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Todesdorf

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
281 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am09.02.2022
Ein Schuss in der Dunkelheit. Diana findet ihren Mann verblutend in der Scheune. Die Polizei geht von Selbstmord aus, doch Diana glaubt nicht daran. Auf eigene Faust macht sie sich auf die Suche nach seinem Mörder, ganz auf sich allein gestellt, mit immer weniger Freunden - und immer mehr Feinden. Gequält von Selbstzweifeln und dunklen Geheimnissen. Ein idyllisches Dorf. Heimat, die zum feindlichen Ort wird. Eine Familie, der man nicht trauen kann. Und die wahre Bedrohung ist viel näher, als du fürchtest.

Eva Reichl wurde in Kirchdorf an der Krems in Oberösterreich geboren und zog bereits als Kleinkind mit ihrer Familie ins Mühlviertel, wo sie bis heute lebt. Neben ihrer Arbeit als Controllerin schreibt sie überwiegend Kriminalromane und Kindergeschichten. Mit ihrer Mühlviertler-Krimiserie rund um Chefinspektor Oskar Stern verwandelt sie ihre Heimat, das wunderschöne Mühlviertel, in einen Tatort getreu dem Motto: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Böse liegt so nah. »Todesdorf« ist ihr erster Thriller.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,50
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextEin Schuss in der Dunkelheit. Diana findet ihren Mann verblutend in der Scheune. Die Polizei geht von Selbstmord aus, doch Diana glaubt nicht daran. Auf eigene Faust macht sie sich auf die Suche nach seinem Mörder, ganz auf sich allein gestellt, mit immer weniger Freunden - und immer mehr Feinden. Gequält von Selbstzweifeln und dunklen Geheimnissen. Ein idyllisches Dorf. Heimat, die zum feindlichen Ort wird. Eine Familie, der man nicht trauen kann. Und die wahre Bedrohung ist viel näher, als du fürchtest.

Eva Reichl wurde in Kirchdorf an der Krems in Oberösterreich geboren und zog bereits als Kleinkind mit ihrer Familie ins Mühlviertel, wo sie bis heute lebt. Neben ihrer Arbeit als Controllerin schreibt sie überwiegend Kriminalromane und Kindergeschichten. Mit ihrer Mühlviertler-Krimiserie rund um Chefinspektor Oskar Stern verwandelt sie ihre Heimat, das wunderschöne Mühlviertel, in einen Tatort getreu dem Motto: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Böse liegt so nah. »Todesdorf« ist ihr erster Thriller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839272206
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum09.02.2022
Seiten281 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8446272
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1. Kapitel

Ich starrte in das Dunkel des Schlundes. Dort liegst du nun, dachte ich und fühlte nichts. Meine Hände waren taub, meine Knie drohten einzuknicken, mein Herz war mit dir gestorben. Obwohl ich an deinem Grab stand, in das sie dich eben hinabgelassen hatten, existierte auch ich nicht mehr.

Der Lehm vermischte sich mit dem Himmelsnass. Es regnete schon seit Tagen - dem Anlass entsprechend, wie ich fand. Jemand hielt mir einen Schirm über den Kopf, dennoch erreichten meine Haut einzelne Regentropfen. Sie fühlten sich wie Geschosse der Wirklichkeit an. Ich wünschte, es wären tödliche Kugeln, die mich diesem unsäglichen Leid entrissen. Doch ich stand immer noch da.

Zwei Wochen war es nun her, seit du gestorben warst. Ich hatte dich nicht gleich beerdigen können, weil die Gerichtsmedizin deinen Leichnam nicht freigegeben hatte.

Die Musik begann zu spielen und ich schreckte hoch.

Mein Vater hielt es für ein Zittern und legte den Arm um mich, unbeholfen wie eh und je. Ich wollte diese Berührung nicht, fühlte mich dadurch wie ein Stück Treibholz, das durch den Rechen des Kraftwerkes gehindert wurde, seinen vorbestimmten Weg weiterzuschwimmen. Auf den Wellen zu schaukeln wie ein Boot aus Papier, das ein Kind gebastelt und losgeschickt hatte, um die Welt zu erkunden, das aber bereits nach wenigen Metern sank. Ich wagte nicht, mich vom Arm meines Vaters zu befreien und einen Schritt zur Seite zu treten, denn dort stand meine Mutter. In Schwarz gekleidet und leise schluchzend. Sie schien nicht gefühllos zu sein wie ich. Ihr Herz funktionierte noch. Sie weinte um dich, wie ich es in den letzten beiden Wochen getan hatte. Jetzt hatte ich keine Tränen mehr.

Unzählige Augenpaare waren auf uns gerichtet. Auf mich. Dich in dem hölzernen Sarg. Deine Mutter. Meine Familie. Ich versuchte, die Menschen zu zählen, die gekommen waren, weil sie sehen wollten, wie du in die Erde hinabgelassen wurdest, um dort zu verrotten. Es gelang mir nicht, es waren zu viele. Du musstest sehr beliebt gewesen sein, schoss es mir durch den Kopf.

Oder waren diese Menschen hier, um sich an meinem Leid zu ergötzen? Um nicht zu verpassen, wie sie zusammenbrach, die arme Diana, die nicht an den Selbstmord ihres Ehemannes glauben wollte?

Du hättest dich erschossen, hatten sie mir gesagt. Und behaupteten es immer noch. Ich konnte das tatsächlich nicht akzeptieren.

Wir waren glücklich gewesen. Vier Jahren lang. Da hätte ich doch bemerken müssen, wenn du kurz vor dem Abgrund gestanden wärst. Wenn du deinem Leben ein Ende hättest setzen wollen.

Aber da war nichts gewesen, kein Anzeichen.

Nichts.

Deine Lebensfreude war erst mit deinem letzten Atemzug aus dir gewichen. Nicht freiwillig, das war mir klar. Irgendjemand hatte sie dir brutal aus dem Leib gerissen, nur das ergab für mich überhaupt einen Sinn. Alles andere ließe mich wahnsinnig werden â¦

Die Musik endete, und der Pfarrer sprach ein paar tröstliche Worte. Von einem Wiedersehen und einem Leben im Himmel war die Rede. Dass du dort auf uns warten würdest, bis unser Tag käme. Dass Gott auf uns achtgebe und uns beistehe in dieser schweren Zeit. Dass wir nicht allein seien.

Ich war allein.

Seit dem Tag, an dem du mich verlassen hattest, war ich nur mehr ein Schatten meiner selbst, vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln, die mir der Arzt verschrieben hatte, nachdem ich dich gefunden hatte und neben dir zusammengebrochen war.

Ich hatte den Knall gehört. Laut war er gewesen, alarmierend, obwohl es hin und wieder vorkam, dass ein Schuss die Stille des Dorfes zerriss, weil ein Jäger im nahegelegenen Wald auf Wild feuerte.

Dieses Mal war es anders gewesen.

Die Dunkelheit der Nacht hatte den Schuss lauter wirken lassen, er hatte die ländliche Idylle regelrecht zerfetzt.

Ich war nach draußen gelaufen, hatte mich umgesehen und versucht, die Ursache für mein Herzrasen zu erspähen. Ich war zur Scheune geeilt, obwohl ich nicht gewusst hatte, weshalb, wahrscheinlich war ich meinem Instinkt gefolgt. Dort hattest du auf dem Rücken gelegen, die Augen auf die Holzbretter über dir gerichtet. Bestimmt hättest du gerne die Sterne betrachtet, wärst mit ihnen in die Weite des Weltalls geflogen, doch die hölzerne Decke der Scheune hatte deinen Blick nicht bis zum Firmament schweifen lassen. Aus deinem Hals und deinem Kinn war Blut geflossen, war gesprudelt wie Wasser aus einer frisch geschlagenen Quelle. Als ich meine Hand daraufgedrückt hatte, war es zwischen meinen Fingern pulsierend hindurchgequollen. Einmal, zweimal, immer wieder im Takt deines Lebensrhythmus. Ich hatte nicht mitgezählt, hatte verzweifelt versucht, deinen letzten Blick einzufangen.

Dein Herz hatte aufgehört zu schlagen und ich angefangen zu schreien. Erst waren es Hilferufe gewesen, dann hysterische Laute. Ich hatte gewusst, dass ich einen Arzt holen musste, da ich nicht in der Lage gewesen war, dir zu helfen. Also war ich aufgesprungen und ins Haus gelaufen. Dort hatte ich nach meinem Handy gesucht. Hatte um Hilfe gerufen. Hatte mein Handy auf der Kommode entdeckt und es mitgenommen. War damit hinausgerannt in die Scheune und hatte es mir im Laufen ans Ohr gehalten, während die Verbindung zum Notruf hergestellt worden war. Beinahe wäre ich gestolpert. Hatte deinen Tod in den Lautsprecher geschrien, die Scheune erreicht und meinen Vater gesehen, wie er dich angestarrt hatte.

Neben dir war ich auf die Knie gesunken, das Smartphone war auf den Betonboden der Scheune geknallt. Dein Blut hatte, während ich weg gewesen war, unter deinem Körper eine Lache gebildet. Dieser Anblick hatte mir das Entsetzen in jede Faser meines Körpers getrieben. In meinem Gehirn hatten Befürchtungen und Hoffnung einen Kampf ausgefochten, der längst verloren gewesen war.

Ich hatte geschrien. Mein Gott, noch nie in meinem Leben hatte ich so geschrien und mich dabei gefühlt, als hätte mich der Schuss mitten ins Herz getroffen und es in Stücke gerissen. Ich hatte deinen Tod körperlich gespürt und war selbst am Leben geblieben, um jede einzelne Sekunde dieses Schmerzes zu durchleben.

Ich stand neben deinem Grab und schüttelte Hände, deren Besitzer irgendwelche Worte murmelten, die ich nicht verstand, obwohl ich sie hörte. Hätte ich sie bewusst wahrgenommen, wären sie ein weiterer untrüglicher Beweis dafür gewesen, dass du tot warst. Also weigerte ich mich, sie an mich heranzulassen. Ihre Reise endete in meinem Innenohr.

Der Friedhof leerte sich.

Ich rührte mich immer noch nicht. Wenn ich mich jetzt abwandte, verlöre ich den Kontakt zu dir, entfernte mich von dir, das wollte ich nicht. Also blieb ich.

In meinem Kopf lief wieder dieses Lied der Rockgruppe Kiss. »I was made for lovin you â¦«, dröhnte es durch meine Gehirnwindungen, seit ich dich in der Scheune gefunden hatte, als wolltest du mir damit etwas sagen. Als wäre das deine Art, nicht loszulassen.

»Diana, kommst du?«

Die Stimme meiner Mutter durchdrang meine innere Kapsel, in die ich mich zurückgezogen hatte, und das Lied verstummte. Ohne zu antworten, folgte ich ihr in das Gasthaus, wo der Leichenschmaus stattfand. Menschen, die aßen und sich mit gedämpften Stimmen unterhielten. Menschen, die geschockt waren, dass du freiwillig aus dem Leben geschieden warst. Menschen, die Mitleid mit mir hatten und nicht wussten, wie sie mit mir umgehen sollten. Was sie zu mir sagen sollten, weil jedes Wort, das sie aussprachen, an mir abprallte und ich bloß nickte, um Dankbarkeit dafür auszudrücken, dass sie gekommen waren.

Ich stocherte in dem Rindfleisch und schob den Semmelkren von einem Tellerrand zum anderen. Dabei hinterließen die Speisen auf dem weißen Porzellan ein vergängliches Kunstwerk meiner Trauer.

Mein Bruder saß neben mir, er hatte während deiner Beerdigung kein einziges Wort gesprochen. Alexander war zwei Jahre jünger als ich, seine Augen starrten auf einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand, als stünden dort die Antworten auf all seine Fragen.

Ihr hattet euch nicht besonders gemocht, da war diese Rivalität zwischen euch gewesen, von der ich bis heute nicht wusste, wie sie entstanden war. Weshalb sie überhaupt existiert hatte. Aber ich hatte sie gespürt - lauernd, oftmals feindselig, manches Mal nur still und mit Blicken ausgedrückt. Wenn ich nach dem Grund gefragt hatte, war Schweigen die Antwort gewesen. So wie jetzt. In diesem Gasthaus.

Alexander stierte weiterhin stumm auf die Wand.

Da ich die Erstgeborene war, stand mir der Bauernhof als Erbe zu. Obwohl ich eine Frau war. Die Zeiten, in denen der Familienbesitz nur an männliche Nachfolger übergeben worden war, waren zum Glück vorbei. Zugegeben, ich hatte mich ordentlich abrackern müssen, bis Vater damit einverstanden gewesen war, mir den Hof zu vermachen. Hatte doppelt so hart gearbeitet wie Alexander. Doppelt so lange und vielleicht mit doppelt so viel Liebe zu Land und Tieren. Möglicherweise war mein Erfolg zum Teil dem geschuldet, dass Alexander kein Interesse an der Landwirtschaft gezeigt hatte. Viel lieber hatte er für uns gekocht, während wir bei brütender Hitze die Ernte eingeholt hatten. Hatte im Haus die Wände gestrichen, während Vater und ich im verschneiten Wald Bäume gefällt hatten. Konnte sein, dass Mutter ebenso dazu beigetragen hatte, Vaters Meinung zu ändern, denn sie selbst hatte einst den Hof von ihren Eltern übernommen. Allerdings nur, weil ihr Bruder früh an Leukämie gestorben war. Hätte er noch gelebt, sähe heute alles anders aus. Traditionen ließen sich nicht einfach mit einem Fingerschnippen ausrotten, das bedurfte Jahre. Generationen. Oder Kriege....

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