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Mein Leben war in seiner Hand

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
240 Seiten
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am26.10.20211. Aufl. 2021
Morgane ist sich sicher, mit Yassine ihren Traummann gefunden zu haben. Der Halbägypter kocht für sie, er wäscht - und liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Doch dann wird sie schwanger, und Yassine verwandelt sich: Gemeine Demütigungen, brutale Misshandlungen und die wachsende Isolation von Familie und Freunde machen ihr Leben zur Hölle. Nur die Sorge um die Zukunft ihres Sohnes lässt Morgane lange stillhalten. Aber dann droht Yassine sie umzubringen, und Morgane muss endlich handeln ...

Morgane Seliman, 1983 in Frankreich geboren, hat das Buch unter ihrem echten Namen veröffentlicht. Es soll all jenen Frauen eine Stimme geben, die wie sie unter körperlicher oder psychischer Gewalt leiden. In Frankreich gilt sie mittlerweile als wortgewandte Vertreterin misshandelter Frauen. Sie ist häufig in den Medien und gibt Vorträge in Universitäten und Hochschulen zum Thema. Zusammen mit ihrem Sohn lebt sie in der Normandie. Kontakt zu ihrem Ehemann hat sie ...
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Produkt

KlappentextMorgane ist sich sicher, mit Yassine ihren Traummann gefunden zu haben. Der Halbägypter kocht für sie, er wäscht - und liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Doch dann wird sie schwanger, und Yassine verwandelt sich: Gemeine Demütigungen, brutale Misshandlungen und die wachsende Isolation von Familie und Freunde machen ihr Leben zur Hölle. Nur die Sorge um die Zukunft ihres Sohnes lässt Morgane lange stillhalten. Aber dann droht Yassine sie umzubringen, und Morgane muss endlich handeln ...

Morgane Seliman, 1983 in Frankreich geboren, hat das Buch unter ihrem echten Namen veröffentlicht. Es soll all jenen Frauen eine Stimme geben, die wie sie unter körperlicher oder psychischer Gewalt leiden. In Frankreich gilt sie mittlerweile als wortgewandte Vertreterin misshandelter Frauen. Sie ist häufig in den Medien und gibt Vorträge in Universitäten und Hochschulen zum Thema. Zusammen mit ihrem Sohn lebt sie in der Normandie. Kontakt zu ihrem Ehemann hat sie ...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751720373
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum26.10.2021
Auflage1. Aufl. 2021
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8231799
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1
Countdown

»In drei Stunden bist du dran!«

Yassine sitzt vor dem Fernseher auf dem Sofa.

Heute Morgen habe ich nicht alles so erledigt, wie es ihm vorschwebte. Eines seiner beiden Frühstückseier war nicht richtig gekocht. Auf sein Butterbrot hatte ich zu viel Salz gestreut. Yassine hat den Teller durchs Zimmer geworfen.

»Weißt du was, du bist nicht einmal in der Lage, Eier richtig zu kochen! Dafür wirst du büßen!«

Bereits eine Stunde des Countdowns ist mittlerweile verstrichen. Ich wusste, dass die Eier heute Morgen nicht perfekt waren. Ich hätte noch einmal neue kochen sollen ⦠Aber es war keine Zeit mehr. Er wollte sein Frühstück sofort haben. Und das Salz ⦠Yassine will keine gesalzene Butter. Er will das Salz fein auf süße Butter gestreut bekommen.

Jetzt bleiben mir noch zwei Stunden, dann ist es so weit.

Ab 14 Uhr hält Bilal, unser Sohn, seinen Mittagsschlaf. Dann kommt der »Countdown« an sein Ende. Yassine will mich nicht im Beisein unseres Sohnes schlagen.

Ich beeile mich mit meiner Bügelwäsche. Danach werden meine Schmerzen zu groß sein. Ich habe gelernt, mir meine Zeit einzuteilen. Wenn er einen Countdown ankündigt, überlege ich sofort, was in der verbleibenden Zeit noch zu machen ist. Alles muss fertig sein, all meine Aufgaben müssen erledigt sein, dann bin ich beruhigt. Ich gehe durch, was noch zu tun ist. Ich habe bereits feucht gewischt, die Küche geschrubbt, die Waschmaschine angestellt. Ich wasche jeden Tag, damit auch nicht ein einziges schmutziges Kleidungsstück im Haus herumliegt.

»Viertel nach eins ⦫

Beinahe heiter hat Yassine diese Worte fallen lassen, ohne mich dabei anzusehen.

Ich lasse meinen Blick hierhin und dorthin schweifen und überlege, was ich vielleicht noch vergessen haben könnte. Bilal spielt, ohne Lärm dabei zu machen. Noch ist er ein Baby, aber er hat sehr schnell begriffen, wie er sich am besten aus der Schusslinie bringt.

Nichts. Es ist nichts mehr zu tun. Ich könnte mich jetzt auf das Sofa setzen, aber ich zögere. Wenn ich das mache, bekommt Yassine oft sofort einen Wutanfall.

»Was machst du da?«

»Äh, nichts ⦠ich setze mich hin ⦫

»Hast du alles erledigt? Liegt nichts mehr herum? Bist du sicher? Du bist eine Schlampe, wenn du dich jetzt schon hinsetzen kannst!«

Wir haben ein Ecksofa. Mein Platz ist auf der schmaleren Seite ohne Lehne. Wenn er sich entscheidet, sofort zuzuschlagen, sitze ich dort in der Falle, und alles ist noch schlimmer als sonst. Dann schlägt er doppelt so stark zu. Endlos boxt er mit der Faust auf mich ein. Als wäre ich ein Kissen. Hinzukommt, dass ich schnell zittere, wenn ich neben ihm sitze, und das regt ihn zusätzlich auf.

Aber Bilal ist noch im Zimmer. Er ist erst ein paar Monate alt, und schon beschützt er mich â¦

Ich nehme eine neue Aufgabe in Angriff. Die Zeit für das Mittagessen naht. Ich werde damit beginnen, etwas vorzubereiten. Die Küche ist nicht vom Wohnzimmer getrennt, deshalb muss ich darauf achten, so leise wie möglich zu Werke zu gehen, um ihn nicht zu stören.

Gefüllte Eier mit Petersilie garniert als Vorspeise, dann BÅuf bourguignon und als Dessert Schokoladen-Eclairs. Yassine legt großen Wert darauf, dass alles ansprechend angerichtet ist. Es muss hübsch aussehen. Tut es das nicht, wird er den Teller wieder durchs Zimmer schleudern. Ich gebe mir Mühe. Ich habe große Fortschritte gemacht. Konnte ich am Anfang kaum etwas kochen, so bereite ich jetzt aufwendige Gerichte zu.

Yassine isst wortlos.

Als er fertig ist, wirft er einen Blick auf die Wanduhr.

»Dreißig Minuten!«

Mein Schädel schmerzt noch von den gestrigen Schlägen. Im Allgemeinen geht Yassine so vor, dass die Spuren nicht zu sehen sind. Der Kopf. Die von der Kleidung bedeckten Körperteile. Manchmal bekommt aber doch das Gesicht etwas ab.

Zwanzig Minuten. Ich tue so, als würde ich lediglich die Küche aufräumen, verstecke dabei aber die Messer und Gegenstände, die eine echte Gefahr darstellen könnten. Man weiß nie. Normalerweise setzt er seine Schläge sehr gezielt und wohldosiert. Darauf ist er sogar richtig stolz.

»Vergiss nicht, dass ich dich mit einem einzigen Fausthieb töten könnte! Ich habe alles unter Kontrolle!«

Selbst wenn ich ziemlich übel zugerichtet bin, sagt er noch zu mir: »Keine Sorge, davon stirbt man nicht ⦫

Ich beklage mich jedenfalls nie. Das würde ihn nur noch mehr aufregen. Ich beiße die Zähne zusammen und tue so, als sei nichts gewesen. Auch wegen des Kleinen. Ich will nicht, dass er begreift, was hier vor sich geht.

»Zehn Minuten!«

Ich werde meinen Sohn auf den Arm nehmen, um ihn schlafen zu legen. Diese Zeit bleibt mir. Ich harre an seiner Seite aus, bis er eingeschlafen ist. Yassine erträgt es nicht, ihn weinen zu hören. Während ich oben in unserem Schlafzimmer bin, in dem auch Bilal schläft, wird Yassine die Vorbereitungen für sein Vorhaben treffen. Er wird die Vorhänge zuziehen, die Tür abschließen und den Schlüssel in seine Hosentasche stecken, damit ich nicht auf die Idee komme zu fliehen.

Als ich mit meinem Sohn die Treppe hinaufsteige, versuche ich, mich so gut wie möglich zu kontrollieren. Ich will nicht, dass mein Baby meine Angst spürt. Ich will es schützen. Ich muss in seiner Gegenwart ruhig bleiben. Ich wechsle die Windel, ich schmuse ein wenig mit ihm und lege es dann ins Bett. Ich bleibe noch kurz bei ihm, aber ich weiß, dass Yassine unten schon ungeduldig wird. Dann gehe ich in Richtung Treppe. Ich koste jeden einzelnen Schritt die Treppe hinunter aus und versuche, nicht daran zu denken, was mich jetzt gleich erwartet. Der Druck und die Angst sind Teil der Folter.

Die Schlüssel befinden sich schon in seiner Tasche, und sogar die Fensterläden in der Küche sind geschlossen. Er hat Musik angemacht, um die Geräusche zu überdecken.

»Komm her!«

Noch drei Schritte.

»Nimm die Arme neben den Körper!«

Mir kommt es vor, als wollte mein Herz zerspringen. Ich presse meine Hände auf meine Oberschenkel, um mein Zittern in den Griff zu bekommen.

Er nähert sich mir wie ein Boxer, tänzelt von einem Fuß auf den anderen.

»Musstest du dich wieder aufspielen heute Morgen!«

»Es tut mir leid, mein Herzblatt. Wirklich, entschuldige bitte ⦫

Aber noch ist es zu früh für Entschuldigungen.

»Ach! ⦠Jetzt hast du Angst! Jetzt tut es dir leid!«

Er schleicht um mich herum, ohne den Blick von mir zu wenden. Seine grünen Augen durchbohren mich förmlich. Es ist unglaublich, welche Härte sie verströmen können. Unglaublich, wie groß der Kontrast zu den Augenblicken ist, in denen er nett ist.

Dann plötzlich schießt sein Arm nach vorn. Einen Zentimeter vor meinem Gesicht stoppt er die Bewegung, aber ich konnte ein ausweichendes Zucken nicht unterdrücken. Er liebt es, einen Schlag anzutäuschen.

»Was habe ich dir gesagt? Du sollst keine Angst zeigen! Du sollst keine Angst zeigen, weil es mich noch mehr aufregt, wenn du solche reflexartigen Bewegungen vollführst!«

Nochmals holt er zu einigen fingierten Schlägen aus, aber nur wenig später beginnen die tätlichen Angriffe. Eine Ohrfeige, noch eine, dann die Faustschläge. Als ich falle, geht er zu Fußtritten über. Vollkommen erledigt stoße ich schließlich hervor: »Ich flehe dich an, hör auf!«

Er erträgt es nicht, wenn ich das sage, wenn ich spreche. Das sollte ich eigentlich wissen, aber daran habe ich gerade nicht gedacht. Jetzt kann ich einfach nur noch versuchen zu beteuern, dass ich nicht wieder anfangen werde, dass es mir leidtut. Die Schläge hageln weiter auf mich ein. Ich versuche, mich so gut wie möglich zu schützen, indem ich mich zusammenkauere.

Schließlich hört er auf.

Regungslos liege ich am Boden. Er packt mich an den Haaren, die ich sehr lang trage, weil er nicht duldet, dass ich sie abschneide, und schleift mich zum Sofa. Das tut höllisch weh, da ich ohnehin schon viele Hämatome am Schädel habe.

Jetzt steht die Moralpredigt an. Er hält mir Vorträge über das Leben. Er erklärt mir, dass ich nichts so mache, wie es sich gehöre. Ich hielte nicht genug Ordnung, nicht einmal die einfachsten Verrichtungen brächte ich zuwege. Ich müsse mich bessern, ich hörte ihm nicht richtig zu, ich würde immer wieder die gleichen Fehler machen. Er erklärt mir, wie sein perfektes Leben aussieht â¦

Dann geht er die Treppe zum Schlafzimmer nach oben. Nach ein paar Stufen wendet er sich um: »So, jetzt schaffst du hier unten wieder Ordnung. Ich gehe duschen. Wenn ich wiederkomme, hast du dir eine Entschuldigung überlegt!«

»He, Dickerchen«, so nennt er mich immer, wenn er mich ruft, »bring mir das Shampoo!«

Wenn Yassine unter der Dusche steht, kann er nicht selbst den Arm ausstrecken, um nach der Flasche zu greifen. Er ruft mich. Er will auch, dass ich sein Handtuch über die Heizung lege, damit es schön warm ist, wenn er die Dusche verlässt. Und ich muss seine Kleidung auf dem Bett bereitlegen, genau in der Reihenfolge, in der er sich anziehen wird. Alles muss schön aufeinandergestapelt daliegen, wie bei einem Kind. Mache ich dabei einen Fehler, regt er sich auch darüber auf.

Drei-, vier-, fünfmal werde ich die Treppe hinauflaufen, um ihm zu bringen, was er verlangt. Und ich beseitige im Wohnzimmer alle Hinterlassenschaften der »Lektion«. Es darf nicht die geringste Spur davon zu sehen sein, wenn er wieder ins Zimmer kommt. Ich unterdrücke den Schmerz, will ihn auf Distanz halten. Ich muss alles aufräumen,...

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Autor

Morgane Seliman, 1983 in Frankreich geboren, hat das Buch unter ihrem echten Namen veröffentlicht. Es soll all jenen Frauen eine Stimme geben, die wie sie unter körperlicher oder psychischer Gewalt leiden. In Frankreich gilt sie mittlerweile als wortgewandte Vertreterin misshandelter Frauen. Sie ist häufig in den Medien und gibt Vorträge in Universitäten und Hochschulen zum Thema. Zusammen mit ihrem Sohn lebt sie in der Normandie. Kontakt zu ihrem Ehemann hat sie ...
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