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Verfluchte Berge

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
256 Seiten
Deutsch
DuMont Reiseverlagerschienen am01.10.20211. Auflage
Mit den E-Books der DuMont Welt - Menschen - Reisen sparen Sie Gewicht im Reisegepäck und können viele praktische Zusatzfunktionen nutzen!

Das E-Book basiert auf: 1. Auflage 2021, Dumont Reiseverlag

Wenn schon Isolation, dann richtig.
Anstatt Anfang Dezember 2020 nach Deutschland zurückzukehren, wo der Lockdown droht, bezieht Jörg Dauscher eine abgelegene Blockhütte im kosovarischen Hochland, in den sogenannten Verfluchten Bergen. Doch fürs kontemplative Schreiben ist zunächst wenig Zeit: Als blutiger Hüttenanfänger muss der Autor erst einmal lernen, wie man mit der Axt umgeht, wie man Tierspuren liest und welche Gefahren beim Wandern im Schnee drohen. Er erkundet die raue Berglandschaft und lotet dabei sein Verhältnis zur Natur aus, als ihn dieselbe mit einem extremen Wetterumsturz überrascht: Über Nacht fällt so viel Schnee, dass er von der Außenwelt abgeschnitten ist. Zu seinem eigenen Erstaunen fallen die Einschränkungen auf einmal leicht, die anfängliche Panik weicht einem Gefühl von Ruhe, Klarheit und Orientierung. Dauscher nimmt den Leser mit auf seine Reise in die unfreiwillige Isolation  - erfrischend unaufgeregt, mit humorvoller Distanz zu sich selbst und unerschrocken allem gegenüber, was er sowieso nicht ändern kann.

'Wer allein dort oben bleibt, muss verrückt sein oder konstant alkoholisiert!'

Tipp: Setzen Sie Ihre persönlichen Lesezeichen an den interessanten Stellen und machen Sie sich Notizen... und durchsuchen Sie das E-Book mit der praktischen Volltextsuche!



Jörg Martin Dauscher wurde im fränkischen Weißenburg geboren und ging 1996 zum Studium nach Berlin. Eher unabsichtlich machte er anschließend Karriere als Weinhändler, oder was man in Berlin so Karriere nannte: ein angenehmes Auskommen, viel Zeit für Reisen und keinerlei Rücklagen.
Eine Einladung ins ländliche Albanien 2006 veränderte seine Sichtweise und weckte die Neugier. Wiederholte Aufenthalte in Russland, Marokko und Georgien folgten. 2016 schließlich gab er seinen Job und seine Wohnung auf, um loszuziehen. Das alte Haus, das er inzwischen in Südalbanien bewohnt, das hat er nicht gesucht, das hat ihn gefunden. Von dort aus unternimmt er monatelange Ausflüge, unter anderem in den Kosovo, der ihm ans Herz gewachsen ist.
Jörg Dauscher ist der Meinung, jeder sollte zumindest ein Zweitland haben, wenn nicht gar ein drittes und ein viertes.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,95
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextMit den E-Books der DuMont Welt - Menschen - Reisen sparen Sie Gewicht im Reisegepäck und können viele praktische Zusatzfunktionen nutzen!

Das E-Book basiert auf: 1. Auflage 2021, Dumont Reiseverlag

Wenn schon Isolation, dann richtig.
Anstatt Anfang Dezember 2020 nach Deutschland zurückzukehren, wo der Lockdown droht, bezieht Jörg Dauscher eine abgelegene Blockhütte im kosovarischen Hochland, in den sogenannten Verfluchten Bergen. Doch fürs kontemplative Schreiben ist zunächst wenig Zeit: Als blutiger Hüttenanfänger muss der Autor erst einmal lernen, wie man mit der Axt umgeht, wie man Tierspuren liest und welche Gefahren beim Wandern im Schnee drohen. Er erkundet die raue Berglandschaft und lotet dabei sein Verhältnis zur Natur aus, als ihn dieselbe mit einem extremen Wetterumsturz überrascht: Über Nacht fällt so viel Schnee, dass er von der Außenwelt abgeschnitten ist. Zu seinem eigenen Erstaunen fallen die Einschränkungen auf einmal leicht, die anfängliche Panik weicht einem Gefühl von Ruhe, Klarheit und Orientierung. Dauscher nimmt den Leser mit auf seine Reise in die unfreiwillige Isolation  - erfrischend unaufgeregt, mit humorvoller Distanz zu sich selbst und unerschrocken allem gegenüber, was er sowieso nicht ändern kann.

'Wer allein dort oben bleibt, muss verrückt sein oder konstant alkoholisiert!'

Tipp: Setzen Sie Ihre persönlichen Lesezeichen an den interessanten Stellen und machen Sie sich Notizen... und durchsuchen Sie das E-Book mit der praktischen Volltextsuche!



Jörg Martin Dauscher wurde im fränkischen Weißenburg geboren und ging 1996 zum Studium nach Berlin. Eher unabsichtlich machte er anschließend Karriere als Weinhändler, oder was man in Berlin so Karriere nannte: ein angenehmes Auskommen, viel Zeit für Reisen und keinerlei Rücklagen.
Eine Einladung ins ländliche Albanien 2006 veränderte seine Sichtweise und weckte die Neugier. Wiederholte Aufenthalte in Russland, Marokko und Georgien folgten. 2016 schließlich gab er seinen Job und seine Wohnung auf, um loszuziehen. Das alte Haus, das er inzwischen in Südalbanien bewohnt, das hat er nicht gesucht, das hat ihn gefunden. Von dort aus unternimmt er monatelange Ausflüge, unter anderem in den Kosovo, der ihm ans Herz gewachsen ist.
Jörg Dauscher ist der Meinung, jeder sollte zumindest ein Zweitland haben, wenn nicht gar ein drittes und ein viertes.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783616031651
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.10.2021
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8919070
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


WOHINâDERâWINDâTRÄGT

1 Ich hatte den Sommer und den Herbst in Südalbanien verbracht, genauer gesagt in einem Küstendorf nahe der griechischen Grenze, wo ich dauerhaft ein Haus angemietet hatte. Eigentlich wollte ich bleiben, dann aber lief mein Visum aus und wurde trotz Antrag nicht verlängert. Daher musste ich, um keine hohe Strafe zu riskieren, das Land zügig verlassen, zu zügig, um noch einen günstigen Flug von Tirana aus zu bekommen. Griechenland hielt wegen der Corona-Pandemie die Grenze streng geschlossen, Montenegro im Norden desgleichen, sodass sich das Kosovo oder Mazedonien und damit der Osten als Ausweg anbot. Von dort aus würde ich problemlos weiter nach Deutschland kommen: Ich buchte ein Busticket für den folgenden Tag und einen Flug für zwei Wochen später. So kam ich abends am Busbahnhof von Prizren an, der zweitgrößten Stadt des Kosovo. Es war empfindlich kalt, viel kälter als noch ein paar Stunden zuvor in Tirana. Ich kannte die Stadt von einer früheren Reise und wusste wohin - aber so dunkel, windig und leer, wie sie sich jetzt zeigte, war sie mir doch neu. Nicht nur der November leerte die ansonsten vollen Straßen und Cafés, sondern auch eine frühe Sperrstunde, die im gesamten Kosovo galt. Der nahende Winter lag in der Luft, samt den Abgasen der Ausfallstraße und der stillen Katastrophe der Pandemie.

Prizren ist das Tor zum Sharri-Gebirge zwischen Kosovo und Mazedonien. Vor vier Jahren war ich hier mit Edis unterwegs, einem, man kann es nicht anders sagen, Sportfanatiker, der sein Haus zum Hostel ausgebaut und als Bergführer Beruf und Hobby in Einklang gebracht hatte. Im Sommer ist dort richtig was los, und so hatte ich die Stadt auch in Erinnerung: Prizren ist mit seiner Moschee, der alten Brücke und dem Shadervani-Platz durchaus auf der Liste der internationalen Backpackergemeinde. Vor allem das Alltagsleben hat Charme, und wer ein Ohr hat für Sprachen, dem wird auffallen, dass neben Albanisch auch Bosnisch, Türkisch und vereinzelt Serbisch gesprochen wird. Der serbische Präsident Milosevic hatte die Stadt einst als »albanerfrei« deklariert, doch es war anders gekommen, heute gibt es kaum noch Serben in der Stadt. Dass das Wort Kosovo kein Eigenname ist, sondern eine besitzanzeigende Form des Hauptwortes kos - das Amsel bedeutet, und zwar auf Serbisch -, hatte mir damals schon Edis erläutert: Kosovo polje bedeutet Amselfeld. Edis ist polyglott, er wechselt zwischen den Sprachen, je nachdem mit welchem Freund er gerade Kaffee trinkt. Er hat mich gelehrt, das Kosovo weniger als Land zu betrachten denn als Landstrich. Er sprach vom Kosovo als einer hügeligen Senke inmitten von Hochgebirgszügen, seit Jahrtausenden ein vergleichsweise freundlicher Siedlungsraum, der sich für Ackerbau ebenso wie für Viehzucht eignet. Daher überlappen und vermischen sich in den Ebenen die Siedlungsgebiete verschiedenster religiöser und ethnischer Gruppen. Albaner und Serben sind nur die prozentual stärksten, aber nicht die einzigen. Das ist keine besondere Eigenheit des Kosovo, vielmehr zeigt sich hier beispielhaft Balkangeschichte. Die gesamte Region ist heute noch von den gut fünfhundert Jahren osmanischer Herrschaft geprägt, die erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg endete.

Edis hatte das erste Pandemiejahr hauptsächlich mit Sport verbracht und zeigte mir stolz eine App, die seine Lauf-, Rad-und Trailrunning-Kilometer zählt: »Persönlicher Rekord. Und du so?«

Gott, was sollte ich sagen. Im Juli hatte ich mich aus Deutschland losgeeist, unternommen hatte ich kaum etwas, war fast ausschließlich im Dorf gewesen, hatte das Haus instand gesetzt und den verwilderten Garten gezähmt. Jetzt sollte es zurückgehen.

»Ich dachte, du wohnst inzwischen in Südalbanien?«

»Schon, aber immer noch als Tourist.«

»Das heißt?«

»Dass ich erst nach drei Monaten wieder zurückkann, wegen des Visums.«

»Und was willst du in Deutschland, bleib doch im Süden!«

Nun, die Winter im Süden zu verbringen, das ist so eine romantische Idee, die nichts von schlecht isolierten Häusern, nasskaltem Wetter und der allgemeinen Misere weiß, die rund um das Mittelmeer mit dem Novemberregen einsetzt. Nein, im Winter ist es im Norden eindeutig besser, dort sind die Tage zwar kürzer, die Sonne bleich, aber die Wohnungen, die Cafés und Gaststuben gut beheizt und gemütlich. Dort und in den Bergen, also überall, wo man auf längere Kälteperioden eingestellt ist, lässt es sich aushalten.

»Dann geh doch hier in die Berge!«

»Wohin denn? Und wenn, dann bräuchte ich was für länger.«

Ich dachte, mit diesem Anspruch würde ich Edis den Wind aus den Segeln nehmen, aber das Gegenteil war der Fall, er nahm Fahrt auf.

»Da findet sich schon was!«

»Du weißt, ich bin ein armer Schreiberling!«

»Mach dir keine Sorgen. Pass auf, am Ende schreibst du noch was über das Kosovo!«

Wir saßen in der kleinen Küche des Hostels, denn nur dort stand ein Gasofen. Außer mir gab es keine weiteren Gäste, ein Japaner war am selben Tag in Richtung Tirana aufgebrochen, unbeeindruckt von Pandemie und PCR-Tests.

Am nächsten Morgen stand ich früh auf, die Kälte warf mich aus dem Bett. Ich spazierte am Fluss entlang zum Shadervani-Platz und sah bei einem ersten Kaffee den Straßenfegern zu, deren Westen und Tonne so gelb waren wie das Herbstlaub der Kastanien. Noch zwei, drei kalte Tage, ein bisschen Wind, und die Bäume würden kahl sein. Edis schickte eine Nachricht, er sei im Café Tomos und warte auf mich.

Er hatte wie üblich hier seinen Laptop aufgebaut, denn im Café war es warm. Ein Grund, warum sie hierzulande die Cafés tagsüber gar nicht zumachen können, dachte ich, Pandemie hin, Pandemie her! Edis sah kurz auf und rief: »Mentor!«

»Bitte was?«

»Mentor ist dein Mann!«

»Mein Mann wofür?«

Er hämmerte auf die Tastatur, schloss irgendeinen Chat ab, schmiss den Laptop zu und erklärte: »Für die Berge!«

Mentor fahre Touristen Sommer für Sommer mit Land-Rovern durch die Berge, zum Wandern und Bergsteigen, und organisiere auch im Winter Touren - der kenne alles und jeden im Rugova-Tal bei Peja. Und ganz gewiss auch irgendeine Hütte. Ich solle es mir überlegen und dann Mentor anrufen, der sei ein Freund von ihm: »Hier die Nummer!«

Edis schob mir einen Zettel zu. Ich äußerte Bedenken: Ich hätte knöchelhohe Wanderstiefel dabei, das ginge, aber außer einer Tweedjacke keine annähernd winterfeste Kleidung.

Edis lachte: »Wann zum Teufel löst du dich endlich von deinem Tweedfimmel?!«

Er war, wie alle Sportler, ein großer Fan von Funktionskleidung und buntem Plastik am Körper. Nicht zu Unrecht, aber wenn man unterwegs ist und begrenzt Gepäck mitnehmen kann, dann ist Wolle meine erste Wahl. Mit einer Tweedjacke geht einfach alles: Berggang, Café, Restaurant. Eine Tweedjacke ist das Pendant zur Handtasche: In den drei Innentaschen lassen sich wunderbar Dokumente, Reisepass, Geldscheine verstauen, in die Brusttasche wandert weiterer Kleinkram, die verbliebenen Außentaschen kann man mit Proviant oder Büchern füllen! Ein ums andere Mal hatte ich es geschafft, ohne Aufgabegepäck zu fliegen, nur weil ich eine Tweedjacke trug. Selbst bei moderatem Regen hält Tweed dicht, sein einziger Nachteil ist das Gewicht und dass er, einmal durchnässt, Tage braucht, um zu trocknen. Die Jacke war also gesetzt, für den Rest verwies mich Edi an seinen Intersportladen, an der Tangente am anderen Ende der Stadt.

Ich verlief mich gründlich und landete stattdessen in einem völlig anderen Viertel und einem Billigladen mit chinesischer Importware: Schaltuch, Handschuhe, mehrere paar Strümpfe, lange Unterwäsche, Mütze - erledigt! In einen wasserdichten Anorak würde ich erst investieren, wenn es tatsächlich hinaufging, das hatte noch Zeit. Als ich mit einer Tasche links und einer rechts zurück ins Zentrum lief, schienen die Würfel gefallen. Zwar hatte ich in Deutschland schon seit Jahren keine Wohnung mehr, aber ich hätte im Fränkischen oder in Berlin bei Freunden Unterschlupf gefunden beziehungsweise ein kleines Apartment zur Verfügung gehabt. Doch das Vorhaben, nach Deutschland zu fliegen, kam mir zunehmend bescheuert vor: Wozu? Um dort doof rumzusitzen? Die Nachrichten klangen nicht gut: Deutschland hatte sich vergaloppiert, eben noch war man stolz auf niedrige Zahlen, schon explodierten sie, und der ratlosen Politik fiel nichts anderes ein, als den Laden dichtzumachen. Sollte ich also fliegen, dann würde ich ohne Zweifel den Winter in irgendeiner Wohnung verbringen, niemanden sehen und nur zum Einkaufen hinausgehen. Keine guten Aussichten und nur dann eine Option, wenn man keine andere hat. Also, wenn schon Isolation, dann bitte richtig, dachte ich. Und wenn schon Rückzug zwischen vier Wände und Konzentration auf das Wesentliche, dann doch nicht dort, wo die Supermärkte und die Fabriken geöffnet haben, sondern dort, wo es beides nicht mehr gibt, wo es gar nichts mehr gibt, wo sich Kontaktreduzierung von allein ergibt: in der Natur, in den Bergen, im Kosovo!

Noch am selben Abend kontaktierte ich Mentor. Ich berief mich auf Edis und schilderte mein Anliegen.

»Für wie lange?«

»Ein bis zwei Monate.«

Ehrlichkeit schien mir Grundbedingung, um irgendwohin zu kommen, jetzt aber, da ich mich den Zeitraum aussprechen hörte, war ich selbst ein bisschen beeindruckt. Mentor hingegen keineswegs, er blieb stocknüchtern und wollte wissen, wozu ich in die Berge wolle.

»Zum Schreiben.«

Ob ich etwas für umsonst suchen würde oder zahlen wolle.

»Zahlen natürlich! Aber ich suche keinen Luxus, und reich bin ich auch nicht.«

Versprechen könne er...
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