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Das ewige Rauschen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Arche Literatur Verlagerschienen am16.03.20221. Auflage
Fest in der Erde steht ein Banyanbaum. Durch seine Blätter und Luftwurzeln streichen die Winde. Sie erzählen ihm die Geschichte von Abbayi und seiner deutsch-indischen Familie. Sie erzählen von einem Mädchen, das an der Ostsee geboren wird und während der Nachkriegszeit mit seiner Familie durch Deutschland zieht. Von einem indischen Bauern, der für seine Tomatenpflanzen singt und für seine beiden Frauen. Von einem Glückssucher, dem die Welt zu klein für seine Ideen ist und der sein Heimatland verlässt. Von einer Frau, die sich in den Fremden verliebt, und schließlich von einem jungen Mann, der sich zeit seines Lebens zwischen den Welten bewegen wird. ?Das ewige Rauschen? ist ein großer wie lebenspraller Roman über die Fragen, wer wir sind, wo wir Wurzeln schlagen - und was wir dafür brauchen.

Krisha Kops wurde 1986 in eine deutsch-indische Familie geboren und studierte an der London and Westminster University Philosophie und internationalen Journalismus.Er promovierte im Bereich interkulturelle Philosophie an der Universität Hildesheim.Heute arbeitet er als freiberuflicher Journalist in Indien und Deutschland und schreibt u.a.für die ?taz?, für ?DLF Kultur? und das ?SZ Magazin?.Außerdem hält er Vorträge und leitet Workshops zu indischer Philosophie.Kern seiner Arbeit ist eine interkulturelle Perspektive auf Politik, Kultur und Gesellschaft.Mit seinem Debütroman ?Das ewige Rauschen? nahm Kops an der Autorenwerkstatt ?Heimat.Heute? im Dresdner SLUB sowie an der Autorenwerkstatt des Literarischen Colloquium Berlin teil.2020 wurde er mit dem ?Haidhauser Werkstattpreis? ausgezeichnet.Neben seiner theoretischen Arbeit verantwortet er im Rahmen seiner praktischen philosophischen Tätigkeit die Geschäftsführung von ?wirhelfen.eu?.Krisha Kops lebt in München.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextFest in der Erde steht ein Banyanbaum. Durch seine Blätter und Luftwurzeln streichen die Winde. Sie erzählen ihm die Geschichte von Abbayi und seiner deutsch-indischen Familie. Sie erzählen von einem Mädchen, das an der Ostsee geboren wird und während der Nachkriegszeit mit seiner Familie durch Deutschland zieht. Von einem indischen Bauern, der für seine Tomatenpflanzen singt und für seine beiden Frauen. Von einem Glückssucher, dem die Welt zu klein für seine Ideen ist und der sein Heimatland verlässt. Von einer Frau, die sich in den Fremden verliebt, und schließlich von einem jungen Mann, der sich zeit seines Lebens zwischen den Welten bewegen wird. ?Das ewige Rauschen? ist ein großer wie lebenspraller Roman über die Fragen, wer wir sind, wo wir Wurzeln schlagen - und was wir dafür brauchen.

Krisha Kops wurde 1986 in eine deutsch-indische Familie geboren und studierte an der London and Westminster University Philosophie und internationalen Journalismus.Er promovierte im Bereich interkulturelle Philosophie an der Universität Hildesheim.Heute arbeitet er als freiberuflicher Journalist in Indien und Deutschland und schreibt u.a.für die ?taz?, für ?DLF Kultur? und das ?SZ Magazin?.Außerdem hält er Vorträge und leitet Workshops zu indischer Philosophie.Kern seiner Arbeit ist eine interkulturelle Perspektive auf Politik, Kultur und Gesellschaft.Mit seinem Debütroman ?Das ewige Rauschen? nahm Kops an der Autorenwerkstatt ?Heimat.Heute? im Dresdner SLUB sowie an der Autorenwerkstatt des Literarischen Colloquium Berlin teil.2020 wurde er mit dem ?Haidhauser Werkstattpreis? ausgezeichnet.Neben seiner theoretischen Arbeit verantwortet er im Rahmen seiner praktischen philosophischen Tätigkeit die Geschäftsführung von ?wirhelfen.eu?.Krisha Kops lebt in München.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783037901427
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum16.03.2022
Auflage1. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1946 Kbytes
Artikel-Nr.9010926
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Rajdhaniexpresswind

Als Ramu geboren wird, ziehen Tausende rote Pferde Wind VÄyu mit seinem leuchtenden Wagen durch den Himmel. Blitzlicht zuckt über Sri Devis schmerzverzerrtes Gesicht, Donner nach Donner stiehlt ihr ihre Schreie. Regen tritt durch Fenster- und Türritzen, mischt sich mit Fruchtwasser, Blut und sonstigen Flüssigkeiten. In dem Moment, als VÄyu auch die letzte Kerze ausbläst, kommt Ramu auf die Welt, in vollkommener Dunkelheit, erst still, dann mit einem Schrei, der jedweden Donner vertreibt. Einem Schrei, der den Rest seines Lebens nachhallen wird. Warum er denn so schreit?, frage ich die Winde. Nach kurzer Flaute hebt Wind Rudra an und erklärt, dass in Ramu etwas von Dá¹á¸hasyu, dem Sohn eines Weisen und einer betörenden Philosophin, stecke. Wie Dá¹á¸hasyu die Veden zitierte, als er zur Welt kam, da er sie durch seine immerzu rezitierenden Eltern bereits im Mutterleib vernahm, brüllt Ramu bei seiner Geburt die Schreie, die er von seinen Eltern nur allzu gut kennt. Hätte Anand Sri Devi nicht daran erinnert, dass es der Name eines Dämons sei, hätte sie ihn fast RÄvaá¹a genannt, was nichts anderes als Schrei heißt.

So schreit Ramu die Grimassen schneidenden Affen an, wenn sie ihm die Nüsse aus der Hand klauen, schreit, wenn er Lassi oder Chai will, schreit auf dem Kricketfeld, schreit einfach so. Nur wenn Ramu und sein älterer Bruder Ravi auf dem Hausdach sitzen wie zwei Vögel auf meinen Ästen, ist er ganz still. Dann baumeln zwei kurze neben zwei längeren Beinen vom Dach, und Ramu hört seinem Bruder zu, wie er bedacht spricht, in die Sterne deutet und ihm das Universum erklärt: Rey Tammuá¸u, hey, willst du die zwei wichtigsten Dinge wissen, die man vom Nachthimmel erfahren kann?

Ramu nickt; während sein Kinn sich nach unten bewegt, wandern seine Augen nach oben.

Weißt du, dass es in unserem Universum Hunderte Millionen von Galaxien gibt? Und allein in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, gibt es Hunderte Millionen Sterne. Wenn du merkst, dass du übermütig wirst - hörst du Rey Tammuá¸u? -, wenn du denkst, du wärst besser, schöner, schlauer oder was auch immer, dann ... dann schau in die Sterne. Merkst du, wie klein und unbedeutend du dir jetzt vorkommst?

Ramu nickt.

Wir sind nichts im Vergleich zu all dem da oben, fährt Ravi fort. Die Alten sagen, die Sterne sind Seher, Krieger und Könige, die sich ihren Platz am Himmel erobert haben. Das ist Unsinn. Weißt du, dass Sterne eigentlich nichts anderes sind als ein Leuchten eines Planeten, der schon nicht mehr ist?

Ramu schüttelt den Kopf.

Unsere Erinnerungen sind nichts anderes. Sie sind ein übrig gebliebenes Licht von etwas, das nicht mehr existiert. Ich wünsche mir von dir, dass du irgendwann einmal in die Sterne schaust und dich an mich erinnerst. Ja? Versprichst du mir das?

Ramu nickt.

Plötzlich schnellt Ravis Hand in den Himmel, greift nach etwas, zieht es sogleich an sich, bevor er seine Hände ganz nah an sein Gesicht hält, sie etwas öffnet und mit einem Auge in die Öffnung hineinlinst.

Was hast du da? Was hast du da?, fragt Ramu, seine Beine jetzt noch stärker baumelnd.

Sieh selbst, sagt Ravi und streckt ihm seine Hände entgegen. Es ist eine Sternschnuppe. Ich habe sie gefangen. Kannst du sie sehen, Rey Tammuá¸u?

Ramu schließt das eine Auge, presst das andere gegen die Öffnung in Ravis Händen und sagt: Jaaaaa. Ich kann sie sehen. Ja. Sie leuchtet. Sie funkelt wie wild.

Ich habe sie für dich gefangen. Du kannst sie behalten.

 

Ravi zählt gerne Sterne und kennt die meisten ihrer Namen sowie die der Sternbilder, die sie gemeinsam zeichnen. Aber er weiß mehr als nur die Namen von Orion, dem Antilopenkopf, und dessen Jäger Rudra, den man in Sirius wiederfindet. Er weiß, warum meine Blätter grün sind und meine Wurzeln nach unten wachsen, weiß, warum keiner stirbt, wenn die indischen Soldaten einundzwanzig Salutsalven in den Himmel schießen und diese wieder auf die Erde regnen.

Ravi weiß so viel, dass er in der Schule immer einen Kopf kleiner ist als seine Klassenkameraden.

Ramu will wie sein älterer Bruder Ravi sein, so klug, so geliebt, und er ist ein wenig wie er, hat die gleichen Locken, die vollen Lippen, die großen dunklen, von Sri Devi vererbten Kuhaugen. Wenn sein Bruder in einem Buch liest, tut auch er so, als ob, schaut angestrengt, blättert um, wenn sein Bruder umblättert, bis ihm seine Schwester Dipa das Buch richtig rum dreht. Rückt Ravi mit seinem Zeigefinger seine Brille zurecht, tut es ihm Ramu mit seiner imaginären gleich. Ramu läuft seinem Bruder hinterher, ahmt seinen schlaksigen Gang nach, versucht, genauso große Schritte zu gehen wie er. Nur diesen traurigen Blick, der seinem Bruder trotz seines Lachens im Gesicht steht, kann er nicht nachmachen, egal, wie sehr er sich bemüht.

Du bist wie dein Großvater, du kannst lachen und weinen zugleich, sagt Sri Devi zu ihrem ältesten Sohn.

Nur warum, das weiß keiner, nicht einmal die Winde, die zuweilen das Gefühl haben, Ravi würde sie besser kennen als sie ihn, so sehr, wie er sie auf dem Hausdach bei bedecktem Himmel studiert. Wenn Anand alle in seinem weißen Ambassador zu den Tomatenfeldern mitnimmt, darf Ravi meistens vorne sitzen. Sri Devi gibt ihm immer den ersten und letzten Chapati, Anand bekommt den zweiten, Ramu den dritten und seine Schwester Dipa den vierten.

Ramu tut so, als sei es ihm egal. Wenn er sich doch ärgert, oder ihm zum Schreien zumute ist, schaut er in die Sterne und redet sich ein, nicht übermütig zu werden. Er verbringt die meiste Zeit bald ohnehin in der Schule, zwar nicht in der Klasse, aber in der Schulbibliothek, unter dem Banyanbaum im Schulhof oder auf dem Spielfeld dahinter.

Die Lehrer mögen ihn nicht besonders, weisen ihm oft mit dem Zeigestab den Weg nach draußen. Er sei zu laut, zu aufmüpfig, heißt es. Außerdem würde er Fragen stellen, die Schüler besser für sich behalten sollten, Fragen, die seine Hände mit roten Striemen überziehen. Fragen, die nur Ravi beantworten kann, nicht aber die Lehrer.

In der Bibliothek wendet Ramu die Seiten der Bücher allmählich genauso behände wie sein Bruder, streichelt beim Lesen wie dieser mit seinen Fingern die Zeilen, blickt wie er mit einer angehobenen Augenbraue auf die Worte herunter. Wenn ihn keiner sieht, verschlingt er die Bücher gar, isst sie auf von vorne bis hinten. Neben Physik-, Mathematik- und Chemiebüchern vor allem die englischsprachigen. Er zerreißt das Papier, Stück für Stück, schluckt dann Worte, Sätze, längst vergangene Gedanken und kaut auf den Einbänden herum. Manchmal goutiert er die einzelnen Wörter, zerlegt eine Vokabel wie an-te-di-lu-vi-an in ihre einzelnen Silben, hebt sie an der einen oder anderen Stelle an und schmeckt ihren Klang, bevor er auch sie verdaut.

Weder kann sich der Bibliothekar erklären, warum seine Bibliothek schrumpft, noch hat Sri Devi die leiseste Ahnung, weshalb ihr jüngster Sohn in diesen Jahren so oft an Magenschmerzen leidet.

Die Göttin der Sprache wartet in Ramus Rachen, während sie gelegentlich ihren Wortzauber für einen Lichtstrahl der Welt eintauscht. Nur wenn Ramu auf der Toilette sitzt, versteckt sie sich wieder in seinem Innersten, denn auch dort liest er am liebsten das Oxford Dictionary, vergisst die Zeit und blockiert das Bad nicht selten zwanzig, dreißig Minuten lang.

Wenn Anand endlich sein Geschäft verrichten darf, das Wasser aber wieder einmal nicht läuft, würde er am liebsten die Seiten des Wörterbuchs rausreißen und als Toilettenpapier benutzen. Es ist nicht allein das Warten, das ihm Falten auf die Stirn treibt, sondern auch die Erkenntnis, dass seine Söhne in einer Geheimsprache sprechen, einem Englisch, das er selbst kaum zu verstehen vermag, mit all diesen hochgestochenen Begriffen wie meretricious, pulchritudinous und impecunious. Wenn Ravi und Ramu so reden, recken sie ihre Nasen in die Höhe und versuchen sich in einem britischen Akzent, bis sie lachen müssen.

Was Ravi seinem jüngeren Bruder Ramu beibringt, gibt der an seine Freunde und Mitschüler weiter, wenn er im Schulhof unter dem Banyanbaum sitzt. Die Feige ist kleiner als die in der Stadtmitte, kleiner als ich, und doch groß genug, dass ihr Schatten über den ganzen Schulhof fällt. Ihre wippenden Zweige winken die Kinder in der Mittagspause zu sich herbei. Wie Ká¹á¹£á¹a einst unter mir stand und die Weisheiten des heiligen Sangs verkündete, sitzt Ramu dann wie ein Yogi im Schneidersitz unter diesem Baum und berichtet von seinen. Obwohl ich auf Ramus Haut kein rindiges Mal erkennen kann, bin ich mir nicht sicher, ob bereits er etwas von diesem Baum in sich aufnimmt und es seinem zukünftigen Sohn mitgibt, diesem Jungen, der mit dem aus Kork und Bast geflochtenen Fleck auf der Haut geboren werden soll.

Die Winde rauschen durch die Baumkrone, Sonnenstrahlen zwängen sich durch Blätter, und Ramu erzählt und erzählt. Er mag das Vibrieren seiner Stimmbänder, den Klang seiner Stimme, besonders, wenn er sie anhebt, um auch die Jungen in den letzten Reihen zu erreichen. Am liebsten hören sie Ramu zu, wenn er über Mädchen und ihre Brüste spricht. Er teilt sie in Früchte ein.

Was sind die großen Busen?, fragt ein Junge mit geschorenen Haaren in der ersten Reihe.

Nur Jackfrucht, antwortet Ramu.

Und die nicht ganz so großen, aber immer noch großen? Die, die man an den Statuen sehen kann?

Nur Mangos, antwortet Ramu, ohne zu zögern.

Und die kleinen?, fragt eine zaghafte Stimme aus den hinteren Reihen, die Ramu nicht genau verorten kann.

Er überlegt kurz, hebt dann seine Stimme an und sagt: Belafrüchte. Manche sind aber auch...
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Krisha Kops wurde 1986 in eine deutsch-indische Familie geboren und studierte an der London and Westminster University Philosophie und internationalen Journalismus.Er promovierte im Bereich interkulturelle Philosophie an der Universität Hildesheim.Heute arbeitet er als freiberuflicher Journalist in Indien und Deutschland und schreibt u.a.für die >tazDLF KulturSZ MagazinDas ewige RauschenHeimat.HeuteHaidhauser Werkstattpreiswirhelfen.eu