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Wir alle sind Widerlinge

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am09.05.2022
Die literarische Sensation aus Spanien - über 250.000 verkaufte Exemplare
Premio Cálamo 2019
Preis der unabhängigen Verlage 2019
Navarre-Verlagspreis 2019
Das beste Buch des Jahres 2018 (El Periódico)
Das beste Buch des Jahres 2018 (El País)
26 Wochen auf der Bestsellerliste der 'La Vanguardia'
23 Wochen auf der Bestsellerliste der 'El Periódico'
17 Wochen auf der Bestsellerliste der 'ABC'
14 Wochen auf der Bestsellerliste der 'El Mundo'

Aus Notwehr verletzt Manuel einen Polizisten und taucht in einem verlassenen Dorf in der Nähe von Madrid unter. Dort lebt er zurückgezogen und gibt sich mit dem Wenigsten zufrieden. Handwerklich begabt und voller Ideen richtet er sich in seinem Zufluchtsort ein. Genügsamkeit und Zeit sind sein Kapital, Einsamkeit und Kargheit werden seine Gefährten. Manuel findet das Glück. Bis Menschen aus der Stadt das Haus nebenan beziehen. Die Ruhe ist dahin. Es wird gelärmt und gefeiert, und Manuel beschließt, seine Freiheit zu verteidigen. Sprachlich elegant, ausdrucksstark und genau - ein kurzweiliger Roman, der nachdenklich stimmt und lange nachhallt.
»Santiago Lorenzo ist ein Solitär. Kurt Vonnegut hätte großen Gefallen an ihm gefunden.« (El País, Carlos Zanón)


Santiago Lorenzo, 1964 in Portugalete, Vizcaya, geboren, lebt in einem Dorf nahe Segovia, nördlich von Madrid. Er hat eine Reihe von Filmen produziert (1995 erhielt er einen Goya für den besten Kurzfilm) und sich dann auf das Schreiben von Romanen konzentriert. »Wir alle sind Widerlinge« erschien in Spanien 2018 und wurde dort ein großer Bestseller.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextDie literarische Sensation aus Spanien - über 250.000 verkaufte Exemplare
Premio Cálamo 2019
Preis der unabhängigen Verlage 2019
Navarre-Verlagspreis 2019
Das beste Buch des Jahres 2018 (El Periódico)
Das beste Buch des Jahres 2018 (El País)
26 Wochen auf der Bestsellerliste der 'La Vanguardia'
23 Wochen auf der Bestsellerliste der 'El Periódico'
17 Wochen auf der Bestsellerliste der 'ABC'
14 Wochen auf der Bestsellerliste der 'El Mundo'

Aus Notwehr verletzt Manuel einen Polizisten und taucht in einem verlassenen Dorf in der Nähe von Madrid unter. Dort lebt er zurückgezogen und gibt sich mit dem Wenigsten zufrieden. Handwerklich begabt und voller Ideen richtet er sich in seinem Zufluchtsort ein. Genügsamkeit und Zeit sind sein Kapital, Einsamkeit und Kargheit werden seine Gefährten. Manuel findet das Glück. Bis Menschen aus der Stadt das Haus nebenan beziehen. Die Ruhe ist dahin. Es wird gelärmt und gefeiert, und Manuel beschließt, seine Freiheit zu verteidigen. Sprachlich elegant, ausdrucksstark und genau - ein kurzweiliger Roman, der nachdenklich stimmt und lange nachhallt.
»Santiago Lorenzo ist ein Solitär. Kurt Vonnegut hätte großen Gefallen an ihm gefunden.« (El País, Carlos Zanón)


Santiago Lorenzo, 1964 in Portugalete, Vizcaya, geboren, lebt in einem Dorf nahe Segovia, nördlich von Madrid. Er hat eine Reihe von Filmen produziert (1995 erhielt er einen Goya für den besten Kurzfilm) und sich dann auf das Schreiben von Romanen konzentriert. »Wir alle sind Widerlinge« erschien in Spanien 2018 und wurde dort ein großer Bestseller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641272555
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum09.05.2022
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1853 Kbytes
Artikel-Nr.8381257
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



KAPITEL 3

Es geschah an einem Freitag, seinem zweiten als mündiger Bürger. Manuel machte sich bereit, um seinen Wohnkarton zu verlassen. Er war schon eine Weile auf der Suche nach einem Geschäft, in dem er sich eine traditionelle Churros-Presse mit sternförmiger Spritzdüse, Kolben und Griffen an beiden Seiten kaufen konnte. Endlich hatte er auf dem Paseo de Delicias eine Eisenwarenhandlung gefunden, die das gesuchte Utensil anbot. Dort wollte er hin.

Es sah nach Niederschlag aus, und sommerliche Wolkenbrüche in Madrid waren selten sanft. Er griff nach seinem Drei-Euro-Regenschirm, um nicht weitere drei ausgeben zu müssen, wenn es schließlich platzregnete. Dann verließ er sein Kabuff. Er lief, wie er es gewöhnlich tat, die Treppe hinunter und kam in die Eingangshalle.

Draußen war es lauter als üblich, angespannter. Er öffnete die Holztür einen Spaltbreit, um herauszufinden, was sich dort zusammenbraute, und sah hastende Massen, die wie um die Wette in Richtung Sol rannten. Die Überreste einer Demonstration, die sich in einer Phase der Auflösung durch die Polizeikräfte auseinanderdehnte und zusammenzog. Der Protest verlängerte sich durch Störungen der öffentlichen Ordnung - wie immer eigentlich, seitdem man sich auf Behördenseite vorgenommen hatte, Ordnung in diese Art von Zusammenkünften zu bringen.

Plötzlich kam ihm die Tür entgegen und traf ihn an der Augenbraue. Ein massiger Typ um die dreißig hatte von draußen dagegen geschlagen. Und sie dann kräftig mit der Schulter aufgedrückt. Er stürzte in die Eingangshalle und riss dabei den Mieter mit sich. Der Mann war in Zivil, trug einen ausziehbaren Schlagstock in der rechten Hand und um seinen Hals eine Kette mit einer Marke der Bereitschaftspolizei. Falls er seinen Dienst in geheimer Mission angetreten hatte, war ihm seine Tarnung mittlerweile egal.

In der Eingangshalle wurden keine Forderungen gestellt, das war nie der Fall. Dort musste nichts zerstreut werden. Trotzdem schloss der Polizist hinter sich die Tür. Er ging ganz selbstverständlich davon aus, dass Manuel - der nie herausfand, wogegen sich der Protest dort draußen eigentlich richtete - ein Demonstrant war, der sich verstecken wollte. »Klappe halten, du Knilch«, zischte er mit unverhohlener Wut, eine herablassende und einschüchternde Anspielung auf Manuels zwergenhafte Statur.

Die Abgeschiedenheit der Eingangshalle förderte die Appetenz des Polizisten zutage. Er schleuderte Manuel gegen die Wand mit den Briefkästen, holte mit dem Schlagstock aus und peilte mit dem bewaffneten Arm die Schulter des Drangsalierten an. Er würde ihn schlagen - einfach, weil er es konnte. Oder weil er ihn an irgendjemanden erinnerte, aus moralischer Überzeugung oder beruflichem Eifer. Warum auch immer. Der Kerl hatte die Visage eines dieser Gemeingefährlichen, die nicht in der Lage sind, ein Formular am Schalter korrekt auszufüllen.

Manuel, der in jähen Situationen nicht selten von komplexem Vokabular heimgesucht wurde, stellte sich geschraubte Fragen. »Um wessen Willen dringt er hier ein?« Oder: »Mit welchem Recht bedrängt er mich?« Ein Camouflierter war im Begriff, ihn zweizuteilen, weil er ihn in flagranti dabei ertappt hatte, die Eingangshalle seines Wohnhauses verlassen zu wollen, um eine Churros-Presse zu erstehen.

Er ahnte, wie diese Episode enden würde, wenn er nicht unverzüglich handelte. Nicht mit einem Knüppelschlag, sondern der teerschwarzen Gewissheit, dass der Rechtsstaat den Eifer der Entrechtung über ihn legte. Er bezweifelte, dass er, wenn er den Schlag zuließ und später, als wäre nichts geschehen, in die Eisenwarenhandlung auf dem Paseo de Delicias ging, die Last tragen könnte, diesem bodenlosen Fass an Ungereimtheiten nichts entgegengesetzt zu haben. Wie es aussah, wollte ein Staatsdiener ihm einen Raum streitig machen, für dessen Verteidigung er monatlich vergütet wurde.

Aufgrund der Unterschiede in der Körpermasse hätte der Polizist ihn zermalmen können. Aber sich mit dem Kürzeren anzulegen, war ein fataler Irrtum des Staatssoldaten. Manuel würde sich gegen den willkürlichen Angriff eines Gegners verteidigen, der sich seiner Vorteile zu sicher geglaubt hatte.

In der Tasche umklammerte er seinen Schraubenziehertalisman. Seit dem Tag der reparierten Lampe trug er ihn immer bei sich. Spannkräftig zog er ihn hervor und stieß die Spitze des Werkzeugs in den nackten Hals des dräuenden Angreifers. Getroffen. Der Polizist ließ den Knüppel fallen und fasste sich an den Nacken.

Ruckartig richtete Manuel sich auf und durchquerte die Eingangshalle, ohne die Tragweite des Einstichs ermessen zu können. Er wusste nicht, ob die von ihm zugefügte Wunde schwer oder leicht war, oberflächlich oder zwingend letal. An dem Schraubenzieher klebte Blut, das ja. Er hatte ins Rote getroffen, konnte jedoch ansonsten nichts über die Auswirkungen der stählernen Spitze auf die Gesundheit des anderen sagen.

Im Juli 2015 war ein veränderter Rechtsrahmen in Kraft getreten, der die Beziehung zwischen Bürgern und Sicherheitskräften neu regelte. Auf dem Papier klang es wie Musik, aber das neue Gesetz verhieß drakonische Strafen und verlängerte Gefängnisaufenthalte schon um eines einzelnen Wortes willen, bei nichtssagenden Fotografien, abweichenden Meinungen oder dem Hauch eines Körperkontakts.

In der Praxis machte die Novelle aus Polizisten bewaffnete Richter, deren bloße Zeugenaussage den Status eines Beweismittels genoss. Das erhob sie beinahe in den Rang der Unangreifbaren, als wollte die verkündende Regierung den Ordnungshütern auf diese Art schmeicheln und sie so zu ihrer Prätorianergarde machen. Tatsächlich gab es 2015 mehr Gründe, die Polizei zu meiden, als die Quinquis der Siebzigerjahre, die ich aufgrund meines Alters noch persönlich kennenlernen durfte. Die Klimpergeld klauenden Messerhelden von damals erleichterten einem schließlich nur das Portemonnaie, erschwerten einem jedoch nicht das Leben durch Haftbefehle oder übermäßig aufgeblähte Geldstrafen.

Das Ereignis in der Eingangshalle würde als Angriff auf einen Vertreter der Staatsgewalt gewertet werden. Wenn schon ein Wort, eine Geste oder eine Berührung des Arms ausreichte, um das Konto gepfändet zu bekommen und ohne großes Federlesen ins Gefängnis gesteckt zu werden, was geschah dann erst bei einer Bluttat, so gut die Gründe für selbige auch gewesen sein mochten? Abhängig von der Schwere der verursachten Läsion und kraft der neuen Verordnung könnten zwischen fünfzehn und zwanzig Jahre fällig werden. Als Geldbuße würde man Manuel die gesammelten Minuzien der letzten zwei Jahre wegnehmen, den Gebrauchtwagen und jeden einzelnen Duro, den er bis ans Ende seines Lebens verdienen würde. Nur weil er sich verteidigt hatte.

Sicher, Notwehr konnte er geltend machen, eine Rechtsfigur, die immer wieder in Filmen vorkommt. In der Welt des Zelluloids hatte man sich jedoch einen ganz eigenen juristischen Kosmos aufgebaut. Es gab keinerlei Gewissheit, dass dieser auch im Hier und Jetzt Gültigkeit besaß.

Der Bereitschaftspolizist blieb an den Postkästen zurück, jammerte, als erwarte er vergeblich einen langersehnten Brief.

Manuel erreichte in wenigen Sätzen den Ausgang. Bevor er den Türgriff fassen konnte, bemerkte er etwas, das ihm bisher noch nie aufgefallen war. Er nahm es aus einem Winkel seines Auges wahr, einer Kalotte des Augapfels, die das Gerät streifte, als er sich gerade entfernen wollte. Es war eine Überwachungskamera, die ihn von einer Ecke der Eingangshalle aus verhöhnte. Dort oben saß sie, an der Wand montiert, im Fünfundvierzig-Grad-Winkel geneigt, um den gesamten Raum erfassen zu können und nicht die winzigste Kleinigkeit zu übersehen.

Das Objektiv war auf ihn gerichtet wie auf ein Insekt in einem Dokumentarfilm. Aber kurz bevor er über die Türschwelle trat, brachte ihn sein Selbsterhaltungstrieb dazu, sich vor den anderen Kameras zu schützen - denen auf der Straße, die sich die Polizei in einer halben Stunde vornehmen würde. Einer Eingebung folgend, öffnete er den Regenschirm, bevor er aus der Eingangshalle trat. Schon war er draußen. Den Kopf verdeckte er mit dem geöffneten Parapluie, den er so weit nach unten zog, bis sein Schädel das Gestänge berührte.

Auf der Straße herrschte noch immer hastiges Treiben, das Antiregenrequisit bot ihm doppelt Schutz: Zum einen, weil es sein Gesicht verbarg, zum anderen, weil es ihm den Anstrich eines gewöhnlichen Passanten verlieh, der zufällig in das Getümmel geraten war (niemand läuft mit geöffnetem Regenschirm vor Schlagstöcken davon), und ihn damit immun gegen die Aufmerksamkeit der Polizei machte.

Mit gezügeltem Tempo ging er gen Norden, wie ein Passant unter Passanten. Er tauchte in die Menschenmenge ein, die Körper würden sicher etwas vor den Kameraobjektiven verbergen. Wie sie so kühn in die eine Richtung oder vorsichtig in die andere liefen, je nach Standort der Uniformierten, wurden die Demonstrierenden zu einer beweglichen Wand für ihn. Auch seine grüne Jacke versuchte er, mit dem Nylon des Regenschirms zu bedecken, was ihm jedoch nur mäßig gelang. Die Beine bereiteten ihm keine Sorgen, trug er doch, wie alle anderen auch, blaue Jeans. Den Blick auf den Boden gerichtet, verbarg er sein Gesicht hinter der freien Hand - ganz so, als schmerzten ihn die Backenzähne oder missfielen ihm die Unruhen.

Er lief im Schutz der Menschenmassen bis zur Gran Vía weiter. Dort nahm er an einer auffallend chaotisch anmutenden Stelle, an der es besonders schwer schien, den Weg eines Fahrzeugs im Auge zu behalten, ein Taxi und fuhr zu mir. Anstatt dem Fahrer die...

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Autor

Santiago Lorenzo, 1964 in Portugalete, Vizcaya, geboren, lebt in einem Dorf nahe Segovia, nördlich von Madrid. Er hat eine Reihe von Filmen produziert (1995 erhielt er einen Goya für den besten Kurzfilm) und sich dann auf das Schreiben von Romanen konzentriert. »Wir alle sind Widerlinge« erschien in Spanien 2018 und wurde dort ein großer Bestseller.