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Die Kunst des Fallens

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am24.08.2022
Eine Frau in der Krise - die irische Autorin erzählt vom ganz normalen Leben, von den kleinen Dramen, die große Wirkung haben, von verletzten Gefühlen, versteckten Lügen, unerfüllten Sehnsüchten. Und wie leicht ein Leben aus den Fugen geraten kann, auch wenn man glaubt, alles ganz gut unter Kontrolle zu haben.
Nessa McCormack will nach einer Affäre ihres Mannes ihre Ehe retten, ihre Tochter ist im kompliziertesten Teenageralter, und sie steht am Höhepunkt ihrer Karriere: Sie kuratiert eine Ausstellung über den kürzlich verstorbenen Robert Locke, einen Bildhauer, den sie noch persönlich kannte und verehrte. Doch plötzlich taucht eine Frau auf, die hartnäckig behauptet, die wahre Schöpferin von Robert Lockes berühmtester Skulptur zu sein. Und dann droht auch noch eine längst verdrängte Lüge aus Nessas Vergangenheit ans Licht zu kommen ...

Danielle McLaughlin hat als Rechtsanwältin praktiziert, bevor sie mit 40 Jahren zu schreiben begann. Ihre Geschichten wurden in The New Yorker, The Irish Times, The Stinging Fly und verschiedenen Anthologien veröffentlicht, sie gewann u.a. die William Trevor/Elizabeth Bowen International Short Story Competition und den Willesden Herald International Short Story Prize. Ihr Erzählungsband »Dinosaurier auf anderen Planeten« kam 2015 auf die Shortlist der Irish Book Awards Newcomer of the Year und wurde 2019 mit einem der höchstdotierten literarischen Preise weltweit ausgezeichnet, dem Windham-Campbell Prize. »Die Kunst des Fallens« kam 2022 auf die Shortlist des Dublin Literary Award. Danielle McLaughlin lebt im County Cork, Irland.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextEine Frau in der Krise - die irische Autorin erzählt vom ganz normalen Leben, von den kleinen Dramen, die große Wirkung haben, von verletzten Gefühlen, versteckten Lügen, unerfüllten Sehnsüchten. Und wie leicht ein Leben aus den Fugen geraten kann, auch wenn man glaubt, alles ganz gut unter Kontrolle zu haben.
Nessa McCormack will nach einer Affäre ihres Mannes ihre Ehe retten, ihre Tochter ist im kompliziertesten Teenageralter, und sie steht am Höhepunkt ihrer Karriere: Sie kuratiert eine Ausstellung über den kürzlich verstorbenen Robert Locke, einen Bildhauer, den sie noch persönlich kannte und verehrte. Doch plötzlich taucht eine Frau auf, die hartnäckig behauptet, die wahre Schöpferin von Robert Lockes berühmtester Skulptur zu sein. Und dann droht auch noch eine längst verdrängte Lüge aus Nessas Vergangenheit ans Licht zu kommen ...

Danielle McLaughlin hat als Rechtsanwältin praktiziert, bevor sie mit 40 Jahren zu schreiben begann. Ihre Geschichten wurden in The New Yorker, The Irish Times, The Stinging Fly und verschiedenen Anthologien veröffentlicht, sie gewann u.a. die William Trevor/Elizabeth Bowen International Short Story Competition und den Willesden Herald International Short Story Prize. Ihr Erzählungsband »Dinosaurier auf anderen Planeten« kam 2015 auf die Shortlist der Irish Book Awards Newcomer of the Year und wurde 2019 mit einem der höchstdotierten literarischen Preise weltweit ausgezeichnet, dem Windham-Campbell Prize. »Die Kunst des Fallens« kam 2022 auf die Shortlist des Dublin Literary Award. Danielle McLaughlin lebt im County Cork, Irland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641171971
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum24.08.2022
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1548 Kbytes
Artikel-Nr.9098734
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Mehr sein als scheinen. Das war als Schulmotto in den Bogen über dem Eingang in den Stein gemeißelt. Beim Hineingehen sah man es auf Englisch, beim Hinausgehen auf Lateinisch - Esse Quam Videre -, offenbar sollte es widerspiegeln, dachte Nessa, dass die Mädchen, die durch diese Pforte schritten, nach Bildung strebten. Jennifer, ihre Tochter, plagte sich derweil mit Französisch für Anfänger herum.

Nessa hatte mehrere Abkürzungen genommen, der Gott der Verkehrsampeln war ihr gewogen gewesen, und so kam sie zu ihrer Besprechung nur siebzehn Minuten zu spät. Auf dem Besucherparkplatz fand sie eine Lücke zwischen einem Audi und einem BMW-Kombi. Es war April, und die Schulsportplätze waren frisch und grün. Hinter den Sportplätzen lag Cork, die grauen Schieferdächer der Stadt versilbert vom eben gefallenen Regen. Nessa ging an dem zweigeschossigen Betonklotz aus den Siebzigern vorbei zu dem neuen Anbau aus Stahl und Glas, in dem sie Ms Johnson, Jennifers Jahrgangsleiterin, treffen sollte. Sie war sich nicht sicher, warum sie in die Schule bestellt worden war. Jennifers Noten hatten sich seit dem vorigen Trimester verbessert. Und sie war ein höfliches Mädchen, die Wortwechsel mit ihren Eltern nicht mitgezählt.

Ms Johnson wartete in einem leeren Klassenraum und korrigierte Arbeiten. Dabei fiel ihr blondes Haar nach vorn. »Sie müssen Jennifers Mutter sein«, sagte sie beim Aufblicken und wies auf einen Stuhl. »Nessa, nicht wahr?«

»Richtig.« Nessa setzte sich, schob sich das dunkle Haar hinters Ohr. Sie fand Ms Johnson sympathisch, die kaum mehr als ein junges Mädchen und zu Jennifer immer nett gewesen war. Wenn Nessa ihr außerhalb der Schule begegnete, im Coffee-Shop oder beim Friseur, sprach die Lehrerin mit ihr immer wie mit einer Freundin. »Entschuldigen Sie die Verspätung«, sagte Nessa.

»Keine Ursache«, sagte Ms Johnson und wies auf den Stapel Schüleraufsätze. »Ich habe jede Menge Lesestoff, mit dem ich mich beschäftigen kann.« Sie griff nach einem Lineal und klopfte einen Rhythmus auf den Tisch, ein leises, nerviges Geräusch, tock, tock, tock. Mit so was konnte man bei Jennifer auch rechnen, und Nessa musste sich ermahnen, nicht zu sagen, sie solle damit aufhören.

»Finden Sie auch, dass Jennifer in letzter Zeit etwas in sich gekehrt wirkt«, sagte Ms Johnson, »dass sie verschlossener ist als sonst?«

Als sonst? Jennifer war still, das ja, aber in sich gekehrt war etwas anderes, oder? »Sie ist ein Teenager«, sagte Nessa, »in sich gekehrt ist die Werkseinstellung.«

Ms Johnson runzelte die Stirn. »Ich habe den Eindruck, dass Jennifers Freundeskreis kleiner geworden ist. Das muss natürlich nichts besagen, wir achten aber auf solche Veränderungen. Sie ist nicht mehr in derselben Clique. Wissen Sie vielleicht, ob irgendetwas vorgefallen sein könnte?«

Nessa schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste.«

»Ihnen fällt also nichts ein, was sie belasten könnte?« Der Blick der Lehrerin grenzte ans Trotzige.

Sie waren keine Freundinnen, ging Nessa auf, und würden es auch nie werden. »Nein«, sagte sie.

Ms Johnson seufzte. »Wie soll ich das ausdrücken ... Meines Wissens gibt es wohl Probleme zu Hause?«

Oh, Jennifer, dachte Nessa, als ob ich nicht schon genug um die Ohren hätte. »Es gibt keine Probleme«, presste sie mit enger gewordener Kehle heraus.

Ms Johnson legte das Lineal hin und lehnte sich zurück. »Verstehe«, sagte sie. Sie blickte zum Fenster, hinaus auf das Grün der sorgsam gepflegten Sportplätze. »Außerdem ist da noch das Problem, das zwischen Ihrer Tochter und Mandy Wilson entstanden ist.«

Das Blut stieg Nessa in die Wangen. »Von einem Problem mit Mandy habe ich nichts gehört.« Bitte tu mir das nicht an, Jennifer, dachte sie. Bitte.

»Sie waren richtig gute Freundinnen, nicht?«, sagte Ms Johnson. »Beste Freundinnen, hätte ich gesagt, aber das ist bei Mädchen dieses Alters ja nicht in Stein gemeißelt.« Ms Johnson lächelte, als wolle sie die Gereiztheit von eben wettmachen, Nessa konnte das Lächeln aber nicht mehr erwidern. Ihre Hände hatten sich ohne ihr Zutun um den Rand des Plastikstuhls geklammert, und sie zog sie zurück auf den Schoß.

»Es ist seit einiger Zeit«, fuhr Ms Johnson fort, »nicht zu übersehen, dass sie keine Freundinnen mehr sind ...« Sie hielt inne. »Ich muss es leider so unschön sagen, aber Jennifer mobbt Mandy.«

»Nein«, sagte Nessa. Ausgeschlossen. Ihr Kind war keine Mobberin.

»Leider doch«, sagte Ms Johnson.

»Was genau ...« Nessa verstummte, musste mehrmals schlucken. Es war das Wilson-Mädchen, was sonst. In den vergangenen Monaten hatte Nessa schon ein paarmal gedacht, das Maß des Erträglichen sei jetzt erreicht, nur um eine neue Demütigung erleben zu müssen. Schlimm genug, dass Cora Wilson sich aufführte, als wäre nichts vorgefallen, zum zweiten Mal für den Elternbeirat kandidierte und sogar gewählt wurde. Erst vorige Woche hatte Coras rundes, joviales Gesicht sie angestrahlt, als Nessa nach dem Newsletter der Schule griff. Sie blickte zu Ms Johnson, versuchte ihr am Gesicht abzulesen, wie viel sie wusste, doch die Miene der jungen Frau war unergründlich. Nessa räusperte sich. »Was ist passiert?«

»Früher waren sie unzertrennlich«, sagte die Lehrerin. »Man sah die eine nie ohne die andere. In der Cafeteria saßen sie jeden Tag zusammen am Tisch. Jetzt isst Jennifer mit anderen, mit denen sie sich vor kurzem angefreundet hat, zu Mittag - vor allem mit einem Mädchen aus der Klassenstufe darüber, einer von den Sullivans, Sie kennen sie vielleicht.«

Nessa nickte. »Der Name ist mir geläufig. Ich glaube, sie kommt heute zu uns nach Hause.«

»Mandy isst jetzt allein«, fuhr Ms Johnson fort. »Sie ist jetzt, mehr noch als Jennifer, in der Klasse isoliert. Sie ist verschlossener, kommt offenbar nicht zurecht mit der ganzen ...« Ms Johnson sah sich kurz im Klassenzimmer um, als wolle sie, dass ein passendes Wort sich dort einstellte, »... Situation.«

Es gab Nessa einen Stich, ihr schlechtes Gewissen meldete sich. Aber insgeheim war sie auch froh zu hören, dass die Freundschaft ihrer Tochter mit dem Wilson-Mädchen sich abgekühlt hatte. Es war schwer, beim Anblick Mandys jedes Mal unweigerlich an deren Mutter denken zu müssen. Und wenn Jennifer und Mandy nicht befreundet gewesen wären, hätte Cora Wilson Philip vielleicht nie kennengelernt und ihre Zuneigung auf ihren eigenen Ehemann beschränkt.

»Das gehört zu den Dingen, bei denen Eltern nichts ausrichten können, nicht wahr?«, sagte Nessa. »Sie sind sechzehn. Wir können sie nicht dazu anhalten, Zeit miteinander zu verbringen, wenn sie es nicht wollen. Und mit neuen Freunden zu Mittag essen ist ja wohl kein Mobben. Vielleicht könnten Sie mit Mandys Eltern sprechen?«

Ms Johnsons Blick war ruhig. »Ich glaube, Jennifer macht es genauso zu schaffen wie Mandy«, sagte sie. »Diese Freundschaft fehlt ihr, das weiß ich. Es ist ein klassischer Fall von fehlgeleitetem Zorn, so als schlüge sie um sich. Und es geht leider um mehr als bloß neue Freunde, mit denen Jennifer zu Mittag isst.« Sie hielt inne. »Einige Schreibhefte, die Mandy gehören, sind verschwunden.«

Nessa streckte den Rücken durch. »Jetzt ist meine Tochter also eine Diebin?«

»Das habe ich nicht gesagt.« Ms Johnsons Ton blieb neutral. »Bitte achten Sie genau auf das, was ich sage.« Sie stand auf, ging zum Wasserspender und kam mit einem Glas zurück, das sie Nessa anbot.

Nessa schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«

Ms Johnson stellte das Glas auf den Tisch. »Ich lasse es hier, falls Sie es sich anders überlegen.« Sie griff wieder nach dem Lineal, klopfte sich damit dieses Mal aber aufs Knie. »Jennifer hat auch beim Feldhockey aufgehört. Sie sagt, sie will nicht in einer Mannschaft mit Mandy spielen. Ich habe mehr als einmal gehört, wie sie Mandys äußere Erscheinung kommentiert hat - ihr Gewicht, ihre Haare zum Beispiel. Und mir ist aufgefallen, dass Mandy nach Schulschluss allein nach Hause geht.«

Es stimmte, es war lange her, dass Mandy Wilson nach der Schule auf ihrer Couch oder, in der Mehrzahl der Fälle, auf einem Sitzsack im Wohnzimmer herumgelümmelt und YouTube-Videos angesehen hatte. »Wann hat das angefangen?«, fragte Nessa, obwohl sie es sich denken konnte.

»Vor ein paar Monaten. Aber es hat sich in den letzten Wochen verschlechtert. Ich befürchte, die anderen Mädchen aus dem Jahrgang ergreifen mittlerweile Partei für die eine oder andere Seite.«

Nessa schluckte. »Wieso erfahren wir erst jetzt davon?«

Der Blick der Lehrerin flackerte wieder zu dem einladenden Grün draußen. »Ich habe doch beim Elternabend mit Jennifers Vater darüber gesprochen. Er hat es Ihnen gegenüber wohl nicht erwähnt?«

Als Nessa schwieg, sagte Ms Johnson: »Damit wären wir auf Umwegen wieder dort angelangt, wovon ich schon anfangs sprach -, ob es vielleicht Probleme bei Ihnen zu Hause gibt ...«

Nessa stand unvermittelt auf und stieß gegen den Tisch, wodurch das Glas Wasser umkippte.

»Bitte setzen Sie sich«, sagte Ms Johnson. Sie hob den Stapel Aufsätze aus dem Weg des herankriechenden Wassers und tunkte das Verschüttete mit einem Papiertaschentuch auf. »Ich sehe ein, dass Ihnen das bestimmt unangenehm ist. Unter den Umständen. Aber wir müssen an Jennifer denken. Und an Mandy. Ich versichere Ihnen, dass ich in...

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Danielle McLaughlin hat als Rechtsanwältin praktiziert, bevor sie mit 40 Jahren zu schreiben begann. Ihre Geschichten wurden in The New Yorker, The Irish Times, The Stinging Fly und verschiedenen Anthologien veröffentlicht, sie gewann u.a. die William Trevor/Elizabeth Bowen International Short Story Competition und den Willesden Herald International Short Story Prize. Ihr Erzählungsband »Dinosaurier auf anderen Planeten« kam 2015 auf die Shortlist der Irish Book Awards Newcomer of the Year und wurde 2019 mit einem der höchstdotierten literarischen Preise weltweit ausgezeichnet, dem Windham-Campbell Prize. »Die Kunst des Fallens« kam 2022 auf die Shortlist des Dublin Literary Award. Danielle McLaughlin lebt im County Cork, Irland.