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Nachrichten von Micah

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am16.02.20221. Auflage
Eine Geschichte vom Überleben Sesame und Micah sind verliebt und die besten Freunde. Sie hüten ihre Geheimnisse und teilen ihre Träume. Nie zweifeln sie daran, sich die gemeinsame Zukunft aufbauen zu können, die sie sich wünschen. Bis Micah verschwindet. Verschleppt, zusammen mit seinen Eltern und weiteren Mitgliedern einer Gruppe um einen selbst ernannten Propheten. Sesame erspürt die Gefahr, in der Micah schwebt. Noch nie hat sie sich so verlassen gefühlt, noch nie hat Micah sie so sehr gebraucht wie jetzt. Aber ihr Vertrauen ineinander und ihre Verbundenheit sind unerschütterlich. Doch reicht das, um Micah zu retten?

Alison McGhee hat zahlreiche hochgerühmte und ausgezeichnete Romane für Erwachsene, Kinder und Jugendliche veröffentlicht. Sie wurde unter anderem für den Pulitzer Preis und den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Mehrfach stand sie mit ihren Büchern auf Platz 1 der >The New York Times<-Bestsellerliste.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextEine Geschichte vom Überleben Sesame und Micah sind verliebt und die besten Freunde. Sie hüten ihre Geheimnisse und teilen ihre Träume. Nie zweifeln sie daran, sich die gemeinsame Zukunft aufbauen zu können, die sie sich wünschen. Bis Micah verschwindet. Verschleppt, zusammen mit seinen Eltern und weiteren Mitgliedern einer Gruppe um einen selbst ernannten Propheten. Sesame erspürt die Gefahr, in der Micah schwebt. Noch nie hat sie sich so verlassen gefühlt, noch nie hat Micah sie so sehr gebraucht wie jetzt. Aber ihr Vertrauen ineinander und ihre Verbundenheit sind unerschütterlich. Doch reicht das, um Micah zu retten?

Alison McGhee hat zahlreiche hochgerühmte und ausgezeichnete Romane für Erwachsene, Kinder und Jugendliche veröffentlicht. Sie wurde unter anderem für den Pulitzer Preis und den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Mehrfach stand sie mit ihren Büchern auf Platz 1 der >The New York Times<-Bestsellerliste.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423440400
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum16.02.2022
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse1288 Kbytes
Artikel-Nr.8199707
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1 Micah


Als es klopfte, machten meine Eltern sich gerade oben bettfertig, also bin ich an die Tür gegangen. Es war seltsam, Deeson, den obersten Akoluthen, außerhalb der Andachten zu sehen. Noch seltsamer aber war es, ihn in einem schwarzen Hoodie zu sehen. Er war überhaupt nicht der Typ dafür. Eigentlich ist Deeson sogar das komplette Gegenteil von Leuten, die in schwarzen Hoodies rumlaufen. Im Ernst, er hatte die Kordel unterm Kinn geknotet. Aber auf jeden Fall stand er da, reckte mir das bleiche Gesicht unter der Kapuze entgegen und musterte mich.

»Gesegnet sei das Kind, Akoluth Deeson«, sagte ich. So grüßten - grüßen - sich die Mitglieder des Lebenden Lichts.

»Hol deine Eltern und eure Taschen, und dann kommt mit«, sagte er. »Zum Südkomplex. Wir haben den Ruf erhalten.«

Ist dir aufgefallen, dass er mich nicht als Akoluth Stone angeredet hat? Typisch Deeson. Ein Mann mit toten Augen. Einmal, während der Andacht, hat der Prophet Deesons Augen gerühmt, angeblich spräche aus ihnen die Reinheit seiner Absichten. Aber was waren denn seine Absichten? Das hätte ich gerne gefragt. Doch während der Andachten stellte ich keine Fragen, ebenso wenig wie die anderen. Heute, am ersten Tag unseres Lebens im Untergrund, denke ich darüber nach. Wieso keiner von uns den Propheten oder das, was er sagte, je infrage stellte.

Unsere Taschen warteten fertig gepackt am Treppenabsatz, mit der weißen Unterwäsche und den weißen Gewändern, die wir alle schon vor Monaten bekommen hatten, einem großen Wasserkanister, dem Andachtsbuch, das der Prophet geschrieben und selbst vervielfältigt hatte und das die Lebenden Lichter anstelle einer Bibel benutzen, dazu Kamm oder Haarbürste.

Als ich meinen Eltern sagte, dass Deeson gekommen sei, dass die Zeit gekommen sei, zum Südkomplex zu gehen, dass wir unsere Taschen nehmen und ihm folgen sollten, da schauten sie nur kurz auf vom Waschbecken, wo sie sich nebeneinander die Zähne putzten - das machten sie immer gleichzeitig. Sie stellten keine Fragen. Sie nickten nur. Auch darüber denke ich jetzt nach. Sie spülten, spuckten noch einmal aus, dann packten wir drei unsere Zahnbürsten in die Reisetaschen und gingen nach unten, wo Deeson uns an der Tür erwartete.

»Gesegnet sei das Kind, Akoluth Stone, Akoluthin Stone« - siehst du, meine Eltern redete er so an. »Habt ihr vergangene Woche das Entschuldigungsschreiben an die Schule geschickt, entsprechend den Anweisungen?«

Mein Vater nickte.

»Hm? Was für eine Entschuldigung?«, wollte ich wissen.

»Wegen einer familiären Unternehmung bist du ab morgen bis zum Ende der Winterferien vom Unterricht befreit«, sagte Deeson. »Ganz im Einklang mit den Vorschriften der Schulbehörde von Minneapolis zum Thema Schulbesuch.«

Ich sah meine Eltern groß an, doch sie wichen meinem Blick aus. Was, verdammt noch mal, sollte das? Mit mir hatte kein Mensch darüber gesprochen. Es war Mittwochabend, bis zum Beginn der Winterferien war es noch eine Woche hin. Die Vorschriften interessierten mich nicht, aber ich durfte unmöglich so viel Unterricht versäumen, schon gar nicht in meinem Junior-Jahr. Und was war das für eine familiäre Unternehmung? Tief in meinem Inneren ging ein Alarm los, unüberhörbar und beharrlich. Der noch lauter wurde, als Deeson weitersprach.

»Handys«, sagte er und zeigte auf den Küchentresen.

Moment mal - Handys?

Das gehörte nicht zu Sesames und meinem Plan. Der Prophet hatte in letzter Zeit Andeutungen gemacht, dass für die Lebenden Lichter die Zeit bald gekommen sein würde, um mit Phase Zwei des Projekts zu beginnen. Von dem Geld, das er bei seinen Anhängern eingesammelt hatte, habe er ein verlassenes, leer stehendes Gebäude irgendwo im Süden von Minneapolis gekauft, wo genau, wusste keiner. Daraus solle eine Art Einkehrzentrum für die Lebenden Lichter werden.

Phase Eins: Kauf des Gebäudes, dem der Prophet den Namen Südkomplex gegeben hatte.

Phase Zwei: Gemeinsames Training aller Gemeindemitglieder für das Leben im Einkehrzentrum.

Phase Drei: Eröffnung des Zentrums.

Phase Vier: Übernahme der Weltherrschaft? Ernennung des Propheten zum göttlichen Herrscher? Ach, Quatsch, was weiß ich. Sobald er mit seinen Predigten anfängt, schalte ich nach höchstens fünf Minuten ab.

Egal.

Für den Fall, dass wir wirklich abgeholt würden, sah unser Plan, also der von Sesame und mir, so aus: Sobald wir im Südkomplex angekommen wären und ich wüsste, wo genau wir sind, würde ich ihr eine Nachricht aufs Handy schicken.

Als es um die Telefone ging, hatte ich zum ersten Mal ein ungutes Gefühl. Ein richtig ungutes, nicht einfach so, wie wenn Sesame und ich Witze machten über die Lebenden Lichter und was da so ablief oder wenn wir uns vorstellten, was für eine tolle Geschichte das irgendwann abgäbe. Ohne mein Handy, ohne ausreichenden Empfang oder auch nur ohne die Möglichkeit, es zu laden, wäre ich allein, könnte ich mit niemandem Kontakt aufnehmen, weder mit Sesame noch mit sonst jemandem. Wieso hatten wir nicht daran gedacht? Warum hatten wir das Ganze nicht gründlich analysiert? Warum hatten wir die Sache nicht ernst genommen?

Korrektur: Warum hatte ich die Sache nicht ernst genommen?

Sesame hatte das nämlich sehr wohl, von Anfang an.

Das Hello-Kitty-Notizbuch, das mir Vong geschenkt hat, der Zweitklässler von der Greenway Elementary, dem sie Nachhilfe gibt, lag in meiner Reisetasche, zusammen mit dem Hello-Kitty-Bleistift, auch ein Geschenk von Vong. Beides hatte ich ganz unten versteckt, in einem der weißen Gewänder. Ob weise Voraussicht oder einfach Schwein gehabt, jedenfalls war das Notizbuch dabei. Vielleicht könnte ich Ses schreiben, eine kurze Nachricht auf einer Seite von diesem Notizbuch, von dort, wo wir hinführen, wo immer das war. Aber wie sollte die Nachricht zu ihr gelangen? Ich habe keine Briefmarke und auch keine Adresse von ihr. Die beiden James würden ihr meine Nachricht mit Sicherheit geben, aber auch von denen habe ich keine Adresse.

Hey, Ses, kannst du mich hören? Kannst du meine Gedanken lesen? Ich schicke sie dir aus dem Waschkeller vom Südkomplex, wo ich im Arrest sitze. Ja, du hast richtig gelesen. Einen Tag bin ich erst hier, und schon hab ich Arrest. Ich sitze ganz hinten in einer Ecke, um nicht von den weißen Gewändern nass getropft zu werden, und schreibe in das kleine Hello-Kitty-Notizbuch.

Gestern Abend trat Deeson aus unserer Tür, schaute nach rechts und nach links und winkte uns dann hinaus. Bevor mein Vater das Haus verließ, hat er noch den Thermostat runtergestellt, und schon ging der stumme Alarm in mir wieder los. Deeson nahm meiner Mutter die Schlüssel aus der Hand und schloss die Haustür ab. Meine Gedanken überschlugen sich vor lauter Schreck. Genauer gesagt, vor Angst. Angst vor dem, was kommen würde. Beim Anblick unserer Telefone, die dicht an dicht neben dem Toaster lagen, wie kleine, rechteckige Särge, bekam ich Panik. Wir gingen hinaus in die eisige Dezembernacht. Der weiße Kleinbus des Propheten stand an der Straße. Kein Mensch war zu sehen. Warum sollte auch jemand draußen herumlaufen? Nicht einmal Hunde zieht es an so einem Abend hinaus.

»Akoluth Deeson«, sagte ich, »Moment noch. Ich muss mal.«

Meine Eltern stiegen schon ein, ihre Reisetaschen über der Schulter. Eine Hand streckte sich meiner Mutter entgegen und nahm ihr die Tasche ab. Es war dunkel im Wagen, man konnte unmöglich mehr als Schatten erkennen, aber es war klar, dass bereits andere Mitglieder des Lebenden Lichts im Wagen saßen.

»Es ist nicht weit bis zum Südkomplex«, sagte er. »So lang hältst du´s aus.«

»Ich glaube nicht«, sagte ich und trat von einem Bein aufs andere, so wie kleine Kinder es machen. »Es ist dringend.«

Er schaute unwillig drein, gab mir aber den Schlüssel, zeigte mit dem Daumen auf unsere Haustür, und ich rannte los. Schnappte mir mein Telefon, schob es unter meine Unterwäsche und schrieb dann für alle Fälle noch eine Nachricht für Sesame auf unsere Tafel. So wie ich sie kenne, kommt sie her, sobald ihr klar wird, dass ich verschwunden bin.


Hello Kitty,

versuch bitte, mein GPS zu orten.

Vermutlich irgendwo in der Nähe.

Kuss


Dann rannte ich, ohne zu pinkeln, wieder raus. Dabei musste ich tatsächlich, aber jetzt war es zu spät. Deeson wartete auf mich an der Tür, mit diesem typischen Deeson-Blick. Er nahm beide Hände hoch, so als wollte er sich ergeben, was ich seltsam fand, doch dann fing er an, mich von oben bis unten abzutasten, so als sei er von der Flughafen-Security und ich hätte einen Alarm ausgelöst. Scheiße. Griff mir sogar zwischen die Beine, dieser Dreckskerl.

»Handy her!«, forderte er mit triumphierender Stimme.

»Das brauche ich«, antwortete ich. »Für ... Hausaufgaben. Um Referate zu schreiben. Ich kann es mir nicht leisten, nicht mitzukommen, ich bin im Junior-Jahr.«

Als ob das für ihn irgendeine Bedeutung hätte, Junior-Jahr, dieses wichtige Jahr vor der Bewerbung fürs College.

»Handy raus, oder ich hol´s mir selber«, sagte Deeson.

Er zwang mich, es zurück ins Haus zu bringen, ließ mich nicht aus den Augen, während ich es neben die Geräte meiner Eltern auf den Tresen legte, und nahm mir den Schlüssel ab, als ich abgeschlossen hatte. Meine Eltern saßen auf einer Sitzbank im Kleinbus - es gab Bänke wie in einer Kirche, keine Einzelsitze -, und ich quetschte mich neben sie, ganz an den Rand. Sie sagten kein Wort, sahen mich nur missbilligend an. Auch von den anderen im Bus sagte kein Einziger etwas. Deeson setzte...
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Alison McGhee hat zahlreiche hochgerühmte und ausgezeichnete Romane für Erwachsene, Kinder und Jugendliche veröffentlicht. Sie wurde unter anderem für den Pulitzer Preis und den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Mehrfach stand sie mit ihren Büchern auf Platz 1 der >The New York Times