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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Ulrike Helmer Verlagerschienen am14.02.2022
Nach dem Schulabschluss steht den beiden Freundinnen Cornelia und Maya die Welt offen. Was wollen sie studieren? Und wo werden sie leben? Eines ist sicher: Sie wollen den Weg in die Zukunft gemeinsam gehen. Doch dann passiert ein grausames Unglück, und dort, wo eben noch Vorfreude schwang und Möglichkeiten lockten, ist nichts als ein rabenschwarzes Loch. Gefühlvoll und mit Humor erzählt Mirjam Müntefering von Schuld, Vergebung und der Kraft der Liebe.

Mirjam Müntefering ist Filmwissenschaftlerin und Fernsehredakteurin, arbeitete für TV- und Print-Medien. Seit 1998 wurde sie als Autorin von Romanen für Erwachsene und Jugendliche erfolgreich und war als solche in diversen Fernseh-Talkshows zu Gast. Die »CouLe«-Preisträgerin setzt sich seit jeher für die rechtliche Gleichstellung aller Partnerschaften ein und wirbt für mehr Diversität in der Literatur. Die hauptberufliche Autorin fühlt sich in vielen Genres wohl. In ihrer Freizeit widmet sie sich dem Tierschutz und führte viele Jahre lang eine eigene Hundeschule.
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Verfügbare Formate
BuchDiverses, Unbestimmt
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextNach dem Schulabschluss steht den beiden Freundinnen Cornelia und Maya die Welt offen. Was wollen sie studieren? Und wo werden sie leben? Eines ist sicher: Sie wollen den Weg in die Zukunft gemeinsam gehen. Doch dann passiert ein grausames Unglück, und dort, wo eben noch Vorfreude schwang und Möglichkeiten lockten, ist nichts als ein rabenschwarzes Loch. Gefühlvoll und mit Humor erzählt Mirjam Müntefering von Schuld, Vergebung und der Kraft der Liebe.

Mirjam Müntefering ist Filmwissenschaftlerin und Fernsehredakteurin, arbeitete für TV- und Print-Medien. Seit 1998 wurde sie als Autorin von Romanen für Erwachsene und Jugendliche erfolgreich und war als solche in diversen Fernseh-Talkshows zu Gast. Die »CouLe«-Preisträgerin setzt sich seit jeher für die rechtliche Gleichstellung aller Partnerschaften ein und wirbt für mehr Diversität in der Literatur. Die hauptberufliche Autorin fühlt sich in vielen Genres wohl. In ihrer Freizeit widmet sie sich dem Tierschutz und führte viele Jahre lang eine eigene Hundeschule.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783897419261
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum14.02.2022
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1222 Kbytes
Artikel-Nr.8916432
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



 

ZWEITER TEIL

Welchen Sinn hat die Zuweisung von Schuld?

Klärt sie ein eindeutiges Verhältnis von Gut oder Böse?

Gewichtet sie den Zorn derer, die als unschuldig gelten, als gerecht?

Bringt sie zurück, was verloren ist?

Opa streckte die Hand noch einmal in die Tüte mit dem harten Brot. Er nahm einen Kanten heraus und hielt ihn Pronto hin.

»Warte«, sagte ich und hielt seine Hand fest. »Er muss doch erst das andere aufessen.«

»Ach ja«, murmelte Opa und sah zufrieden dabei zu, wie das alte Pony unsere Brotgaben wegmümmelte.

Wir verfütterten auch das letzte Stückchen Brot an den Wallach, und schließlich erwischte Pronto sogar die Brötchentüte und schwenkte sie vor unserer Nase hin und her, als wolle er überprüfen, ob sie auch tatsächlich leer war.

Opa kicherte und sah mich mit leuchtenden Augen an.

Beim Blick in mein Gesicht verschwand sein Grinsen plötzlich wieder. Ich nahm rasch seine Hand und lächelte ihn an.

»Zeit, heimzugehen«, sagte ich.

»Zeit fürs Abendessen. Gibt es Pudding?«, fragte er und schien den ernsten Ausdruck, der gerade noch auf meinem Gesicht gelegen hatte, bereits vergessen zu haben.

Auf dem Heimweg erzählte Opa von seinen Plänen für den Abend. Er wollte Pudding essen, anschließend mit mir gemeinsam Wie Findus zu Petterson kam lesen und dann Memory spielen.

Ich lauschte seiner zittrigen, jungenhaften Altmännerstimme und ergänzte das, was er noch vergessen hatte: Seine kleine Stoffmaus Susi musste beim Abendessen neben ihm sitzen, Großmutter musste schimpfen, dass Pudding kein richtiges Essen sei, Opa musste mich beim Memory-Spielen haushoch schlagen.

Das Leben war einfach für ihn.

Deswegen zog ich in den letzten Wochen seine Gesellschaft der eines jeden anderen vor.

Er wusste nichts.

Er war noch nie auf einer Beerdigung gewesen.

Er wusste, dass ich Auto fahren konnte, und fragte trotzdem nicht, warum ich es nicht mehr tat.

In der Zimmerstraße öffnete Großmutter uns die Tür, half Opa aus seiner Jacke und sagte zu mir: »Deckst du bitte schon mal den Tisch?« Ihre Stimme klang dabei nicht mitleidig, sie legte ihre Hand nicht auf meinen Arm und forschte auch nicht mit sorgenvollen Blicken in meinem Gesicht. Ihr Nichttun tat gut.

Der Abend verlief genau so, wie Opa ihn sich ausgemalt hatte.

Es geschah nichts Unvorhergesehenes.

Fast hätte man meinen können, alles sei in Ordnung, die Welt sei gut und gerecht.

Doch am Morgen war ich mit Alois und Gigi beim Rechtsanwalt gewesen.

Ich wollte keinen.

Ich brauchte keinen.

War trotzdem mitgekommen, weil dieser Termin nun einmal feststand.

Hatte dabeigesessen, zugehört. Den Hergang hatte ich schildern sollen. Hergang.

»Wenn ich Sie richtig verstehe«, hatte der Anwalt resümiert, »haben die beiden Mitfahrerinnen Sie angefeuert, so schnell zu fahren.«

Zögern.

»Ist das richtig? Haben die beiden Sie gedrängt, den Wagen vor Ihnen einzuholen?«

»Niemand hat mich gedrängt«, hatte ich geantwortet.

»Es war nur ein Spaß«, hatte Gigi hinzugesetzt und mich mitleidig angesehen.

Alois hatte mir die Hand auf den Arm gelegt.

»Es hat mich niemand gedrängt. Und niemand außer mir ist schuld. Niemand außer mir«, hatte ich wiederholt.

Der Anwalt hatte von mir zu Gigi geschaut und kaum merklich den Kopf geschüttelt.

Als ich jetzt von der Zimmerstraße aus nach Hause ging, fand ich dort einen kleinen Brief von Gigi, die mir mitteilte, dass sie und Alois bei Freunden seien, aber vor Mitternacht zurück sein würden. Neben dem Zettel lag eine Postkarte, auf der eine riesige Düne im Sonnenuntergang zu sehen war.

Sei bloß froh, dass Du nicht mitgefahren bist, stand auf der Rückseite in Hennings leicht krakeliger Handschrift. Nichts als Sand, Meer und knackige Baguettes! Gundi und ich langweilen uns schrecklich und können es kaum erwarten, wieder ins brütend heiße Deutschland zu kommen. Ach ja, hatte ich erwähnt, dass das Meer hier wunderbar erfrischend ist nach einem ausgiebigen Sonnenbad? Henning.

Ich musste schmunzeln. Unten hatte er noch hinzugesetzt: Ich denke jeden Tag an Dich. Und wünschte, Du wärst hier.

Einen Augenblick lang starrte ich auf diese letzten Worte, legte die Karte dann fort und ging hinüber in mein Zimmer.

Frankreich.

Das wäre weit fort. Aber wäre es weit genug?

Gigi war der Meinung gewesen, dass eine Reise genau das Richtige sei. Doch selbst wenn ich in der Lage gewesen wäre, irgendetwas zu wollen, hätte ich nicht reisen dürfen.

Der Strafantrag verbot mir, das Land zu verlassen. Was mir egal war. Ich verspürte nicht den geringsten Wunsch, irgendwo Urlaub zu machen.

Ich verspürte kaum etwas.

Nur das Fehlen.

Als ich im Bett lag und das Licht löschte, schloss ich zeitgleich die Augen so fest, dass sie brannten.

Ich wollte auf keinen Fall auch nur durch einen winzigen Spalt sehen. Ich wollte auf keinen Fall auch nur einen einzigen Stern erkennen.

Jeden Morgen war es dasselbe.

Da gab es diesen einen Augenblick, in dem ich aus dem Schlaf herüberdämmerte und mein Bewusstsein noch nicht erwacht war.

Wie unendlich süß und verlockend. Diese eine Sekunde pro Tag, in der mir mein Leben so schien wie immer. Wie früher. Wie davor.

Es gab mich, wohlig in meinem eigenen Bett. Und außerhalb meines Bettes gab es die Menschen, die ich liebte, die mich noch so viel weicher und inniger umgaben, als es die kuschelige Decke vermochte. Beinahe schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht, so wie es früher an guten, sonnenreichen Tagen auch geschehen war.

Doch dann.

Eiskaltes Wasser ergoss sich über meinen ganzen Körper.

Das Erstarren bis hinein in den innersten Kern.

Weil es mir wieder einfiel.

Wenn ich mir je etwas wünschte in dieser Zeit, dann war es das Vermeiden dieses Schocks, der mich jeden Morgen aufs Neue überfiel.

Manchmal war es ein Bild.

Meistens jedoch war es nur das Bewusstsein. Das Wissen, dass nun alles anders war.

Dann lag ich da wie gelähmt. Als könne eine einzige Bewegung die Wirklichkeit noch realer, noch schmerzhafter machen.

Ich wartete ihn ab, diesen ersten Moment. Weil ich gar nicht anders konnte.

Erst ganz langsam wagte ich, die Augen zu öffnen.

Nur zaghaft bewegte ich die Finger, die Füße.

Das Aufstehen wurde jeden Morgen zur Qual.

Warum auch aufstehen?

Gigi war meist schon zur Arbeit. Die Wohnung leer. So wie ich.

Draußen war es brütend heiß. Es hatte seit vier Wochen nicht mehr geregnet.

Der Regen hatte aufs Autodach geprasselt.

Mirko war zum Gasthof Fenscher Bach gerast und hatte von dort aus einen Krankenwagen und die Polizei gerufen.

Zehn Minuten später hörten wir das Martinshorn.

Der Wirt der Gaststätte, der mit Mirko zur Unfallstelle gefahren war, hatte mich aus dem Wagen gezogen und ein paar Meter weiter weg auf den Boden gelegt. Nasses Laub unter mir, das nach schwarzer Erde und Verwesung roch.

Ich vergrub das Gesicht darin und atmete den Geruch ein.

Ich sah nicht zum Auto hinüber.

Ich lag da und fror.

Meine Hände wurden kalt, meine Stirn schwitzte.

Ich lag mit geschlossenen Augen einfach da und dachte gar nichts.

»Können Sie mich hören?«, wurde ich mehrmals gefragt.

Als ich mich aufsetzte, übergab ich mich auf meine neuen Jeans. Sie waren blutig. Etwas klebte daran, das wie Haar aussah. Langes dunkles Haar wie das von Jenni.

»Schock«, sagte jemand.

Eine weiße Trage, Schnallen um meinen Körper, die mich hielten. Festhielten. Sicher hielten.

Irgendwo ein furchtbares Schreien. Ich wusste nicht, woher und von wem.

Drinnen war es wärmer. Und hell. Doch ich verschloss die Augen vor jedem Licht. Und ich fror. Mir war so kalt, dass ich dachte, eine dünne Eisschicht bilde sich auf meiner Haut.

Das war mein Schweiß.

»Wie heißen Sie?«, wurde ich gefragt. »Können Sie uns Ihren Namen sagen?«

»Maya«, flüsterte ich. »Was ist mit Maya?«

Ich bekam keine Antwort.

Doch kurz bevor die Türen des Krankenwagens geschlossen wurden, hörte ich das Donnern. Der Wind der Rotorflügel eines Hubschraubers.

Ich fragte nicht nach Jenni.

Das Krankenhaus, die Gänge und das gelbe Licht, das mir von der Decke ins Gesicht leuchtete, brachten endlich Erlösung.

Stiche in den Arm. Und Schlaf. Tiefer, dunkler Schlaf. Ohne ein einziges Bild.

Das Krankenhaus hatte mich nicht lange genug behalten.

Nach fünf Tagen wurde ich entlassen.

Gigi und Alois holten mich ab.

Alois wollte mich stützen, obwohl ich allein gehen konnte. Wir stiegen in einen Wagen, den ich nicht kannte, der jetzt sein Wagen war.

Zu Hause zogen wir dunkle Kleidung an.

Henning erschien in schwarzen Jeans, schwarzem T-Shirt und Jackett.

Sein Gesicht war das einzige, in das ich zu blicken wagte.

Er lachte nicht sein ansteckendes Henning-steckt-die-Welt-an-Lachen, aber in seinen dunklen Augen stand, dass er mich liebte. Dass nichts etwas daran änderte: Ich war seine beste Freundin. Das war meine Rettung an diesem...

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Mirjam Müntefering ist Filmwissenschaftlerin und Fernsehredakteurin, arbeitete für TV- und Print-Medien. Seit 1998 wurde sie als Autorin von Romanen für Erwachsene und Jugendliche erfolgreich und war als solche in diversen Fernseh-Talkshows zu Gast. Die »CouLe«-Preisträgerin setzt sich seit jeher für die rechtliche Gleichstellung aller Partnerschaften ein und wirbt für mehr Diversität in der Literatur. Die hauptberufliche Autorin fühlt sich in vielen Genres wohl. In ihrer Freizeit widmet sie sich dem Tierschutz und führte viele Jahre lang eine eigene Hundeschule.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt