezug auf Höflichkeit und Benehmen aus.

Auch der Dudenverlag hat einen Deutsch-Knigge veröffentlicht, in dem man - laut Untertitel - erfährt, wie man sicher formuliert, sicher kommuniziert und sicher auftritt. Viele Titelformulierungen enthalten darüber hinaus Erfolgsversprechen für gesellschaftliche Problemsituationen.

Einige Beispiele aus den letzten Jahren sollen verdeutlichen, dass Bücher wie diese offensichtlich mit einer regen Nachfrage rechnen können und was sie eigentlich behandeln:



Der Deutsch-Knigge (Duden 2008)


Der neue große Knigge: Gutes Benehmen und richtige Umgangsformen (Schneider-Flaig 2008)


Der China-Knigge: Eine Gebrauchsanweisung für das Reich der Mitte (Häring-Kuang/Kuan 2012)


Knigge im Job. So machen Sie immer eine gute Figur (Wolff 2006)


Business-Knigge - Die 100 wichtigsten Benimmregeln (Quittschau/Tabernig 2019)


Der große GU-Knigge (Bonneau 2008)


Über den Umgang mit E-Mails: Der Scholz & Friends E-Mail-Knigge (Scholz & Friends 2009)


Knigge, Kleider und Karriere: Sicher auftreten mit Stil und Etikette (Nagiller 2004)


Ess- und Tisch-Knigge: Nie wieder peinlich! (Witt 2004)


Business Knigge international: Der Schnellkurs (Oppel 2015)


Das Benimm-ABC: Knigge für junge Leute von heute (Griesbeck 2010)


Sex-Knigge für Frauen: Ein Mann verrät, wie Sie die perfekte Liebhaberin werden (van Amstel 2004)


Knigge für Dummies (Gillmann 2015)


Jugend-Knigge 2100: Knigge für junge Leute und Berufseinsteiger (Hanisch 2020)




Schon ein kurzer Blick auf die Titel zeigt, worum es hier geht: Das Verhalten in Gesellschaft anderer (z.B. beim Essen und in der Liebe), das Verhalten in beruflichen Situationen, den Sprachgebrauch in Briefen und anderen Texten, das Verhalten im Ausland. In diesen Bereichen kommen Menschen immer wieder in Situationen, in denen sie den Eindruck haben, dass sie nicht tun und lassen können, was sie wollen, sondern dass sie sich an vorgegebene Verhaltensstandards halten sollten, wenn sie die Situation erfolgreich meistern wollen. Wenn man etwas falsch macht, dann wird es peinlich, man gefährdet die eigene Reputation und den kommunikativen Erfolg im jeweiligen Kontext. Hier besteht also Orientierungsbedarf. Die Gesellschaft vermittelt über solche Bücher (oder analoge Angebote im Internet), was sie von ihren Mitgliedern erwartet und was Mitmenschen von jedem Individuum erwarten können. Höflichkeit wird in solcher Ratgeberliteratur mit der Beachtung der aufgestellten Regeln identifiziert und so auf ein Inventar rezeptologischer Handlungsanweisungen reduziert: z.B. Straßenwörter zu vermeiden und die Zauberwörter bitte und danke zu nutzen (nach Hanisch 2020).

Es entsteht der Eindruck, dass diese Art Ratgeberliteratur gerade in den letzten Jahren und Jahrzehnten (wieder) populär geworden ist. Vieles deutet darauf hin, dass ungefähr seit der Jahrtausendwende das korrekte , also regelkonforme Verhalten wieder geschätzt wird und dass man sich in vielen sozialen Gruppen unmöglich macht, wenn man nicht weiß, was der Knigge von einem erwarten würde. Man will wieder eine gute Figur machen und greift dafür auf altbewährte Vorgaben zurück.

Woher kommt die Autorität der Etikettebücher? Wer schreibt sie aufgrund welcher Qualifikation oder in wessen Namen? Wer definiert eigentlich die Regeln für den Umgang mit anderen Menschen? Hier liegt immer der Verdacht nahe, dass bestimmte soziale Gruppen, die die kulturelle Hegemonie in einer Gesellschaft für sich beanspruchen, anderen Gruppen ihre Verhaltensstandards mit mehr oder weniger subtilen Mitteln aufzwingen. Das kann hier nicht vertieft werden. Es scheint klar zu sein, dass AutorInnen der Etikette von heute die Etikette von gestern übernehmen und eventuell an neue Gegebenheiten anpassen. Ohne (wenigstens impliziten) Bezug auf Vorgängerwerke könnte ein Etikettebuch keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben.

Als Säulenheiliger der Etikette und letzte Instanz in Benimmfragen gilt in Deutschland Adolph Freiherr Knigge (1752 - 1796) - das zeigt sich schon in den Titeln der zitierten Werke. Sein Buch Über den Umgang mit Menschen (Knigge 1788/1977 oder Knigge 1788/2010) wird immer wieder als Urtext der Etikette, als erstes Benimmbuch gelesen. Ein Blick in das Werk erweist aber sehr schnell, dass der Urvater der Etikette etwas ganz anderes im Sinn hatte, dass er unter Höflichkeit etwas ganz anderes verstanden hat als sozial angepasstes, regelorientiertes Verhalten. Seit 2010 ist sein Gesamtwerk in einer vierbändigen Ausgabe zugänglich, und nach und nach werden auch zusätzliche Dokumente - etwa Briefwechsel - veröffentlicht. Und siehe da: Es handelte sich um einen prominenten Vertreter der deutschen Aufklärung, der zahlreiche Erzählungen, Reiseberichte, aber auch protosoziologische Texte verfasst hat und der in Deutschland als Anhänger der Französischen Revolution verfolgt wurde. Benimmbücher hat er aber sicher nicht geschrieben; auch Über den Umgang mit Menschen passt nicht in eine solche Tradition. Ein Rezensent der Zeit bringt es auf den Punkt:


Noch einmal und noch einmal und noch einmal ganz langsam zum Mitschreiben, auch für die Medienkollegen: Adolph Freiherr Knigge war kein Benimm-Onkel. Fischbesteck und Dresscodes haben ihn null interessiert. Sein Buch Über den Umgang mit Menschen von 1788 wurde im 19. Jahrhundert von irgendwelchen Stehkragen-Spießern zu einer Etikettefibel zugrunde gefälscht. Nicht um Umgangsformen ging es Knigge, sondern um Lebensformen und Weltklugheit. (Erenz 2016)


Knigges Buch kann als Vorläufer soziologischer, sozialpsychologischer, philosophischer oder ethnologischer Überlegungen angesehen werden, sicher aber nicht als Ratgeber für formvollendetes, höfisches Verhalten. Das Werk ist in drei Teile aufgeteilt. Der erste trägt die Überschrift Allgemeine Bemerkungen und Vorschriften über den Umgang mit Menschen, der zweite behandelt den Umgang mit besonderen Gruppen von Menschen (Eltern, Kinder und Blutsverwandte, Eheleute, Verliebte, Hauswirte, Nachbarn, Wirt und Gast usw.), der dritte Teil schließlich widmet sich dem Umgang mit Menschen von verschiedenen Ständen und Verhältnissen. Modern ausgedrückt ist der Umgang mit Diversität ein zentrales Thema, also die Frage, wie man in einer Gesellschaft friedlich zusammenleben kann, in der Kontakte mit sehr unterschiedlichen sozialen Gruppen immer wichtiger werden.

Der Autor selbst bringt die Ziele des Buches in der Einleitung zur dritten Auflage auf den Punkt, indem er die Überschrift paraphrasiert: Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen, so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können (Knigge 1788/1977, o. Pag.). Der vermeintliche Ahnherr der Etikettebücher macht deutlich, dass es im Umgang mit Mitmenschen gerade nicht auf eine Sammlung allgemeiner Verhaltensanweisungen ankommt und dass die Regeln des Umgangs miteinander eine große Bedeutung für die Organisation des sozialen Lebens haben. Wenn man beschreiben und analysieren will, was eine Gesellschaft zusammenhält und wie sich ihre Mitglieder in ihrem Verhalten organisieren bzw. woran sie sich orientieren, dann sollte man demnach auch den Begriff der Höflichkeit jenseits der puren Konventionalität vertiefen und genauer ergründen, was Menschen voneinander erwarten können bzw. welche Pflichten und Rechte sie im Umgang mit anderen haben.



Abb. II.1: Knigge, Ausgabe im Insel Verlag (2008) © Suhrkamp Verlag



Eine moderne Version der Ideen Knigges schlägt die Deutsche Knigge-Gesellschaft vor. Schon durch die Namensgebung erhebt der Verein den Anspruch, in einer Linie mit den Ideen des Freiherrn zu stehen und die authentische Interpretation seiner Gedanken wiederzugeben. In diesem Sinne werden z.B. Beratungen für Unternehmen und Institutionen angeboten oder Trainings für verschiedene Gruppen von Interessierten (u.a. über die Knigge-Akademie ). Auf der Homepage der Gesellschaft wird an die Ideen von Knigge angeknüpft. Unter der Überschrift Etikette alleine reicht nicht heißt es etwa: Man darf allerdings auch hier nicht übertreiben. Gutes Benehmen ist nicht alles. Zum Stil gehört auch geistige Größe und Bildung (übrigens auch die des Herzens). Nur geistige Kultivierung verfeinert , meint dazu Thomas Mann (Knigge-Gesellschaft). Es geht nicht um gutes Benehmen, sondern vor allem um Stil. Auch das ist eine Ebene, auf der Ausführungen über Höflichkeit angesiedelt werden können.

Das Credo der modernen Knigge-Version wird auf der Homepage in sieben Punkten...
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Autor

Prof. Dr. Claus Ehrhardt lehrt Sprachwissenschaft an der Universität Urbino.Prof. Dr. Eva Neuland lehrte Germanistik/Didaktik der deutschen Sprache an der Bergischen Universität Wuppertal.