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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am07.04.20221. Auflage
Wie wird aus Verliebtheit Liebe? Und wann erlischt das Feuer? Ein Künstlerroman und ein Liebesroman oder besser: ein Klagelied über die Unmöglichkeit, den Zauber der Verliebtheit mit dem Alltag in Einklang zu bringen. »Lamento« beginnt mit einem Brand, das Feuer durchzieht den ganzen Roman. Die Erzählerin, eine Schriftstellerin, lernt als ganz junge Frau bei der Premiere eines ihrer Stücke einen ebenfalls sehr jungen Dramatiker und Theatermacher kennen. Sie verlieben sich schlagartig und verbringen fortan jede Minute miteinander, völlig unberührt von der Außenwelt. Doch als sie schließlich heiraten, ein Kind bekommen und der Alltag die Leidenschaft erstickt, schlägt die Liebe ins Destruktive um. Die Frau kämpft um jede Minute, die sie schreiben kann, während der Mann sich immer mehr seiner Kunst zuwendet und dem Familienalltag den Rücken zukehrt. Letztlich zerbricht alles, und die Frage bleibt: Wie wird aus Liebe Hass? Madame Nielsen schafft in diesem kurzen Roman das Kunststück, ganz konkret und mitreißend lebendig über eine leidenschaftliche und am Ende schmerzhafte Liebe zu schreiben und somit über die Liebe an sich.

Madame Nielsen, Autorin, Sängerin, Künstlerin, weltweite Performerin. Ihre Romane wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, und sie war mehrfach für den Nordic-Council-Preis nominiert. Ihr Roman »Der endlose Sommer« erschien 2017 auf Deutsch und wurde ein großer Erfolg. Die Autorin spricht fließend Deutsch.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextWie wird aus Verliebtheit Liebe? Und wann erlischt das Feuer? Ein Künstlerroman und ein Liebesroman oder besser: ein Klagelied über die Unmöglichkeit, den Zauber der Verliebtheit mit dem Alltag in Einklang zu bringen. »Lamento« beginnt mit einem Brand, das Feuer durchzieht den ganzen Roman. Die Erzählerin, eine Schriftstellerin, lernt als ganz junge Frau bei der Premiere eines ihrer Stücke einen ebenfalls sehr jungen Dramatiker und Theatermacher kennen. Sie verlieben sich schlagartig und verbringen fortan jede Minute miteinander, völlig unberührt von der Außenwelt. Doch als sie schließlich heiraten, ein Kind bekommen und der Alltag die Leidenschaft erstickt, schlägt die Liebe ins Destruktive um. Die Frau kämpft um jede Minute, die sie schreiben kann, während der Mann sich immer mehr seiner Kunst zuwendet und dem Familienalltag den Rücken zukehrt. Letztlich zerbricht alles, und die Frage bleibt: Wie wird aus Liebe Hass? Madame Nielsen schafft in diesem kurzen Roman das Kunststück, ganz konkret und mitreißend lebendig über eine leidenschaftliche und am Ende schmerzhafte Liebe zu schreiben und somit über die Liebe an sich.

Madame Nielsen, Autorin, Sängerin, Künstlerin, weltweite Performerin. Ihre Romane wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, und sie war mehrfach für den Nordic-Council-Preis nominiert. Ihr Roman »Der endlose Sommer« erschien 2017 auf Deutsch und wurde ein großer Erfolg. Die Autorin spricht fließend Deutsch.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462302943
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum07.04.2022
Auflage1. Auflage
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2991 Kbytes
Artikel-Nr.8382180
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


 

 

 

 

Wir saßen auf den großen Felsblöcken im Schatten am Fuß der Mauern um das römische Theater in Orange, vielleicht waren wir auch drin gewesen, in dem Fall hab ich es vergessen, es ist über zwanzig Jahre her, die Glocken der großen grauen Feldsteinkathedrale hatten eben eins oder zwei geschlagen, die Stadt lag im Hitzeschlaf, auf den Straßen war fast niemand zu sehen, die Fensterläden der Häuser in den schmalen Gassen waren zugeklappt, die schweren Metalljalousien an den Geschäften runtergelassen, im Schatten vor dem Café lag ein schlafender Hund. Bei Sonnenaufgang um fünf oder halb sechs hatten wir das Haus in dem kleinen Dorf verlassen, das an der Bergflanke hing wie ein Schwalbennest, fensterlos und scheinbar ärmlich, wenigstens von der Schattenseite zu dem schmalen, abweisenden Weg hin betrachtet, der im steilen Bogen aus dem Tal aufstieg und sich durch einen bewaldeten Gürtel höher in die beinahe kahlen Berge zog; doch zur anderen Seite, nach Südosten zur Ebene hin, die sich flach und fruchtbar - hier und da ragt eine Felsenklippe mit einem Dorf und zuoberst eine Kirchturmspitze auf wie aus einem versteinerten grünen Meer - vierzig Kilometer bis ganz an den Fuß des Mont Ventoux erstreckt, öffneten sich die von Norden gesehen so bescheidenen grauen Steinhäuser wie vierstöckige Paläste mit Terrassen und hängenden Gärten, Kaskaden gelber Forsythien, die wie Schaum die Bergflanke hinabfielen.

Das Haus, in dem wir wohnten, zählte zu den größten im Dorf, grau, düster, vier Etagen Feldstein und eigentlich viel zu groß für uns, wir benutzten nur das Schlafzimmer, das mir auch als Arbeitszimmer diente und ganz oben eine zusätzliche fünfte Etage bildete, mit Glasflügeltüren und Aussicht aufs Tal, und den Speisesaal ganz unten, der beinahe eine Grotte war, selbst mitten am Tag kalt und düster, dort hockte er tief im Halbdunkel am Ende des großen, dunkel lackierten Tischs auf einem weißen Plastikstuhl und starrte über seine Papiere hinweg und weiter über die Terrasse und den Abgrund. Es war als Hochzeitsreise gedacht, das Haus gehörte einem älteren reichen Arzt aus Basel, wo keiner von uns je gewesen war und nie hinkommen würde, doch in den drei Wochen, die wir in dem Haus zubrachten, glitten wir mit der Geschwindigkeit des Lichts, des Gedankens oder vielmehr der Unachtsamkeit auseinander. Ein Mal nur begegneten wir uns, tief in der Nacht, der letzten, als das ganze Tal, die Ebene und »der geschälte Berg«, Petrarcas Mont Ventoux, von magnesiumweiß blendenden Blitzen erhellt wurde und der Donner über die Ebene rollte und der Regen mit jener zerstörerischen Gewalt runterprasselte, Himmelsschleusen, die sich öffnen und Felsblöcke losreißen und Bäume entwurzeln, Niederschläge, die nur der Süden kennt und sich nur jedes siebte Jahr ereignen, wenn die Erde am trockensten ist und Tiere - Vögel, Ziegen, Rinder, Katzen, Hunde, sogar Pferde - wie Kadaver über die Landschaft verstreut liegen, mit Rippen und Knochen, die durch die steife Haut vorstehn wie Dornen - da zeugten wir dich.

 

»Es gibt keine Liebe

Es gibt keine Liebe«

 

Gegen Nachmittag rissen wir uns los von unserem Dösen auf den Felsblöcken, oder vielleicht war es bloß eine Bank im Schatten unter der Theatermauer, und gingen durch die langsam erwachende Stadt zum Bahnhof und nahmen den Zug nach Paris, Gare de Lyon, und von dort den RER-Zug nach Houilles, wo eine Jugendfreundin von ihm lebte. Die Freundin, Sabine, arbeitete bei TF1 in der Technik und lebte alleine in einer kleinen Wohnung in einem Neubau; uns zuliebe, als eine Art Hochzeitsgeschenk, hatte sie sich im Wohnzimmer eine Matratze hergerichtet und uns das Schlafzimmer überlassen. Wir setzten unsere Rucksäcke ab und duschten, als er aus dem Bad kam, warf er sein Handtuch - es war weiß, erinnere ich mich - über eine Stehlampe, die neben dem Bett in der Ecke stand, die Lampe war eingeschaltet, es war fast Mitternacht, wir waren den ganzen Tag unterwegs gewesen und hatten Hunger, wir gingen ins Wohnzimmer, wo es auch eine kleine Kochnische gab, in der er Töpfe auf die Platte stellte und zu rühren begann, und währenddessen redeten sie und er miteinander Französisch, ich verstand nur einzelne Wörter, sie redeten von den Freunden von damals, von Frank und Jean-Marie, die ich nächsten Abend kennenlernen sollte, aber dann nie kennenlernte. Plötzlich roch es verbrannt, aber es war nicht das Essen. Als ich die Tür zum Schlafzimmer öffnete, stand es in Flammen, die anderen kamen dazu und standen schweigend, starrend hinter mir, berauscht auf jene Art, mit der Feuer und Zerstörung berauschen. Komm, sagte er und nahm zum letzten Mal meine Hand, öffnete die Wohnungstür und zog mich rücklings ins Treppenhaus. Wir krochen zusammen ein paar Stufen tiefer und lagen dort und sahen durch die offenen Türen ins Feuer, das brüllte wie ein großes Tier und unsere Gesichter versengte und die Augäpfel austrocknete, und sie, Sabine, eine noch junge Frau, sie war erst Anfang dreißig, die jammernd (es klang nach Wiegenlied, nach Gebet) wie in Trance mit vorgereckten Händen in den Flammen verschwand und versuchte, Erbstücke zu retten, einen großen schweren Sekretär und die Kommode ihrer Groß- oder Urgroßeltern aus der Normandie, bald war sie nur ein schmächtiger, in den Flammen umherirrender Schatten, eine schwache Stimme, jetzt nur ein Wimmern, dann war sie weg.

 

- Ich liebe dich, flüsterte er

aber da war es zu spät.

 

Du ähnelst ihm. Ich verstehe euch nicht. Ihr seid Nachttiere, und so schnell, ohne Übergang bist du schon weit voraus, schwerelos, nervös, wie ein Reh oder eine kleine Flamme, die durch die Welt huscht, ein Silberfischchen, ich kann dir nicht folgen, wenn ich blinzle, bist du schon woanders, oh, ich verstehe nicht, dass man jemand so heftig lieben kann, es ist, als hätte ich dich noch nicht geboren, noch sind wir ein Fleisch, aber sieben Sinne, und ich nur einer davon, du bist eine Welt, zu der ich keinen Zugang habe, die Nacht, ich sehe sie nie, aber sie ist, wo du lebst, was treibst du? Ich wache auf mit dem Licht, ich habe so eine Lust auf den Tag, die Dämmerung, den langsamen Übergang, den Anfang aller Dinge, aber ihr ertragt ihn nicht, es ist, als ob ihr bei Licht zerspringt. Ich will dir gern helfen, dich befreien, dir verzeihen, was? Du bist doch die Unschuld, wir, er und ich, sind die, die die ganze Schuld tragen sollten. Ich habe immer gedacht, dass es die Nacht am Tag nicht gibt, sie ist gar nicht möglich, nur in uns, wir können uns die Nacht vorstellen, am helllichten Tag; an dem Morgen, als ich dich geboren hatte und er dich zu mir hochhob und ich dich das erste Mal in meinen Händen hielt wie etwas völlig Fremdes, das immer noch ich war, und in deine Augen sah, die noch nichts gesehen hatten, da sah ich sie, die Nacht, all das Dunkel der Welt: Wenn das Licht anbricht, ziehen sich die Nacht, die Trauer, die ganze Geschichte und alles Entsetzliche, das wir getan haben, in dir zusammen.

 

Plötzlich ist um uns die Feuerwehr, und ihre Mutter und ihr Vater, der Hitzedruck hat die Scheiben rausgesprengt, es knirscht unter unseren Füßen, wie wir da in der Frühsommernacht unten auf der Straße stehen und hochschauen, während das gelbe rotierende Licht des Rettungswagens über die Gesichter fegt. Und weg, der Rettungswagen ist fort, aber wir stehen hier noch neben den Eltern, wildfremde Menschen, sie haben keine Ahnung, wer wir sind, wo wir herkommen, sie haben uns nie vorher gesehen, mich jedenfalls, wir wissen nicht, was wir sagen sollen oder wohin mit unseren geröteten Pergamentgesichtern und halb geschmolzenen Rucksäcken. Die Feuerwehr ist immer noch zugange, obwohl das Feuer anscheinend gelöscht ist, oben auf Höhe des dritten Stocks gähnen in der roten Mauer zwei rußschwarze Grotten, aus denen es immer noch lotrecht qualmt wie aus Rauchermündern; nicht bloß das Schlafzimmer, auch das Wohnzimmer, alles, ihr ganzes Leben hat es rausgeblasen, die Frühsommernacht riecht säuerlich nach nasser Brandstelle. Was sagen wir bloß? Sie sollten uns verfluchen, ins Gesicht schreien, niederstrecken wie Tiere, aber sie sagen nichts, stehen einfach nur neben uns, ein nettes älteres Pariser Bürgerpaar aus Maisons-Laffitte, sie im geblümten Nachthemd mit langem, dunkelblauem Mantel drüber und Korksandalen an den nackten Füßen, er komplett angezogen, als ginge er gleich ins Büro, Hemd, Jackett, Hose und glänzend polierte Schuhe. Und dann tun sie das Schlimmstvorstellbare, das ich ihnen nie verzeihen kann. Sie sagen, er sagt, wir sollen mit zu ihnen nach Hause. Kommen Sie, sagt er und macht die Autotür auf, und wir setzen uns auf die Rückbank, zwei große Kinder mit unseren Rucksäcken, die nach geschmolzenem Plastik riechen, auf dem Schoß. Und sie steigen vorne ein, als wären sie unsere Eltern, Vater am Steuer, Mutter neben ihm, und fahren uns nach Hause.

 

Warum sind sie nicht im Krankenwagen mitgefahren, zumindest einer von ihnen? Warum fuhr er uns nach Hause und parkte unter den Fliederbüschen vor einer großen alten Villa, wo in der Küche, im Flur und einem Zimmer im ersten Stock noch Licht brannte, und ließ uns rein und zeigte uns, still, freundlich, einen Platz für unsere Rucksäcke und das Zimmer mit dem Bett, in dem wir schlafen konnten (schlafen, wie sollten wir je wieder Schlaf finden), das Bad, den Kühlschrank, »falls Sie der Hunger packt« (als wüsste er, dass wir nie dazu...
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Autor

Madame Nielsen, Autorin, Sängerin, Künstlerin, weltweite Performerin. Ihre Romane wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, und sie war mehrfach für den Nordic-Council-Preis nominiert. Ihr Roman »Der endlose Sommer« erschien 2017 auf Deutsch und wurde ein großer Erfolg. Die Autorin spricht fließend Deutsch.Hannes Langendörfer, geboren 1975 in Heidelberg, studierte in Freiburg und Uppsala Skandinavistik und Germanistik. Er lebt als Übersetzer aus dem Dänischen, Schwedischen und Englischen in Berlin.