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Die Kreuzträgerin: Heldendämmerung

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
528 Seiten
Deutsch
Fontiserschienen am05.10.20181. Auflage
Das europäische System des 22. Jahrhunderts hat sich Toleranz und Freiheit auf die Flagge geschrieben. Doch stattdessen herrschen Unterdrückung und Armut. Die Bevölkerung seufzt unter der eisernen Faust des Diktators Demokrit Magellan. Anna Tanner, einstige Studentin des Systems, wagt aus dem Exil im Norden den Versuch, nach Mitteleuropa zurückzukehren. Dort steht sie auf der Todesliste des Regimes, weil sie sich öffentlich gegen den Diktator starkgemacht hat. Als finnische Spionin lässt sie sich in der Grenzstadt nieder, um - gemeinsam mit ihren Freunden - Aufständischen zur Flucht zu verhelfen. Anna wird hautnah mit der Not der Menschen konfrontiert. Wie kann sie ihnen Hoffnung geben? Derweil formiert sich der Widerstand, im Untergrund brodelt es. Die undurchsichtige Organisation der 'Schwarzen Rächer' buhlt um Annas Aufmerksamkeit. Sie soll als Volksheldin die Rebellen zum Sieg gegen Demokrit Magellan anführen. Doch wem kann Anna trauen? Adonis, ihre erste große Liebe, verfolgt seine eigenen dunklen Ziele. Und die Macht an sich ist ein trügerischer Freund.mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR15,99

Produkt

KlappentextDas europäische System des 22. Jahrhunderts hat sich Toleranz und Freiheit auf die Flagge geschrieben. Doch stattdessen herrschen Unterdrückung und Armut. Die Bevölkerung seufzt unter der eisernen Faust des Diktators Demokrit Magellan. Anna Tanner, einstige Studentin des Systems, wagt aus dem Exil im Norden den Versuch, nach Mitteleuropa zurückzukehren. Dort steht sie auf der Todesliste des Regimes, weil sie sich öffentlich gegen den Diktator starkgemacht hat. Als finnische Spionin lässt sie sich in der Grenzstadt nieder, um - gemeinsam mit ihren Freunden - Aufständischen zur Flucht zu verhelfen. Anna wird hautnah mit der Not der Menschen konfrontiert. Wie kann sie ihnen Hoffnung geben? Derweil formiert sich der Widerstand, im Untergrund brodelt es. Die undurchsichtige Organisation der 'Schwarzen Rächer' buhlt um Annas Aufmerksamkeit. Sie soll als Volksheldin die Rebellen zum Sieg gegen Demokrit Magellan anführen. Doch wem kann Anna trauen? Adonis, ihre erste große Liebe, verfolgt seine eigenen dunklen Ziele. Und die Macht an sich ist ein trügerischer Freund.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783038485063
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Verlag
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum05.10.2018
Auflage1. Auflage
Seiten528 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1162 Kbytes
Artikel-Nr.8788509
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Kapitel 1

Fünfeinhalb Monate zuvor
Samstag, 27. Plûviose 333 A. I.
«Tag der Haselstaude» (16. Februar)

Mit einem heftigen Ruck hielt der Zug an. Erschrocken schlug ich die Augen auf.

Mein Atem hatte das Zugfenster beschlagen, während ich meinen Kopf zum Schlafen dagegengelehnt hatte. Gähnend wischte ich die Scheibe frei und blickte hinaus.

Die Böschung fiel steil neben der Eisenbahnlinie ab. Nur wenige Meter entfernt strömte der breite Fluss bleiern vor sich hin, dem wir schon eine Weile talabwärts gefolgt waren.

Ein Schnellboot schoss in der Mitte der Wasserstraße über die grauen Wogen und zog an uns vorbei. Links und rechts des Bugs spritzte die Gischt hoch auf. An Bord machte ich zwei Figuren in dunkler Uniform aus.

Instinktiv wich ich ein Stück vom Fenster weg. - Das waren Sicherheitswächter!

Man hatte uns davor gewarnt, dass der Imperator Mitteleuropas, Demokrit Magellan, die schwarzgekleideten Schergen mittlerweile in Horden durchs Land sandte. Sie tauchten überall dort auf, wo es nach Rebellion stank, und schnüffelten wie Spürhunde herum.

Wir stehen hier ständig unter Beobachtung. Ich muss lernen, meine Angst zu verbergen!, tadelte ich mich und atmete tief ein, um mein wild klopfendes Herz zu beruhigen.

Das Boot brauste weiter flussabwärts aus meiner Sichtweite und scheuchte eine Schar Krähen auf, welche flatternd den Fluss überquerte und sich tanzend in den kahlen Bäumen am anderen Ufer niederließ.

Jenseits des Gewässers breiteten sich Nadel- und Laubwälder wie ein Teppich an einer Hügelflanke entlang aus. Sie wuchsen fast bis zu den steilen nackten Sandsteinhängen hinauf, die ich mit in den Nacken gebeugtem Kopf bewunderte.

Wir befanden uns im hermetisch abgeriegelten Teilstaat Mitteleuropa. Und die Hügelkette, in deren Schatten unser Zug kauerte, bildete die Grenze zu Westeuropa. Sie ragte bis zu dreihundert Meter über uns auf.

Vor zwei Tagen hatten wir den autonom fahrenden Hochgeschwindigkeitszug bestiegen und brausten seither durchs Land. Der behäbige Tatzelwurm knarrte und ächzte dabei doch ziemlich bedrohlich.

Ich streckte mich vorsichtig und richtete mich im Sitz auf. Das enge geschlossene Abteil war so vollgestopft mit Gepäckstücken und menschlichen Ausdünstungen, dass es einem den Atem raubte. Die Heizung an der Fußleiste klickerte leise und strahlte stickige Hitze ab.

Suchend tastete ich meinen blaukarierten Wollmantel ab. In der rechten Brusttasche spürte ich meine Goggles. Ich atmete auf, als meine Finger die Bügel der Informations-Brille berührten.

«Hey, Steph, wo sind wir?», wandte ich mich an meine Sitznachbarin.

Stephanie Beyeler bewegte sich links von mir unruhig im Halbschlaf und versetzte mir als Antwort mit dem Feingefühl einer Windmühle im Orkan einen Tritt gegen das Schienbein.

«Au!»

Schnell rutschte ich außer Reichweite ihrer gefütterten Winterstiefel.

Nur Stephanies dunkel zerzauster Haarschopf lugte unter einem überdimensionalen bunt gestreiften Wollschal hervor, den sie wie eine Decke zweimal um ihre schlanke Gestalt gewickelt hatte. Während unserer Reise hatten ihre Stricknadeln stets emsig geklappert.

«Wir sind auf 46 Grad Nord, 6 Grad Ost», beantwortete eine sanfte männliche Stimme meine Frage.

Die langen Beine weit von sich gestreckt, saß David Beyeler neben seiner schlafenden Schwester. Seine Schulter lehnte an der Tür, die von unserem Abteil aus in den Gang führte. Abwesend fuhr er sich mit der einen Hand über den dunklen Strubbelkopf, während die Finger seiner anderen Hand über ein quadratisches Display auf seinem Schoß flogen. Ein Paar Goggles hockte keck auf seiner Nasenspitze. Der Rest seines käsebleichen Gesichts war in einem blau-grau-schwarzen Schal vergraben, den seine Schwester gestrickt hatte. Er schien wie immer in seiner unerreichbaren Mathematik-Sphäre verloren gegangen zu sein.

«Danke für die Info ...», murmelte ich schmunzelnd und überlegte, dass vermutlich selbst eine Zugentgleisung unser Programmier-Genie nicht in diese Dimension zurückholen würde.

Ihm gegenüber saß Levin Morton Stanley, ein gebürtiger Kenianer. Die breite Krempe seines Designerhuts warf einen Schatten auf sein Gesicht. Die Arme waren über einer anthrazitfarbenen eleganten Wolljacke mit glänzenden Knöpfen verschränkt. Selbst im Schlaf strotzte seine Körperhaltung vor Selbstbewusstsein. Wie oft hatte ich ihn schon sagen hören: «Ich bin der King!»? Seine kurzen Beine steckten in Bluejeans und ausgefallenen braunen Cowboy-Stiefeln.

An Levins Schulter gelehnt schlief meine sechzehnjährige Halbschwester Antonia. Den Kopf hatte sie weit in den Nacken gelegt, ihr Mund stand unvorteilhaft weit offen. Aus ihrem krausen, langen Haar, das sie auf dem Hinterkopf stets zu einem straffen Dutt zusammenband, hatten sich ein paar unfolgsame Strähnen gelöst und standen mir wie ein halbes Dutzend neugieriger Seepferdchen entgegen.

Antonia wollte ich gar nicht erst fragen, wo wir uns befanden. Ich konnte voraussehen, wie sie mich aus ihren dunklen grünschimmernden Kulleraugen naiv anblinzelte:

«Ich bin klein und süß. Ich muss nicht wissen, wo wir sind, das wisst ihr doch für mich.»

«Wir sind bald da», krächzte eine raue Stimme, und ich wandte widerwillig den Blick auf den Fensterplatz mir gegenüber.

Orvokki Ojala, die finnische grobknochige Fischerin, grinste mich anzüglich an. Die Falten, die ihre Stirn überzogen, vertieften sich dabei. Sie strich sich über das burschikos-kurzgeschnittene blonde Haar. «Wir sind am Eingang der Grenzstadt», beantwortete sie meine Frage. «Vermutlich haben die einen Gleis-Stau wegen dem Karnevalsfest der Dionysier. Wir sind aber immer noch im Zeitplan, keine Angst.»

Ihre mattblauen Augen fokussierten mich mit einer Intensität, die mich verlegen zur Seite schauen ließ. Ihre Gegenwart war auf einmal so einnehmend und allgegenwärtig, dass ich das Gefühl hatte, von einer Dampfwalze überrollt zu werden. Mein Herz klopfte einen Trommelwirbel.

Ich weiß nicht, ob auch nur ein Wort stimmt von dem, was du sagst. Bisher war alles nur gelogen ... gelogen ... gelogen ...

Die Haut unter meiner Gummi-Maske juckte, und ich unterdrückte das Bedürfnis, mich zu kratzen. Ich grapschte hektisch nach meinen Goggles und schoss vom Sitz hoch.

«Muss draußen frische Luft schnappen», sagte ich knapp.

Ein Vocoder, der mir anstelle eines Backenzahns installiert worden war, verzerrte meine Stimme dabei zu einem fremdartigen Alt. Meine neue Stimmlage hatte mich zuerst enorm verunsichert, aber mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt.

Die Füße dort zu platzieren, wo keine Taschen, Mäntel oder Beine den Weg versperrten, erwies sich als ein Ding der Unmöglichkeit. Ich öffnete meinen Mantel, um mehr Beinfreiheit zu haben, und zupfte und zerrte darunter am Rock meines dunkelvioletten und schrecklich zerknitterten Zweiteilers herum. Dabei trat ich Antonia mit den Absätzen meiner dunkelbraunen Lederstiefel auf den Fuß und erntete von ihr ein eulenhaftes Blinzeln und ungnädiges Knurren.

«´Tschuldigung», wisperte ich, balancierte mich an David vorbei und schob die metallene Tür unseres Abteils mit einem heftigen Ruck zur Seite.

Eine Gruppe weißgekleideter dionysischer Priesterinnen tippelte draußen laut schwatzend an mir vorbei. Die Parfumwolke, die sie umgab, löste in mir eine Flut verächtlicher Gedanken aus.

Das sind doch alles nur Prostituierte ..., bäumte sich die Apollinerin in mir auf.

Die Dionysier unter allen Umständen zu meiden, war mir in meiner Jugend im Humanium, unserer apollinischen Ausbildungsstätte, eingebläut worden. Die zügellosen Orgien der Dionysier und ihre Hingabe an die Naturgötter würden sie weit weg führen von der Erleuchtung, die wir Apolliner anstrebten, sagte man.

Ich schob die Tür unseres Abteils ruckartig hinter mir ins Schloss.

Hör auf damit, Anna!, rügte ich mich. Du bist jetzt keine Apollinerin mehr. Du bist Christin. Gott beurteilt die Menschen nicht nach ihrem Äußeren. Jedes Individuum ist einzigartig und kostbar in seinen Augen.

Die Priesterinnen schwangen ihre Hüften bis zum Waggon-Ende links von mir, wo eine Glastür knallend hinter ihnen zufiel. Ihr Gegacker ebbte zu einem leisen Kichern ab. Außer dem Gemurmel und gedämpften Gelächter aus den Abteilen ringsum umhüllte mich angenehme Stille.

Der verblichene Teppichboden unter meinen Füßen stank nach abgestandenem Rauch und Urin.

Ich wandte mich nach rechts und ging an Fenstern vorbei, die von gräulich-schmutzigen Vorhängen eingefasst waren, bis der Gang sich verbreiterte. Hier befanden sich links und rechts die Ausstiege. Nach jedem Bahnhofs-Halt verriegelten die allgegenwärtigen Sicherheitswächter sie von außen.

Auch hier im Zug waren sie präsent. Einer von ihnen stand vor der Schiebetür am anderen Ende des Waggons, durch die die Dionysierinnen gegangen waren, und starrte mich an.

Mit aller Kraft besänftigte ich den Fluchtdrang, der in mir aufstieg.

Reiß dich zusammen, Anna! Der weiß nicht, wer du bist. Deine Camouflage ist perfekt. Benimm dich ganz normal!

Ich wandte ihm betont gleichgültig den Rücken zu und beugte mich vor, um aus einem Fenster zu schauen.

Wir standen noch immer. Eine asphaltierte Straße lief auf dieser Seite des Zuges parallel zu den Gleisen in die Grenzstadt hinein. Daneben ragte eine steile Sandsteinwand auf. Dieser Fels gehörte vermutlich zu der einsamen Bergformation auf...
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