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Die Propheten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am13.04.20221. Auflage
»Eine Hommage an James Baldwin« The New York Times Als sie sich auf der Baumwollplantage zum ersten Mal begegnen, ist Isaiah fünf Jahre alt, halb verdurstet und Samuel reicht ihm eine Kelle Wasser. Man hat Isaiah Vater und Mutter entrissen, Samuel kennt seine Eltern nicht. Die jungen Sklaven leben im Stall bei den Tieren, um die sie sich fortan kümmern. Samuel und Isaiah finden zueinander, doch ihre Liebe wird beargwöhnt und benutzt. Irgendwann ist die Katastrophe unvermeidbar. Robert Jones, Jr. lässt Unterdrückte und Unterdrücker erzählen: eine Geschichte von Entwurzelung und dem Kampf um Würde - und von Menschlichkeit, die dem Terror trotzt und ihre subversive Kraft entfaltet.

Robert Jones, Jr., ist ein in New York lebender Schriftsteller. Als @sonofbaldwin engagiert er sich seit 2008 für Anti-Diskriminierung und soziale Gerechtigkeit auf Social Media und hat knapp 300.000 Follower. >Die Propheten< ist sein erster Roman und steht auf der Shortlist für den National Book Award 2021.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

Klappentext»Eine Hommage an James Baldwin« The New York Times Als sie sich auf der Baumwollplantage zum ersten Mal begegnen, ist Isaiah fünf Jahre alt, halb verdurstet und Samuel reicht ihm eine Kelle Wasser. Man hat Isaiah Vater und Mutter entrissen, Samuel kennt seine Eltern nicht. Die jungen Sklaven leben im Stall bei den Tieren, um die sie sich fortan kümmern. Samuel und Isaiah finden zueinander, doch ihre Liebe wird beargwöhnt und benutzt. Irgendwann ist die Katastrophe unvermeidbar. Robert Jones, Jr. lässt Unterdrückte und Unterdrücker erzählen: eine Geschichte von Entwurzelung und dem Kampf um Würde - und von Menschlichkeit, die dem Terror trotzt und ihre subversive Kraft entfaltet.

Robert Jones, Jr., ist ein in New York lebender Schriftsteller. Als @sonofbaldwin engagiert er sich seit 2008 für Anti-Diskriminierung und soziale Gerechtigkeit auf Social Media und hat knapp 300.000 Follower. >Die Propheten< ist sein erster Roman und steht auf der Shortlist für den National Book Award 2021.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423440899
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum13.04.2022
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse1080 Kbytes
Artikel-Nr.8199694
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

PSALMEN

Der Juli hatte versucht, sie umzubringen.

Zuerst wollte er sie verbrennen. Dann ersticken. Als alles nichts half, machte er die Luft schwül und flüssig wie Wasser, um sie zu ertränken. Doch auch das schlug fehl. Sie wurden nur verschwitzt und gereizt, auch zueinander. In Mississippi fand die Sonne sogar einen Weg in den Schatten, sodass an manchen Tagen nicht einmal die Bäume Abkühlung boten.

Und außerdem, warum sollte man sich bei dieser Hitze in die Gesellschaft von anderen begeben? Die Sehnsucht danach blieb und machte die Temperaturen irgendwie erträglich. Früher waren Samuel und Isaiah gern bei den anderen gewesen, aber dann hatten die anderen sich verändert. Anfangs hatten sie geglaubt, die verzogenen Münder, verstohlenen Blicke, das Naserümpfen und Kopfschütteln kämen daher, dass sie nach der harten Arbeit in der Scheune einen unangenehmen Geruch verbreiteten. Sie badeten oft stundenlang im Fluss, um den Jauchegestank loszuwerden. Täglich vor Sonnenuntergang, wenn die anderen erschöpft von der Feldarbeit den trügerischen Frieden ihrer Hütten aufsuchten, schrubbten sich Samuel und Isaiah mit Minzblättern, Wacholder und manchmal auch mit Root Beer, um den Gestank loszuwerden.

Aber das änderte nichts am Verhalten der anderen. Und so blieben sie lieber für sich. Sie waren nie unfreundlich, aber die Scheune wurde für sie ein Zufluchtsort, den sie selten verließen.

Ein Horn blies zum Ende der Arbeit. Ein irreführendes Signal, denn die Arbeit endete nie, sie wurde nur vorübergehend unterbrochen. Samuel stellte einen Wassereimer ab und schaute zur Scheune hinüber. Trat ein wenig zurück, um sie ganz im Blick zu haben. Sie hätte einen neuen Anstrich vertragen können, beides, die roten und die weißen Flächen. Soll sie ruhig hässlich sein, is wenigstens ihr wahres Gesicht, dachte er. Solange die Halifaxes ihn nicht dazu zwangen, würde er keinen Finger rühren.

Er ging ein paar Schritte nach rechts und schaute zu den Bäumen hinter der Scheune, in der Ferne, am anderen Flussufer. Dort versank gerade die verblassende Sonne. Dann drehte er sich nach links zur Plantage, sah die Silhouetten der Menschen, die Säcke mit Baumwolle auf dem Rücken oder dem Kopf trugen und sie auf die etwas abseits stehenden Wagen warfen. James, der Hauptaufseher, und ungefähr ein Dutzend seiner Untergebenen, standen zu beiden Seiten des stetigen Stroms von Leuten Spalier. James hatte sich das Gewehr über die Schulter gehängt; seine Männer hielten ihre mit beiden Händen und zielten damit auf die Vorübergehenden. Samuel fragte sich, ob er es mit James aufnehmen konnte. Der Toubab war zwar kräftiger und bewaffnet, aber wenn es auf einen fairen Zweikampf Mann gegen Mann, Faust gegen Faust, Mut gegen Mut hinauslief, hatte er vielleicht eine Chance. Leicht würde es nicht werden, aber mit der Kraft der Verzweiflung konnte er es schaffen.

»Packst du eigentlich auch mal mit an?«, fragte Isaiah, und Samuel erschrak.

Er fuhr herum. »Was schleichst du dich so an?«, sagte er, verlegen, weil er sich in seiner Selbstversunkenheit ertappt fühlte.

»Bin nicht geschlichen. Bin direkt auf dich zu. Du warst so mit dem Kram von anderen beschäftigt ...«

»Pfff«, sagte Samuel mit einer Geste, als wollte er einen Moskito verscheuchen.

»Hilfst du, die Pferde reinzubringen?«

Samuel verdrehte die Augen. Warum war Isaiah immer so gehorsam? Oder vielleicht nicht gehorsam, aber grundlos ehrerbietig. Für Samuel war das ein Anzeichen von Ängstlichkeit.

Isaiah legte Samuel kurz die Hand auf den Rücken und ging lächelnd zurück zur Scheune.

»Na schön«, sagte Samuel leise und folgte ihm.

Sie brachten die Pferde in den Stall, gaben ihnen Wasser und etwas Heu und kehrten den Rest in der linken Scheunenecke, dort wo die Ballen lagerten, zu einem ordentlichen Haufen zusammen. Isaiah lächelte über Samuels sichtliches Widerstreben, sein Stöhnen, Seufzen und Kopfschütteln, obwohl er doch genau wusste, wie riskant das war. Andererseits waren kleine Akte des Widerstands wie Balsam an einem Ort der Tränen.

Als sie ihre Arbeit beendet hatten, war der Himmel dunkel und sterngesprenkelt. Isaiah überließ Samuel seinem Groll, ging nach draußen und beging seinerseits einen kleinen Akt des Widerstands: Er lehnte sich gegen den Holzzaun, der die Scheune umgab, und schaute zum Himmel auf. Viel zu viele Sterne, dachte er und fragte sich, ob der Nachthimmel sie eines Tages, erschöpft von seiner Last, loslassen würde, sodass sich über allem nur noch Dunkelheit wölbte.

Samuel tippte Isaiah auf die Schulter und riss ihn aus seinen Gedanken.

»Na, und wer kümmert sich jetzt gerade um anderer Leute Kram?«

»Du meinst Himmelskram?« Isaiah grinste. »Wenigstens bin ich für heute fertig.«

»Bist n guter Sklave, was?« Samuel stupste Isaiah den Zeigefinger in den Bauch.

Isaiah schmunzelte, stieß sich vom Zaun ab und ging zurück zur Scheune. Vor dem Tor blieb er stehen, hob ein paar Kiesel auf und warf sie nach Samuel.

»Ha!«, rief er und rannte in die Scheune.

»Daneben!«, rief Samuel zurück und verfolgte ihn.

Sie jagten einander durch die Scheune, Isaiah wich aus, schlug Haken und lachte, wenn Samuel vergeblich nach ihm griff. Als Samuel schließlich hochsprang und gegen Isaiahs Rücken prallte, fielen sie mit dem Gesicht voran ins frisch aufgehäufte Heu. Isaiah wand sich, versuchte sich zu befreien, doch er war schwach vor Lachen. Samuel drückte sein Gesicht mit einem Lächeln und vor sich hin murmelnd an Isaiahs Hinterkopf. Die Pferde schnaubten, ein Schwein quiekte. Die Kühe waren still, nur die Glocken um ihren Hals läuteten bei jeder Bewegung.

Nach einer Weile ergab sich Isaiah, und Samuel ließ von ihm ab. Sie drehten sich auf den Rücken und betrachteten immer noch leise keuchend und mit bebender Brust durch ein Loch im Dach den Mond, der sie beide in ein bleiches Licht tauchte. Isaiah hob den Arm, versuchte, den Mondschein mit der Hand zu verdecken. Lichtstrahlen fielen zwischen seinen Fingern hindurch.

»Einer von uns sollte mal das Dach flicken«, sagte er.

»Vergiss die Arbeit. Ruh dich aus«, sagte Samuel, schärfer als beabsichtigt.

Isaiah betrachtete Samuels Profil: die vollen Lippen, die flache breite Nase. Die gekräuselten Haare, die in alle Richtungen abstanden. Sein Blick wanderte weiter zu Samuels verschwitzter Brust - die dunkle, im Mondlicht glänzende Haut - und ließ sich von dem Auf und Ab einlullen.

Samuel drehte den Kopf und erwiderte Isaiahs zärtlichen Blick.

Isaiah lächelte. Er mochte die Art, wie Samuel mit offenem Mund atmete, die Oberlippe leicht verzogen, die Zunge von innen gegen die Wange gedrückt, als würde er etwas im Schilde führen. Er berührte Samuel am Arm.

»Müde?«, fragte er.

»Sollte ich sein. Aber nee.«

Isaiah rückte näher an ihn heran. Wo ihre Schultern sich berührten, wurde die Haut feucht. Sie rieben die Füße aneinander. Samuel begann zu zittern, ohne zu wissen, warum; er war gereizt, weil er sich bloßgestellt fühlte. Isaiah bemerkte nichts davon, sah nur lockende Bereitschaft. Er beugte sich über Samuel, der kurz das Gesicht verzog, ehe er sich entspannte. Langsam, zärtlich ließ Isaiah die Zunge über Samuels Brustwarzen gleiten, die unter seinen Lippen zum Leben erwachten. Sie stöhnten.

Es war anders als bei ihrem ersten Kuss - wie viele Jahreszeiten war das her, sechzehn oder mehr? Jahreszeiten waren leichter zu zählen als Monde, die launisch sein konnten und sich nicht zeigten. Isaiah erinnerte sich an die Zeit, in der die Äpfel so groß und rot gewesen waren wie nie zuvor oder danach - als sie gestolpert waren und sich vor Scham nicht in die Augen sehen konnten. Jetzt senkte Isaiah den Kopf und ließ seine Lippen auf Samuels verweilen. Samuel zuckte kurz zurück. Nach und nach verschwand wie immer sein Zögern. Der innere Konflikt, der ihn am Anfang zu Aggression gegen Isaiah und sich selbst trieb, hatte nachgelassen. Jetzt waren davon nur noch Spuren geblieben, in seinem Blick, in seiner Kehle. Doch sie wurden von anderen Dingen überwältigt.

Sie ließen einander keine Zeit zum Ausziehen. Isaiahs Hose hing ihm um die Knie, die von Samuel baumelte von einem Knöchel, als sie ungeduldig ineinander stießen; Isaiahs sich bewegender Hintern und Samuels wippende Fußsohlen glänzten schwach im Mondlicht auf.

Als sie voneinander abließen, waren sie längst vom Heuhaufen tiefer in die Dunkelheit gerollt, lagen ausgestreckt auf dem Boden. Zu erschöpft, um sich vom Fleck zu rühren, obwohl sie liebend gerne im Fluss gebadet hätten. In stummem Einvernehmen beschlossen sie zu bleiben, wo sie waren, zumindest, bis ihr Atem sich beruhigt hatte und die letzten Nachbeben verebbt waren.

In der Dunkelheit hörten sie das Scharren der Tiere, die gedämpften Geräusche von den Menschen in ihren Hütten, Gesang, vielleicht auch Weinen - das eine ebenso wahrscheinlich wie das andere.

Das Lachen aus dem Großen Haus dagegen war deutlich hörbar. Aus der Entfernung - zwischen ihnen und dem Großen Haus lagen mindestens zwei Wände und eine nicht unerhebliche Distanz - versuchte Samuel die unterschiedlichen Stimmen auszumachen. Ein paar kamen ihm bekannt vor.

»Is immer dasselbe. Andere Schnauze, gleiches Geschwätz«, sagte er.

»Was?«, fragte Isaiah und ließ seinen Blick vom Dach zu Samuel wandern.

»Die da drüben.«

Isaiah atmete tief ein und langsam aus. Er nickte. »Und, was sollen wir dagegen tun? Denen eins auf die Schnauze geben? Die Zunge spalten?«

Samuel lachte. »Macht die Schnauze auch nicht besser. Und die Zunge is schon gespalten. Wie bei ner Schlange. Besser abhauen. Sie hier allein...
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Robert Jones, Jr., ist ein in New York lebender Schriftsteller. Als @sonofbaldwin engagiert er sich seit 2008 für Anti-Diskriminierung und soziale Gerechtigkeit auf Social Media und hat knapp 300.000 Follower. >Die Propheten