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Kaltherz

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am13.05.20221. Auflage
Lies Faber, wenn du dich traust! »Mama ist im Himmel. Jetzt habe ich eine Mami. Aber sie sagt, für das, was sie getan hat, kommt sie in die Hölle.« Acht Minuten. Länger war die fünfjährige Marie nicht alleine. Doch als ihre Mutter zum Auto zurückkommt, ist Marie spurlos verschwunden. Kommissarin Kim Lansky übernimmt den Fall. Es ist ihre letzte Chance, sich als Ermittlerin zu beweisen. Die Suche nach der Wahrheit führt sie in die dunkelsten Kapitel ihrer eigenen Vergangenheit - und zu einer erschreckenden Frage: Warum bleiben gerade in München so viele Kinder verschwunden? »Ein echter Thriller, auf den Punkt erzählt, hochspannend bis zum Ende.« Arno Strobel

Henri Faber, Jahrgang 1986, geboren und aufgewachsen in Niederösterreich, studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaft und lebt als Autor und Texter in Hamburg. Nach seinen Bestsellern >AusweglosKaltherz< ist dies sein dritter Thriller.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextLies Faber, wenn du dich traust! »Mama ist im Himmel. Jetzt habe ich eine Mami. Aber sie sagt, für das, was sie getan hat, kommt sie in die Hölle.« Acht Minuten. Länger war die fünfjährige Marie nicht alleine. Doch als ihre Mutter zum Auto zurückkommt, ist Marie spurlos verschwunden. Kommissarin Kim Lansky übernimmt den Fall. Es ist ihre letzte Chance, sich als Ermittlerin zu beweisen. Die Suche nach der Wahrheit führt sie in die dunkelsten Kapitel ihrer eigenen Vergangenheit - und zu einer erschreckenden Frage: Warum bleiben gerade in München so viele Kinder verschwunden? »Ein echter Thriller, auf den Punkt erzählt, hochspannend bis zum Ende.« Arno Strobel

Henri Faber, Jahrgang 1986, geboren und aufgewachsen in Niederösterreich, studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaft und lebt als Autor und Texter in Hamburg. Nach seinen Bestsellern >AusweglosKaltherz< ist dies sein dritter Thriller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423440943
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum13.05.2022
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse1703 Kbytes
Artikel-Nr.8625624
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Lansky


Mittwoch, 16. Oktober, 19:35 Uhr


»Und, wie war es heute in der Schule?«

»Ätzend«, fauche ich, schürze die Lippen zu einem perfekt geformten Schmollmund und gebe dem Wort zwei Sekunden, sich zu entfalten. Dann: »Tine hat voll die Bitch-Aktion gebracht.«

»Was hat sie denn getan?«, fragt er, mäßig interessiert.

»Meine Sachen versteckt.«

Sein Blick wird wacher. »Ja? Welche Sachen?«

»Meine Anziehsachen.«

Sehr viel wacher. »Wie ist das denn passiert?«

»Nach dem Turnunterricht. Frau Buschmann sagt immer, wir müssen duschen, diese Pädo-Tante. Ich hass das.« Wieder setze ich meine Lippen ein, ziehe eine Schnute. Er mag es auch, wenn ich mir eine Strähne aus dem Gesicht streiche oder mit den Augen rolle, aber die Lippen sind am effektivsten. Sie rauben ihm den Verstand. »Als ich rauskam, waren meine Klamotten nicht da, und Tine hat gelacht wie die größte Bitch.« Das letzte Wort klingt seltsam verzerrt. Erschrocken blicke ich zum oberen Bildschirmrand, prüfe das Internetsignal. Stabile vier Striche LTE, keine Selbstverständlichkeit, nicht mal hier, mitten in München. Ich checke das Video-Chatfenster - mein Gesicht ist perfekt. Dann fällt mein Blick auf sein Fenster. Es gefällt ihm nicht, dass ich »Bitch« sage. Am liebsten wäre es ihm, wenn ich solche Wörter gar nicht in den Mund nehme. Aber so sind wir elfjährigen Großstadtgören nun mal: bitchy as hell.

»Also wirklich«, sagt er, schüttelt den Kopf, zögert.

Komm schon, beiß an.

»Ihr macht Sachen ...«

Friss den Köder, Junge! Schnapp ihn dir.

»Gehst ... du nicht gerne duschen mit den anderen Mädchen?«

Jackpot! »Nee, ich mag das nicht. Die gucken so.«

»Das sind doch alles Mädchen aus deiner Klasse«, protestiert er unerwartet forsch. »Ihr seid doch alle gleich.«

»Ja, aber die anderen sind voll schön und so. Merle ist schon zwölf und hat echt einen Busen. Und Tine, die Bitch, sieht sowieso aus wie von Insta. Die hat sogar einen Freund.«

Stille. Sein Blick irrlichtert, das tut er immer, wenn er mit sich ringt. Manchmal lässt er das Gesprächsthema abtropfen. Diesmal nicht.

»Willst du auch einen Freund haben?«, fragt er distanziert, sieht mich nicht an.

»Ja, schon«, seufze ich, rolle mit den Augen, streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht, schürze die Lippen. »Aber die Jungs in meinem Alter sind voll die Spacken. Voll kindisch und so. Ich will eher einen ... erwachseneren Freund.«

Er richtet sich auf, presst den Oberkörper gegen die Rückenlehne seines Stuhls, als säße er in einem Porsche, der mit 280 Sachen über die Autobahn jagt. Dabei sitzt er nur zu Hause in seiner Wohnung. Das Licht dämmrig wie immer, hinter ihm seine »Heldenwand«, wie er sie nennt. Die Lieblinge seiner Serien - Star Wars, Game of Thrones, Herr der Ringe - in Plastik gegossen, zu Figuren gepresst und säuberlich aufgereiht auf einem Bücherregal, in dem kein einziges Buch steht. Man könnte meinen, es wäre das Regal eines Teenagers. Doch User voodoo_wulf ist kein Teenager. Sein Profil sagt, er ist achtundzwanzig. Das übertrieben jugendliche Käppi, mit dem er sein schütteres Haar versteckt, erzählt eine andere Geschichte.

»Oliver aus meiner Klasse hat letztens ...«, setze ich an, als es plötzlich piept. Der Bildschirm dunkelt sich ab, eine Fehlermeldung ploppt am oberen Bildschirmrand auf. Warnung, sehr geringer Akkustand. Verdammt!

»Warte, meine Mum kommt, bin gleich wieder da«, sage ich hektisch, schalte die Webcam ab und verändere meinen Online-Status auf »Unsichtbar«, damit er mich nicht mehr sieht.

Drei Prozent Akku.

Verdammt, verdammt, verdammt. Dieser Drecks-Laptop hält nicht mal mehr drei Stunden durch! Warum ausgerechnet jetzt? Ich hatte ihn schon so weit. Wenn ich die Kiste zuklappe, muss ich dieses dämliche Programm wieder neu einrichten.

Ungelenk bugsiere ich den Laptop auf den Beifahrersitz, springe aus dem Wagen, bin mit einem Satz beim Kofferraum. Schnell, schnell - Tasche auf, vier Fächer, unendlich viel Zeug. Kabelbinder, Ersatzhandy, Zange, Verteilerstecker, Verlängerungskabel, AUX-Kabel, zu dickes Kabel, zu dünn, zu USB ... Da ist es! Ich ziehe es aus der Tasche, reiße ein ganzes Knäuel weiterer Kabel mit, stürze zurück auf den Fahrersitz.

Zwei Prozent Akku.

Zigarettenanzünder raus, Adapter rein, Stecker rein, anderes Ende in den Laptop und ... nichts. Es tut sich nichts. Immer noch zwei Prozent. Das Batteriezeichen blinkt knallrot. Gleich verabschiedet sich die Kiste. »Warum lädst du nicht, du Drecksteil?«, fluche ich. Als Antwort sinkt der Akku auf ein Prozent. »Du hast doch deinen Strom! Friss!« Bitte, bitte, lade! Die Karre hat genug Saft in der Batterie, warum ... Geistesblitz! Meine Hand schnellt zum Zündschlüssel, reißt ihn herum. Der Motor startet, der Laptop lädt, und ich atme auf. Wenigstens hatte ich keinen Gang drinnen.

Ich schließe die Fahrertür, lasse meinen Blick durch die Gegend streifen, ob jemand die Aktion bemerkt hat. Das hier ist nicht das schlechteste Viertel. Schwabing West, Alte Heide, da drüben gleich der Park und der Spielplatz. Hier wird schnell einmal die Polizei gerufen, wenn eine Verrückte lautstark schimpfend aus dem Auto springt. Da, wo ich aufgewachsen bin, hätte das niemanden interessiert.

Ich platziere den Laptop wieder auf dem Armaturenbrett, präsentiere der Kamera mein Gesicht. Das Programm beginnt sofort, es abzutasten. Dutzende bunte Rechtecke tanzen über den Bildschirm, versuchen, aus meiner Physiognomie schlau zu werden, scheitern kläglich. Draußen ist es dunkel geworden, das Licht reicht nicht mehr. Ich schalte die Innenraumleuchte ein, verändere meine Position so lange, bis die Rechtecke finden, wonach sie suchen. Mach schon, mach hin!

Nach und nach rechnet der Algorithmus mein Gesicht um, ebnet den kleinen Höcker auf meiner Nase, macht aus dem verwaschenen Graugrün meiner Augen ein strahlendes Lapislazuliblau. Meine Brauen bekommen den richtigen Schwung, meine Wimpern Volumen, meine Haut wird straff. Das Programm bügelt jedes Fältchen aus, jede Unebenheit, schließt jede meiner großen, groben, talgigen Poren. Die Auswirkungen von vierunddreißig Jahren Sonneneinstrahlung, Stress, Schmutz, zu wenig Flüssigkeit, zu wenig Schlaf und zu wenig Interesse an Pflegeprodukten werden einfach überschrieben von dem Gesicht einer elfjährigen Lolita mit perfekt ebenmäßigem Teint. Die Lippen hätte Da Vinci auch nicht besser hinbekommen. Vom Bildschirm strahlt mir eine zarte Schönheit entgegen, deren beneidenswerte Eltern bei sonntäglichen Spaziergängen sicher oft zu hören bekämen, dass ihre Tochter mit absoluter Sicherheit einmal Model oder Schauspielerin wird. Meiner Mutter hat man so etwas nie gesagt. Aber wir waren auch nie spazieren.

Ich bewege meine Lippen, Lolita tut es mir gleich. Sie wippt mit dem Kopf, hebt und senkt die Augenbrauen, rümpft ihre süße Stupsnase, folgt gehorsam. Das Programm arbeitet, die Echtzeitberechnung funktioniert. Die EDV-Heinis der Cybercrime-Abteilung wären verzückt, wenn sie wüssten, dass ihr kleines Wunderprogramm auch unter diesen Bedingungen seine Arbeit tut. Dass ich es nach meinem Rausschmiss für private Zwecke missbrauche, würde ihnen weniger gefallen.

Das Vocoder-Plugin lädt. Ich sage: »Franz jagt im komplett verwahrlosten Taxi quer durch Bayern.« Dreimal, laut und deutlich, damit sich das Programm auf meine Stimme kalibrieren kann. Fertig. Ich ändere im Chatprogramm meinen Status, zähle. Zweiundzwanzig, dreiundzwanzig ... Es klingelt. Voodoo_wulf kann es wohl kaum abwarten.

»Na, wieder da?«

»Mum nervt«, seufze ich, checke Bild und Ton - alles normal. »Wo waren wir?«

»Du hast gesagt, dass die Jungs in deiner Klasse so kindisch sind, und irgendwas von einem Oliver.«

»Ach so, ja. Oliver hat letzte Woche so Nacktfotos von Merle in der WhatsApp-Klassengruppe geteilt, aus Rache, weil sie mit ihm Schluss gemacht hat und so. Seitdem sagen die Jungs nur noch Möpse-Merle zu ihr. Die sind so kindisch und gemein, das ist echt ein riesen Abfuck!«

Als Antwort brummt voodoo_wulf bloß gedankenverloren, leckt sich über die Lippen. Dann: »Hast du auch schon mal solche Fotos von dir gemacht und jemandem geschickt?«

Das wüsstest du wohl gerne, Freundchen, was? »Nee, die will sowieso keiner haben«, gebe ich trotzig zurück, spiele ihm in die Karten.

»Das kann ich mir nicht vorstellen. Du bist doch so schön.«

»Danke«, hauche ich, blicke verlegen zu Boden. »Das sagst du doch nur so. Die anderen in meiner Klasse sind viel schöner als ich.«

»Das glaub ich nicht. Aber ... wenn du willst, könnten wir gemeinsam Fotos von dir machen. Du posierst, und ich mache Screenshots, das wird richtig gut. Ich sage dir, wie du schauen sollst, ich weiß, was Männer schön finden. Dann hast du super Aufnahmen von dir und siehst, wie schön du wirklich bist.«

»Ich weiß nicht«, murmle ich leise.

»Ein privates Fotoshooting, nur wir zwei!«

»Ich kenn ja noch nicht mal deinen Namen.«

Er kräuselt die Lippen. Enttäuschung macht sich in seiner Mimik breit. »Für was brauchst du den? Wir kennen uns doch! Vertraust du mir...
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