Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Haie in Zeiten von Erlösern

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am17.08.2022
Ein starker, außergewöhnlicher Roman, der die Legenden über die Götter von Hawaii mit einer aufrüttelnden Familiengeschichte verbindet.
Nainoa ist sieben Jahre alt, als er von einem Ausflugsboot in den Pazifik fällt und bald von mehreren Haien umkreist wird. Alle befürchten das Schlimmste, doch der größte Hai trägt ihn sanft im offenen Maul zu seiner Mutter zurück - eine Legende ist geboren. Nainoas Familie gehört nicht zu den Reichen auf Hawaii, und als die Zuckerrohrindustrie zusammenbricht, haben sie mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Was sie als Gunstbeweis der alten hawaiianischen Götter gedeutet haben, weicht mit der Zeit der harschen Realität, alle drei Kinder gehen aufs amerikanische Festland, um ihren Weg zu machen, aber die Sehnsucht nach ihrer Heimat und auch die magischen Kräfte, die sie dorthin zurückziehen, sind stärker ...

Kawai Strong Washburn ist an der Hamakua-Küste von Big Island, Hawaii geboren und aufgewachsen. Er studierte Makroökonomie an der Columbia University in New York City, bevor er zur Literatur wechselte und Schriftsteller wurde. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen Töchtern in Minneapolis. »Haie in Zeiten von Erlösern« ist sein erster Roman, für den er u. a. mit dem PEN/Hemingway Award ausgezeichnet wurde.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin starker, außergewöhnlicher Roman, der die Legenden über die Götter von Hawaii mit einer aufrüttelnden Familiengeschichte verbindet.
Nainoa ist sieben Jahre alt, als er von einem Ausflugsboot in den Pazifik fällt und bald von mehreren Haien umkreist wird. Alle befürchten das Schlimmste, doch der größte Hai trägt ihn sanft im offenen Maul zu seiner Mutter zurück - eine Legende ist geboren. Nainoas Familie gehört nicht zu den Reichen auf Hawaii, und als die Zuckerrohrindustrie zusammenbricht, haben sie mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Was sie als Gunstbeweis der alten hawaiianischen Götter gedeutet haben, weicht mit der Zeit der harschen Realität, alle drei Kinder gehen aufs amerikanische Festland, um ihren Weg zu machen, aber die Sehnsucht nach ihrer Heimat und auch die magischen Kräfte, die sie dorthin zurückziehen, sind stärker ...

Kawai Strong Washburn ist an der Hamakua-Küste von Big Island, Hawaii geboren und aufgewachsen. Er studierte Makroökonomie an der Columbia University in New York City, bevor er zur Literatur wechselte und Schriftsteller wurde. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen Töchtern in Minneapolis. »Haie in Zeiten von Erlösern« ist sein erster Roman, für den er u. a. mit dem PEN/Hemingway Award ausgezeichnet wurde.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641247249
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum17.08.2022
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1523 Kbytes
Artikel-Nr.9098749
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

MALIA, 1995

Honoka a

Wenn ich die Augen schließe, sind wir alle noch am Leben, und es wird offenbar, was die Götter von uns wollen. Die Mythen, die die Leute über uns erzählen, mögen ja mit jenem türkisblauen Tag vor Kona und mit den Haien anfangen, aber ich weiß es besser. Unser Anfang war viel früher. Dein Anfang war viel früher. Das Königreich Hawai i war schon lange zerstört - der atmende Regenwald und die singenden grünen Riffe zermalmt vom Haole-Kommerz der Beach-Resorts und Wolkenkratzer -, und so lange schon rief das Land. Das weiß ich jetzt durch dich. Und dass die Götter nach Veränderung hungerten und dass du diese Veränderung warst. In unseren ersten Tagen habe ich so viele Zeichen gesehen, aber ich habe nicht geglaubt. Das erste Zeichen kam, als dein Vater und ich nackt auf seinem Pick-up waren, im Waipi o Valley, und die Nachtmarschierer sahen.

Wir waren an einem Freitag ins Waipi o Valley gefahren, pau hana. Auntie Kaiki hütete zu Hause deinen Bruder, und dein Vater und ich wussten, dass wir diesen kinderfreien Abend nutzen würden, um uns um den Verstand zu vögeln, waren schon ganz kribblig, wenn wir nur dran dachten. Ist ja auch klar, oder? Unsere Haut dunkel von der Sonne und dein Vater damals noch mit seinem Footballspieler-Body, ich mit meinem vom Basketball, und die Liebe war für uns das Tollste überhaupt. Und da war das Waipi o Valley: eine wilde grüne Schlucht, zerteilt von einem silbrig braunen, spiegelglatten Fluss, dann ein breiter schwarzer Sandstrand, der in den schäumenden Pazifik führt.

Langsam runter auf den Talgrund im klapprigen Toyota Pick-up deines Vaters, Haarnadelkurve um Haarnadelkurve, rechts ein fast senkrechter Absturz, unter den Reifen geflickter Teer, die Straße so steil, dass sich die Kabine des Wagens mit dem Geruch des überhitzten Motors füllte.

Dann auf dem Talgrund ein holpriger Fahrweg aus Sand und taillentiefen Schlammpfützen, und wir waren am Strand und parkten direkt an den gesprenkelten schwarzen Steineiern, die den Sand säumten; dein Vater brachte mich zum Lachen, bis meine Wangen brannten und die letzten Schatten der Bäume lang in Richtung Horizont fielen. Der Ozean donnerte und knisterte. Wir rollten unsere Schlafsäcke auf der Ladefläche des Pick-ups aus, auf der nach Kies riechenden Schaumstoffmatte, die dein Vater extra für mich hingelegt hatte, und sobald die letzten Teenager gegangen waren und ihre wummernden Reggae-Bässe im Wald verklangen, zogen wir uns aus und machten dich.

Ich glaube nicht, dass du meine Erinnerungen hören kannst, nein, also ist das, was ich jetzt sage, nicht zu pilau, und ich erinnere mich einfach gern. Dein Vater packte eine Handvoll von meinem Haar, dem Haar, das er liebte, schwarz und hawaii-wellig, und mein Körper begann sich rhythmisch an sein Becken zu drängen, und wir stöhnten und keuchten, pressten unsere stumpfen Nasen aneinander, und ich schob uns auseinander und setzte mich rittlings auf ihn und machte weiter, und unsere Haut war so heiß, dass ich sie am liebsten aufbewahren wollte, für all die Momente, in denen ich je wieder frieren würde, und seine Finger streichelten meinen Hals und seine Zunge meine braunen Brustwarzen, die Zärtlichkeit war ein Teil von ihm, den niemand je sah, und unser Sex machte seine Geräusche, und wir lachten ein bisschen und machten die Augen zu und wieder auf und wieder zu, und das letzte Tageslicht verschwand, während wir immer weitermachten.

Wir lagen auf unseren Schlafsäcken, und in der kühlen Luft fühlte sich unsere feuchte Haut ganz frisch an, und plötzlich wurde das Gesicht deines Vaters ernst, und er rollte sich von mir weg.

»Siehst du das?«, fragte er.

Ich wusste nicht, was er sah - ich war immer noch dabei, aus einer Art Nebel aufzutauchen, rieb immer noch meine Schenkel aneinander wegen des Kribbelns dort, dem letzten Rest des Ansturms unserer Liebe -, aber dein Vater setzte sich jäh auf. Ich ging auf die Knie, immer noch trunken vom Sex. Meine Brüste schwangen gegen seinen linken Bizeps, und mein Haar fiel über seine linke Schulter, und obwohl ich erschrocken war, war mir immer noch nach Sex, und ich hätte ihn am liebsten wieder in mich hineingezogen, auf der Stelle, Gefahr hin oder her.

»Da«, flüsterte er.

»Ach, komm«, sagte ich. »Hör auf mit dem Quatsch, Lolo.«

»Da«, sagte er wieder. Und ich schaute hin, und was ich sah, machte mich schlagartig nüchtern.

Oben auf dem entfernteren Kliff war eine lange Reihe zitternder Lichter erschienen, langsam auf und ab wippend bewegten sie sich den Kamm entlang. Grün und weiß, flackernd, es mussten fünfzig Stück sein, und dann erkannten wir, was diese Lichter waren: Flammen. Fackeln. Wir hatten von den Nachtmarschierern gehört, waren aber immer davon ausgegangen, dass sie nur ein Mythos waren, Teil eines Hymnus auf das verlorene Hawai i, diese Geister der längst verstorbenen ali i. Aber da waren sie. Marschierten langsam das Kliff entlang zum hinteren Ende des Tals, was auch immer dort in der Feuchte und Dunkelheit auf untote Könige warten mochte. Die Kette der Fackeln arbeitete sich langsam voran, blinkte zwischen den Bäumen auf, mal tiefer, mal höher, und dann plötzlich erloschen die Flammen allesamt.

Ein lautes Ächzen hallte durchs Tal, überall um uns herum, das Geräusch, das in meiner Vorstellung ein sterbender Wal machte.

Was auch immer dein Vater und ich hätten sagen wollen, blieb uns in der Kehle stecken. Wir sprangen von der Ladefläche und zogen uns hastig an, die Zehen voller kratzigem, schwarzem Sand, hüpfend und keuchend, und nichts wie ins Auto, Motor anlassen, und dein Vater ließ den Motor aufheulen, als wir durchs Tal zurückrasten und die Scheinwerfer über Steinbrocken und Schlammpfützen und leuchtend grüne Blätter huschten, und die ganze Zeit wussten wir, dass diese Geister in der Luft hinter uns waren, um uns herum, und wenn wir sie auch nicht sahen, fühlten wir sie doch. Der Pick-up sprang über die ausgefahrene, marode Teerstraße, mal Bäume und Himmel in der Windschutzscheibe, dann wieder der Boden, rauf und runter, alles schwarz und blau, bis auf das, was unsere Scheinwerfer erfassten, und dein Vater jagte den Wagen zwischen den lauernden Bäumen hindurch und die vielen Kehren zum Ausgang hinauf. Wir entfernten uns so schnell vom Talgrund, dass unten nichts mehr zu sehen war als die paar Lichter von Häusern weiter hinten im Tal, die Silhouetten der Taro-Wasserfelder, weiß jetzt mitten in der Nacht.

Erst am Aussichtspunkt hielten wir an. Die Kabine war voll von Panik und gequältem Metall.

Dein Vater atmete tief durch und sagte: »Großer Gott.«

Es war das erste Mal seit langem, dass er etwas sagte, was mit Religion zu tun hatte. Und da waren keine Fackeln mehr, keine Nachtmarschierer. Wir hörten unser Blut in unseren Ohren pochen, und es sagte wir leben, wir leben, wir leben.

Nur eins von diesen Dingen, sagten wir uns, dein Vater und ich, bald danach und viele Jahre lang. Schließlich hatten so viele Leute in Hawaii ähnliche Sachen gesehen; wenn es bei einem Strand-Barbecue oder auf einer lanai-Party so richtig kanikapila-mäßig zuging, hörte man oft solche Storys.

Die Nachtmarschierer - du warst in jener Nacht gezeugt worden, und deine ganzen ersten Jahre hindurch passierten noch seltsamere Sachen. Wie sich Tiere in deiner Gegenwart veränderten. Plötzlich ganz ruhig, stupsten sie dich mit der Nase und umringten dich, als wärst du eins von ihnen, egal, ob es Hühner, Ziegen oder Pferde waren. Es passierte prompt und unweigerlich. Dann gab es die Momente, in denen wir dich in unserem Garten beim Essen von Dreck, Blättern oder Blumen erwischten: eine Handvoll nach der anderen, zwanghaft. Weit mehr als die blinde Neugier anderer keikis in deinem Alter. Und manche Pflanzen - die Orchideen in den Hängetöpfen zum Beispiel - erblühten fast über Nacht in den unglaublichsten Farben.

Nur eins von diesen Dingen, sagten wir uns immer noch.

Aber inzwischen weiß ich es.

Erinnerst du dich noch an Honoka a 1994? Es war gar nicht so anders als heute. Die MÄmane Street, auf beiden Seiten niedrige Holzhäuser aus den Anfangstagen des Zuckerrohrs, die Eingangstüren neu gestrichen, aber drinnen noch alles beim Alten. Die verwitterten Autowerkstätten, die Apotheke mit immer denselben Sonderangeboten im Fenster, das Lebensmittelgeschäft. Unser gemietetes Haus am Ortsrand mit seinen Schichten von abblätternder Farbe und seinen vollgestopften kahlen Räumen, die Dusche hinten an die Garage geklatscht. Das Zimmer, das du mit Dean geteilt hast und wo es anfing mit deinen Alpträumen, in denen es irgendwie um Zuckerrohr und Tod ging.

Diese Nächte. Du kamst leise an unser Bett, noch in den Laken verheddert, schwankend, die Haare total verklebt, dein Atem schniefend.

Mama, sagtest du dann, es ist wieder passiert.

Ich fragte dich, was du gesehen hattest, und aus dir heraus kam ein Schwall von Bildern - schwarze Felder, rissig und leer, Zuckerrohrhalme, die nicht aus der Erde wuchsen, sondern mir oder deinem Vater oder deinem Bruder oder uns allen aus der Brust, den Armen, den Augen, dann ein Geräusch wie in einem Wespennest - und während du sprachst, waren deine Augen nicht deine, dahinter warst nicht du. Du warst erst sieben, und die Sachen, die da aus dir herausströmten! Aber nach einer Minute warst du dann wieder da.

Das sind nur Träume, erklärte ich dir, und dann fragtest du, was ich meinte. Ich versuchte zu wiederholen, was ich von deinem Alptraum verstanden hatte - das Zuckerrohr, unsere Familie, die...

mehr

Autor

Kawai Strong Washburn ist an der Hamakua-Küste von Big Island, Hawaii geboren und aufgewachsen. Er studierte Makroökonomie an der Columbia University in New York City, bevor er zur Literatur wechselte und Schriftsteller wurde. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen Töchtern in Minneapolis. »Haie in Zeiten von Erlösern« ist sein erster Roman, für den er u. a. mit dem PEN/Hemingway Award ausgezeichnet wurde.