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Die Druckmacher

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
351 Seiten
Deutsch
Beck C. H.erschienen am17.02.20221. Auflage
Der Buchdruck veränderte die Welt, doch es bedurfte einer zweiten Generation von «Printing Natives», die mit Ablassbriefen, Thesen, Diffamierungen und Sensationsmeldungen als Massenware einen tiefgreifenden Kulturwandel entfesselte. Der renommierte Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann zeigt in seinem anschaulichen, Augen öffnen den Buch, warum wir die «Generation Luther» besser verstehen, wenn wir die heutigen «Digital Natives» betrachten - und umgekehrt. Die ersten Autos waren motorisierte Kutschen, der Computer diente als Schreibmaschine, und gedruckte Bücher setzten die handgeschriebenen fort: Innovationen werden zunächst in den gewohnten Bahnen genutzt, bevor eine zweite Generation die neuen Möglichkeiten ausschöpft. Thomas Kaufmann beschreibt, wie um 1500 eine junge Generation die Drucktechnik nutzte, um gegen die «Türkengefahr» zu mobilisieren, Ablassbriefe zu vertreiben und für eine «Reformation» der Kirche zu kämpfen. Drucker wie Aldus Manutius, Graphiker wie Albrecht Dürer, Humanisten wie Erasmus von Rotterdam und Johannes Reuchlin oder Theologen wie Martin Luther und Ulrich Zwingli vermarkteten sich auf Flugschriften und in Traktaten selbst und machten Druck: Gegner wurden in wachsenden Echoräumen diffamiert, Ereignisse zu Sensationen gemacht, um eine sich zerstreuende Aufmerksamkeit zu fesseln. Die Reformation war, wie Thomas Kaufmann zeigt, nur ein Teil dieses viel breiteren kulturellen Umbruchs. Schließlich veränderte die neue Technik die Art des Forschens und mit Enzyklopädien oder druckgraphischen Werken die Weise, wie Menschen die Welt wahrnehmen.

Thomas Kaufmann ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Göttingen, Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. 2020 wurde er mit dem Leibniz-Preis der DFG ausgezeichnet. Bei C.H.Beck erschienen von ihm u.a. "Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation" (2017) sowie "Martin Luther" (C.H.Beck Wissen 2017).
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR21,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR21,99

Produkt

KlappentextDer Buchdruck veränderte die Welt, doch es bedurfte einer zweiten Generation von «Printing Natives», die mit Ablassbriefen, Thesen, Diffamierungen und Sensationsmeldungen als Massenware einen tiefgreifenden Kulturwandel entfesselte. Der renommierte Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann zeigt in seinem anschaulichen, Augen öffnen den Buch, warum wir die «Generation Luther» besser verstehen, wenn wir die heutigen «Digital Natives» betrachten - und umgekehrt. Die ersten Autos waren motorisierte Kutschen, der Computer diente als Schreibmaschine, und gedruckte Bücher setzten die handgeschriebenen fort: Innovationen werden zunächst in den gewohnten Bahnen genutzt, bevor eine zweite Generation die neuen Möglichkeiten ausschöpft. Thomas Kaufmann beschreibt, wie um 1500 eine junge Generation die Drucktechnik nutzte, um gegen die «Türkengefahr» zu mobilisieren, Ablassbriefe zu vertreiben und für eine «Reformation» der Kirche zu kämpfen. Drucker wie Aldus Manutius, Graphiker wie Albrecht Dürer, Humanisten wie Erasmus von Rotterdam und Johannes Reuchlin oder Theologen wie Martin Luther und Ulrich Zwingli vermarkteten sich auf Flugschriften und in Traktaten selbst und machten Druck: Gegner wurden in wachsenden Echoräumen diffamiert, Ereignisse zu Sensationen gemacht, um eine sich zerstreuende Aufmerksamkeit zu fesseln. Die Reformation war, wie Thomas Kaufmann zeigt, nur ein Teil dieses viel breiteren kulturellen Umbruchs. Schließlich veränderte die neue Technik die Art des Forschens und mit Enzyklopädien oder druckgraphischen Werken die Weise, wie Menschen die Welt wahrnehmen.

Thomas Kaufmann ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Göttingen, Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. 2020 wurde er mit dem Leibniz-Preis der DFG ausgezeichnet. Bei C.H.Beck erschienen von ihm u.a. "Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation" (2017) sowie "Martin Luther" (C.H.Beck Wissen 2017).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406781810
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum17.02.2022
Auflage1. Auflage
Seiten351 Seiten
SpracheDeutsch
Illustrationenmit 61 Abbildungen und 1 Karte
Artikel-Nr.8733334
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Die erste Medienrevolution


Die um 1450 erfundene Technologie der Textvervielfältigung mit beweglichen Metalllettern hat ihre Erprobungs-, Etablierungs- und Konsolidierungsphase innerhalb einer Generation durchlaufen. Die spezifischen Möglichkeiten und Herausforderungen dieses mechanischen Reproduktionsverfahrens traten um 1480 immer deutlicher hervor. War das beginnende Buchdruckgewerbe zunächst primär an der elaborierten Handschriftenkultur orientiert gewesen, so geriet dies in den letzten beiden Jahrzehnten jener Epoche des Frühdrucks (1450-1500), die Inkunabel- oder Wiegendruckzeit genannt wird, zusehends in den Hintergrund. Seit etwa 1480 war klar, dass das gedruckte sich gegen das geschriebene Buch durchgesetzt hatte. In dieser Perspektive sollen die Konturen der ersten Medienrevolution im Folgenden nachgezeichnet werden.[1]

Von Lettern, Setzkästen, Druckpressen
und Schrifttypen


Die Erfindung des Johannes Gensfleisch - allgemein als Johannes Gutenberg bekannt, da sich im Besitz seiner Patrizierfamilie ein Mainzer Hof mit dem Namen «zum Gutenberg» befand - war nicht nur das Ergebnis seiner ingeniösen Ideen, seines handwerklichen Könnens und unternehmerischen Wagemuts. Sie basierte auch auf einer besonderen historisch-kulturellen, technikgeschichtlichen und ökonomischen Konstellation: Die Goldschmiedekunst und die metallverarbeitenden Gewerbe der Münzerei und der Glockengießerei florierten im Südwesten des Reichs. Für die Gravur sakraler Objekte wie Monstranzen, Patenen oder Kelche hatten Goldschmiede Stempel mit Ornamenten oder Buchstaben zu nutzen gelernt. Pressen waren in den Weinbauregionen der Pfalz und des Elsass, in denen sich Gutenberg überwiegend bewegte, bekannt und verbreitet. Das Papier, ein bereits im 1. oder 2. Jahrhundert in China erfundener Schriftträger, der durch arabische Vermittlung seit dem 11./12. Jahrhundert nach Europa vorgedrungen war, wurde seit den 1390er-Jahren in Deutschland produziert. Mitte des 15. Jahrhunderts gab es am Oberrhein und in Oberschwaben etwa zehn Papiermühlen.[2] Auch ein internationaler Papierhandel existierte bereits. Bei der Papierherstellung wurden ebenfalls Pressen verwendet, die gleichmäßigen und hohen Druck erzeugen konnten.

Im frühen 15. Jahrhundert hatte die serielle Produktion von Handschriften in professionellen Kopierwerkstätten, etwa in Florenz oder in Hagenau,[3] ein bisher unbekanntes Ausmaß erreicht. Formale Standardisierungen in Bezug auf Layout, graphische Gestaltung und Schrift sowie die Entstehung internationaler Markt- und Vertriebsstrukturen gingen damit einher. Der Holzschnitt, der ursprünglich aus Ostasien stammte, verbreitete sich in Europa seit dem frühen 15. Jahrhundert. Er fand zunächst für die serielle Herstellung von Spielkarten und Heiligenbildern Verwendung. Auch Texte wurden in Holzplatten geschnitten und zu ganzen Büchern, den «Blockbüchern»,[4] verbunden. Häufig zeichneten sich diese durch enge Text-Bild-Bezüge aus und führten die Tradition von Bilderhandschriften fort. Als mechanische Form der Herstellung identischer Texte bzw. Bilder unter der Presse und auf Papier antizipierten sie, was Gutenberg anstrebte. Dass sich ein mit Text- und Bildgravuren versehener Holzblock nur einmal verwenden ließ, markierte allerdings eine Nutzungsgrenze dieses Verfahrens und machte die Suche nach Alternativen plausibel. Die Verwendung, Umformung und Kombination der genannten Fertigkeiten, Instrumente und Dinge und ihre Verbindung mit einer Idee bildeten die Grundlage für jene Erfindung, die die lateineuropäische Kultur tiefgreifender und nachhaltiger prägen sollte als jede andere.

Im Kern bestand Gutenbergs Idee darin, Texte von ihren kleinsten Bestandteilen - den sechsundzwanzig Buchstaben des lateinischen Alphabets - her zu verstehen und daraus ihre serielle Reproduktion zu entwickeln. Diese Idee war ebenso elementar wie genial. Bisher war es nämlich üblich gewesen, ganze Texte als integrale Einheiten fortlaufend, verlässlich und - im Unterschied zur Praxis der monastischen Skriptorien - möglichst zügig in Unikaten zu kopieren. Dies geschah auf Bestellung oder auch auf Vorrat, gemäß dem Kalkül der teils international agierenden Schreibwerkstätten, die Sortimente anlegten und dafür zu werben begannen. Auch das europäische Universitätssystem beförderte die Entstehung der Strukturen eines funktionierenden Handschriftenmarktes. Der Buchdruck machte sich diese später zunutze. Im Unterschied zu Holzschnitt und Blockbuch konnten die gemäß Gutenbergs Idee aus Metall gegossenen Buchstaben in beliebiger Kombination für immer neue Texte verwendet und für die Reproduktion einer kaum begrenzten Menge identischer Exemplare genutzt werden. Ein Typensatz enthielt also potentiell jeden beliebigen Text.

Der vielleicht wichtigste Aspekt der Gutenberg schen Erfindung bestand in der Entwicklung eines Gießinstruments,[5] das es möglich machte, die Typen der einzelnen Buchstaben in identischer Größe und Form herzustellen.[6] Die Metalllegierung, die dabei verwendet wurde, war vermutlich das Ergebnis längeren Experimentierens. Ihre genaue Mischung ist unbekannt. Sie dürfte aber etwa vier Fünftel Blei, ein Zehntel Antimon und zwischen 5 und 10 Prozent Zinn sowie je ein Prozent Kupfer und Eisen enthalten haben. Wichtig war, dass diese Legierung rasch erkaltete, der aufwändige Guss der Lettern also zügig erfolgen konnte. Um die Typen zu gestalten, die die Drucker in der Nachfolge Gutenbergs während des 15. und frühen 16. Jahrhunderts in der Regel selbst herstellten, wurden die Formen der Buchstaben zunächst seitenverkehrt gezeichnet. Nach dieser Vorlage wurde der Buchstabe dann mit Punze und Feile aus einem erhitzten und dadurch erweichten Metallstempel herausmodelliert. Die seitenverkehrte «Patrize» wurde dann mit Druck in eine Kupferplatte geschlagen. Dieser seitenrichtige Abdruck des Buchstabenkörpers hieß «Matrize». Sie wurde nun in das Gießinstrument eingespannt; dann wurde das Gussmaterial eingefüllt. Auf diese Weise konnten beliebig viele identische Lettern gegossen werden, die seitenverkehrte Buchstaben bildeten. Ihre Abdrucke waren wiederum seitenrichtig. Die Buchstaben und die sonstigen Zeichen (Interpunktionszeichen, Klammern etc.) wurden einzeln gegossen und in Setzkästen gesammelt. Diese waren so angeordnet, dass die häufiger gebrauchten Buchstaben in Griffnähe des Setzers lagen.

Bei der Satzarbeit wurden die einzelnen Lettern in der Reihenfolge der Wörter zeilenweise auf einen Winkelhaken gesteckt. Abstände zwischen den Wörtern füllte der Setzer durch Blindmaterial auf. Die fertigen Zeilen wurden auf einem Holzbrett, dem Setzschiff, zu einem Text zusammengefügt, der entweder eine Spalte oder eine Seite ergab. Die fertige Seite wurde dann in einer rahmenden Form und mit Bändern fixiert.

Nun begann der Druckvorgang: Die gesetzte Seite wurde mittels eines Lederballens mit Druckerschwärze eingefärbt, die aus Lampenruß, Firnis und Eiweiß bestand und schnell trocknete. Der eingefärbte Satz wurde auf einem Wagen befestigt, der unter die Druckplatte, den Tiegel, geschoben werden konnte. Ein angefeuchteter Papierbogen wurde in einem beweglichen Pressdeckel mit Nadeln fixiert. Über das Papier klappte man einen dem Format des Satzes entsprechenden Rahmen, der die nicht bedruckten Ränder vor Verschmutzung schützte. Nun wurde der Wagen mit dem Satz und der Pressdeckel mit dem Papier unter den Tiegel geschoben und dieser durch den ruckartigen Zug eines Bengels auf das Papier gedrückt. Dem Druck der ersten Seite eines noch unbedruckten Bogens, dem Schöndruck, folgte der Widerdruck auf der Rückseite. Durch die Nadelspuren im Papier konnte erreicht werden, dass beide Seiten registerhaltig, das heißt exakt übereinander gedruckt wurden. Die einzelnen Produktionsschritte des Buchdrucks hingen in starkem Maße vom Tageslicht ab. Wahrscheinlich wurde darum in den helleren Jahreszeiten mehr gedruckt als in Spätherbst und Winter. Die Grundstrukturen dieses von Gutenberg und seinen frühen Mitarbeitern entwickelten Fertigungsprozesses blieben während der Ära der Handpresse, das heißt bis ins 19. Jahrhundert hinein, erhalten.


1   Grant danse macabre des hommes et des femmes â¦, Lyon, Matthias Huss, 1499/1500. Das französische Gedicht führt nach Ständen hierarchisch geordnete Totentänze vor, die durch Holzschnitte und Über- bzw. Unterschriften veranschaulicht werden. Im Gespräch mit dem Tod führen die Drucker ihre Verdienste um den Klerus und ihre Bedeutung bei der Verbreitung theologischer,...

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