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Ehrenwerter Herr

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
200 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am12.03.2020
Ein Mann strebt nach oben: Osman will Herr des »Blauen Zimmers« - Ministerialdirektor - werden. Aber wenn einer aus diesem Viertel stammt, Sohn eines Kutschers ist, als einziger in der ganzen Nachbarschaft ein weißes Hemd und Aktentasche trägt, keinerlei Protektion genießt und nur auf Talent und List bauen kann, dann muss er in der achten Besoldungsklasse und im Archivkeller des Ministeriums beginnen. Opfer müssen erbracht werden. Freundschaften, Herzensangelegenheiten und Verlockungen des Fleisches dürfen dem Aufstieg nicht im Wege stehen. Politische Kämpfe, soziale Unruhen? Wer damit seine Zeit vergeudet, hat von der hohen Mission des Beamtentums nichts begriffen. Mit leichter Feder, kompakt und satirisch, hat Machfus einen Prototyp des universalen Bürokraten geschaffen.

Nagib Machfus, geboren 1911 in Kairo, gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und gilt als der eigentliche »Vater des ägyptischen Romans«. Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur. Nagib Machfus starb 2006 im Alter von 94 Jahren in Kairo.
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Produkt

KlappentextEin Mann strebt nach oben: Osman will Herr des »Blauen Zimmers« - Ministerialdirektor - werden. Aber wenn einer aus diesem Viertel stammt, Sohn eines Kutschers ist, als einziger in der ganzen Nachbarschaft ein weißes Hemd und Aktentasche trägt, keinerlei Protektion genießt und nur auf Talent und List bauen kann, dann muss er in der achten Besoldungsklasse und im Archivkeller des Ministeriums beginnen. Opfer müssen erbracht werden. Freundschaften, Herzensangelegenheiten und Verlockungen des Fleisches dürfen dem Aufstieg nicht im Wege stehen. Politische Kämpfe, soziale Unruhen? Wer damit seine Zeit vergeudet, hat von der hohen Mission des Beamtentums nichts begriffen. Mit leichter Feder, kompakt und satirisch, hat Machfus einen Prototyp des universalen Bürokraten geschaffen.

Nagib Machfus, geboren 1911 in Kairo, gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und gilt als der eigentliche »Vater des ägyptischen Romans«. Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur. Nagib Machfus starb 2006 im Alter von 94 Jahren in Kairo.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293305830
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum12.03.2020
Seiten200 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3355 Kbytes
Artikel-Nr.8541359
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



11 


An Seine Exzellenz den Ministerialdirektor:

Es ist mir eine Ehre, Eure Exzellenz darüber in Kenntnis zu setzen, dass ich in diesem Jahr das externe Studium, durchgeführt zwecks höheren Allgemeinwissens und Vervollständigung der für einen Beamten notwendigen Kenntnisse, mit dem Diplom der Juristischen Fakultät abschließen konnte, was mir, stehend unter dem Schutz Seiner Majestät des Königs, Gott schütze ihn und seine Herrschaft, dank der Inspiration durch Eurer Exzellenz Genialität möglich war.

Möge Euer Exzellenz die Güte haben, davon Kenntnis zu nehmen und beiliegendes Zeugnis in meiner Dienstakte aufbewahren zu lassen.

Mit dem Ausdruck allergrößter Hochachtung -

Osman Bajumi

Abteilung Archiv

Sekretär für Eingänge

Gemessen an seinen Studienkameraden, hatte er einen glänzenden Erfolg verbuchen können, und das an Seine Exzellenz den Ministerialdirektor gerichtete Schreiben würde ein gut Teil dazu beitragen, seine Überlegenheit gegenüber den Amtskollegen deutlich zu machen. Als Erstes würde das Schreiben auf dem Tisch seines unmittelbaren Vorgesetzten, Safan Basjuni, dann auf dem des Herrn Verwaltungsdirektor Hamza as-Suwaifi landen. Schließlich hatte er den Dienstweg einzuhalten, und der sah so aus: Er gab das Schreiben in die Ausgangspost, und da es dann einging, wurde es als Eingangspost registriert und gesichtet. Danach ging das Schreiben an Herrn Hamza as-Suwaifi weiter, der es seinerseits abzeichnete, um es an den Ministerialdirektor zu leiten. Also wäre es wieder in der Ausgangspost und danach in der Eingangspost vom Büro Seiner Exzellenz. Und dann war es so weit - Exzellenz las das Schreiben mit eigenen Augen, ließ es in sein Bewusstsein eindringen, und womöglich löste es sogar eine Gemütsbewegung aus. Dann zeichnete Exzellenz es zur Weitergabe ab. Es käme also wieder in die Ausgangspost, gelänge in die Personalabteilung, wo es bearbeitet und eine Kopie ans Archiv, also den Ausgangspunkt, geschickt werden würde, um die Kopie in seiner Personalakte aufzubewahren. War das geschafft, hatte sich der Lauf der Gestirne vollendet, und wer bis dahin von seinem Erfolg noch nichts wusste, würde es mittlerweile erfahren haben.

Einen ganzen Tag lang berauschte er sich an seinem Glück. Andere Tage kamen, vergingen. Was nun? Sollte der Rest in Schweigen versinken? Es passierte nichts. Das heilige Feuer brannte in der Brust, al-Hussain in seinem Grabmal wurde Zeuge langer Selbstgespräche. Wie mühselig war der Weg, und kein einziger Schritt lag im Licht. Das Studium war beendet, dennoch würde er nicht davon ablassen, aus dem Meer von Kultur zu schöpfen. Es stillte seinen Wissensdurst und vervollkommnete seine Persönlichkeit, um gerüstet für die Position zu sein, die er mit Gottes Gunst und Gnade eines Tages einnähme. Das kultivierte Auftreten würde ihm helfen, sich für den langen, bitteren Kampf im Dschungel der Bürokratie zu rüsten. Jeder, der etwas zu sagen hatte, verlangte, dass Opfer gebracht wurden. Er musste vieles wettmachen. Er konnte nicht die Zauberkraft des Gelds ausnutzen, er genoss nicht die Privilegien einer angesehenen Familie, ihn stützte kein starker Arm einer Partei, aber er gehörte auch nicht zu den Typen, die sich mit der Rolle des Clowns oder Dieners oder Zuhälters zufriedengaben. Er war ein Sohn des Volkes, einer aus der Masse der Elenden, und das hieß: jede nur mögliche Waffe nutzen, sich für jede Gelegenheit rüsten, auf Gott vertrauen und sich von seiner ewig währenden Weisheit leiten lassen, die einem beschied, hienieden auf Erden zu fallen, um im Schweiße des Angesichts zu erreichen, wieder gen Himmel aufzusteigen.

Der nie endende, ewige Ablauf der Tage brachte es mit sich, dass im Archiv die Stelle der siebenten Beförderungsstufe frei wurde; der Inhaber war in ein anderes Ministerium versetzt worden. So kam es, dass Safan Basjuni erklärte: »Ich habe Sie für die freie Stelle vorgeschlagen. Niemand ist würdiger als Sie.«

Dankbar schüttelte Osman ihm die Hand, und am liebsten hätte er ihn geküsst.

»Sie haben sieben Jahre in der achten Stufe verbracht, das Diplom gemacht und sind außerordentlich tüchtig gewesen.« Der Alte lachte, bleckte die schwärzlichen, lückenhaften Zahnreihen. »Die Stelle ist Ihnen so gut wie sicher, denn Leute mit Beziehungen verspüren nicht im Geringsten den Wunsch, einen Posten in einer Abteilung zu ergattern, die voller Ungeziefer und Schlangen ist.«

Oh, wie lange das Warten dauerte, wie viele Tage vergingen! Sieben Jahre hatte er auf einer Stufe festgesessen. Wenn er so weitermachte, würde er vierundsechzig Jahre brauchen, um das ersehnte Ziel zu erreichen. Seit damals, als er sich unter den Neulingen befand, war er dem Herrn Ministerialdirektor, dem Meister des heiligen Feuers, nicht mehr vor Augen getreten. Was Wunder, dass er daran Vergnügen fand, sich nach Feierabend auf den Platz vor dem Ministerium zu stellen und zu beobachten, wie Exzellenz mit geradezu königlicher Pracht und Glorie aus dem Gebäude herauskam. Ja, so musste es sein, das war das Ziel seines Lebens, das gab dem Leben Sinn und Erhabenheit.

In der Verwaltung häufte sich die Arbeit wegen der Haushaltsplanung dermaßen an, dass sich der dortige Direktor gezwungen sah, zusätzliche Beamte aus den anderen Bereichen anzufordern. Das Archiv stellte Osman ab. Er freute sich, sah er doch seine Gelegenheit kommen. Er stürzte sich mit ungeheurem Eifer in die Arbeit. Mal hatte er es mit Rechnungsprüfern zu tun, mal mit stellvertretenden Leitern, und er nahm sogar an Sitzungen mit dem Verwaltungsdirektor höchstpersönlich teil. Osman explodierte wie ein Vulkan; auf eine solche Möglichkeit hatte er, seit das heilige Feuer im Herzen brannte, gewartet. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, stand er den Chefs vom frühen Morgen bis in die späte Nacht zur Verfügung. In einer solch angespannten Situation kam es nur auf eins an - auf das Maß an Leistungsfähigkeit. Die Haushaltsplanung war eine äußerst wichtige, komplizierte Angelegenheit, denn damit hatten der Ministerialdirektor, der Staatssekretär, der Minister, das Kabinett, das Parlament, die Presse zu tun. In Tagen von solcher Überbelastung spielten Ansehen und Beziehungen keine Rolle, da galt nur die natürliche Auslese. Wer fähig war, kam zur Geltung, und der Wert des Einzelnen wurde, wenn auch nicht belohnt, so doch anerkannt. Osman verstand es, auf sich aufmerksam zu machen und volles Vertrauen zu gewinnen. Sein enormes Arbeitsvermögen trat ebenso zutage wie sein Wissen um Verordnungen und Gesetze. Aber damit begnügte er sich nicht. Er entwarf, ohne dass davon jemand wusste, die Erklärung zur Haushaltsplanung, die normalerweise der Verwaltungsdirektor schrieb. Kaum dass sich ihm die Gelegenheit bot, mit Herrn Hamza as-Suwaifi unter vier Augen zu reden, holte er den Entwurf heraus und sagte mit überschwänglicher Höflichkeit: »Falls Sie gestatten, verehrter Herr Direktor, würde ich Ihnen gern einige Gedanken zeigen, die mir bei der Arbeit gekommen sind und für die Abfassung der Haushaltserklärung sich möglicherweise als nützlich erweisen könnten.«

Hamza as-Suwaifi schaute leicht amüsiert und etwas mitleidig auf. »Es heißt, dass Sie ein tüchtiger junger Mann sind.«

»Aber Herr Direktor â¦«

»Übrigens, herzlichen Glückwunsch, heute wurde Ihre Beförderung bestätigt.«

Für einen Moment überkam Osman das Glücksgefühl des Sieges, und überwältigt stammelte er: »Das verdanke ich einzig Gottes und Ihrer Huld.«

Der Direktor lächelte. »Wie gesagt, herzlichen Glückwunsch. Was die Haushaltserklärung betrifft, so steht das auf einem ganz anderen Blatt.«

Osman nahm all seinen Mut zusammen und sagte mit Todesverachtung: »Verzeihen Sie, Herr Direktor, aber an etwas wie die Erklärung selbst würde ich nicht im Traum denken. Mir kamen beim Arbeiten nur ein paar Gedanken. Es handelt sich einzig um Bemerkungen eines bemühten Beamten, der sich mit Gesetz und Finanzwesen auskennt und darauf bedacht ist, zu Diensten zu stehen, wenn Sie mit all Ihrer Kraft darangehen, diese bedeutsame Erklärung auszuarbeiten.«

Der Mann nahm die »Bemerkungen« entgegen und begann zu lesen. Osman beobachtete ihn gespannt, ließ kein Auge von ihm. Die Notizen nahmen den Direktor voll und ganz in Anspruch, so viel war klar. Es vergingen ein paar Minuten, dann sagte er leichthin: »Ihr Stil ist nicht schlecht.«

»Danke, Herr Direktor.«

»Wie es scheint, lesen Sie viel.«

»O ja, Herr Direktor.«

»Was lesen Sie denn so?«

»Literatur, Biografien großer Männer, in Englisch und Französisch.«

»Können Sie übersetzen?«

»Ganze Stunden meiner Freizeit bringe ich mit Wörterbüchern zu.«

Der Herr Direktor lachte. »Schön, sehr schön, möge Gott Ihnen Erfolg bescheren.« Mit diesen Worten verabschiedete er Osman, doch die »Bemerkungen« behielt er. Von Freude berauscht, verließ Osman den Raum. Er glaubte fest, dass er das Vertrauen des Direktors gewonnen und damit mehr erreicht hatte, als die siebente Beamtenstufe wert war.

Als die gedruckte Fassung der Haushaltsplanung nach einigen Monaten vorlag, stürzte sich Osman über die Einleitung. Bis auf eine kleine, unwesentliche Änderung war es genau der Text, den er als Erklärung entworfen hatte. Es machte ihn unendlich glücklich,...


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Autor

Nagib Machfus, geboren 1911 in Kairo, gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und gilt als der eigentliche »Vater des ägyptischen Romans«. Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur. Nagib Machfus starb 2006 im Alter von 94 Jahren in Kairo.

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