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Ungeschminkt hält besser

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
172 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am18.01.20221. Auflage
Jakob und Philomena, zwei Menschen, wie sie ungleicher nicht sein können, begegnen sich durch Zufall in der Mensa einer Berliner Universität. Die schonungslose Schilderung der weit über sechzigjährigen Philomena über die Folgen des Alters weckt in dem zwanzigjährigen Studenten Jakob die Neugierde auf weitere Gespräche mit dieser Frau, deren Ansichten den herkömmlichen Erwartungen der Gesellschaft nicht entsprechen. Aus ihren weiteren Begegnungen erwachsen Gespräche nicht nur über das Leben, Krankheit und Tod. Sondern auch über unsere Gesellschaft, die CORONA mehr verändert hat als alle anderen Ereignisse seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Lothar Beutin, geboren in Berlin, Mikrobiologe und Autor von Sachbüchern, Wissenschaftskriminal- und Gesellschaftsromanen. Forschungstätigkeit in Berlin am Max-Plack Institut für molekulare Genetik, am Robert Koch-Institut und am Institut für Risikobewertung; sowie in Paris am Institut Pasteur.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR7,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR5,99

Produkt

KlappentextJakob und Philomena, zwei Menschen, wie sie ungleicher nicht sein können, begegnen sich durch Zufall in der Mensa einer Berliner Universität. Die schonungslose Schilderung der weit über sechzigjährigen Philomena über die Folgen des Alters weckt in dem zwanzigjährigen Studenten Jakob die Neugierde auf weitere Gespräche mit dieser Frau, deren Ansichten den herkömmlichen Erwartungen der Gesellschaft nicht entsprechen. Aus ihren weiteren Begegnungen erwachsen Gespräche nicht nur über das Leben, Krankheit und Tod. Sondern auch über unsere Gesellschaft, die CORONA mehr verändert hat als alle anderen Ereignisse seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Lothar Beutin, geboren in Berlin, Mikrobiologe und Autor von Sachbüchern, Wissenschaftskriminal- und Gesellschaftsromanen. Forschungstätigkeit in Berlin am Max-Plack Institut für molekulare Genetik, am Robert Koch-Institut und am Institut für Risikobewertung; sowie in Paris am Institut Pasteur.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783755771555
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum18.01.2022
Auflage1. Auflage
Seiten172 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8776708
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Über das Alter

Philomena saß am gleichen Tisch wie in der Woche zuvor. Den Stuhl gegenüber hatte sie mit einer Einkaufstasche belegt. Vor ihr stand eine Tasse Kaffee. Als sie Jakob kommen sah, nahm sie die Tasche an sich.

Jakob hatte sich schon vorher ausgemalt, wie Philomena ihm die Vorzüge des Alters preisen würde. Die üblichen Sprüche von Weisheit, Gelassenheit und Frieden mit sich selbst. Ähnliches hatte er schon oft gehört und es schien ihm ebenso wenig überzeugend wie die Vorstellung, dass Krankheit oder Tod etwas Erstrebenswertes wären. Wenn man von der Notwendigkeit der biologischen Erneuerung aller Spezies einmal absah.

Dementsprechend war er schlecht gelaunt, als er in der Mensa auftauchte. Er hatte sogar erwogen, nicht zu kommen, seine Neugierde brachte ihn aber doch dazu.

Nachdem er Philomena umstandslos begrüßt und sein Tablett mit dem Nachtisch - das Hauptgericht erschien ihm heute ungenießbar - auf den Tisch gestellt hatte, fiel er gleich mit der Tür ins Haus.

Nun, wie ist das mit dem Altwerden? Mit den Jahren kommt die Weisheit. Sagt man doch, oder?

Er sah Philomena trotzig an.

Das nicht unbedingt , erwiderte sie.

Jedoch hat das Alter untrügliche Zeichen, die wir erkennen und die unsere Aufmerksamkeit wecken sollen.

Mit so einer Antwort hatte Jakob nicht gerechnet.

Was meinst du damit? , fragte er misstrauisch.

Sie zuckte mit den Schultern.

Sieh doch, was im Laufe der Jahre mit den Menschen passiert. Fangen wir beim Kopf an und dort bei den Haaren. Sie verschwinden - langsam oder schneller. Am Hinterkopf endet das in einem Haarkranz. Von der Stirn graben sich Geheimratsecken tief in die Kopfhaut. Oder es beginnt mit einer erst münzgroßen, allmählich lichter werdenden Stelle, die von den Betroffenen gnädigerweise nur mithilfe eines Spiegels zu sehen ist.

Philomena atmete hörbar.

Egal wie es anfängt, am Ende steht die Glatze. Selbst wenn es nicht so weit kommt, werden die Kopfhaare dünn. Sie hängen ohne Spannung strähnig vom Kopf und verlieren ihre Farbe.

Jakob musterte sie unauffällig. Ihre Haare waren mittellang und pechschwarz. Vermutlich gefärbt, vermutete er, bevor ihre Stimme ihn von weiteren Überlegungen abhielt.

Glücklich mag sich der schätzen, bei dem die Haare einen silbrigen Schimmer annehmen. Das vermittelt ein aristokratisches Flair. Meistens bekommen sie aber einen schnöden weißen Ton und im schlimmsten Fall nehmen sie einen faden Gelbstich an. Sehen aus wie Wände, auf denen sich Nikotinschwaden abgesetzt haben. Eine Farbe, die kein Mensch mit blond verwechseln wird.

Ich bestimmt nicht, dachte Jakob. Er stocherte lustlos in seinem Grießpudding herum.

Was den Schwund der Kopfhaare betrifft, bewirkt die Natur in einem geheimnisvollen Ausgleichsprozess, dass dafür Haare an den unmöglichsten Körperstellen wachsen. Noch dazu mit einer Geschwindigkeit und einer Derbheit, dass es einem nur so graust und man ein spezielles Rasiergerät braucht, um sie zu entfernen.

Er legte seinen Löffel neben die Schale. Grießpudding hatte er in besserer Erinnerung bewahrt. Wozu erzählte sie ihm das alles? Er öffnete seinen Mund, doch zu einer Frage ließ sie ihm keine Zeit.

Sag mir Jakob, welch einen vernünftigen Grund gibt es dafür, dass Haare urplötzlich aus den Nasenlöchern hervorsprießen, halb in den Mund baumeln, dass einem davon übel wird und man Angst bekommt, es könnten sich Essenskrümel darin verfangen? Das fällt bei einem Bart nicht auf, aber es gibt andere Stellen ...

Jemand stieß im Vorbeigehen gegen seinen Stuhl und lief weiter, ohne ein Wort zu sagen.

Das Gespräch mit Philomena verlief anders, als er es sich vorgestellt hatte. Es war mehr ein Monolog, doch nahm er sich vor, zuerst mitzuspielen.

Welche anderen Stellen meinst du?

Na, aus den Ohren wachsen sie, und was noch verrückter ist, am Rand des Gehörgangs. Wie einsame Bäume um einen Krater herum. Schwarz und derb im Kontrast zu der blassen Haut, damit man sie auch sieht, selbst wenn es nur wenige sind. Und das bleibt so bis zum Lebensende, wenn alle anderen Haare ausgefallen oder blass geworden sind.

Sie sah ihn mit einem Blick an, der Spott und zugleich Wehmut enthielt.

Das ist doch seltsam, Jakob. Findest du nicht?

Jakob ließ ihre Worte auf sich wirken. Ihre Beschreibung war ausdrucksvoll, das musste er ihr lassen. Vermutlich war sie verrückt und es war Zeitverschwendung, ihr weiter zuzuhören. Doch ein Gefühl hinderte ihn daran, aufzustehen und sofort zu gehen.

Philomena bemerkte, wie es in ihm arbeitete. Da er nichts erwiderte, fuhr sie in ihrer Beschreibung fort.

Und was ist mit den Augenbrauen? Entweder werden sie dünn bis hin zum Verschwinden. Das ist bei Frauen oft der Fall. Oder sie werden buschig und sehen aus wie ein falscher Bart, der zu hoch angeklebt wurde.

Sie strich seufzend mit ihren Fingern über den Tisch.

Was den Bart betrifft, bei alten Männern wird er grau und zottelig. Er vermittelt nicht mehr die Lust, verträumt mit den Händen darüber zu streichen.

Vermutlich hatte sie Männer mit Bärten geliebt. Jakob überlegte, wie er sich am besten aus der Affäre ziehen konnte.

Und was die Frauen betrifft, denen wächst mit fortgeschrittenem Alter ein Damenbart.

Sie kicherte.

Klingt, als wenn das etwas Vornehmes wäre, nicht wahr? Aber das ist es, weiß Gott nicht. Es liegt an dem hormonellen Durcheinander, welches das Alter mit sich bringt! Entweder fangen solche Damen an, sich zu rasieren oder wenn ihnen ihr Aussehen gleichgültig ist, bleiben ein paar dünne, dunkle Haare auf der Oberlippe stehen. Wie bei einem pubertierenden Jüngling! Nur, dass das eine mit dem anderen herzlich wenig zu tun hat!

Ihre Hand fuhr durch die Luft, als wollte sie ihre Worte wegwischen.

Sie sah ihn an. Doch es genügt, wenn ich etwas über Männer erzähle. Denn so blendend wie du sehen sie im Alter nicht mehr aus!

Quatsch! , erwiderte Jakob, der Schmeicheleien als peinlich empfand und besonders in diesem Moment.

Sie musterte ihn und verzog ihr Gesicht.

Doch, das ist der Lauf des Lebens.

Der Lärm am Nachbartisch hatte mit zwei Neuankömmlingen zugenommen. Jakob verkniff sich eine weitere Bemerkung. Philomena war einsam und hatte offenbar niemanden, mit dem sie über ihre verflossene Jugend reden konnte. Allzu lange wollte er nicht mehr mitspielen.

Doch sie war zu sehr mit ihrer Geschichte beschäftigt, um auf seinen Gesichtsausdruck zu achten.

Und erst die Augen? Da guckt man bei den Alten besser nicht hin, oder? Sie verlieren ihre Frische und ermatten. Das Weiße durchsetzt sich mit Pigmenten und Adern. Um die Augäpfel herum bilden sich Runzeln. Unter den Augen hängen schlaffe Säcke mit Ausbuchtungen wie von Furchen durchzogen. Falten graben sich tiefer in das einst wohlgeformte Antlitz, der Mund folgt der Schwerkraft und verzieht sich. Das gibt dem Gesicht einen mürrischen Zug. Die Lippen werden dünn wie Schlitze. Sind blutleer und so stark verkniffen, als ließen sie sich nur noch mit einem Messer öffnen.

Nun reichte es ihm.

Sag mal, was ist los mit dir, Philomena? Das klingt alles nur noch ekelhaft!

Ist es auch! , sagte sie spöttisch. Du hattest doch gesagt, Altwerden ist schrecklich und die Einzelheiten dazu erfährst du jetzt. Aber ich bin noch längst nicht fertig.

Sie führte ihre Tasse zum Mund, trank und verzog das Gesicht. Kalter Kaffee macht schön, heißt es doch!

Was sollte das nun wieder? Er sah vor sich auf den Tisch und schnippte nervös mit den Fingern.

Kommen wir zu den Ohren. Obwohl die Menschen im Alter schlechter hören, werden ihre Ohrmuscheln dafür immer größer. So als könnte dieser scheußliche Zuwachs den nachlassenden Gehörsinn ausgleichen.

Sie lächelte abgeklärt.

Aber das ist natürlich Unsinn!

Warum erzählst du es dann, fragte er sich.

Im gleichen Moment sah er ein bekanntes Gesicht an ihrem Tisch vorbeigehen. Er schaute auf, doch seine Kommilitonin Julia hatte ihn nicht bemerkt und schob sich in der Menge zum Ausgang weiter.

Bei manchen verlängern sich die Ohrläppchen bis hin zum Unterkiefer. Wieso der Körper ausgerechnet in die Ohren Wachstumshormone schickt, ist mir ein Rätsel. Aber es ist wie mit den Haaren. Dort, wo sie wachsen sollen, da sprießt nichts mehr. Dafür schießen sie an Orten hoch, wo sie überflüssig und störend sind. Es ist eine Kraft, die bewirkt, dass wir Menschen hässliche Züge bekommen ...

Er war in Gedanken bei Julia und hatte nur halb zugehört.

Welche Kraft? Worauf willst du hinaus? Erklär das endlich mal, Philomena!

Dazu komme ich noch! , sagte sie...
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