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Die Liebe macht vor keinem Halt

Adolf Schweiger bricht aus - Roman | Eine tragikomische Liebesgeschichte - »Leichtfüßig und poetisch - ein Roman voller Überraschungen.« Buch Journal
dtv Deutscher Taschenbuch Verlagerschienen am01.07.2022
»Das tägliche Unglück ist berechenbar. Vor dem Glück musst du dich hüten!« Der 46-jährige Adolf ist vom Schicksal genauso gebeutelt wie von seinem Namen. Er lebt noch immer bei seiner Mutter, ist leicht übergewichtig, hat nur einen einzigen Freund und fährt als Busfahrer tagtäglich die immer gleichen Runden durch seine kleine Heimatstadt. Schon früh ist ihm eingetrichtert worden, dass er vom Leben nichts verlangen darf. Als eines Tages Hanni, seine große Jugendliebe, bei ihm in den Bus einsteigt, kommt endlich Bewegung in sein festgefahrenes Leben. Da gesteht ihm Hanni ein dunkles Geheimnis und bittet ausgerechnet ihn um Hilfe. Ist das der Grund, weshalb sie sich ihm wieder genähert hat? Egal, während seine Mutter tobt, steht Adolf Hanni zur Seite. Nichts ahnend, worauf er sich da einlässt ... Das Buch erschien im Hardcover bereits unter dem Titel >Der Busführer<.

Veronika Bauer, geboren 1978 in Krems an der Donau/Österreich, studierte Grafik- und Kommunikationsdesign und arbeitete als Grafikerin und Artdirektorin, bevor sie sich als Texterin selbstständig machte. Sie schreibt regelmäßig für Magazine, ihr Herz schlägt jedoch schon immer für Geschichten. Eine ihrer Erzählungen wurde bereits mit einem Preis ausgezeichnet. Die Autorin lebt in Niederösterreich.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,95

Produkt

Klappentext»Das tägliche Unglück ist berechenbar. Vor dem Glück musst du dich hüten!« Der 46-jährige Adolf ist vom Schicksal genauso gebeutelt wie von seinem Namen. Er lebt noch immer bei seiner Mutter, ist leicht übergewichtig, hat nur einen einzigen Freund und fährt als Busfahrer tagtäglich die immer gleichen Runden durch seine kleine Heimatstadt. Schon früh ist ihm eingetrichtert worden, dass er vom Leben nichts verlangen darf. Als eines Tages Hanni, seine große Jugendliebe, bei ihm in den Bus einsteigt, kommt endlich Bewegung in sein festgefahrenes Leben. Da gesteht ihm Hanni ein dunkles Geheimnis und bittet ausgerechnet ihn um Hilfe. Ist das der Grund, weshalb sie sich ihm wieder genähert hat? Egal, während seine Mutter tobt, steht Adolf Hanni zur Seite. Nichts ahnend, worauf er sich da einlässt ... Das Buch erschien im Hardcover bereits unter dem Titel >Der Busführer<.

Veronika Bauer, geboren 1978 in Krems an der Donau/Österreich, studierte Grafik- und Kommunikationsdesign und arbeitete als Grafikerin und Artdirektorin, bevor sie sich als Texterin selbstständig machte. Sie schreibt regelmäßig für Magazine, ihr Herz schlägt jedoch schon immer für Geschichten. Eine ihrer Erzählungen wurde bereits mit einem Preis ausgezeichnet. Die Autorin lebt in Niederösterreich.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423440301
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum01.07.2022
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse961
Artikel-Nr.8199752
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

10

Am nächsten Morgen um 8:23 Uhr stieg Hanni an der Haltestelle in Nonnendorf in seinen Bus. Sie trug ein blaues Kleid mit kleinen weißen Segelbooten darauf und die roten Schuhe.

»Einmal Bahnhof Merk«, sagte sie.

»Hallo, Hanni«, sagte Adolf.

Ihr Zeigefinger streifte flüchtig seinen Daumen, als sie das Ticket aus seiner Hand nahm. Sie ließ ihre weißen Schneidezähne aufblitzen, drehte sich um und setzte sich in die erste Reihe schräg hinter den Fahrersitz. Der Himmel war noch verhangen, doch zu beiden Seiten der Straße leuchtete das Johanniskraut hell wie die Sommersonne. Der Bus flog dahin. Im grünen Weizen stand ein Reh, das hob den Kopf und sah ihm nach. Über den Feldern kreiste ein Bussard. Es würde ein schöner Tag werden.

Adolf vermied es, in den Spiegel zu schauen. Während der nächsten drei Stopps gelang ihm das auch. Als ihm seine Augen nicht länger gehorchen wollten, traf ihn Hannis Blick - ernst und graugrün.

Schnell schaute er auf den Tacho - vierundsechzig Stundenkilometer - und schaltete die Scheibenwischer ein. Sieben Mal ließ er sie über die Frontscheibe gleiten. Dann überholte er einen Traktor. An der Haltestelle vor der Mittelschule wagte er noch einmal einen schnellen Blick. Hannis Wange ruhte an der Fensterscheibe. Sie hatte die Augen geschlossen. Ihr milchkaffeefarbenes Haar reichte ihr bis zum Mund. Es sah weich aus, wie das Bauchfell eines Kaninchens. Ihr Ohr stand ein wenig daraus hervor.

Adolf dachte daran, wie leicht Hanni rote Ohren bekam. Wenn sie sich aufregte, wenn man sie beim Lügen ertappte oder wenn sie sich über ein Lob freute. Auf ihrer Stirn und auf der Nase ahnte er ein paar Dutzend Sommersprossen. Ihre schlanken Hände hielt sie im Schoß gefaltet. Wie sie so dasaß in ihrem blauen Kleid, erinnerte Hanni ihn an das Marienbild in der Kirche, die er als Kind manchmal sonntags mit seiner Großmutter besucht hatte. Während die anderen Mädchen in seiner Klasse früher oder später eine Vorliebe für bunten Nagellack entwickelt hatten, waren ihre Nägel stets kurz und farblos geblieben.

Das Geheimnis von Hannis Schönheit bestand darin, dass sie gar nicht schön war. Auch heute, im Alter von sechsundvierzig, hatte sie etwas von einem Jungen. Zart, hochgewachsen und eigensinnig - mit scheuem Blick und kleinen, harten Fäusten.

Das ungeduldige Gemurmel im Bus schwoll an und holte Adolf zurück in die Realität. »Keine Ahnung, worauf wir da so lange warten«, nörgelte eine untersetzte Frau, die sich hinter ihm im Gang aufgebaut hatte. Durch ihr gelbes, viel zu enges Kleid sah er ihre große schwarze Unterhose, die am Bauch einschnitt. Die Mischung aus Vorwurf und Selbstmitleid in ihrem Tonfall ließ ihn an seine Mutter denken. Er riss seinen Blick von Hanni los, blinkte und trat aufs Gas.

An der Endstation am Bahnhof von Merk stand Hanni auf.

»Mach s gut«, sagte Adolf, als sie ausstieg.

Da wandte sie sich zu ihm um. »Bis später!« Sie lachte dieses Hanni-Lachen, das vor allem ihren Augen entsprang. Den Mund öffnete sie bloß, um ihre Schneidezähne zu zeigen. Dabei zog sie die Nase kraus.

 

»Es ist halt so, dass der Mensch nicht für den Stillstand gemacht ist«, philosophierte der Bus-Bertl. »Weder die Kinder noch die Alten. Und alle dazwischen sowieso nicht. Weil nur die wenigsten wissen, wohin ihre Reise gehen soll, fahren sie halt im Kreis. Das ist immerhin besser als festzustecken.«

»Hmhm«, machte Adolf, um zu signalisieren, dass er zuhörte. Nach der gestrigen Schieflage bemühte er sich um eine friedliche Atmosphäre. Gedanklich war er jedoch im Bus zwischen Nonnendorf und Merk. Und hinter ihm saß Hanni.

Ob ihr Auto kaputt ist?, fragte er sich. In den letzten Monaten hatte er sie manchmal von der Kurve aus in den neuen silberfarbenen SUV steigen sehen, der seit dem Jahreswechsel im Carport stand. Ein Volvo, wenn er es richtig erkannt hatte.

Adolf interessierte sich nicht besonders für Autos, er fuhr ja Bus. Seinen alten Golf hatte er vor Langem verkauft, weil er im Jahr nie mehr als achthundert Kilometer gefahren war. Er brauchte kein Auto. Für den Weg zur Arbeit konnte er meist in den Bus eines Kollegen steigen. Nach zehn Stunden hinter dem Steuer hatte er abends keine Lust mehr auf sinnlose Spazierfahrten.

Er nahm sich vor, bei der nächsten Runde gezielt nach Hannis Wagen Ausschau zu halten. »Bis später«, hatte sie gesagt. Das konnte nur bedeuten, dass sie auf dem Heimweg wieder den Bus nehmen wollte. War sie zur Arbeit gefahren oder hatte sie Urlaub? Soweit er wusste, war Hanni Buchhalterin.

»Was würdest du dem dann raten?«, fragte der Bus-Bertl und öffnete mit einem lauten Zischen seine zweite Apfelsaft-Flasche. Adolf sah ihn verwirrt an. Er hatte keine Ahnung, wovon Bertl sprach, aber das durfte er sich nicht anmerken lassen. War nicht zuvor von Stillstand die Rede gewesen? Es ging beim Bus-Bertl doch stets ums Busfahren.

»Da gibt s nur zwei Möglichkeiten«, sagte Adolf aufs Geratewohl, »aussitzen oder aufbrechen.«

»Das hast du schön gesagt!«, rief Bertl und gestikulierte vor Begeisterung so heftig, dass der Apfelsaft überschäumte. »Einen besseren Rat hätt ich dir auch nicht geben können!«

Adolf steckte sein Pausenbrot wieder in die Tasche. In seinem Magen vollführte heute eine junge Ziege Bocksprünge.

»Lass mich aus dem Spiel«, bat er und bemühte sich um einen freundschaftlichen Ton. »Schau, Bertl, ich gehör nicht zu deinen Fahrgästen. Die kannst du von mir aus therapieren. Ich brauch das nicht.«

Der Bus-Bertl leckte sich den Schaum von den Lippen und wischte sich die vom Saft klebrige Hand an der Hose ab. »Dass es dir in letzter Zeit nicht so gut geht, ist ja schwer zu übersehen. Wenn ich dich ein Stück mitnehmen kann, dann mach ich das gerne.«

Adolf wurde dieses Gerede langsam zu esoterisch. So kannte er seinen Freund gar nicht.

»Aussitzen oder aufbrechen«, wiederholte Bertl. »Du hast es ja selbst gesagt. Die Entscheidung liegt bei dir.«

Adolf atmete tief durch. »Ich werd s mir überlegen«, brummte er und stand von der Bank auf. Er nickte dem Bertl zu und machte sich auf den Weg zum Bahnhofsgebäude. Mittlerweile war die Sonne hinter den Wolken hervorgekommen. Ein Zitronenfalter taumelte vorbei. Und auch wenn er es nicht einmal vor sich selbst zugeben wollte, war Adolf neugierig, was der Nachmittag bringen würde.

 

Die Kühlerhaube und die Frontscheibe waren so spiegelblank, dass sich der Japanische Ahorn, der neben dem Carport wuchs, darin spiegelte. Adolf, der ohnehin zu den ruhigsten unter den Busfahrern der Stadt zählte, nahm die Kurve vor der Ortseinfahrt von Nonnendorf heute besonders langsam. Hannis Wagen sah aus wie neu. Soweit er das von hier aus beurteilen konnte, hatte er keinen Kratzer. Natürlich gab es auch Defekte, die von außen nicht sichtbar waren. Aber hätte sie dann das Auto nicht in die Werkstatt gebracht?

Das Haus im großzügigen sanft hügeligen Garten wirkte wie ein Werbefoto auf der Webseite eines Immobilienbüros - schlicht, modern und auf auffällig unauffällige Art teuer. Aus reiner Gewohnheit griff Adolf in die Packung mit den Schnitten. Aber heute schmeckten sie ihm nicht so recht. Die rebellische Ziege in seinem Magen wollte nicht gefüttert werden.

 

Er entdeckte sie sofort. Sie saß etwas abseits auf der Mauer, die den Pendlerparkplatz umgab. Den Rücken an den schwarzen Gitterzaun gelehnt, beobachtete sie die Tauben, die über den Asphalt trippelten in der Hoffnung, dass einer der Wartenden ihnen ein paar Krumen zuwarf. Als der Bus einfuhr, sprang sie auf, schirmte ihre Augen mit der Hand ab und winkte Adolf zu. Das knielange Kleid mit den Booten ließ sie femininer wirken, als er sie in Erinnerung hatte. Vorne an ihren flachen roten Schuhen saßen Maschen. Sie kam auf den Bus zu, das kinnlange Haar wippte im Takt ihrer Schritte. Hanni wartete ab, bis die letzten Fahrgäste ausgestiegen waren. Eine Gruppe zwölf- bis dreizehnjähriger Mädchen drängte kichernd ins Freie, gefolgt von einem alten Ehepaar mit bunten Walkingstöcken.

Noch bevor Adolf seinen Sitz verlassen konnte, kletterte Hanni in den Bus und setzte sich wieder schräg hinter ihn. Er hatte jetzt eigentlich zehn Minuten Pause. Meist nutzte er die Zeit, um einen Kaffee am Automaten im Busbüro zu kaufen und aufs Klo zu gehen. Den Bus sperrte er währenddessen ab, und die Fahrgäste mussten an der Haltestelle warten. Gemäß der Vorschrift hätte er Hanni jetzt bitten müssen, wieder auszusteigen.

»Alles gut bei dir?«, fragte er stattdessen und setzte sich so, dass er sie direkt ansehen konnte.

Hannis Blick flackerte, und es wirkte fast so, als wäre sie erschrocken oder hätte keine Lust auf diese Unterhaltung. Er wollte sich schon wegdrehen, da zog sie die Nase kraus und lachte.

»Es ist Sommer«, sie schüttelte den Kopf, »wenn die Sonne scheint, kann es einem nur gut gehen!«

Ihr feines Haar hatte sich am Sitzpolster statisch aufgeladen und stand jetzt ab. Hanni liebte den Sommer - Schwimmen, Tretboot fahren, Kirschen stehlen und Wassermelonenkerne spucken.

»Und du?« Sie lehnte die Stirn an den schmutzigen Sitzbezug. »Was machst du immer?«

»Busfahren«, antwortete Adolf wahrheitsgemäß.

Abermals lachte sie laut auf. Dabei schnellte ihr Oberkörper ruckartig vor, um sofort wieder in den Sitz zurückzufallen.

»Ich auch!«, rief sie, »ab heute fahr ich bei dir mit! Wusstest du, dass ein neues Auto hundertdreiundzwanzig Gramm...
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Autor

Veronika Bauer, geboren 1978 in Krems an der Donau/Österreich, studierte Grafik- und Kommunikationsdesign und arbeitete als Grafikerin und Artdirektorin, bevor sie sich als Texterin selbstständig machte. Sie schreibt regelmäßig für Magazine, ihr Herz schlägt jedoch schon immer für Geschichten. Eine ihrer Erzählungen wurde bereits mit einem Preis ausgezeichnet. Die Autorin lebt in Niederösterreich.